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IV. Capitul. Jost kommt zu einer Alten von Adel. Wie es ihm mit ihrer Tochter gegangen.

Was man in jungen Jahren treibt,
Im Alter selten außen bleibt.

Nach ihrem Abschied blieb ich noch etlich wenige Tag auf dem Gut, in welcher Zeit ich dem Meier Nachricht gegeben, wie er künftigen Frühling die Kühe- und Schweinställe samt den neuen Miststätten zurichten sollte. Und weil ich wohl sah, daß ihm, das Werk auf diesem Hof allein zu fuhren, etwas zu schwer fallen wollte, ward ich entschlossen, mich um einen tauglichen Hofmeister umzusehen, welcher hierinnen die Inspection führen und meine Rechnungen führen sollte. Nach solcher Anordnung ritt ich mit meinem Josten wieder zurück. Und weil ich noch voll Verlangen war, zu hören, wie es ihm bei der alten Edelfrauen gegangen, fuhr er in seiner hinterlassenen Erzählung weiter fort und sagte:

»Ich habe Euer Gestreng mit mehrerem erzählet, wie und auf was Art der karge Edelmann als mein erster Herr in der Schlinge ist zerprügelt worden, auch wie etliche unter uns, insonderheit aber ich, von dem Schlosse hinweggekommen.« – »Ja,« sagte ich, »das hab ich alles von dir vernommen. Darum sage nur fort, wie es dir bei der alten Couranie, nämlich der Edelfrauen, ergangen.« – »Nun,« sagte der Knecht, »so vernehmet mich weiter. Zuvor sagte ich, daß sie mich nur wegen meiner Liverey aufgenommen, und dahero hatte sie mich so lang in Diensten, als lang mir solche an dem Leibe sitzen geblieben. Aber nach einem halben Jahr jagte sie mich wieder hinweg, zwischen welcher Zeit ich hinter manches Stücklein gekommen.

Sie hatte eine Tochter, die war nicht allerdings plasy.« – »Was ist das,« sagte ich zu dem Jost, »plasy?« – »Das ist so viel,« sagte er, »als nämlich, sie war vor dem Loche nit allerdings sturmfrei, denn sie löffelte trefflich gern, und weil ich ein einfältiger Jung war, mußte ich ihr allerlei Buhlbrieflein austragen. Ein Alter vom Adel, welcher nit weit über das Feld hinüber wohnete, hatte sich am allermeisten an sie gehangen. Aber das Mädchen zog ihn nur bei der Nase herum und narrte ihm gar viel Spendaschien ab, welche sie hernach eines Schulmeisters Jungen verehrte, der in der Kirche auf der Orgel gesungen hat. Dieser war achtzehen Jahr alt, und kam ihm allgemach die Weiberandacht an, als sie ihm allerlei Gelegenheit gab, seinen Mutwillen zu treiben. Aber der Schreiber war dem Jungen deswegen aus lauter Eifer so gehässig und widersinnig, daß er allerlei Schelmstück bei der alten Edelfrauen von ihm vorgab, auf daß sie ihn aus dem Dorf jagen möchte. Die Tochter sagte es dem Jungen wieder, und der Jung sagte es dem Schulmeister. Darüber kam der Schreiber mit dem Schulmeister in einen Zank und von dar gar zu guten Kopfnüssen, indem sie oft wie die giftigen Hunde aneinander angefallen und sich über Tisch und Bänke herumgerissen haben. Der Bierbrauer in dem Schloß war noch ein Junggesell und dachte vielleicht auch öfter an die Tochter als an sein Malzhaus. Und weil sie zu solchen Händeln leichtfertig genug war, hätte sie sich leicht an ihn gehänget, bis der Jäger auch zum Brett kam; und ich kann schwören, daß sie mich gar oft zu sich ins Bett geleget, besonders wenn ihre Frau Mutter an dem Stein krank lag, mit welchem Zufall sie ziemlich angefochten worden. Denn zur selben Zeit mußte die alte Hausfrau Ursel bei ihr wachen, und also gab die Tochter vor, sie fürchtete sich so sehr alleine. Aber sie verbot mir doch, weder ihrer Frau Mutter noch einem andern Menschen etwas davon zu sagen.«

»Jost,« sagte ich, »wie tat dirs denn, wenn du bei ihr lagst?« – »Ha,« antwortete er, »wie sollt mir gewesen sein? Ich habe dazumal wenig oder gar nichts um die Sache gewußt. Aber das weiß ich noch wohl, daß sie mich oft eine halbe Stund aneinander geküsset und mir an dem Leib hin und wider gegriffen, gleich als wollte sie mir die Flöhe abfangen. Aber ich war halt gar zu eine kleine Kröt, deswegen wußte ich nicht, meinte sie es böse oder gut mit mir. ›Mein liebes Kind,‹ sagte sie, ›du bist gar zu fein zu einem Bauerjungen. Ich wollte, daß du größer wärest, du sollst flugs Schloßverwalter und hernach mein Mann werden.‹« – »Jost,« sagte ich, »der Vorschlag war gut.« – »Ja, Herr,« antwortete er, »aber es wurde nichts daraus, sonst säße ich besser als anjetzo.« – »Jost,« sagte ich, »wie hieß die Tochter?« Er antwortete: »Herr, sie hieß Veronia und ist hernach gar eine Gräfin geworden, habe sie aber seit meiner Jugend nimmer zu sehen bekommen.«

Aus dieser Erläuterung verstund ich mit einem rechten Stich durch das Herz, daß ebendiese die Veronia sei, von welcher der geneigte Leser schon einen ziemlichen Particul eingenommen. Deswegen ließ ich ihn fortfahren, denn mir war nicht unbekannt, daß sie schon in frühzeitiger Jugend ein schlimmes Leben angefangen, ob ich schon noch niemalen so artig hinter die Sprünge gekommen. »Jost,« sagte ich, »fahre fort! Mein Jost, fahre fort! Wie ist dirs denn weiter mit der Veronia gegangen? Hatte sie dich denn trefflich lieb?« – »Ei, Herr,« antwortete er, »überaus.« – »Wie alt war sie denn?« fragte ich. »Dreizehen Jahr«, antwortete er. »Wie alt wärest denn du?« fragte ich weiter. »Ich war kaum acht Jahr alt,« antwortete der Jost, »aber ich hatte es doch gar gern, daß sie mich hin und wieder abgeklaubet hat. Und sooft sie mich zu ihr gelegt, schenkte sie mir des andern Tages gar viel süße Nonnen-Fürzlein, derer ich so viel gefressen, daß ich fast eine Äbtissin davon gehofiert habe.«

»Pfui, garstig,« sagte ich zu ihm, »du bist ein rechter grober Flegel.« – »Ja, Herr,« antwortete er mit lachendem Mund, »sie schmeckten mir gleichwohl gar zu gut. Aber einsmals soff sie mich, ehe wir uns zu Bette legten, in gutem Weine sternblitzvoll, und ich weiß wahrlich nicht, wie sie dieselbe Nacht mit mir umgegangen. Aber des andern Morgens wurde ich gewahr, daß ich das Bett über und über ganz verunreinigt und besudelt hatte, denn ich ließ hinten und vorn von mir gehen. Und damit die Sache verschwiegen blieb, stackte die Tochter die Bettücher heimlich ins Secret und nahm stracks ein anders Paar aus dem Schrank, weil sie in dem Schloß zu allen Kisten und Kasten die Schlüssel bei sich hatte.

Es ist nicht zu beschreiben, wieviel sie Freier gehabt. Denn sie wurde je länger je schöner, bis sie endlich in ein stattliches Frauenzimmer gekommen, und das geschah noch vier Wochen zuvor, ehe mich die Alte vom Adel wieder hinweggejaget, weil sie mich zu keiner Sache gebrauchen können. Sie gab mir nicht mehr als drei Groschen zur Wegzehrung. Deswegen weinte ich auf dem Weg die bittersten Tränen, weil ich nicht gemeint hätte, daß sie mich so schlecht abfertigen sollte. Ach, gedachte ich, wäre doch die Veronia nicht so bald hinweggezogen! Diese hätte dir wohl einen schönen Ducaten verehret, aber nun ist es zu spät. Wüßte ich, wo sie wäre, ich wollte stracks zu ihr. Was fang ich nun an? Ich habe kein Geld, ich habe kein Kleid, ich habe keinen Dienst und darf nicht wieder heim in das Dorf. Ja, gedachte ich, du mußt halt hingehen, wo dich der Weg hinträgt, es sei gleich auf- oder abwärts. In einem solchen Zustand ging ich einen ziemlichen Umschweif. Und wenn mich hungerte, bettelte ich mich bei einem Bauren zu Gast, war es aber in einer Stadt, so suchte ich meine Gelegenheit anders. Nichts wundert mich mehr, als da ich einsmals in eine Stadt kam, bettelte ich zu einer adeligen Dam über das Fenster hinauf. Sie ließ mich gar zu ihr kommen, und dorten fragte sie mich alles aus, wer mein Vater war, wie meine Mutter hieße, wie alt sie wären, wo ich gedienet hätte, wer mir die Liverey machen lassen und dergleichen. Als ich nun auf alles Bescheid gegeben, daß mein Vater Martin und meine Mutter Anna hieße und daß sie allgemach über fünfzig Jahr alt wären und so fort, da bekam sie Lust, mich weiter zu examinieren, wie ichs auf den Schlössern gemacht hätte, ob es nicht schönes Frauenzimmer darauf gegeben. Hiermit erzählte ich ihr, wie ichs mit der Veronia oder wie sie es vielmehr mit mir getrieben. Das gefiel ihr ausdermaßen wohl, und weil sie meinem Unverstand ziemlich trauete, fragte sie mich noch viel mehr, ob ichs nicht so und so gemachet und dies und das getan hätte. Daraus ich bis gegenwärtige Stunde geschlossen, daß dem Frauenzimmer an der Wissenschaft solcher Lappereien ein ziemliches müsse gelegen sein, unerachtet ich nicht sehen kann, was sie vor einen Nutzen davon haben.«

»Ja, mein lieber Jost,« sagte ich zu ihm, »du bist ein Narr. Solche Sachen hören sie viel lieber, als wenn du ihnen von allen Geschichten der Welt ein langes und ein breites daherplauderst. Denn solche Heimlichkeiten sind kützlich zu hören, bevoraus, wenn sie in der geheim und still dahinterkommen können. Aber öffentlich werden sie von solchen Erzählungen hinweglaufen, wie sie der Henker davonjagte. Ich kenne ihrer gar viel, mein lieber Jost, die nichts Liebers lesen, als wo es ein wenig garstig kommt. Sie sagen zwar: Pfui Teufel, ist das nicht ein zotenhaftiges Buch! Aber sie gedenken: Ach, wenn es doch noch besser käme, wenn es doch noch besser käme! Und dieses ist ein Fehler, welchen alle Menschen bekennen müssen, wenn man von der unvollkommenen Keuschheit disputiert.

Mein lieber Jost, was meinest du wohl, daß dich die Veronia mit sich ins Bett genommen und dich die andre von Adel so haarklein examiniert hat? Oh, sie haben wohl gewußt, daß du ein einfältiger Teufel seiest, welcher weder um Schwarzes noch Weißes weiß. Gehe anitzo die ganze Welt aus, du wirst eine solche Gelegenheit nimmer erhaschen, nur darum, weil du nicht mehr so einfältig bist. Denn etliche Leute glauben, daß die Sünde verbergen so viel sei als nicht sündigen, und weil niemand verschwiegener ist als ein Einfältiger, als hat niemand größers Glück bei dem Frauenzimmer als die Narren. Ich rede aber von solchen, welche wie die unbändige Wildstuten von Begierden brennen und ihre größte Vergnügung in der Winkelliebe suchen, auch sich nicht scheuen, einen unschuldigen Jüngling zu verführen und das Hurengift beizeiten in die jungen Herzen zu gießen. Aber, Jost, wie ist dirs denn weiter gegangen?«

»Euer Gestreng,« antwortete er, »es ging mir gewaltig närrisch. Denn wie ich so gar nicht ankommen konnte, kam ich in einem Wald in eine Glashütten. Daselbsten bin ich bei dem Kühlofen gebrauchet worden, aber es währete auch nicht gar zu lange. Als ich etliche Gläser zerbrach, da jagte mich der Meister wieder davon, ob ich den Ort schon ausdermaßen ungern vermisset, denn es war Winterzeit so hübsch warm, und nicht weit davon wohnte ein Einsiedler, der uns fast alle Tag zugesprochen.

Nachdem ich die Glashütte verlassen, lief ich zu dem Einsiedler Bernhard, welchem ich das Brot auf den Dörfern sammlen mußte. Er hing mir einen langen Capucinermantel um den Leib, also daß ich obenher nur mit dem Kopf hervorguckte. Auf dem Rücken hatte ich einen angenähten Sack hängen, in welchen mir die Bauerweiber Käs, Brot, gedörrte Äpfel, Birn, Kletzen und Hutzeln hineinwarfen; unterweilen gaben sie mir auch Geld. Aber etliche hießen mich des Einsiedlers Hurenkind und jagten mich mit großen Knitteln von der Tür hinweg. Mit solchem Bettelgehen vagierte ich so lang in den Dörfern herum, bis mein Sack genug hatte. Alsdann ging ich wieder nach der Klause zu, allwo Bruder Bernhard einen ziemlichen Particul dergleichen Speisen beisammen hatte. Er lernte mich recht schöne Gebet, und ihm hab ich es zu danken, daß ich lesen kann. Ich hab mein Leben lang kein so geruhiges Leben geführet, und es hat mich gar oft gereuet, daß ich nicht mein Lebtag bei ihm geblieben. Er war ein überaus frommer Mann, und ich kann nicht mit Wahrheit sagen, daß ich zeit meines Daseins nur ein ungereimtes Wort von ihm gehöret. Wenn ich ihm sagte, daß mich die Leute seinen Hurensohn hießen, sagte er: ›Die Welt machts nicht anders, sie siehet das Beste vors Schlimmste und das Schlimmste gemeiniglich vors Beste an.‹

Er fastete alle Wochen drei Tage und betete täglich sechs Stunden auf den Knien. Aber einsmals kam ich in einen Pfarrhof betteln, da ließ mir der Pfarrer meinen Mantel samt dem Brotsack abnehmen, denn er sagte, daß das müßige Leben zu nichts taugte, als die Leute faul zu machen und von der Arbeit abzuhalten. Aber die Wahrheit zu gestehen, so ist der Einsiedler Bernhard zehnmal andächtiger als der Pfarrer gewesen, so viel sich derselbe auch mit seinem Leben vor dem Einsiedler eingebildet. Anstatt meiner vorigen Andacht wurde ich zu der Stallarbeit angehalten, und dorten lernete ich in kurzem viel mehr von den Knechten fluchen, als ich zuvor bei dem Einsiedler beten gelernet. Ich brachte wohl drei ganzer Wochen mit Mist-Austragen zu, und ist nicht zu sagen, wie voller Läuse ich geworden. So war auch unsre Haushälterin mit Haut und Haar des Teufels nicht wert. Denn sie konnte es nicht gestatten, daß wir nach schwerer Arbeit auch nur ein Viertelstündlein ausruheten, sondern gab uns einen Filz über den andern, sooft sie uns in dem Stall oder sonsten müßig stehen sah. Wenn die Stallarbeit verrichtet und die Pferde gefüttert waren, so mußte ich mit den Knechten Holz tragen oder die Stockfische in dem Holzstadel klopfen, und ich kann nicht sagen, wie uns die Haushälterin getribulieret.

Wenn wir den Hut nicht geschwinde vor ihr abnahmen, so sagte sie: ›Ihr Eselsköpfe, ihr Galgenschwengel! Wisset ihr eine große Befehlshaberin nicht anders zu respectieren? Müßt ihr grobe Bachanten so unhöflich sein und mich ohne Reverenz vor euch gehen lassen? O ihr ungeschickte Tölpelsköpfe! Man sollt euch eure Ochsenköpfe vor die Füße legen! Der Teufel soll euch über den Hals kommen. Ihr sollt meinen Respect in acht nehmen, oder es wird aus einem andern Fasse gehen!‹ Und mit solchen Worten begegnete sie uns fast täglich, denn sie legte selten eine Rede gegen uns ab, welche nicht mit unterschiedlichen Bärnhäuters-Titeln untermischet war.«


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