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Die Jugend ist der Schalkheit voll,
Frißt, säuft, wenn sie studieren soll.
Kurz vorhero ist erwähnet worden, daß die adelige Gesellschaft entschlossen, ihre angefangene Erzählung fortzuführen. Dahero kamen wir abgeredetermaßen in dem vorigen Zimmer diesen Morgen zusammen, und als sich jeder an seinen Ort gesetzet, fuhr Ludwig fort, seine Begebenheiten folgends zu endigen:
»Gestern«, sagte er, »habe ich mit gar kurzen Umständen entworfen, welchergestalten ich eine verhurte Abenteuer in dem Schlosse meines Vetters angetroffen, nach welcher ich voll von wunderlichen Gedanken durch einen Laquay zu meinem Vater auf das Gut zurückgeführet worden. Mein Herr Vater gab mir nach einer langen Predigt die Absolution mit einem guten spanischen Rohre, aber die Frau Mutter fiel ihm fast in alle Streiche, die er auf mich tat, dahero traf mich der zehente nicht, und ich war damals schon so klug, daß kein bessers Mittel als die Tür vor mich möchte ersonnen werden. Dahero wartete ich so lang in einer Kammer nächst der Canzeley, bis meinem Vater der Zorn vergangen, welcher nicht allzu lang zu dauern pflegte, und nach einer halben Viertelstund machte ich mich wieder aus dem Winkel hervor, nachdem ich die Schläge von dem Rücken gebeutelt wie ein nasser Hund das Wasser. Und ob ich schon nichts Hauptsächliches empfund, stellete ich mich doch nicht anders an, als hätte er mir eine Rippe in meinem Leibe entzweigeschlagen, welches denn die Jugend, absonderlich zu diesen Zeiten, meisterlich zu practicieren weiß und oft nach einem kleinen Puff ein solch großes und jämmerliches Geschrei anfängt, gleich als wäre der Kopf schon weiter von dem Leibe gesprungen als der Apele von Gallen.
Ich sagte zu der Mutter, daß mir das Herz so wehe täte, da fing sie an zu weinen. ›0 mein allerliebstes Kind,‹ sagte sie, ›dein Vater hat dich mit dem Fuß in die Seite gestoßen, es kann gar wohl sein, daß er dir das Milz in dem Leibe hat entzweigesprungen.‹ Auf solches gab sie mir vor einen halben Taler ein Wässerlein ein, und ich selbst war mit Haut und Haar nicht acht Groschen wert. Ich mußte mich geschwind in ein Bett legen, und damit mich die Kälte nicht erschreckte, wärmte sie mirs mit einer Wärmflasche und hebte mich mit allen Leibeskräften hinein, allwo ich ein wenig schwitzen sollte. Sie satzte sich mit einem Fliegenwedel vor das Bette und weinete wohl zwei Schnopf-Salvet voll mit Tränen, daß man hätte das Wasser daraus winden können. Aber ich hätte immer heimlich unter der Decke lachen mögen, denn mir mangelte nichts als Pulver und Papier, damit ich aufs neue Raquetlein machen und unser Schloß gar hätte anzünden können.
Demnach trachtete mein Vater auf Mittel und Wege, mich in eine andere Kost zu verschaffen, und tat mich zu einem Pferd-Bereiter, allwo ich die adelige Exercitien begreifen sollte. Er hatte wohl in die achtzehen adelige Jünglinge beisammen und hielt ihnen ein eigenes Haus zur Miete, in welchem ich aufs neue allerlei Ränke und Schwänke angerichtet. Es war mir nicht genug, meinen Kameraden in dem Schlafe heimlich das Haar abzuschneiden, sondern ich stutzte endlich den Pferden die Schwänze in dem Stall, und unter die Sättel setzte ich Scorpionen, die haben hernachmals die Pferde gestochen, daß sie groß aufgeschwollen und gar umgefallen sind. Dergestalten bekam mein Vater einen Proceß an den Hals und wurde durch das Urteil gefället, daß er innerhalb Jahr und Tag schuldig sein sollte, dem Bereiter hundert Ducaten zu bezahlen.
Mein Vater floh die juristische Zänkerei wie der Teufel das Kreuz, dannenhero disputierte er das Geld gar nicht, ob sich schon etliche Advocaten bei ihm eingefunden, welche ihn versichert haben, daß sie die Sache so bestreiten wollten, daß er keinen Pfenning zu bezahlen sollte schuldig sein. Aber weil er dergleichen Leute artige Causen schon zur Genüge erfahren oder aber von andern erzählen hören, gab er keinem Gehör, sondern erlegte das Geld, ehe ein Monat ins Land ging. Aber nach seinem Tode fand ichs im Testament abgerechnet und mußte mirs mit großem Verdruß abziehen lassen, wie auch wegen des Küsterers abgebrannten Giebel, der ward mir allein auf zweiundvierzig Taler angerechnet.
In einen solchen Schaden stürzte mich mein eigener Mutwill, und der Vater wurde wieder gezwungen, mich von dem Bereiter anderwärts hinzutun, schickte mich dahero auf eine lateinische Schule und sagte, wo ich da nicht gut tun würde, müßte ich wider des Teufels Dank ein Schuhflicker werden. Er hielt mir ein stattliches Valet, bei welchem gar viel von meinen Freunden gewesen, welche vielleicht nur deswegen darzu berufen worden, daß sie mir eine gute Vermahnung geben, mit der ich auch vor diesmal hinweggezogen, nachdem mir zuvor meine Frau Mutter heimlich zwölf Reichstaler in einem Schnuptuch in meine Tasche gestecket.
Ich ging daselbst bei einem Schneider in die Kost, welcher ehedessen in seinem jungen Gesellenstand auf unserem Schlosse gearbeitet hatte. Derohalben befahl mich der Vater ihm in seine Aufsicht, aber der gute Schneider hätte selbst einen Præceptor vonnöten gehabt, welcher ihm fleißiger arbeiten und nicht so gar oft und viel Bier trinken hätte lernen und unterweisen sollen. Dieser Meister respectierte mich mehr, als mir zuvor geschehen. Er hieß mich Herr Junker und gab mir einen eigenen Hausschlüssel, damit ich aus und in das Haus kommen konnte, wann und wie es mir beliebte. Dieses gab mir gleich anfangs Gelegenheit, meinem Zaun nachzugehen, und es ist gar gewiß, daß ich niemals liederlicher als auf dieser Schule gewesen. Das Geld, vor welches ich mir hätte die Autores schaffen sollen, versoff ich mit meinen Condiscipuln im Brandewein, und wenn ich also sternvoll nach Hause kam, vermeinte der Schneider, ich wäre krank, und weil er Befehl hatte, vor mich auf Wiedererstattung Geld auszulegen, schickte er geschwind in die Apotheke und ließ allerlei Purgantien holen, damit ich bei meiner Gesundheit möchte erhalten werden.
Endlich wurde mein Herr Vater den Fehler innen und schickte mir anstatt des Geldes die eingebundene Autores, aber ich war doch viel schlauer, denn ich verkaufte dieselbigen Bücher um ein Spottgeld und spielete davor in der Karte und mit den Würfeln, welche ich viel öfter als eine Schreibfeder angegriffen. Wo ich einem ein Buch stehlen konnte, das steckte ich in der Schul heimlich in den Hosenschlitz, und hernachmals verkaufte ichs auf dem Trödel und versoff das Geldlein, so gut und so lang es dauerte. Es wird mirs wohl keiner unter allen meinen Mitschülern nachsagen können, daß ich, solang ich in der Schul gesessen, auf die Explication Achtung gegeben oder meine Lection gekonnt habe, dahero hieß mich der Præceptor immerzu hinter den Ofen knien, bis ichs recitieren konnte. Letztlich aber wurde ich ihm auch zu klug, denn ich ließ mir die Knie braun, blau und rot malen und stellete mich an, als hätte ich das rote Feuer an den Beinen, dadurch entledigte ich mich von der Strafe und lernete nichtsdestoweniger doch nicht, was er mir aufgegeben.
Wenn ein Examen Scholasticum vorüberging, so gab ich einem andern, der in der Klasse vor den Besten gehalten wurde, zwei Groschen, davor mußte er mir mein Argument, Carmen, Oration, Chriam oder dergleichen Dinge machen, und ich muß bekennen, daß sich diejenigen, so solche gelesen, oftermalen über meine Erudition verwundert haben. Und weil zur selben Zeit mein Vater gemeiniglich in die Stadt gekommen und dem Examen beigewohnet, gefiel es ihm von Herzen wohl, wenn er mich von andern loben hörte, und spendierte dem Præceptori wohl noch ein paar Ducaten darzu, und die Mutter schickte ihm einen halben Centner Flachs samt einem Dutzet westphälischer Schinken. Zuweilen verehrte sie ihn auch mit Käs, Butter und Leinwand, da ließ er fünfe gerade sein. Und ob ers gleich bei sich selbst gemerket und wohl gewußt hat, wie mir am fuglichsten zu helfen wäre, verschonte er mich doch nur wegen der Geschenke, weil er geforchten, meine Eltern durch seine Strafe zu beleidigen.
Aus diesem Übel entstunden noch unzählig viel andere, durch welche ich angefrischet worden, meiner Blindheit nachzufolgen. Und weil der Müßiggang eine Wurzel großer Sünden ist, fiel ich von einem Laster in das andere, bis ich endlich gar nicht mehr in die Schule gegangen, sondern mich meistens unter liederlichen Leuten in rechten Hurenwinkeln aufgehalten. Aber wenn ich aus dem Grunde der Wahrheit reden will, so lernete ich in solchen viel mehr als in der Schule, denn ich lernete viel Laster durch ihre eigene Abscheulichkeit fliehen und wurde eben von denjenigen auf eine bessere Bahn gewiesen, die mich zuvor auf ihren Pfad geleitet hatten.
Sehet, solch eine Frucht und ein solcher Kern stecket dennoch in einer verfaulten Schale, und es ist gewiß, daß man kein Laster, mit was vor Worten es auch sei, so abmalen kann, als es uns der Leib selbsten zeiget, und dahero ist ihre Häßlichkeit sehr wirkend in dem Gemüte desjenigen, welcher vermögend ist, seinen Affecten die Larve abzuziehen und der Tugend nachzufolgen. Wenn man gebrennet wird, so scheuet man sich desto mehr vor dem Feuer, und ich habe von derselben Zeit an kein Laster mehr gehasset noch geflohen als die Hurerei, weil sie der größte Feind ist aller derjenigen, so die Vergnügung in dem Geist suchen.
Es hat keiner mit mir studieret, der nicht wissen wird, daß ich trefflich gerne getrunken. Dahero trug ich sogar eine absonderliche Flasche in dem Schubsack, und sooft mich dürstete, begab ich mich unter die Tafel, gleich als ob ich Streusand zu langen willens wäre, aber ich tat es nur darum, daß ich einen guten Zug aus der Flasche herausheben könnte. Unterweilen gab ich auch meinen Mitschülern davon zu trinken, und anstatt wir unser Argument machen sollten, soffen wir uns voll, daß wir in der Schule hin und wider torkelten und die Schreibezeuge samt den Büchern über die Tafel hinabwarfen.
Mit dem Schneider ging ich gar um, daß es zu erbarmen war. Ich richtete in dem Haus allerlei Ungelegenheit an, und wenn mir in der Nacht not wurde, hofierte ich ihm auf einen großen gestohlenen Tuchfleck und schmiß ihn zum Fenster aus. Oh, das war gar nichts Neues noch Seltsames, daß ich den Hintern an seine Kleider gewischet, die er in seiner Stube hängen hatte, denn solches zu tun hatte ich durch ein Fenster, welches von meiner Kammer in seine Stube ging, gar gute und bequeme Gelegenheit.
Einesmals schickte eine Doctorin ein Leibstück zu ihm, das sollte er über Hals und über Kopf arbeiten und verfertigen, weil sie folgenden Tages auf eine Kindestaufe gehen sollte. Der Meister eilete soviel möglich, und weil ers nur um ein paar Finger mußte enger machen, wurde es noch vor Abend fertig. Ich gab gar genaue Achtung auf die Stelle, dahin er dieses Futteral über die Doctorin hingehänget hatte; und in der Nacht stund ich auf und wischte mich so rein aus, als vielleicht das Kind gewischet worden, zu dem die Doctorin morgen gehen würde. Aber ich machte es nur innenher, und zwar an dem braunen Taffet, damit das Leibstück durchaus gefüttert war, welches ich deswegen dorthin getan, auf daß mans an der Farbe desto weniger unterscheiden könnte. Des andern Tages holete der Schreiber dasselbe gar früh ab, und weil es der Schneider geschwinde zusammenlegte, unterließ er, solches innenher zu besehen. Es war sehr kalt, und derowegen eilete der Schreiber damit unter dem Mantel fort, und die Doctorin ließ es auch gut sein, weil sie gleich etwas von Armbändern zu kaufen hatte, welche sie heute bei der Kindestaufe antun wollte.
Als die bestimmte Stunde vorhanden war, kleidete sie sich an, und die Bittfrau sagte ihr schon zum andern Mal an, daß die andern Frauen schon in der Kindbetterin Stube versammelt wären und nur auf sie alleine warteten, alsdann sollte gleich angerichtet und gespeiset werden. Die Doctorin eilete, was sie konnte, und weil die Mägde keinen Spiegel in der Stube hatten, prügelte sie eine da hinaus, die andere dort hinaus. Bald war der Sessel nicht recht gesetzet, bald lagen ihr die Stecknadeln nicht recht, ja, sie konnte sich über eine Lumpensache so abscheulich zerfluchen, daß ihr Herr darüber erschrak, und weil sie keine Vermahnung von ihm annahm, mußte er aus der Stube gehen. Nach diesem rufte sie den Mägden wieder und wurf das Leibstück an den Leib, welches ich ihr vergangene Nacht so stattlich eingebalsamieret hatte. Als sie nun in ihrem besten Aufputz, mit einer Magd begleitet, über die Gasse ging, bildete sie sich ein, wie sie viel höher als arabianisches Gold glänzete, da sie doch innenher mit nichts als einem Kot gefüttert war. 0 vanitatum vanitas! war lauter Phantasey.
Die Compagnie war ob ihrer Gegenwart sehr erfreuet, ohne etlicher wenigen Frauen, welche ihr wegen der Präcedenz und andern Sachen halben heimlich in dem Herzen neidisch waren. Das Zimmer war ziemlich warm eingeheizet, derowegen fing der Pfifferling in der Doctorin ihrem Leibstück grausam an zu stinken, und so sehr sie auch Franciscus-Kerzlein auf den Ofen setzten, wollte es doch nichts helfen, sondern der Geruch wurde je länger je abscheulicher. Man merkte wohl, daß es von der Doctorin herkam, aber niemand getrauete, ihrs zu sagen. Sie merkte es selbst wohl und gedachte erstlich, sie hätte gar ins Hemd purgiert, und konnte fast vor Scham keinen Bissen essen. Etliche hielten die Nase zu, andere strichen Balsam auf die Hand und an den Wamsärmel, weil es auf demselben nach der neuesten Invention ein halb Jahr nacheinander riechen solle. Diejenige, so keinen Balsam hatten, brennten die Haar an den Händen ab, aber die Doctorin wußte nicht, was sie sagen oder wie sie sich anstellen sollte. Endlich gab sie vor, wie sie eine Schwachheit des Hauptes überfiele, und solchergestalten kam sie nach Haus, allwo sie bald die Schuhe, bald ihr Hemd beguckte, aber sie konnte kein Merkmal finden, daran sie sehen könnte, daß sie entweder eingetreten oder aus Unvorsichtigkeit losgebrennet hätte. Endlich, wie sie das Leibstück auszog, da kam der rechte Resonanz mit Haut und Haar, und ihre Mägde bekamen so viel davon zu riechen als die andern Gäste alle. Da sahen sie, wo der Schuh zerrissen war, und es hat gar nicht viel gefehlet, so hätte sie den Schneider einstecken lassen, wenn sie nur nicht so sehr geforchten hätte, daß ihre Schande der ganzen Stadt würde offenbar und hernachmals die Geschieht auf offenem Platz dörfte abgesungen werden.«