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Wer mehr ausgibt, als er nimmt ein,
Frißt endlich statt des Fleischs die Bein.
Wenn ich meine Feder wiederum aufs neue ansetze und meine angefangene Schrift zu continuieren verlange, geschieht es nicht deswegen, daß ich den geneigten Leser mit vielen und unangenehmen Umständen aufzuhalten verlange, zumalen mir die Begierde eines Lesenden aus dem genugsambekannt, weil ich Selbsten in Lesung solcher Schriften nichts mehr als eine umschweifende Weitläufigkeit gehasset, dadurch sowohl der Zeit als der Materi nicht ein geringer Abbruch geschiehet. Es hat aber keiner nichtsdestominder einzige Ursach zu glauben, daß ich gleich einem öffentlichen Marktschreier oder Possenreißer ihn nur mit lächerlichen Schosen zu unterhalten gedenke, denn darzu gibt mir weder meine Profession noch andere Ursach einzige Gelegenheit, welche ich jederzeit viel höher geschätzet als einen solchen Stand, der billig jedermanns Narr möchte geheißen und gehalten werden, denn ich weiß gottlob noch wohl, zu was solche Narrendeutungen gereichen und daß sie oftmals das Verderben nach sich zu ziehen pflegen.
Es sagte ein bekannter Ketzer auf seinem Totbett: A utinam non scripsissem: Ach, daß ich meine Feder niemalen hätte auf das Papier gesetzet! Zweifelsohne, weil er allgemach in seinem Herzen empfunden und gewahr worden diejenige Pein, welche auf ketzerische Schriften zu folgen pflegen. Ach, wie mancher wäre in dem ewigen Leben ein Kind der Seligkeit, wenn er auf dieser Welt seine Seele nicht liederlicherweise, nach den Worten des gelehrten Guevaræ, in dem Dintenfaß ertränkt hätte! Denn ein lästerlicher Schreiber verderbet erstlich nicht allein die Zeit, welche er billig besser hätte anwenden können, sondern vors andere mißbraucht er auch sein verliehenes Donum, aus welchem etwas Bessers hätte entspringen können.
Vors ander beschmiert er das Papier und versudelt die Dinte vergeblich, auf welchem und durch welche etwas Bessers hätte können verrichtet und getan werden. Solcher dreifacher Schade tut es nicht allein, sondern er schwingt sich auch in die Druckereien, dadurch die niemals genug gepriesene Druckerkunst gemißbrauchet und beschändelt wird. Ich geschweige der vergebenen Arbeit und Mühe, so man mit dergleichen Schriften haben muß. Von dar an unterwirft mans tausendfältigen Augen und streuet das Gift unvermerkt und unter dem Schein der Zulässigkeit in die Herzen der Lesenden, welche ebendasjenige an sich Selbsten verderben, was sie von allen Fehlern auf das meiste erhalten sollten, nämlich das Gewissen. Wird also der Autor solcher Irrtümer fremder Sünden schuldig und hat oftmals bei sich selbst Ursach zu rufen: A utinam non scripsissem: Wollte Gott, daß ich niemal die Feder auf das Papier gesetzet! Wie es denn gemeiniglich mit solchen Klüglingen zu geschehen pfleget, welche, da sie andere genugsam durch die Hechel gezogen, sich endlich selbsten von dem höllischen Feind angegriffen sehen.
Aber weit ein anders Absehen hat diese Arbeit, und bilde sich nur keiner ein, daß ichs bloß aus der Ursach unterhanden genommen, damit ich die kalte und verdrüßliche Winterstunden passieren möchte. Nein, fürwahr, sondern dieses war mein einziger vorgesetzter Zweck, die Laster mit lachendem Munde zu strafen und die gemeinen Fehler mit gelinder Hand zu züchtigen. Es ist zwar nicht ohne, daß ich nach dem Inhalt der vorigen vier Bücher versprochen, all unsere Begebenheit zu entwerfen, welches ich zu tun in den frostigen Winternächten gar gute Gelegenheit gehabt. Aber ich kam viel eher damit hinaus, als ich mirs selbst eingebildet, weil eine Materia in die andre gleichsam spornstreichs gelaufen und dannenhero kein großes Nachsinnen vonnöten gewesen, welches sonst in andern Schriften die Grundlage zu sein pfleget. So brauchte es auch keines großen Bücher-Aufschlages, wie etwan diejenige zu tun pflegen, welche vierzehen Postillen zusammennehmen und aus denselben die funfzehente Predigt machen. Einen solchen Reiter zu Fuß habe ich niemalen, absonderlich aber in einem solchen Werk, zu geben verlanget, von welchem noch kein Mensch auf Erden, ich meine, von unserm geführten Leben, etwas geschrieben hat. Demnach ist es nicht unbillig, daß ich nach Verfertigung der vorigen vier Bücher fortfahre und erzähle, wie der Winter in und zwischen unsern Handlungen ferner abgelaufen, denn zu solchem ermahnet mich sowohl die allerangenehmste Zeit des allgemach herbeikommenden Frühlings als auch das wunderliche Geschicke, so sich mit uns bis dahero zugetragen.
Meine Zeit passierte ich zwischen Verzeichnis und Aufschreibung unserer Histori sehr vergnügt. Wenn ich von dem vielen Schreiben ermüdet, nahm ich meine zwei Windhunde, welche dazumal all meine Freude und Zeitvertreiber waren. Mit denselben durchsuchte ich auf einem stattlichen Klepper meine Gehege und hetzte die Hasen hin und wider und bekam auch in kurzem einen ziemlichen Particul derselbigen Tiere wie auch nicht weniger der Füchse zusammen, also daß ich in kurzem einen stattlichen Winterpelz erjaget. Unterweilen wurde mein Weib – dazumal sind die Leute keine solche Narren gewesen, daß sie die Weiber ihre Liebste genennet, wie man heutzutag gewohnt ist – von Unterschiedlichen ihresgleichen vom Lande besuchet, welche in den Kobelwägen hin und wider fuhren. Vom Isidoro und der Zusia hatten wir fast wöchentlich Nachricht wie auch von den meisten, welche zuvor bei meiner Hochzeit gewesen. Also hatte ich keinesweges Ursach, mich über eine große und langweilige Einsamkeit zu beklagen, obgleich mein Schlößlein ganz einschichtig lag. Und wenn es auch schon gewesen wäre, so hätte ich doch die Einsamkeit zuvor in der Einsiedlerei zur Genüge gewohnet, wie ich denn meistenteils ganz alleine gesessen und, sooft ich ein oder zwei Blätter vollgeschrieben, bei einem Glas Weine das Zimmer auf und ab spazieret, welches mir zu meinem Vorhaben viel tauglicher gewesen, als ob ich zehenmal nacheinander die Feder gespitzet hätte. Zuweilen besuchte ich auch meinen Vater auf seinem Schlosse, allwo wir die Zeit entweder mit Eisschießen auf dem Teiche oder aber mit einem Piquet-Spiele vertrieben, nachdem es die Gelegenheit des Wetters zugelassen.
Ich hatte zwanzig bis dreißig Bauren unter mir, die quälete und peinigte ich kein Härlein groß, und was sollte ich an den Narren heruntergeschunden haben, zumalen sie von dem vorigen Besitzer fast bis auf das Blut ausgesogen und ihnen das Fell bis über die Ohren abgezogen worden. Hatte also treffliches Mitleiden und hielt ein solches Mittel zwischen mir und ihnen, daß sie aus meiner Nachsicht viel mehr Ursach kriegten, mich zu lieben und loben, als sich selbsten dardurch stolz zu machen. Mein Gesind, Knechte, Mägde, Laquayen und andere Diener, besoldete ich fleißig und ohne Mangel, gestattete es auch auf keiner Weise, daß mein Hofmeister oder auch der Schreiber durch die Auszahlung einzige Schmieralien und dergleichen einnehmen oder auch andere Causen damit machen möchten. Dardurch gewann ich vieler Leute Herz und konnte mich billig rühmen, daß ich wie jener Herzog zu Württenberg jedem Untertan sicher wollte in dem Schoß geruhet haben.
Die Heuchler haßte ich wie das Feuer, wohl wissend, daß dadurch viel tausend Menschen der ewigen Glut zulaufen, und dahero hielt ich einen recht christlichen Staat, und kann es kein Mensch mit Grund der Wahrheit nachsagen, daß ich von den Obersten bis zum Untersten einen Kreuzer vom Lohn bin schuldig geblieben. Denn war schon klein meine Kammer, so war doch darinnen nicht Angst und Jammer. Desgleichen war in meiner Canzeley kein großes Elend noch Armutey. Weil ich auch der katholischen Religion zugetan war, gab ich alles nach Verdienst und wenig oder gar nichts aus Gnaden. Es mußte nur sein, wenn ich mich etwan in der Ausgabe um einen oder ein paar Groschen übersah oder sonsten ein Almosen gab, welches nicht der Freigebigkeit, sondern der christlichen Schuldigkeit zuzumessen ist.
Auf eine solche Art machte ich fleißige Leute und verhütete viel Diebstahl, der sonsten in Ermanglung meiner guten Auszahlung wäre verübet worden. Denn das Gesind, welches nicht richtig noch völlig bezahlt wird, suchet allerlei Gelegenheit, ihres Schadens teilhaftig zu werden. Dannenhero greifen die Mägde ins Schmalz, in die Butter, in den Käs, die Knechte in die Säckel oder lassen zum großen Verderb die Pferde nachlässig in dem Stall stehen, dem Vieh wird nicht zu rechter Zeit zu essen gegeben, und wer wollte die Causen alle erzählen, die sich in solchen Zufällen ereignen können. Wahrhaftig, dieselben sind mancherlei, und nachdem ein solcher übel bezahlter Diener in einem Amt sitzet, nachdem tut er seinem Herrn Schaden und Nachteil, weil kein Ämtlein so klein ist, welches nach dem gemeinen Sprüchwort den Galgen nicht verdienen kann.
So hatte ich auch vors ander diesen Vorteil nicht allein, sondern noch darzu von allen meinen noch andern Leuten einen großen Ruhm, daß ich nicht allein alle meine Diener richtig und fleißig bezahlete, sondern deswegen mir Selbsten manches Stücklein Brot oder andere Recreation an dem Maul ersparte. Denn wenn ich sah, daß hundert Gulden in die Canzley eingelaufen und ich gern eine Mahlzeit halten und anstellen wollte, rufte ich dem Hofmeister und befragte ihn, ob es sich tun ließe, eine Gasterei auszurichten, und wie oder auf was Weise solches anzufangen wäre. »Mein Herr,« sagte der Hofmeister – denn dazumal hat man die Edelleute noch nicht Ihr Gnaden heißen dörfen wie anitzo –, »die Cassa ist dermalen sechshundertunddreizehn Gulden reich. Die bevorstehende Mahlzeit richtet der Herr unter dreihundert Gulden schwerlich aus. Nun, wenn diese hinweg sind, bleiben noch dreihundert übrig. Mit diesen reichen wir nicht, das Gesind zu bezahlen. Sollte man einen Vorschuß tun oder Geld deswegen aufnehmen, das macht eine Irrung in die Canzeley, und wenn mans betrachtet, ist diesem Schloß an der bevorstehenden Gasterei und Mahlzeit wenig gelegen. Wir wollens versparen bis künftigen Sommer, da die Renten vollständig sind. Alsdann kann man ohne Schaden und Nachteil mit einem guten Hinterhalt sich hervortun und sehen lassen.«
Aus solcher Antwort des Hofmeisters verstund ich, wie nötig es sei, eine richtige Ordnung zu halten. Wäre er aber ein nichtswürdiger Mauskopf gewesen, hätte er mich gar leicht in einen Ruin hineinbringen können, daraus mich Sanct Veiten nicht mehr gerissen hätte. Solche Gesellen gibt es in der Welt noch hin und wieder, die dem gemeinen Wesen viel mehr zum Schaden als Vorteil dienen, bezahlen keinen Menschen, lassen sich umsonst aufwarten und machen es so grob und arg, daß man ihnen weder glaubet noch trauet. Aber die Tränen, welche wegen des verdienten Lohnes vergossen werden, sind nicht schlechtes Wasser, sondern Griffel, die das Unrecht dergleichen Leute vor Gott und Menschen in das Herz der nachkommenden Welt einschreiben. Dem Ochsen, der da drischt, soll man das Maul nicht verbinden, wieviel weniger einem Menschen, der das Seinige dran strecket und nichtsdestoweniger keine Hoffnung hat, desjenigen zu genießen, wovor man ihn gedinget. Dahero überfällt manchen ein unverhofftes Übel, nicht, daß er an sich selbst, sondern an fremdem Blut und Schweiß gesündiget hat.
Je besser ich nun bezahlte, je größer wurde mein Ruhm, ja, wenn ich dazumal wäre ein Soldat gewesen und einzige Werbungen vorgehabt hätte, wollte ich in kurzer Zeit mehr Soldaten als die Westphäliger schweinerne Schinken zusammengebracht haben, weil mir das Geld nicht an die Finger gewachsen war. Aber endlich wurde ich gewahr, daß sich mein Hofmeister vom Teufel reiten ließ, weil er anfing, die Causenmacherei mit Gewalt zu studieren. Er gab statt baren Geldes den Knechten gewisse Amtsschweine, und solches rechnete er ihnen abscheulich teuer an. Item er gab den Verehlichten Salz, Licht, Holz, Butter, Käse, Wurst, Leder und dergleichen. Aber da sie eine Klafter Holz hätten vor einen halben Gülden kaufen können, da rechnete er solche vor einen Taler an dem Jahrlohn herunter, kamen also die armen Teufel, wie leichtlich zu erraten, weit zu kurz und kratzten sich mit Ach und Weh hinter den Ohren.
Erstlich glaubte ich, es ginge der Canzeley zu gut; aber ich fand nicht allein, daß er das übrige Geld in den Säckel geschoben, sondern es ging mir im ganzen Hauswesen sehr unglücklich, weil ich den Segen verloren, durch welchen alles erhalten und conserviert wird. Die Diener seufzeten gegen den Himmel, und alle Ersprießlichkeit zerging auf meinem Schloß dergestalten, daß ich die augenscheinliche Strafe allgemach handgreiflich fühlen konnte. Derohalben jagte ich den Hofmeister vor den Teufel und seine Mutter. »Du Lumpenhund,« sagte ich zu ihm, »sollst du in deinem Wohlstand die Leute, die nicht dir, sondern mir dienen, so tribulieren? Bin ich oder bist du Herr? Packe dich vor die Hunde, oder ich lasse dich noch prügeln darzu. Du Bärnhäuter tribulierst die Leute, als ob sie deine Narren wären. Schier dich vom Dienst hinweg, wo du hergekommen, und zur Strafe deiner Übertretung sollst du verlustig sein alles deines Habs, so du besitzest!«
Der Hofmeister zuckte die Achsel und wendete ein, ich solle doch daran denken, wie treulich er mir oft wegen ein und anderer Sachen geraten und beigestanden. Aber ich sagte, daß das letztere das erste ganz verderbet und daß es nunmehr ganz vergebens wäre, sich mit solchen Sachen zu entschuldigen, die er ohnedem wegen Erforderung seines Amts zu verrichten wäre schuldig gewesen. Demnach jagte ich ihn hinweg, und mußte der arme Mensch und Leute-Tribulierer sein Brot in ziemlichem Miserere essen.