Harriett Beecher Stowe
Onkel Toms Hütte
Harriett Beecher Stowe

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Die Verfasserin steht Rede und Antwort

Korrespondenten aus verschiedenen Teilen des Landes haben bei der Verfasserin oft angefragt, ob diese Geschichte wahr sei; und auf diese Anfragen gedenkt sie hier eine allgemeine Antwort zu geben.

Die einzelnen Vorfälle, aus welchen die Erzählung zusammengesetzt ist, sind zum größten Teile authentisch, indem viele derselben vor ihren eigenen oder vor den Augen persönlicher Freunde geschehen sind. Sie oder ihre Freunde sind Charakteren begegnet, die Ebenbilder von fast allen hier geschilderten waren; und viele von den Äußerungen sind wörtlich aufgezeichnet, wie sie dieselben entweder selbst gehört oder aus glaubwürdigem Munde vernommen hat.

Elisa ist in ihrem Äußeren und ihrem Charakter eine dem Leben entnommene Skizze. Von der unbestechlichen Treue, Frömmigkeit und Ehrlichkeit Onkel Toms hat die Verfasserin mit eigenen Augen mehr als ein Beispiel gesehen. Einige der tragischsten und romanhaftesten und einige der schrecklichsten Episoden sind ebenfalls dem wirklichen Leben nachgeschildert. Die Heldentat der über den Eisgang des Ohio sich rettenden Mutter ist ein wohlbekannter Vorfall.

Die Geschichte der alten Prue wurde der Verfasserin von einem Augenzeugen des Vorfalls erzählt, von ihrem Bruder, der damals als Agent für ein großes Handelshaus in New Orleans den Westen bereiste. Aus derselben Quelle stammt die Figur des Pflanzers Legree. Von ihm schreibt ihr Bruder, der ihn auf seiner Plantage auf einer Geschäftsreise besucht hatte:

»Er ließ mich wirklich seine Faust befühlen, die wie ein Schmiedehammer oder ein Eisenklumpen war, und rühmte sich, daß sie von Niggerniederschlagen hart geworden sei. Als ich die Plantage verließ, holte ich tief Atem, und es war mir zumute, als ob ich mich eben aus der Höhle eines Werwolfs gerettet hätte.«

Daß das tragische Schicksal Toms ebenfalls nur zu oft vorkommt, können lebende Zeugen von einem Ende unseres Vaterlandes bis zum anderen bekräftigen. Man vergesse nicht, daß es in allen südlichen Staaten Rechtsgrundsatz ist, daß keine Person von farbiger Abstammung in einem Prozeß gegen einen Weißen Zeugnis ablegen kann, und wird dann leicht einsehen, daß ein solcher Fall überall vorkommen kann, wo ein Herr, dessen Leidenschaften die Oberhand über seinen Eigennutz gewinnen, und ein Sklave, der Mannhaftigkeit oder Grundsätze genug besitzt, um seinem Willen zu widerstehen, vorhanden sind. Das Leben des Sklaven hat tatsächlich keinen anderen Schutz, als den Charakter des Herrn. Haarsträubende Tatsachen dringen gelegentlich bis in die Öffentlichkeit, und die Bemerkungen, die man darüber machen hört, sind oft noch haarsträubender, als die Sache selbst. Man sagt: Es ist wohl möglich, daß solche Fälle dann und wann vorfallen, aber sie sind keine Beispiele des allgemeinen Brauchs. Wenn die Gesetze Neu-Englands so eingerichtet wären, daß ein Herr dann und wann einen Lehrling zu Tode martern könnte, ohne daß es möglich wäre, ihn vor Gericht zur Verantwortung zu ziehen, würde man das mit ebenso ruhiger Fassung anhören? Würde man dann sagen: Diese Fälle sind selten und kein Beispiel des allgemeinen Brauchs? Diese Ungerechtigkeit ist von dem Sklavereisystem unzertrennlich, es kann ohne dieselbe nicht bestehen.

Der öffentliche und schamlose Verkauf schöner Mulatten- und Quadroonmädchen ist durch den infolge der Wegnahme des Schiffes Pearl zur Verhandlung gekommenen Prozeß zu einer allgemein bekannten Tatsache geworden. Wir entnehmen folgendes aus der Rede des ehrenwerten Horace Mann, eines der Rechtsbeistände der Beklagten in diesem Prozesse. Er sagt: »Unter diesen 76 Personen, welche 1848 aus dem Distrikt Columbia in dem Schoner Pearl, dessen Offiziere ich mit verteidigen half, zu entfliehen versuchten, befanden sich verschiedene junge und gesunde Mädchen, welche die eigentümlichen von Kennern so hochgeschätzten Reize in Gestalt und Gesicht besaßen. Eine derselben war Elisabeth Russell. Sie fiel sofort dem Sklavenhändler in die Klauen und wurde für den New-Orleans-Markt bestimmt. Die Herzen derer, welche sie sahen, wurden von Teilnahme für ihr Schicksal gerührt. Sie boten 1800 Dollar für ihre Freiheit; und einige boten einen Preis, der von ihrem Vermögen nicht viel übriggelassen hätte; aber der Teufel von einem Sklavenhändler war unerbittlich. Sie wurde nach New Orleans eingeschifft; aber unterwegs hatte Gott Erbarmen mit ihr und nahm sie zu sich. In derselben Gesellschaft befanden sich zwei Mädchen namens Edmundson. Als sie nach demselben Markte geschickt werden sollten, ging die ältere Schwester zu dem Elenden, der sich ihren Herrn nannte, und bat ihn um der Liebe Gottes willen, mit seinen Opfern Mitleid zu haben. Er verhöhnte sie mit zudringlichen Reden und tröstete sie mit den schönen Kleidern und den schönen Möbeln, die sie bekommen würden. Ja, sagte sie, das mag recht gut für dieses Leben sein, aber was werden sie für das zukünftige nützen? Auch diese beiden kamen nach New Orleans, wurden aber später gegen eine höchst bedeutende Summe losgekauft und zurückgebracht. Geht daraus nicht klar hervor, daß die Geschichte Emmelines und Cassys sich oftmals wiederholen mag?

Die Gerechtigkeit verpflichtet auch die Verfasserin zu bemerken, daß der edle Charakter St. Clares nicht ganz ideal ist, wie folgende Anekdote zeigt. Vor einigen Jahren befand sich ein junger Herr aus dem Süden mit einem Lieblingssklaven, der ihn schon als Knabe persönlich bedient hatte, in Cincinnati. Der junge Mann benutzte die Gelegenheit, um sich seine Freiheit zu verschaffen, und flüchtete sich zu einem Quäker, der in derartigen Unternehmungen einen Namen hatte. Der Eigentümer war über die Maßen erzürnt. Er hatte den Sklaven stets mit Nachsicht behandelt und sein Vertrauen auf seine Anhänglichkeit war so groß, daß er glaubte, er müsse durch fremde Einflüsterungen zur Flucht verführt worden sein. In großem Zorne ging er zu dem Quäker; da er aber ein sehr billig denkender und ehrlicher Mann war, so machten die Beweisführungen und Vorstellungen des Befreiers großen Eindruck auf ihn. Das war eine Seite des Gegenstandes, von der er nie gehört – an die er nie gedacht hatte; und er versicherte dem Quäker auf der Stelle, wenn ihm sein Sklave ins Gesicht sagen wolle, daß er frei zu sein wünsche, so wolle er ihn freigeben. Der Quäker veranstaltete sogleich eine Zusammenkunft und Nathan wurde von seinem jungen Herrn gefragt, ob er Ursache habe, in irgendeiner Hinsicht über seine Behandlung zu klagen.

»Nein, Master«, sagte Nathan, »Sie sind immer gut zu mir gewesen.«

»Nun, warum willst du mich denn verlassen?«

»Master kann sterben, und wen bekomme ich dann vielleicht zum Herrn? – Lieber will ich ein freier Mann sein.«

Nach einigem Überlegen gab der junge Herr zur Antwort: »Nathan, an deiner Stelle würde ich am Ende ziemlich auch so denken. Du bist frei.«

Er stellte ihm auf der Stelle einen Freibrief aus, deponierte eine Summe Geld bei dem Quäker, welche auf verständige Weise zu seiner Etablierung verwendet werden sollte, und ließ einen sehr verständigen und gütigen Brief mit Ratschlägen für den jungen Mann zurück. Die Verfasserin hat diesen Brief selbst in der Hand gehabt.

Die Verfasserin glaubt, daß sie der Edelherzigkeit, der Großmut und der Menschlichkeit, welche in vielen Fällen einzelne aus dem Süden auszeichnen, alle Gerechtigkeit hat widerfahren lassen.

Solche Beispiele lassen uns nicht ganz an der Menschheit verzweifeln. Aber sie fragt jeden, der die Welt kennt: Sind solche Charaktere irgendwo gewöhnlich?

Viele Jahre ihres Lebens hindurch hat die Verfasserin jede Beschäftigung mit der Sklavenfrage vermieden, da sie deren nähere Untersuchung für zu peinlich und ihre allmähliche Vernichtung durch den Fortschritt der Aufklärung und Zivilisation für gewiß hielt. Aber seit dem Gesetz von 1850, wo sie mit Erstaunen und Bestürzung christliche und menschliche Personen wirklich als eine Bürgerpflicht empfehlen hörte, gerettete Flüchtlinge wieder in die Sklaverei zurückzuschicken – als sie in den freien Staaten des Nordens von allen Seiten gute, mitleidige und achtungswerte Personen beraten hörte, was in einem solchen Falle Christenpflicht sei, so konnte sie nur denken: Diese Menschen und Christen wissen nicht, was Sklaverei ist; wenn sie es wüßten, so hätten sie eine solche Frage nie aufstellen können. Und hieraus entstand ein Wunsch, diese Sklaverei in ihrer lebendigen dramatischen Wirklichkeit darzustellen. Sie hat sich bemüht, sie unparteiisch in ihren besten und ihren schlimmsten Seiten zu zeigen. Von ihrer besten Seite ist es ihr vielleicht gelungen; aber ach, wer soll erzählen, was noch in dem Tal und Schatten des Todes auf der anderen Seite verhüllt liegt?

An Euch, Ihr edlen und großherzigen Männer und Frauen des Südens an Euch, deren Tugend und Edelsinn und Reinheit des Charakters wegen der schweren Prüfungen, die sie ausgestanden, nur um so größer sind – an Euch wendet sich die Verfasserin. Habt Ihr nicht in Eurer tiefsten Seele und wenn Ihr recht in Euch gegangen seid, gefühlt, daß dieses fluchwürdige System von noch viel schlimmeren Übeln begleitet ist als denen, die hier schwach geschildert sind oder nur geschildert werden können? Kann es anders sein? Ist der Mensch überhaupt ein Geschöpf, dem man eine gänzlich unverantwortliche Macht anvertrauen darf? Und macht nicht das Sklavenwesen, indem es den Sklaven jedes gesetzliche Recht der Zeugenschaft abspricht, jeden einzelnen Besitzer zum unverantwortlichen Despoten? Kann jemand blind genug sein, um nicht einzusehen, was die praktische Folge davon sein muß? Wenn eine öffentliche Meinung unter Euch vorhanden ist, Männer von Ehre, Gerechtigkeit oder Menschlichkeit, ist nicht auch noch eine andere Art öffentlicher Meinung unter den Rohen, den Brutalen und Verworfenen vorhanden, und kann nicht der Rohe, der Brutale, der Verworfene nach dem Sklavengesetz ebensoviel Sklaven besitzen wie der Beste und Reinste? Sind irgendwo in der Welt die Ehrenwerten, die Gerechten, die Edlen und Barmherzigen die Mehrheit?

Der Sklavenhandel wird jetzt vom amerikanischen Gesetz dem Seeraub gleichgehalten. Aber ein ebenso systematischer Sklavenhandel wie der an der afrikanischen Küste ist unausbleiblich ein Begleiter und eine Folge der amerikanischen Sklaverei. Und ist es jemandem möglich, seinen herzzerreißenden Jammer und seine Schrecken zu schildern?

Die Verfasserin hat bloß ein schwaches schattenhaftes Bild von der Seelenangst und der Verzweiflung gegeben, welche in diesem Augenblicke Tausende von Herzen zerreißen, Tausende von Familien niederschmettern und ein hilfloses und gefühlvolles Volk zum Wahnsinn und zur Verzweiflung treiben. Es leben Leute, welche die Mütter kannten, die dieser fluchwürdige Handel vermocht hat, ihre Kinder zu ermorden und selbst im Tode eine Zuflucht vor größerem Jammer, als der Tod ist, zu suchen. Nichts Tragisches kann geschrieben, gesprochen oder ausgedacht werden, was der gräßlichen Wirklichkeit von Auftritten gleichkommt, die täglich und stündlich an unserer Küste im Schatten des amerikanischen Gesetzes und des Kreuzes Christi sich ereignen.

Und nun, Männer und Frauen Amerikas, ist das eine Sache, mit der man spielen, die man beschönigen, die man mit Schweigen übergehen kann? Farmer von Massachusetts, von New Hampshire, von Vermont, von Connecticut, die Ihr dieses Buch bei dem Schimmer Eures Winterabendfeuers lest – starkherzige, großmütige Schiffer und Schiffseigner von Maine, könnt Ihr eine solche Sache unterstützen und ermutigen? Wackere und edle Männer von New York, Farmer aus dem fruchtbaren und fröhlichen Ohio und Ihr aus den weiten Präriestaaten, sprecht, könnt Ihr eine solche Sache unter Eure Obhut und Euren Schutz nehmen? Und Ihr, amerikanische Mütter, die Ihr an den Wiegen Eurer Kinder alle Menschen zu lieben und für sie zu fühlen gelernt habt, Euch beschwöre ich bei Eurer heiligen Liebe zu Euren Kindern, bei Eurer Freude über ihre schöne fleckenlose Kindheit; bei der mütterlichen Teilnahme und Zärtlichkeit, mit welcher Ihr ihr Wachstum leitet; bei den Sorgen ihrer Erziehung; bei den Gebeten, die Ihr für die ewige Seligkeit ihrer Seele hinaufsendet – bei alle diesem beschwöre ich Euch, bemitleidet die Mutter, die all Eure Liebe, und kein einziges gesetzliches Recht hat, das Kind ihres Herzens zu schützen, zu sichern oder zu erziehen! Bei der Krankheit Eures Kindes; bei den brechenden Augen, die Ihr nie vergessen, bei dem letzten Stöhnen, das Euer Herz zerriß, als Ihr weder mehr helfen noch retten konntet; bei der Verlassenheit der leeren Wiege und der stillen Kinderstube beschwöre ich Euch, habt Mitleid mit den Müttern, welche der amerikanische Sklavenhandel beständig kinderlos macht! Und sprecht, amerikanische Mütter, kann man eine solche Sache verteidigen, ihr zustimmen oder sie mit Schweigen übergehen?

Wendet Ihr etwa ein, die Bewohner der freien Staaten hätten nichts damit zu tun und könnten nichts dafür tun? Wollte Gott, das wäre wahr! Aber es ist nicht wahr. Die Bewohner der freien Staaten haben das System verteidigt, ermutigt und daran teilgenommen und tragen deshalb vor Gott eine größere Schuld auf sich als der Süden, denn sie haben nicht die Entschuldigung der Erziehung oder der Gewohnheit.

Wenn die Mütter der freien Staaten in früheren Zeiten so empfunden hätten, wie sie hätten empfinden sollen, so wären die Söhne der freien Staaten nicht die Besitzer und nach dem Sprichworte die härtesten Herren von Sklaven geworden; die Söhne der freien Staaten hätten über die Ausbreitung der Sklaverei in unserer Nation nicht die Augen zugedrückt und würden nicht die Seelen und die Körper von Menschen als Tauschmittel gegen Geld in ihren Handelsgeschäften betrachten. Kaufleute der Städte des Nordens besitzen eine Menge Sklaven vorübergehend und verkaufen sie wieder; und soll die ganze Schuld und der ganze Schimpf der Sklaverei nur allein den Süden treffen?

Männer, Mütter und Christen des Nordens haben mehr zu tun, als ihre Brüder im Süden anzuklagen; sie sollten auf das Böse vor ihrer eigenen Tür achten.

Aber was kann ein einzelner tun? Darüber kann jeder einzelne urteilen. Etwas kann jeder einzelne tun, er kann dafür sorgen, daß er richtig über eine Sache empfindet. Eine Atmosphäre sympathetischen Einflusses umgibt jedes Menschenwesen, und der Mensch, sei es Mann oder Frau, der stark, gesund und richtig über die großen Interessen der Menschheit empfindet, ist ein beständiger Wohltäter des ganzen Menschengeschlechts. So prüft also Eure Sympathien in dieser Sache! Stehen sie im Einklänge mit den Sympathien Christi? Oder sind sie beeinflußt und verdreht durch die Sophistereien einer weltgesinnten Politik?

Christliche Männer und Frauen des Nordens! Ihr besitzt auch noch eine andere Macht; Ihr könnt beten! Glaubt Ihr an das Gebet? Oder ist es zu einer unbestimmten apostolischen Tradition geworden? Ihr betet für die Heiden in der Fremde, betet auch für die Heiden zu Hause. Und betet auch für die armen Christen, deren einzige Aussicht auf religiöse Besserung ein bloßer Geschäftszufall ist – für die ein Leben nach den Vorschriften des Christentums in vielen Fällen eine Unmöglichkeit ist, wenn ihnen nicht von oben der Mut und das Heil des Märtyrertums geschenkt sind.

Aber noch mehr. Den Boden unserer freien Staaten betreten arme zerstreute Überreste von Familien, Männer und Frauen, die durch wunderbare Schickungen der Vorsehung dem Elend der Sklaverei entronnen sind, schwach im Wissen und in vielen Fällen schwach in Sittlichkeit, die aus Zuständen kommen, welche jedes christliche und sittliche Prinzip verneinen. Sie suchen eine Zuflucht unter Euch; sie suchen Erziehung, Wissen, Christentum.

Christen, was schuldet Ihr diesen armen Unglücklichen? Schuldet nicht jeder amerikanische Christ der afrikanischen Rasse einen Versuch, das Unrecht, welches Ihr der amerikanischen Nation zugefügt habt, wiedergutzumachen? Sollen wir ihnen die Tore der Kirchen und der Schulhäuser verschließen? Sollen Staaten Beschlüsse fassen, um sie auszutreiben? Soll die Kirche Christi in Schweigen den Hohn, den man über jene ausschüttet, anhören und vor der hilflosen Hand, welche sie ausstrecken, zurückweichen und durch Schweigen die Grausamkeit ermutigen, welche sie von unseren Grenzen zurücktreiben möchte? Wenn es so sein muß, so wird es ein trauervolles Schauspiel sein. Wenn es so sein muß, wird Amerika Ursache haben zu zittern, wenn es bedenkt, daß das Schicksal der Nationen in der Hand dessen liegt, der erbarmungsvoll und voll zärtlichen Mitleids ist.

Ihr sagt: »Wir wollen sie nicht haben, sie mögen nach Afrika gehen.«

Daß die Vorsehung Gottes für einen Zufluchtsort in Afrika gesorgt hat, ist in der Tat eine große und bemerkenswerte Tatsache, aber das ist kein Grund für die Kirche Christi, diejenige Verantwortlichkeit für dies verstoßene Volk, welche ihr Bekenntnis von ihr verlangt, von sich zu weisen.

Liberia mit einem unwissenden, unerfahrenen, halb barbarischen Volksstamme anzufüllen, der eben erst aus den Fesseln der Sklaverei erlöst ist, würde nur bewirken, daß die Periode des Kampfes und des Ringens, welche den Beginn neuer Unternehmungen begleitet, auf ganze Geschlechter hinaus verlängert würde. Lieber sollte die Kirche des Nordens diese armen Dulder im Geiste Christi aufnehmen und ihnen die fortbildenden Vorteile christlicher und republikanischer Gesellschaft und Schulen gewähren, bis sie wenigstens eine gewisse sittliche und geistige Reife erlangt haben. Und dann sollte sie ihnen Beistand leisten zu der Reise nach dem Lande, wo sie die in Amerika erhaltenen Lehren in Anwendung bringen sollen.

Der Norden besitzt eine verhältnismäßig kleine Gemeinschaft von Männern, welche das getan haben; und als die Frucht ihrer Bestrebungen hat dieses Land bereits Beispiele von früheren Sklaven gesehen, die sich sehr schnell Besitz, Ruf und Erziehung erworben haben. Es haben sich Talente in einer Weise entwickelt, die in Betracht der Verhältnisse gewiß bemerkenswert sind; und die Züge von Ehrlichkeit, Güte, weichem Gefühl, heldenmütigen Anstrengungen und selbstverleugnenden Bemühungen für die Befreiung von noch in der Sklaverei befindlichen Brüdern und Freunden haben sich in einem Grad ausgezeichnet, der, wenn man die Einflüsse bedenkt, unter denen sie geboren worden, wahrhaft überraschend ist.

Die Verfasserin hat viele Jahre an der Grenze von Sklavenstaaten gelebt und viele Gelegenheit gehabt, ehemalige Sklaven zu beobachten. Sie waren in ihrer Familie als Dienstboten, und sie hat dieselben in Ermangelung einer anderen Schule für sie in vielen Fällen in einer Familienschule mit ihren eigenen Kindern unterrichtet. Das Zeugnis von Missionaren unter den Flüchtlingen in Kanada stimmt mit dieser ihrer eigenen Erfahrung überein, und ihre Schlüsse hinsichtlich der Fähigkeiten der Rasse sind im höchsten Grade ermutigend.

Der erste Wunsch der befreiten Sklaven ist gewöhnlich auf Erziehung gerichtet. Ihren Kindern Unterricht zu verschaffen oder zu geben ist ihnen nichts zu teuer; und soweit die Verfasserin selbst beobachtet oder von anderen, die Neger unterrichtet haben, erfahren hat, fassen sie merkwürdig gut und rasch auf. Die Erfolge der von wohltätigen Personen in Cincinnati gegründeten Schulen bestätigen das vollkommen.

Die Verfasserin teilt noch folgende Tatsachen hinsichtlich emanzipierter und gegenwärtig in Cincinnati wohnender Sklaven mit; sie beabsichtigt damit die Bildungsfähigkeit der Rasse, selbst wo jeder besondere Beistand und jede Ermutigung versagt ist, zu zeigen. Sie verdankt diese Angaben dem Professor C. E. Stowe, früher am Lane-Seminar in Ohio.

Wir geben nur die Anfangsbuchstaben. Sie wohnen alle in Cincinnati.

»B . . ., Möbeltischler, ist seit 20 Jahren in der Stadt, hat ein Vermögen von 10 000 Dollar, alles eigener Verdienst; Wiedertäufer.

C . . ., reiner Neger; in Afrika geraubt; nach New Orleans verkauft; frei seit 15 Jahren; hat für sich 600 Dollar bezahlt; ist Farmer; besitzt mehrere Farmen in Indiana; Presbyterianer; mag ein Vermögen von 15 000-20 000 Dollar besitzen, alles eigener Verdienst.

K . . ., reiner Neger; handelt mit Grundstücken; hat ein Vermögen von 30 000 Dollar; ist gegen 40 Jahre alt und seit 6 Jahren frei; hat 1 800 Dollar für seine Familie bezahlt; Mitglied der Wiedertäufergemeinde; erbte etwas von seinem früheren Herrn, was er gut in acht genommen und vermehrt hat.

G . . ., reiner Neger; Kohlenhändler; gegen 30 Jahre alt; hat ein Vermögen von 18 000 Dollar; hat zweimal für sich bezahlt, indem er einmal um 1600 Dollar betrogen wurde; hat all sein Geld selbst verdient ; sehr viel, als er noch Sklave war, wo er seinem Herrn seine Zeit abmietete und auf eigene Rechnung Geschäfte machte; ein hübscher, anständiger Mann.

W . . ., Dreiviertel-Neger; Barbier und Kellner; aus Kentucky; seit 19 Jahren frei; hat 3 000 Dollar für sich und seine Familie bezahlt; hat ein Vermögen von 20 000 Dollar, alles eigener Verdienst; Kirchenältester in der Wiedertäufergemeinde.

G. D . . ., Dreiviertel-Neger; Anstreicher aus Kentucky; seit 9 Jahren frei; hat 1 500 Dollar für sich und seine Familie bezahlt; starb vor kurzem, 60 Jahre alt, und hinterließ ein Vermögen von 6 000 Dollar.«

Professor Stowe bemerkt: »Mit allen diesen, mit Ausnahme G's, bin ich seit mehreren Jahren persönlich bekannt und mache meine Angaben nach eigener Erfahrung.«

Die Verfasserin erinnert sich noch recht gut einer farbigen alten Frau, die in ihres Vaters Familie Waschfrau war. Die Tochter dieser Frau heiratete einen Sklaven. Sie war ein merkwürdig tätiges und fähiges Mädchen und brachte durch Fleiß und Sparsamkeit und die ausdauerndste Selbstverleugnung 900 Dollar zusammen, um ihren Mann freizukaufen, und zahlte das Geld, wie sie es ersparte, seinem Herrn ab. Es fehlten ihr noch 100 Dollar an dem Gelde, als er starb. Sie hat von dem Gelde nie etwas wiederbekommen.

Das sind bloß ein paar Beispiele unter Tausenden, welche sich aufführen ließen, um die Selbstverleugnung, die Energie, die Geduld und Ehrlichkeit zu beweisen, welche Sklaven als freie Männer gezeigt haben.

Man darf auch nicht vergessen, daß diese Personen sich durch eigene Kraft verhältnismäßigen Reichtum und eine soziale Stellung unter Verhältnissen erworben haben, die sie nur benachteiligen und entmutigen konnten.

Nach dem Gesetz von Ohio besitzt der Farbige kein Stimmrecht und bis vor wenigen Jahren konnte er nicht einmal in Prozessen gegen Weiße als Zeuge auftreten. Auch beschränken sich diese Beispiele nicht bloß auf den Staat Ohio. In allen Staaten der Union finden wir Männer, die, erst gestern aus den Fesseln der Sklaverei erlöst, durch nicht genug zu bewundernde, eigene selbstbildende Kraft sich zu sehr anständigen Stellungen in der Gesellschaft emporgeschwungen haben. Pennington unter den Geistlichen und Douglas und Ward unter den Redakteuren sind wohlbekannte Beispiele.

Wenn dies verfolgte Volk trotz aller möglichen Entmutigung und Benachteiligung schon soviel erreicht hat, wieviel mehr könnte es erreichen, wenn die christliche Kirche es im Geiste ihres Herrn und Meisters behandeln wollte! Wir leben in einer Zeit, wo Staaten zittern und umgewälzt werden. Eine gewaltige Bewegung geht durch die Welt, daß sie erzittert, wie von einem Erdbeben, und ist Amerika sicher?

Aber wer kann den Tag der Gerechtigkeit abwarten; »denn der Tag soll brennen, wie ein Ofen: Und er wird erscheinen als ein jacher Zeuge gegen die, welche bedrücken den Knecht in seinem Lohne, die Witwen und die Waisen und welche dem Fremden sein Recht abwendig machen; und er wird den Bedrücker in Stücke brechen«.

Sind das nicht schreckliche Worte für eine Nation, welche in ihrem Schoß eine so gewaltige Ungerechtigkeit hegt? Christen! Könnt Ihr jedesmal, wo Ihr betet, daß sein Reich kommen möge, vergessen, daß der Prophet in grauenhafter Gemeinschaft den Tag der Rache mit dem Jahre seiner Erlösten verbindet?

Noch ist uns eine Frist der Gnade geboten. Sowohl der Norden, wie der Süden sind schuldig vor Gott gewesen; und die christliche Kirche hat eine schwere Rechnung zu verantworten. Nicht durch einen Bund, Ungerechtigkeit und Grausamkeit zu beschützen und die Sünde zu einem gemeinschaftlichen Kapital zusammenzulegen, ist diese Union zu retten; sondern durch Reue, Gerechtigkeit und Erbarmen, denn das ewige Gesetz, durch welches der Mühlstein im Meere versinkt, steht nicht fester als das stärkere Gesetz, nach welchem Ungerechtigkeit und Grausamkeit auf Nationen den Zorn des allmächtigen Gottes herabrufen!

Ewig wahr ist, daß keine Nation sich frei nennen kann, bei der die Freiheit nur ein Vorrecht, nicht aber ein Grundgesetz ist.


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