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Wieder im Weihnachtszimmer

Bild: Hans Baluschek

Als der Mooskönig im Walde verschwunden war, wurde es dämmergrau ringsum. Aus diesem Dämmergrau fügten sich die Wände der Weihnachtsstube im Hause von Hans und Lotte, und aus dem Waldboden wurde der Fußboden, auf dem die große Tanne als buntes Weihnachtsbäumchen ihre Lichterzweige über die schlafenden Kinder ausbreitete. Zwischen denen aber guckte der kleine Pips als Zuckerpilz mit seinen Schokoladeaugen in die Welt wie anfangs, als das Sandmännchen hinter dem Weihnachtsbaum hervorkam, ihnen die Augen küßte und sie den langen, so seltsamen Traum von der Weltreise des Waldpips träumen ließ.

Vor den Kindern stand jetzt wieder das Sandmännchen und sagte, still lächelnd.

»Ja, ja, nun wißt ihr durch euren Traum
Von Pips, dem Pilz, unterm Tannenbaum:
Wer Abenteuern sich ergibt,
Wer Zauberei und Zufall liebt,
Der lernt am Leid, wo auf der Welt
Dem braven Mann das Glück sich stellt.«

Dann küßte er den beiden Kleinen die Augen wie vorher und war hinter dem Weihnachtsbaum verschwunden.

Im gleichen Augenblick tat sich die Tür des Zimmers auf, und die Mutter der beiden trat herein.

Sie sah ihre Lieblinge schlafen, nickte, lächelnd, mit dem Kopfe und rief ganz leise: »Hans! – Lotte!« – Die Kinder erwachten, rieben sich mit den Händchen die Augen, sahen ihre Mutti und riefen wie aus einem Munde: »Mutti, der Pips! Mutti, der Pips! O, was wir wissen vom Pips!« –

Husch, husch! war die Mutti bei ihnen, kniete neben ihnen nieder und schloß sie in die Arme. »Ja, ja, ihr Kleinen, ich weiß es auch!« flüsterte sie und küßte ihnen die erstaunt aufgerissenen Mäulchen. »Das Sandmännchen hat mir alles schon erzählt von der Reise des kleinen Waldpips. Seht ihr, der kleine Waldpips darf nun nie von seinem Stühlchen gepflückt werden, so hat der Mooskönig es bestimmt, und brave Kinder fassen den Pips mit dem roten Köpfchen im Walde nicht an. Sie lassen ihn stehen und wissen genau warum. Das Sandmännchen hat es sie im Traum gelehrt. Nun sind sie sehr klug geworden.«

»Ja, ja, nun wissen wir soviel und sind sehr klug geworden!« sagten die beiden und schmiegten sich traulich eng an ihre Mutti.

Die Mutter aber streichelte ihnen die Bäckchen, lächelte sehr vielversprechend, nahm dann den kleinen Zuckerpilz mit den Schokoladeaugen in die Hand und brach ihn in zwei ganz gleiche, süße Hälften. Dazu sagte sie ganz leise:

»Der kleine Waldpips, der bleibt schön steh'n
Mit dem roten Köpfchen im Moose;
Man darf ihn nicht pflücken, wenn er auch lacht
Wie eine kleine Rose.

Bild: Hans Baluschek

»Wer Abenteuern sich ergibt; wer Zauberei und Zufall liebt,
Der lernt am Leid, wo auf der Welt dem braven Mann das Glück sich stellt«

Sein Köpfchen wurde so feuerrot,
Weil er viel Böses erfuhr,
Und bittergiftig wurde sein Saft
Auf seiner Weltreisetour.

Der Weihnachtspips aber hat süßen Saft,
Er wuchs auf der Weihnachtswiese;
Den darf man essen, er schmeckt sehr gut
Wie all' das Zuckergemüse,
Das der Weihnachtsmann pflanzt für die artigen Kinder
Und ihre kleinen Schleckermünder.«

Damit steckte die Mutter ihrem Hans und ihrer Lotte den süßen Weihnachtspips ins Mäulchen, und die beiden schnabulierten ihn fröhlich auf. Er schmeckte auch wirklich sehr, sehr schön! –

Bild: Hans Baluschek


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