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Erstes Kapitel.
Im Walde

Bild: Hans Baluschek

Es war an einem Frühlingsmorgen, tief, tief im Walde. Die Sonne war eben aufgegangen, und die kleinen Vögelchen machten ihr erstes »Piep-piep!« auf den Zweigen der Bäume.

»Piep-piep!« heißt nämlich in der Vogelsprache: »Guten Morgen, guten Morgen!« »Ziep-ziep« heißt: »Haben Sie gut geschlafen?« »Trülülü!« heißt: »Wie geht es Ihrer Frau!« »Titiwitia!« aber heißt: »Gesegnete Mahlzeit!«

So gibt es noch viele, viele Worte in der Sprache der kleinen Vögelchen, und wenn man diese Worte versteht, dann kann man hören, was sie sich erzählen.

Herr Zensle, der Zeisig, saß auf einem Zweig der alten Tanne, die mitten im Walde stand und putzte sich sein Federröckchen.

»Guten Morgen, guten Morgen!« rief Herr Baukle, der Buchfink, im Vorbeifliegen.

»Wie geht es Ihrer Frau?« fragte Herr Zensle.

»Danke, danke! Sie hat eine dicke Made zum Frühstück gegessen.«

»Gesegnete Mahlzeit!«

»Es war eine grünköpfige. Das sind ja die fettesten, und ich denke, sie wird mir darnach ein besonders schönes Ei ins Nest legen.«

So zwitscherte und piepte es überall in den Bäumen.

* * *

Plötzlich raschelte es am Stamm der alten Tanne hinauf und machte: »Tuck-tuck-tuck!« …

Das war ein ganz anderer Ton.

Zensle bekam einen Schreck und rief: »Witt-witt!« das heißt: »Paßt auf ihr Vögelchen!«

Nun war es ganz still für eine kleine Zeit; denn alle Vögelchen paßten auf und guckten nach der Stelle, wo es raschelte. –

* * *

Aha! es war Schnibunkelchen, das kleine Eichhörnchen!« –

Eben war es aus seinem Bettchen in einem großen Rindenloch geklettert und hatte sich ein Tannenzäpfchen zum Frühstück gepflückt.

Schnibunkelchen ist für die kleinen Vögel im Wald eigentlich ein böses Tier, weil es ihnen, wenn es sehr hungrig ist, manchmal ein Ei aus dem Nestchen stiehlt; aber nun hatte es ja sein Frühstückstannenzäpfchen schon in den Pfoten, und so brauchten sie keine Sorge mehr zu haben vor seinem Hunger.

Sie fingen also wieder an, sich zu unterhalten, und es trillerte und piepte gleich darauf im Walde wie vorher.

* * *

Schnibunkelchen setzte sich auf einen dicken Tannenzweig, schlug die Beinchen übereinander und begann an seinem Tannenzäpfchen zu knabbern.

Dazu summte es leise vor sich hin:

»Nichts Beßres gibt es für den leeren Magen
Als so ein Tannenzäpfchen, muß ich sagen!
Das Nüsseknuspern ist sehr schön, auf Ehre;
Wenn's nur nicht so entsetzlich mühsam wäre!

Es schmeckt wohl gut; doch, Nüsse sind zu klein;
Man kann niemals so recht zufrieden sein.
Da schnüffelt man und hüpft im Wald herum,
Macht spitz die Ohren und den Buckel krumm,
Huscht fast den ganzen Tag von Strauch zu Strauch,
Und hat am Ende abends nichts im Bauch.

Wie anders ist doch so ein Zapfenschmaus;
Sehr reichlich, nahrhaft auch und überaus
Bekömmlich für die Zähnchen und den Magen;
Vierfach ist der Genuß, kann ich wohl sagen.«

Fröhlich warf es ein kahlgenagtes Stückchen des Tannenzapfens fort. – –

* * *

Au! … ich verbitte mir diese Werferei!« rief es aus dem dicken Moos am Fuß der alten Tanne.

»Wie? … wer quietscht denn da?« fragte Schnibunkelchen, sehr erstaunt, und das Stimmchen von unten antwortete: »Ich, Pips, der Pilz!«

Schnibunkelchen hatte nämlich Pips, den kleinen Pilz, der unten auf seinem Wurzelstühlchen im Moose saß, mit dem Zapfenstück direkt an den Kopf getroffen.

Das hatte ihn natürlich sehr geärgert, und nun schimpfte er.

Daraus machte sich Schnibunkelchen aber gar nichts und lachte ihn tüchtig aus.

Ein Pilz kann ja einem Eichhörnchen nichts tun, wenn er auch noch so böse ist.

Nun neckte Schnibunkelchen den kleinen Pips, warf andere Zapfenstückchen nach ihm und meinte: »Tuck-tuck! … laufen Sie doch fort, Sie kleiner Dicker, wenn es Sie ärgert, daß ich hier mein Frühstück knappere, wie es sich für ein ordentliches Eichhörnchen gehört! Setzen Sie sich doch nicht gerade dorthin, wohin zufällig die Krümelchen vom Eichhörnchenfrühstück fallen!«

»Ich habe hier immer gesessen und will auch hier sitzen bleiben!« sagte Pips sehr energisch.

»Tuck-tuck-tuck! … ich glaube, daß Sie viel zu dumm zum Fortlaufen sind; ich glaube, daß Sie sitzen bleiben müssen, auch, wenn Sie gern fortlaufen wollten!« lachte Schnibunkelchen, warf dem kleinen Pilz den Rest seines Zäpfchens an den Kopf und huschte fort. –

* * *

Bild: Hans Baluschek

Pips und Schnibunkelchen

Pips war eine Zeitlang ganz still. Er hatte sich schrecklich geärgert. Nun dachte er nach über das, was er eben erlebt hatte.

»Zu dumm!« hatte der freche Schnibunkel gesagt. Er, Pips, sollte zu dumm zum Fortlaufen sein! – Aber, wenn er es sich so recht überlegte, dann? – – Er wußte wirklich nicht, wie man so etwas macht: »Fortlaufen!«

Er wackelte hin und her, zwinkerte mit den kleinen schiefen Äugelchen und klatschte verzweifelt mit den Händchen auf seinen dicken weißen Leib. –

Nein, es ging nicht! Er war zu dumm zum Fortlaufen! Schon zwei Tage war er alt und wußte noch nicht, wie man von seinem Wurzelstühlchen fort kam, wenn man es einmal gern möchte. O, das war sehr schlimm!

Er seufzte tief und kratzte sich verzweifelt den Kopf.

Wenn so ein frecher Schnibunkel ihm auf den Kopf spuckte, so konnte er nichts tun als schimpfen und Gesichter schneiden. Zu allem andern war er zu dumm; das war wirklich entsetzlich!

* * *

Wer seufzt denn hier so? Man muß doch nicht so seufzen an einem so wunderschönen Morgen! Man muß tanzen, springen, fröhlich sein und frühstücken!« rief es da plötzlich hinter ihm. Herr Flips, der Hase, hüpfte dicht an ihn heran mit einigen sehr possierlichen Sprüngen und verneigte sich schwänzelnd.

»Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle: Flips, der Hase!« …

Pips nannte auch seinen Namen; aber sehr steif und kühl und, als Flips mit allerlei Verbeugungen noch weiter um ihn herumsprang, fuhr er ihn plötzlich grob an: »Springen Sie nicht so herum!«

»O, um Vergebung!« meinte Flips erschrocken. »Ich konnte nicht ahnen, daß Sie dadurch unangenehm berührt werden. Es geschieht nur aus Höflichkeit, nur aus Höflichkeit. Die gute Sitte verlangt das bei uns Hasen. Es muß natürlich in einer eleganten und geschmeidigen Art geschehen. Aber das lernen wir von klein auf, denn es gilt für vornehm, Herr Pips, für sehr vornehm!«

»Ich kann es aber nicht und darum bin ich böse!« knurrte Pips.

Flips war der Ansicht, daß Pips es vielleicht noch lernen könne, weil es sich für die vornehm veranlagten Leute gewiß sehr leicht erlernen lasse.

Pips horchte auf.

Und nun machte ihm Flips unter vielem Herumspringen klar, wie er unter seinen Vettern stets einer der Besten gewesen sei im Laufen, Springen und ganz besonders im Scharwenzeln.

Natürlich wußte Pips nicht, was »Scharwenzeln« ist. »Scharwenzeln« ist aber bei den Hasen das Allervornehmste.

Flips erklärte also dem staunend zuhörenden Pips, wie man in der Welt draußen, um recht gut vorwärts zu kommen, scharwenzeln müsse. Dabei machte er ihm die sonderbarsten Bücklinge und Kratzfüße vor.

Pips schüttelte den kleinen, dicken Kopf; denn das konnte er sicher nicht lernen. Dazu hatte er ganz gewiß einen viel zu steifen Rücken.

Flips tröstete ihn aber damit, daß zunächst nur das »Laufen« notwendig sei. Alles andere werde später schon von selbst durch die Erfahrung kommen; besonders die Feinheiten in der Bewegung.

Also das einfache »Laufen«, ja, das wollte Pips jetzt lernen. Er war schon schrecklich ungeduldig geworden und bat Flips, es ihm recht deutlich vorzumachen.

* * *

Flips stellte sich nun in Positur vor den kleinen Pilz und machte ihm langsam und sehr feierlich Schritte vor. Dazu sang er im Takt:

»Rechtes Füßchen – linkes Füßchen –
Eins – und zwei! –
Das Laufen lernt sich kinderleicht,
Ist keine Hexerei! –«

Pips hatte ihm sehr aufmerksam zugesehen und dabei versucht, sich auch zu bewegen, aber … vergeblich! –

Nein, wirklich, er konnte nicht vom Würzelchen fort, so sehr er sich auch anstrengte und fragte ganz verzweifelt den erstaunten Flips, wie er denn früher von seinem Würzelchen fortgekommen sei.

Natürlich wußte Flips das nicht. Wie sollte auch ein Hase, der doch gar kein Würzelchen gehabt hat, so etwas wissen.

Jetzt war Pips sehr stolz, daß er ein Würzelchen hätte, und Flips vielleicht niemals eines gehabt hätte; aber Flips, der doch schon viel in der Welt herumgelaufen war, erzählte ihm, daß da draußen sehr viele Wesen herumliefen, die keine Würzelchen gehabt hätten und sehr klug wären, viel klüger als die Pilze mit Würzelchen im Walde.

* * *

Natürlich war Pips wieder wütend, daß er dumm sein sollte und schimpfte ganz laut, wie vorher.

Er wollte nicht, nein, er wollte bestimmt nicht dumm sein!!

Flips zuckte mit den Schultern, machte verlegen einige Verbeugungen; denn er wußte auch nicht wie er dem Kleinen helfen sollte und wollte sich schon auf irgend eine Weise schnell drücken; da kam der alte Onkel Dachsmann mit seiner Morgenpfeife zwischen den Zähnen und einem tüchtigen Spaten in der Hand aus seinem Bau heraus, der gar nicht weit von Pips unter einer großen Wurzel der alten Tanne war.

* * *

Jeden Morgen, einige Zeit nach Sonnenaufgang, kam der alte Onkel aus seinem Bau, schippte mit seinem Spaten die Erde vor dem Ausgang zurecht, sah nach dem Wetter, paffte große Wolken aus seiner Pfeife und unterhielt sich dabei mit den kleinen Vögelchen und anderen Tieren, die gerade in der Nähe waren.

Seit zwei Tagen nun, seit nämlich Pips geboren war und mit seinem Köpfchen aus dem dicken Moos guckte, hatte es Onkel Dachsmann viel Spaß gemacht, nach ihm zu gucken, ob er schon größer geworden wäre und hübscher.

Am Tag vorher hatten sie sogar schon eine Weile miteinander geredet, und Onkel Dachsmann hatte ihm ganz frische Erde auf seine Würzelchen gestreut; darum mochte Pips den Alten sehr gern.

* * *

Als Dachsmann jetzt aus seinem Bau kam und den kleinen Pilz schimpfen hörte an einem so wunderschönen Morgen, war er natürlich ebenso erstaunt wie vorher Flips, der Hase.

Er paffte ein paar dicke Wolken aus seiner Pfeife, rückte seine große Brille auf der Nase zurecht, steckte die Hände in die weiten Hosentaschen und sah den kleinen, grimmigen Pilz kopfschüttelnd an.

»Nanu, Pips, machst du hier solchen Lärm?« – meinte er grunzend. »Ist das für einen Pilz ein anständiges Benehmen, he? Schreit der kleine Kerl da wie ein alter Grünspecht, daß mir beinahe die Klümpchen von der Gangdecke im Bau fallen! – Was willst du denn, du Dickkopf? Warum schreist du so? –«

»Laufen will ich lernen, Onkel Dachsmann!«

Langsam, ganz langsam nahm Dachsmann seine Pfeife aus dem Munde und starrte den Kleinen an.

Bild: Hans Baluschek

Onkel Dachsmann

»Waaaaaaas? … Laufen willst du lernen? … Du willst … laufen?« – –

Und dann lachte er ganz unbändig; denn so etwas hatte er doch nicht für möglich gehalten.

Ein Pilz wollte laufen lernen? – –

Er klopfte dem Kleinen mitleidig aufs Köpfchen und sagte: »Pips, du bist verrückt!«

»Nein, Onkel Dachsmann ich bin nicht verrückt, weil ich laufen lernen will. Alle können laufen, und da will ich es auch!«

Dachsmann schüttelte wieder den Kopf; denn wirklich, dies war sehr komisch.

»Alle?« meinte er grunzend, »alle können laufen?« –

»Ja, du kannst es doch, und Schnibuntelchen kann es auch, und ganz besonders Flips, der Hase, kann es!«

* * *

Flips hatte bisher nebenbei gestanden, und Dachsmann ihn noch gar nicht gesehen.

Nun kam er unter vielen Verbeugungen und Schwänzeleien näher und stellte sich vor:

»Wenn Herr Dachsmann gestatten; ich habe die Ehre: – Flips!«

Dachsmann kannte ihn natürlich schon; denn er war überall im Walde und auf dem Felde bekannt durch sein Herumstromern. Der alte Onkel war aber gar nicht für das viele Herumlaufen, sondern sehr für das Zuhausebleiben.

Er nahm die Pfeife ganz langsam aus dem Munde, paffte eine riesengroße Wolke über den zappeligen Flips, rückte seine große Brille auf seiner großen Nase zurecht und meinte dann grunzend: »Flips? der Windbeutel Flips? – Hm … na … ja … nun wird mir einiges verständlich. – Also, er hat mir den kleinen Pips da so verdreht gemacht mit seinem Herumwitschen und -wutschen?!«

Und wieder paffte er große Wolken über den sehr beleidigten Flips, der die Ohren anlegte, weil er böse war und mit gerümpftem Näschen meinte, daß der Ausdruck »Windbeutel« ihm fremd sei und, daß er nicht wisse, was das heißen solle: »Herumwitschen und -wutschen.«

Die Windbeutel tun natürlich immer so, als ob sie den Ausdruck »Windbeutel« gar nicht kennen.

* * *

Onkel Dachsmann lachte über den Zappelflips da vor ihm, sagte gar nichts mehr, paffte seine Pfeife und guckte den kleinen Pips an, der das alles natürlich mit angehört hatte.

Pips aber hatte den Flips schon lieb, weil ihn der doch nicht wie Schnibuntelchen und Onkel Dachsmann ausgelacht hatte, sondern ihm die große Welt da draußen zeigen wollte.

Darum war es ihm jetzt gar nicht recht, daß Onkel Dachsmann den Flips so lächerlich machte, und er meinte sehr energisch, daß man den Flips nicht ärgern dürfe, der sei sehr nett gewesen, habe ihn gar nicht angespukt, wie es das häßliche Schnibuntelchen getan hatte, sondern habe ihn das »Laufen« lehren wollen; und das »Scharwenzeln« wolle er auch von ihm lernen.

Na, das war was für Onkel Dachsmann!

»Scharwenzeln« hatte Pips auch von dem Windbeutel lernen wollen?–

Er klatschte vor Vergnügen mit der Pfote auf seinen Spaten, lachte laut und wollte in seinen Bau hinunter, um die Geschichte seiner Frau zu erzählen, die da unten bei den kleinen Frechdächsen, seinen Kindern, saß und das Frühstück für sie besorgte.

* * *

Nun wurde Pips ängstlich; denn, wenn der Alte fortging, so konnte er ihm doch nicht zum Laufen helfen und wenn er auch noch seiner Frau und den kleinen Frechdächsen etwas erzählte, dann würden die ihn nachher noch viel necken, und das wäre sehr schlimm gewesen.

So bekam er dicke Tränen in seine kleinen, sonst immer so vergnügten Pilzäugelchen und bettelte ängstlich, daß Onkel Dachsmann doch nicht gehen möchte, sondern ihm helfen.

Der Alte blieb stehen; denn er war sehr gutmütig. Außerdem dachte er in seinem schlauen Onkeldachskopf, daß der Kleine da schon durch die Erfahrung klug werden würde; denn: »Wer nicht hören will, der muß fühlen!«

Er sah also den Pips lange an und fragte ihn dann, ob es wirklich sein Ernst sei, das »Laufenlernenwollen«.

Pips quietschte weinerlich, daß es ganz bestimmt sein Ernst sei, das »Laufenlernenwollen«. Weil die anderen die Welt gesehen hätten, so könnten sie ihm davon weismachen, was sie wollten, und er, der Dumme, solle dann immer alles glauben. – Er wolle auch alles wissen wie die anderen, und vom Laufen würde er sehr klug werden. Das hatte er sich nun einmal eingebildet.

* * *

Onkel Dachsmann dachte, daß Pips schon klug werden würde vom Laufen, und machte eine komische Verbeugung vor Flips.

»Also Herr Flips, Sie wollen dem Kleinen da die Welt zeigen?«

Flips nahm eine stolze Haltung an und setzte ein sehr überlegenes Gesicht auf. Das eine Ohr blieb angelegt und das andere stellte er steif in die Höhe. Das tun die Hasen immer, wenn sie sehr klug aussehen wollen.

»Wenn Sie nichts dagegen haben, mein Herr, werde ich so frei sein, Herrn Pips aus der Abgeschiedenheit dieses Waldes in das buntbewegte Leben der vielgestaltigen Welt einzuführen, auf daß er erkenne, was recht und unrecht, töricht und weise, schön und häßlich, unnütz und nütze ist.«

Diesen langen Satz sagte er mit gerümpftem Näschen sehr von oben herunter, machte dann einen sehr schönen Kratzfuß und blieb weiter in würdiger Haltung stehen.

Er tat dies natürlich alles, weil er dem Pips doch zeigen wollte, wie viel vornehmer er sich benehmen könne als der dicke Onkel Dachsmann.

Dem Kleinen aber gefiel es sehr, und er nickte ihm eifrig Beifall mit seinem runden Köpfchen.

Onkel Dachsmann grunzte gemütlich vor sich hin und dachte sich weiter zu dem allen sein Teil. Er wußte ganz genau, daß »Erfahrungen sammeln« die Hauptsache im Leben ist. Wie man das macht, ist ja eine persönliche Angelegenheit jedes Einzelnen.

Als ihn nun Flips aufforderte, daß er doch den Kleinen von seinem Wurzelstühlchen frei graben möchte, weil niemand im ganzen Wald im Graben so erfahren sei wie die Dachsmänner, und als Pips schrecklich mitbettelte, nahm er seinen Spaten, spuckte sich ordentlich in die Pfoten und grub rings um Pips den Boden auf. Dann stieß er den Spaten in die Erde, steckte die Hände in die Hosentaschen, machte ein verschmitztes Dachsgesicht und meinte: »Bitte sehr, Herr Weltwandler Flips, nun bringen Sie ihm nur die Schritte ins große Leben bei.« Er wußte ja ganz genau, was kommen würde.

* * *

Flips war jedem Spatenstich mit größter Aufmerksamkeit gefolgt, machte eine Schwänzelverbeugung vor Dachsmann und wendete sich dann an Pips, der, in Erwartung dessen, was kommen sollte, ganz still geworden war.

Zuerst wollte er den einfachen Feld- und Wiesengang als die Grundlage zu allem Vorwärtskommen in der Welt beibringen.

Er stellte sich also noch einmal neben Pips und machte ihm sehr geziert ein paar Schritte vor. Dazu sang er mit seiner knarrigen Hasenstimme wieder:

»Rechtes Füßchen – linkes Füßchen –
Eins – und zwei! –
Das Laufen lernt sich kinderleicht,
Ist keine Hexerei! –

Pips folgte jeder seiner Bewegungen eifrig, wollte es wieder so nachmachen wie vorher schon, fuchtelte mit den Händchen in der Luft herum und – fiel langsam um; natürlich, weil er eben keine Würzelchen mehr hatte.

»Aber Herr Pips!« äußerte sich der Lauflehrer sehr erstaunt; »was machen Sie da für Ungeschicklichkeiten? Das geht nicht! Sie müssen ausschreiten und nicht umfallen wie ein Sack!«

»Ja, ich wollte auch. Ich bin aber umgefallen!« stöhnte der Kleine.

Flips machte wieder ein paar Tanzschritte und schüttelte den Kopf, daß die langen Ohren nur so wackelten.

»Ich falle doch nicht um?!« – –

»Wenn er keine Beine hat, so kann er auch nicht ausschreiten, Sie weltweiser Windbeutel!« grunzte Onkel Dachsmann. – »O Pips, Pips, Pips! Jeder ist so verrückt, wie er es braucht!«

Der Alte hatte das selbstverständlich alles kommen sehen und ging nun schmunzelnd in seinen Bau, um die Geschichte seiner Frau und den kleinen Dächsen zu erzählen, während Pips weiter drollig im Moose herumkollerte, da er natürlich ohne Beine nicht laufen konnte.

Flips wurde recht verlegen und versuchte noch unter vielem Herumspringen, dem Kleinen in die Höhe zu helfen; aber der fiel natürlich immer wieder um und fing schließlich zu weinen an, weil er doch mit Recht glaubte, daß er nun sterben müsse.

* * *

Da kam der Mooskönig mit dem Taumariechen auf seinem täglichen Morgenspaziergang vorbei.

Der Mooskönig ist der König über alle kleinen Pflanzen im Wald und auf den Wiesen, und das Taumariechen ist seine Tochter.

Der Mooskönig hat einen langen, grünen Bart und einen braunen Königsmantel, wie die Rinde der Bäume, mit silbergrauem Flimmer darüber. Er trägt eine goldene Krone mit grünen Edelsteinen darin.

Das Taumariechen ist ein schönes, schlankes Mädchen mit dunkelblauen Augen und dunklem, langem Haar. Sie trägt ein Kleid aus Silberschleiern und Perlen und hat in ihren zarten, weißen Händen ein goldenes Gießkännchen, mit dem sie des Morgens, ehe die Sonne kommt, alle kleinen Blümchen und Gräser erfrischt.

Die feinen, silberhellen Tautröpfchen, die aus dem goldenen Kännchen kommen, sind nämlich das Frühstück all' der kleinen Pflanzen im Wald und auf den Wiesen.

Manchmal saugen sie die Tröpfchen gleich auf mit ihren Blättern; besonders, wenn es sehr heiß und trocken in der Nacht war, und sie durstig sind. War aber die Nacht kühl und feucht, so daß die Pflanzen keinen großen Durst haben, dann lassen sie die Tautropfen noch eine Weile auf ihren bunten Blättern liegen, ohne sie zu trinken und schmücken sich mit ihnen, wie die Menschen sich mit Perlen und Edelsteinen schmücken.

Bild: Hans Baluschek

Wenn dann die Sonne aufgeht, funkelt und blitzt es überall im Walde und auf den Wiesen vom Tau, und alle kleinen Pflanzen freuen sich, wie schön sie sind.

* * *

Auf ihrem Morgenspaziergang also kamen Mooskönig und Taumariechen nun auch an die Stelle im Wald, an der Onkel Dachsmann soeben den kleinen Pips von seinem Wurzelstühlchen gegraben hatte.

Der Mooskönig hält sehr auf Ordnung in seinem Reich und weiß genau von jedem kleinen Pflänzchen, wo es wächst und, ob es artig ist.

Als er nun hier den Pips so auf der Erde herum kollern sah, machte er ein sehr erstauntes und ernstes Gesicht, strich sich den Bart und fragte böse: »Oho, was soll denn das bedeuten?« –

Das Taumariechen aber, das immer lieb und freundlich ist, huschte schnell zu dem hilflosen Kleinen, kniete neben ihm nieder und streichelte ihn.

»O, der kleine Pips ist umgefallen! – Das ist ja schrecklich! – Wie ist denn das geschehen, du armes, kleines Pilzchen? – Tut es dir weh? – – O, o, o! – Wie helfen wir dir nur mein Pipschen? –«

So flüsterte das Taumariechen mit ihrem silberfeinen Stimmchen; Pips aber zwinkerte verzweifelt mit den Äugelchen; denn er hatte doch ein schlechtes Gewissen vor dem Mooskönig und wußte nicht recht, was er sagen sollte.

* * *

Der Mooskönig hatte sich inzwischen umgesehen und den Windbeutel Flips entdeckt, der in leicht vorgeneigter Stellung, verbindlich lächelnd, im Hintergrunde stand und wartete. –

Er zog die Augenbrauen zusammen und sah den Hasen an.

»Ach, da ist ja noch jemand! – Hab' ich dich nicht auch schon einmal hier im Wald getroffen, du Jüngling aus der Familie der Hasen– he? –«

Flips antwortete unter unaufhörlichen Verbeugungen: »Eurer Majestät alleruntänigster, gehorsamster Flips hatte vor einigen Tagen die unermeßliche Ehre, aus Eurer gerechten Hoheit gnädigen Händen beim Wettrennen der Tiere den Preis für die Schnelligkeit zu erhalten.«

Der Mooskönig nickte mit dem Kopf und meinte, daß er sich daran wohl erinnern könne; es sei bei Gelegenheit des Wettrennens der Wald- und Feldtiere gewesen. Dann strich er sich langsam den Bart und musterte den zappeligen Flips mit sehr strenger Miene von oben bis unten.

»Ich hoffe sehr, daß Er mir durch solche Auszeichnung nicht etwa hochmütig geworden ist?!«

Bild: Hans Baluschek

Der Mooskönig und das Taumariechen

Mit unzähligen Kratzfüßen versicherte Flips, daß es für einen Hasen ganz unmöglich sei, hochmütig zu werden. Die Familie der Flipse im besonderen werde stets, auch bei allergrößtem Ruhme, die gebührliche Bescheidenheit für ersprießlicher als die ungebührliche und hoffärtige Anmaßung halten.

Zufrieden klopfte ihm nun der Mooskönig den gekrümmten Buckel; er aber legte die langen Löffel dicht an den Kopf, wie das die Hasen tun, wenn sie sehr demütig sind, und küßte den Saum des Königsmantels mit einem Quietschton, der seine untertänigste Bescheidenheit ausdrücken sollte.

* * *

Währenddessen lag Pips im Grase neben dem Taumariechen in großer Angst, was nun mit ihm geschehen würde; der Mooskönig aber fragte jetzt natürlich den Flips, ob er vielleicht wüßte, was hier geschehen sei, warum der kleine Pilz umgefallen wäre, so hilflos im Grase neben seinem Wurzelstühlchen liege und Gesichter schneide.

»Hat Er ihn vielleicht über den Haufen gelaufen?« –

Flips schwänzelte verlegen und wußte nicht recht, was er sagen sollte; denn er hatte doch ein sehr schlechtes Gewissen bei dieser Angelegenheit.

Jetzt aber hatte Pips seine Sprache allmählich wiedergefunden und piepte weinerlich: »Nein, umgerannt hat er mich nicht! Der Herr Flips hat mir erzählt, wie schön es ist, wenn man in der Welt herumlaufen kann, und da wollte ich auch und bin umgefallen!«

»Waaaaaaas? – – – Wie? – – – – Pips, du wolltest herumlaufen in der Welt wie ein Hase?« – Wenn es nicht so schlimm für dich wäre, daß du jetzt daliegst und wahrscheinlich zur Strafe für deine Neugier sterben mußt, so müßte man sehr lachen!«

Nun weinte Pips ganz jämmerlich. Sterben wollte er doch noch nicht, obwohl er es für seine naseweise Neugier ganz gewiß verdient hätte; aber – er war ja erst zwei Tage alt, und da will man doch noch ein bißchen leben.

Der Mooskönig strich sich den Bart und sah vom Pips zum Flips und vom Flips zum Pips. Schließlich drohte er dem Klips mit dem Zeigefinger und meinte, daß er an der Geschichte doch wohl auch ein Teil Schuld trage.

Flips schwänzelte verlegen.

»Wenn, dann ganz gewiß nur versehentlich; gewissermaßen aus Unwissenheit, Euer Majestät; nur aus Unwissenheit, da ich nicht ahnen konnte, daß es dem Herrn unmöglich sein würde, zu laufen. – Ich habe mir die größte Mühe gegeben, ihn die einfachste Gangart auf seine Bitte hin, zu lehren; doch völlig ohne Erfolg!« –

»Schnibunkelchen, das Eichhorn ist schuld!« quietschte Pips plötzlich.

Der Mooskönig schüttelte ungläubig den Kopf. »Schnibunkelchen, das Eichhorn ist schuld?«

Dies schien ihm doch sehr unwahrscheinlich. Er hielt Flips für viel schuldiger. Die Eichhörnchen klettern auf den Bäumen, und die Hasen laufen. Der Kleine aber hatte nicht klettern, sondern laufen wollen.

Jetzt aber hatte Pips schon ein bißchen Mut.

»Schnibunkelchen, das Eichhorn ist doch schuld!« piepte er aufgeregt. »Es hat mich mit seinem Frühstücksrest beworfen – da, an meinem Kopf – und ausgelacht hat es mich, als ich böse wurde und mir das verbat. Ich solle doch fortlaufen und mich nicht dorthin setzen, wohin die Krümelchen vom Schnibunkelfrühstück zufällig fielen; aber, ich sei ja viel zu dumm zum Fortlaufen! Das hat es mir zugerufen vom Baum herunter und dann ist es fortgehuscht. Zu dumm will ich aber nicht sein und habe darum Herrn Flips gebeten, mich im Laufen zu unterrichten. Er kann doch am besten von allen laufen. Weil ich aber von meinem Wurzelstühlchen zuerst nicht fort konnte, hat Onkel Dachsmann mich ausgegraben. Eigentlich wollte er nicht; aber, weil ich ihn sehr gebeten habe, hat er dann mit seinem großen Spaten gegraben, rings herum um mein Wurzelstühlchen. Ja, und dann … bin ich umgefallen und habe gar nicht mehr aufstehen können. – – Onkel Dachsmann hat nicht Schuld, und Herr Flips hat auch nicht Schuld; aber Schnibunkelchen hat Schuld, weil es gesagt hat, ich sei zu dumm und dumm sein will ich nicht! Ich will sehr klug sein!« –

Als er dies alles höchst aufgeregt dem Mooskönig erzählt hatte, der kopfschüttelnd vor ihm stand und eine sehr ernste Miene dazu machte, fing Pips wieder schrecklich zu weinen an.

* * *

Das liebe Taumariechen, das noch neben dem Weinenden im Grase kniete, streichelte ihn nun mit ihren zarten Händen voller Mitleid und flüsterte leise: »Armes kleines Pipschen, das ist wirklich eine sehr schlimme Geschichte!« Dann stand sie plötzlich auf, machte einen tiefen Knix vor dem Mooskönig und sagte mit feinem Lächeln: »Ich bitte für das kleine Pipschen recht herzlich um Hilfe!«

Der Mooskönig schüttelte den Kopf. »Hm-hm! Klug werden wollte er?«

»Das ist doch eigentlich keine Sünde!«

»Schon recht, schon recht! – Aber auf Gebieten klug werden wollen, die ihn nichts angehen?«

Und wieder sagte sie mit tiefem Knix: »Ach bitte, bitte!«

Da lächelte der Mooskönig leise und beugte sich zu dem Kleinen herab.

»Schön also! Weil das Taumariechen, das gute, so für dich bittet, will ich einmal eine große Ausnahme machen mit dir. – Du wolltest klüger werden durch eine Wanderung in die weite Welt? – Ich will dir diesen Wunsch erfüllen.«

* * *

Das war nun aber eine Freude für Pips! Er piepte selig, und dicke Safttropfen stiegen ihm als Glückstränen in die Äugelchen. Flips machte sich natürlich auch bemerkbar und schwänzelte unter vielen Kratzfüßen vor dem Mooskönig herum.

»O, die echte Majestät erkennt man doch sofort an der Gnade!«

»Ruhig, Er Springinsfeld!« herrschte ihn der Mooskönig an und ließ sich dann vom Taumariechen, das ihm voller Dankbarkeit für die Erfüllung seiner Bitte die Hand geküßt hatte, ein Kleeblättchen, das abseits im Moose stand und vier kleine Blätter hatte, abpflücken.

Er betrachtete das Blättchen kurze Zeit und sprach dann, geheimnisvoll, den folgenden Spruch darüber:

»Wer Abenteuern sich ergibt,
Wer Zauberei und Zufall liebt,
Soll lernen, wo auf dieser Welt
Dem braven Mann das Glück sich stellt!«

* * *

Pips hatte voll tiefster Spannung gelauscht.

Nun gab ihm der König das Blättchen.

»So, du kleiner Wissenshungriger! Das ist dein Glücksklee. Vier Blätter sind am Stengel, und viermal darfst du dir etwas wünschen, um klüger zu werden als du bist. Wenn du einen Wunsch aussprichst, so fällt ein Blättchen vom Stiel, und dein Wunsch geht zu gleicher Zeit in Erfüllung. Ist das vierte Blättchen aber gefallen, so kannst du dir nichts mehr wünschen. Daran denke!«

Selig nahm Pips das Blättchen und piepte seinen Dank.

Auch Flips bemerkte, im Hintergrunde schwänzelnd, wieder etwas von »großem Glück für Pips durch die Gnade der Majestät«. Er wurde aber barsch zur Ruhe gewiesen.

»Erst wollen wir sehen, ob es ein Glück ist für den kleinen Pips! Die Erfahrung wird es euch beide lehren!« sagte der Mooskönig, wandte sich dann mit einem vielsagenden Lächeln und winkte dem Taumariechen; denn er wollte auf seinem Morgenspaziergang noch nach den Glockenblumen und nach den Ameisen sehen.

Das Taumariechen klopfte dem kleinen Pilz noch schnell einmal die Bäckchen, wünschte ihm viel Glück auf seine Reise, nahm sein Taugießkännchen, und beide verschwanden gleich darauf in der grünen Dämmerung zwischen den Kräutern und Blumen des Waldes.

* * *

Nun waren Flips und Pips wieder allein.

Einen Augenblick war es ganz still. Pips drückte sich das Kleeblättchen selig an seine kleine Brust, und Flips machte hinter dem Mooskönig verschiedene Kratzfüße und Verneigungen.

Als er damit fertig war, wendete er sich zu Pips, stellte seine langen Löffel steif in die Höhe – das gehört bei den Hasen zur stolzen Haltung – und sagte in sehr feierlichem Ton: »Welch' ein wahrer und erhabener König! – Finden Sie nicht auch, Herr Pips, daß es ein unermeßliches Glück für die Bewohner des Waldbodens ist, eine solche Majestät über sich zu wissen?«

Pips aber hörte gar nicht hin. Er dachte nur daran, daß er sich jetzt etwas wünschen dürfe und fragte den feierlichen Flips ungeduldig, was er sich denn nun zuerst wünschen müsse, damit er laufen könne und klug werden.

»Da Sie die Welt bereisen wollen, und man hierzu unbedingt der Beine bedarf, die Sie ja nicht haben, so wäre notwendig, daß Sie sich zunächst Beine wünschen; wenigstens glaube ich dies,« bemerkte Flips.

Vergnügt schwang Pips das Blättchen in die Luft.

»Kleeblättchen, ich wünsch' mir ein Paar Beine, damit ich klug werden kann!« piepte er.

Da fiel von dem Glücksklee ein Blatt, und im gleichen Augenblick teilte sich die untere Hälfte des Pilzstieles in zwei weite, weißgraue Hosenbeinchen, aus denen ein Paar kleine, gelbe Füßchen hervorkamen.

* * *

Flips hatte das Werden der Beinchen mit großer Spannung und sehr wichtiger Miene beobachtet.

»Fabelhaft!« meinte er, »ganz fabelhaft!«

Pips aber quietschte: »Herrlich, herrlich!« als sich sein kleiner Pilzstiel in die Pumphosenbeinchen teilte mit den gelben Füßchen, und versuchte sofort, zu strampeln.

Es ging auch wirklich.

»O, sie bewegen sich schon, sie bewegen sich schon, meine Beine!« rief er überglücklich, klatschte in die Hände und lachte aus vollem Halse.

Flips beobachtete ihn mit sehr gönnerhafter Miene und einem überlegenen Lächeln, während er so zappelte, und meinte dann: »Es wäre jetzt nötig, daß Sie aufstehen, Herr Pips! Darf ich Ihnen behilflich sein?«

Pips wußte natürlich nicht, wie man das »Aufstehen« macht, und nun machte ihm Flips mit komischer Emsigkeit die Bewegungen vor:

»Zuerst, mein Herr, die Knie krümmen! – – so! – – dann die Füße aufsetzen! – – so! – und endlich … hoppla!« – – –

Er reichte ihm die Pfote und ….. mit einem Ruck stand der kleine Pilz auf seinen neuen Beinchen.

Glückselig piepte er: »Ach … da stehe ich ganz richtig! – ganz, ganz richtig! – Ich falle gar nicht mehr um! … Und jetzt?«

Neugierig guckte er an sich herunter auf die Füßchen und setzte vorsichtig eines vor das andere.

»Ha, ha, ha, sie laufen! Meine Beine laufen! Die neuen Füße laufen!«

Er klatschte überglücklich in die Hände.

»Sehen, Sie, nur, Herr Flips, sehen Sie nur! Sie laufen schon von alleine!«

Und nun stolperte er sehr drollig und ungeschickt im Moose herum vor Flips, der etwas mitleidig auf ihn heruntersah.

»Nun ja, mein Herr; es ist aber wirklich noch keine Meisterschaft. Die will erlernt sein.«

So näselte er überlegen.

Pips blieb stehen.

»Meisterschaft? – Ja, ja, natürlich, die will ich lernen, die Meisterschaft! Ich muß alles das so gut können, wie Sie es können, Herr Flips!«

Flips lächelte sehr überlegen und sah auf die dicken, kleinen Wurstbeinchen von Pips herunter.

»Also bitte, Herr Pips, wenn Sie das wollen, so machen Sie mir genau nach!

Rechtes Füßchen – linkes Füßchen –
Eins – und zwei! –
Das Laufen lernt sich kinderleicht,
Ist keine Hexerei! –«

So sang er noch einmal zu sehr niedlichen Sprüngen und Schritten vor dem kleinen Lernbegierigen. Dann reichte er ihm die Pfote, und Pips stolperte überglücklich neben ihm durch das Moos und sang:

»Hihi, es geht! – hihi, es geht! –
Ich laufe, ich laufe! – Seht nur, seht! –«

* * *

Nachdem die beiden so mehrere Male hin und her gelaufen, Pips auch einmal beinahe über eine kleine Tannenwurzel wieder hingefallen war und von der Anstrengung ein ganz saftnasses Köpfchen bekommen hatte, machten sie halt.

»Bravo, mein Herr! sehr gut, sehr gut! Sie haben außerordentlich schnell wenigstens so viel gelernt, daß wir nun schon mit unserer Wanderschaft beginnen könnten!« meinte Flips.

Pips war natürlich sehr stolz, reckte sein Köpfchen und versuchte die kleinen, komischen Beinchen so zu stellen, wie der Hase es tat.

»Jawohl, Herr Flips! Sehen Sie, wie schnell ich es gelernt habe? – Die Pipse haben soviel Talent zum Laufen wie die Flipse!«

Flips mußte selbstverständlich wieder lächeln und meinte, daß dies wohl noch eine andere Frage sei. Immerhin sei die Anlage zum Laufen bei den Pipsen nicht unbedeutend; das hätte er mit Vergnügen soeben bemerkt.

Pips sah wieder sehr stolz aus.

* * *

Bild: Hans Baluschek

Die Beinchen: der erste Wunsch

Nun schlug Flips mit einem eleganten Hasenkratzfuß vor, die Wanderschaft zu beginnen, und zunächst diesen Wald zu verlassen, um die Wunder des Feldes zu studieren.

»Ist das schön?« fragte der Kleine, stemmte keck die Arme in die Seite und wippte kühn auf seinen neuen Füßchen.

»Unterhaltsam ganz gewiß, Herr Pips, und außerdem ist es zur Erkenntnis der Welt und ihres Wesens von unbedingter Notwendigkeit für Pilze, die bis dahin nur im Walde neben einer alten Tanne ihre Erfahrungen sammeln konnten.«

»Ach ja, dann schnell, schnell, Herr Flips! Ich will die Welt und ihr Wesen schnell kennen lernen auf dem Felde!«

Flips machte eine Verbeugung. »Bitte also, mir den Arm zu reichen, Herr Pips!«

Der Kleine schob sein Ärmchen selig unter den des Hasen, und so hüpften die beiden drollig über Wurzeln und Moos fort

»Rechtes Füßchen – linkes Füßchen –
Eins – und zwei! –
Das Laufen ist so kinderleicht,
Und sehr viel Spaß dabei!«

* * *

Oben in der Tanne hatte während der ganzen Zeit Herr Zensle, der kleine Zeisig, gesessen und alles mit angesehen. Ein paarmal hatte er sein Federröckchen und sein Schwänzchen geschüttelt; das tun nämlich die Vögel, wenn sie lachen müssen; und über diesen verrückten kleinen Pilz mußte ein vernünftiger Vogel wirklich lachen. Er kannte ja die Welt noch besser als Flips; denn, wenn man fliegen kann, so kann man ganz gewiß noch mehr sehen, als wenn man nur laufen kann wie Flips. – Natürlich würde Flips das niemals zugegeben haben als eitler Hase.

Der kluge Zensle konnte sich wohl denken, daß der Mooskönig dem Pips das Laufen nur erlaubt hatte, um ihn zu belehren, daß es für die Pilze doch besser sei, wenn sie still sitzen, wo sie gewachsen sind, als wenn sie in der Welt herumlaufen.

Das kleine Verschen hatte er ja gehört, das der Mooskönig über dem Kleeblättchen gesprochen hatte, und dies Verschen war doch recht vielsagend gewesen:

»Wer Zauberei und Zufall liebt,
Soll lernen, wo auf dieser Welt
Dem braven Mann das Glück sich stellt!«

Alle Tiere und Pflanzen im Walde aber verehrten den Mooskönig wegen seiner Klugheit ebenso, wie sie das Taumariechen wegen ihrer Güte liebten.

Als die beiden nun fort waren, schüttelte Zensle sein Köpfchen, dachte nach und rief dann: »Witt-witt!«

»Witt-witt!« antwortete ihm seine kleine Frau, die nicht weit davon auf ihrem Nestchen in den Zweigen einer Erle saß.

Und nun flog er zu ihr, setzte sich auf den Nestrand und erzählte ihr die ganze Geschichte.

Beide mußten noch einmal so schrecklich lachen, daß beinahe ein paar Eierchen aus dem Nest fielen.

Als aber Zensle seine kleine Frau nun bat, ob er nicht einmal hinterherfliegen dürfe und mit ansehen, was aus der Geschichte würde, meinte sie, daß er lieber im Walde bleiben solle und ihr Frühstücksfliegen und Käferchen fangen; denn sie hätte noch großen Hunger und wisse schon, daß er so bald nicht wieder kommen würde, wenn er einmal fort sei.

»Du bist ein kleiner Neugieriger! Erst müssen aber die kleinen Vögelchen ausgebrütet sein; dann können wir auch einmal mit ihnen spazieren fliegen und uns so etwas Komisches ansehen!« piepte sie sehr energisch.

»Na ja!« piepte er ein wenig mürrisch, besann sich aber dann, während er mit dem Schnabel an seinem Federröckchen strich, doch auf seine Hausvaterpflichten.

Er dachte auch wieder daran, daß der Mooskönig wohl gemeint hätte, daß jeder dort am glücklichsten wäre, wo sein »Zuhause« sei; das aber war jetzt für ihn hier im Walde bei seinem Nest.

»Brumm-brumm!« … flog plötzlich eine große Bremse vorbei, und – husch! … war er hinter ihr her durch die Luft, um sie seiner Frau ins Nestchen zu bringen.

Als er sie gefangen hatte, und die kleine Frau Zensle sie schnabulierte, war er denn auch so fröhlich, wie man es nur sein kann als Zeisigmännchen. Hatte er doch ein gutes Gewissen als sorgsamer Hausvater. –

Bild: Hans Baluschek


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