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Trillili-piep-piep! Trillili-piep-piep!
Ich hab' mein Frauchen gar so lieb!
Du helle Morgensonne gib,
Daß ich ihr schöne Liedchen singe,
Damit sie mir mein Nestchen pflegt
Und viele kleine Eier legt! –
Trillili-piep-piep! Trillili-piep-piep!
Ich hab' mein Frauchen lieb!«
So sang Trillerchen, das Lerchenmännchen, hoch in der blauen Luft über der bunten Wiese am Waldrande, während der Morgenwind die tausend Blumen und Gräser leise hin und her wiegte, daß die Tautröpfchen funkelten.
»Ein zu dummer Schwärmer ist doch dieser Trillerchen! Wozu nur immer das verliebte Gesinge? Er soll seiner Frau lieber 'ne dicke Made bringen zum Frühstück, wie ich das tue. Dann wird sie ihm besser Eier legen. Nicht wahr? Bist du nicht auch der Ansicht, Rippel? – Hier bitte schön! Es ist diesmal eine besonders fette von den delikaten Mistmaden an der Pfütze drüben.«
So begrüßte Ruppel, der Rebhuhnhahn, sein Weib, das am Waldrand unter dem blühenden Dornbusch auf ihren Eiern brütete, als er mit einer dicken, gelben Made vom Morgenspaziergang heimkam.
»Natürlich, Ruppel, natürlich!« gackerte die Henne. »Wenn du so ein Schwärmer wärst wie Trillerchen, dann würde ich kein einziges Ei gelegt haben und wäre dir schon lange fortgelaufen. Wir Rebhühner sind praktisch. Vom Liedersingen kann man nicht leben; aber vom Madenfressen; das ist gewiß!«
Und dann fraß sie die Made gierig auf, die ihr Ruppel im Schnabel hinhielt.
* * *
Inzwischen flog Trillerchen immer höher hinauf ins Blaue und schmetterte sein Lied in den frischen Morgen zur Freude seiner kleinen Frau, die am Rande der großen Blumenwiese saß und brütete.
Sie freute sich innig, daß ihr Mann so schön singen konnte und, daß er sie so lieb hatte.
Vorhin hatte sie Ruppel gesehen, wie er auf dein Felde nach Maden und Regenwürmern in der Erde scharrte, und nun dachte sie, wie dumm doch eigentlich so ein dicker Rebhühnerhahn sei, daß er gar nicht singen kann und auch nur ein klein wenig musikalisch ist; und wie armselig sei das Leben so einer Rebhühnerhenne, die beim Brüten immer nur fressen kann und gar keine weiteren Genüsse kennt als die des Magens. Da seien doch die Lerchen bessere Vögel als die Rebhühner.
Sie konnte überhaupt Rippel und Ruppel nicht leiden, weil die so groß und plump waren und immer auf dem Felde um sie herum den Boden aufkratzten, wenn sie nach Würmern suchten. Einmal hatte Ruppel so nahe an ihrem Nest gekratzt, daß sie hatte fortfliegen müssen, weil sie Angst vor den herumfliegenden Steinchen bekam. Das hatte sie nicht vergessen; denn fast wären ihre Eier kalt geworden. –
* * *
Plötzlich hörte Trillerchen mitten in seinem schönen Liede auf zu singen und schoß hoch aus der Luft herunter zu seinem kleinen Nest am Wiesenrand. Er hatte etwas sehr Seltsames gesehen und, da er nicht wußte, was er davon zu halten hatte, wollte er sich lieber neben seiner kleinen Frau ins Nest ducken, um bei ihr zu sein, wenn die Geschichte gefährlich würde.
Im gleichen Augenblicke horchte auch Ruppel auf, der sich am Waldrand neben Rippels Nest ein Loch gekratzt hatte, in dem er sich zum Morgenvergnügen mit geplusterten Federn wälzte und ein Staubbad nahm, wie das die Hühner ja immer gern im Sonnenschein tun, wenn sie satt sind.
»Hör' mal, Rippel! Was ist denn das?« gackerte er, und beide horchten gespannt.
»Das ist Flips, der Hase! Ich erkenne ihn an der Stimme!« meinte Rippel.
»Ja, ja! aber da ist noch eine andere Stimme; so eine dünne, ganz feine, die ich noch nicht gehört habe hier auf der Wiese! Wir wollen mal ganz still sein und uns ducken; denn man kann nicht wissen, ob da etwas Gefährliches kommt. Aus dem Walde kommt doch oft Unangenehmes.«
»Nun ja; ich glaube zwar, daß mit Flips nichts Gefährliches kommt; der greuliche Jäger geht schon ganz gewiß nicht mit dem Hasen spazieren, oder der schreckliche Hund,« gickerte Rippel; »aber wir können doch zur Vorsicht lieber geduckt aufpassen!«
Und so saßen auch Rippel und Ruppel eng zusammengeduckt und horchten.
* * *
Nun raschelte es schon dicht am Waldrand in den grünen Blättern, und gleich darauf kamen Flips und Pips, Arm in Arm, singend auf die bunte Wiese herausgehüpft.
»Wer auf dem Stühlchen sitzen bleibt,
Wer sich daheim die Zeit vertreibt,
Den knabbern, weil er gar nichts kann,
Zuguterletzt die Maden an.
Holderi! … die Welt ist wunderschön;
Man muß nur drin spazieren gehn! –
Ich bin das Häschen Flips!
Ich bin das Pilzchen Pips!«
So sangen die beiden und dann ließen sie sich los und machten, jeder für sich, einige sehr possierliche Sprünge im Grase zwischen den Blumen.
Pips purzelte dabei natürlich ein paarmal hin und schoß Kobold, rappelte sich aber sofort wieder auf und tat, als ob nichts gewesen wäre, damit Flips nicht merken sollte, wie ungeschickt er war. – – –
* * *
Siehst du, es ist Flips, der leichtsinnige Springinsfeld!« gackerte Rippel leise.
»Still, Frau!« tuschelte Ruppel und stieß sie mit dem Schnabel. Gewiß, es ist Flips; aber der andere? – – Er sieht aus wie ein Waldpilz! – Das ist gefährlich! Einen Waldpilz, der herumläuft, habe ich noch nie gesehen. So ein Biest ist sicher gefährlich. Wir wollen ganz still sein, hörst du?!« –
»Na ja, du magst recht haben, lieber Mann. Du bist ja sehr klug und hast viel Erfahrung gesammelt beim Scharren und Kratzen.«
»Sieh nur!« piepte Trillerchen im gleichen Augenblick, in seinem Nest an sein Frauchen geschmiegt; »sieh nur! da auf der Wiese ist Flips, der Hase und ein Pilz, der Beine hat! Wir wollen ganz still sein; denn ein Pilz mit Beinen ist vielleicht etwas ganz Fürchterliches!« – – –
* * *
Flips hatte natürlich längst gesehen, wie ungeschickt der kleine Pips herumpurzelte; denn er hatte ihn ja nur losgelassen, um sich darüber zu freuen.
Nun nahm er eine sehr würdige Haltung an und wies mit erklärender Pfotenbewegung auf die Landschaft.
»Also, mein Herr Pips, wir sind jetzt aus dem Walde auf das Feld gekommen. Die Welt besteht aus Wald und Feld. Im Walde waren Sie gewissermaßen in Ihrer Heimat und, obschon ich ja auch mal im Walde war als weitgewanderter Mann, muß ich doch sagen, daß das Feld mehr meine Heimat ist; das heißt natürlich, die Heimat meiner Familie und das Vaterland der Flipse überhaupt.«
Und dann reichte er dem Pips wieder die Pfote, und beide hüpften weiter über die Wiese hin auf den Feldrand zu. –
* * *
Das Feld wurde durch eine blühende Wildrosenhecke und einen alten Zaun begrenzt.
Halb verborgen unter dieser Hecke lugte »Kulks« hervor, ein großer Kohlkopf, und ließ sich von der Frühsonne bescheinen. Langsam faltete er seine Blätter auseinander und grinste.
»Schöner Tag, ja, ja, ja, schöner Tag heute! Freut mich doch, daß ich noch auf meinem Stühlchen sitze, daß der Bauer mich vergessen hat, ja, ja. Man muß Glück haben, man muß Glück haben!«
Plötzlich aber machte er ein entsetztes Gesicht. Er sah Flips und Pips.
»Halt! … Was kommt denn da angesprungen? … Oh – oh – oh – oh – das ist gefährlich! … Ein Hase! … Einer von diesen Fressern, die mir immer die schöne Krause beknabbern! … Oh – oh – oh! … Aber das andere? … Was ist denn das für'n sonderbares Tier? … So was hab' ich ja noch nie gesehen! – Gefährlich scheint es aber sehr, weil es so eng mit dem verdammten Hasen befreundet ist. Will nur schnell meine Krause schließen! Oh – oh – oh!«
Mit einem Ruck klappte er alle großen Blätter vor seinem dicken Gesicht zusammen.
* * *
Flips hatte am Rande der Wiese und des Feldes, ganz nahe dem Lerchennestchen, mit Pips wieder halt gemacht und wies nun auf die blühenden Wildrosenhecken jenseits.
»Sehen Sie, mein lieber Herr Pips, unter einem Strauch, wie Sie ihn dort bemerken, hat mich dereinst meine verehrte Mutter, die würdige Häsin »Pimpinella Flips,« mit zwölf Geschwistern geboren und erzogen.
Ja, beim Anblick jenes Strauches und des darunter hervorduftenden Kohlkopfes kommt mir mit rührender Deutlichkeit meine selige Kindheit wieder ins Gedächtnis; die Zeit des ersten Hüpfens und Kohlknabberns.«
Ängstlich schielte Kulks, der das gehört hatte, durch die Blätter.
Pips hüpfte um Flips herum und meinte: »Was » Hüpfen« ist, das weiß ich jetzt. Es ist sehr schön. Aber was ist denn » Kohlknabbern?« Ist das auch so schön?«
»O, das ist einer der höchsten Genüsse auf dieser Welt!« schmunzelte der Hase.
»Sehen Sie, Herr Pips, dort drüben steht, wie schon bemerkt wurde von mir, noch ein solcher Kohlkopf.
Der Kohl wächst für das große Geschlecht der Hasen auf allen Feldern der Welt. Der Mensch zwar, jener brutale und unverschämte Riese, kommt zeitweise und raubt ihn uns von unsern Äckern; aber das vermag nichts an der Bestimmung des Kohles zu ändern, der nun einmal für die Hasen und insonderheit für die edlen Flipse wächst.«
Pips fragte nun mit sehr dummem Gesicht, ob denn auch was für die Pipse wachse? Alles sei immer für die andern da! Für die Pipse sei gar nichts!
»O, Herr Pips, es kommt wohl auf die Erfahrung unserer Reise an. Ich bin doch überzeugt, daß wir auch etwas finden werden, das für die Pipse da ist. Man muß nur Geduld haben.«
Pips war wieder beruhigt, hopste hoch und klatschte froh in die Händchen. »Ja, ja, ich will Geduld haben und sehr klug werden! Aber nun sagen Sie mal: Was ist denn das, ein Mensch? –«
Flips sah sich scheu um. Dann meinte er fast ängstlich: »Ach, Herr Pips, ich möchte von diesem fürchterlichen Wesen jetzt nicht reden. Reichen Sie mir nur bitte wieder die Hand. Ich denke, daß wir über das Feld laufen, und ich mir jetzt einen kleinen Genuß mit jenem scheinbar ausgezeichneten Kohl dort verschaffe!«
Und nun hüpften die beiden Wanderfreunde über das Feld auf den Kohltopf zu.
* * *
Na,« piepte Trillerchen in seinem Nest und streichelte seine kleine Frau, »den Pilz mit Beinen brauchen wir ebensowenig zu fürchten als wir den Flips fürchten. Der ist ja so dumm, daß man immer laut trillern möchte vor Vergnügen, wenn er etwas sagt. Die ganze Geschichte ist aber doch so seltsam, daß wir lieber noch etwas still sein wollen und zuschauen, was draus wird.«
Die Lerchenfrau war ganz seiner Ansicht. Sie hatte auch sehr an sich halten müssen, um nicht laut zu piepsen vor Vergnügen über die Fragen, die Pips an den Hasen stellte. Und nicht einmal den Menschen kannte er, den guten Menschen, der immer so freundlich zu den Lerchen war.
Beide Lerchen hatten auch so viel Spaß daran gehabt, daß Flips solche Angst vor dem Menschen hatte. Sie hatten sich mit den Flügelchen gestoßen und nach dem Rebhühnernest herübergeguckt; denn sie wußten ja, daß Ruppel und Rippel genau solche Angst vor dem Menschen hatten wie Flips.
Die beiden Rebhühner hatten natürlich auch das ganze Gespräch mit angehört, und besonders die Frage nach dem »Kohlknabbern« hatte ihnen so viel Spaß gemacht, daß Rippel aus Versehen laut gegackert hatte.
Dann war aber die Frage nach dem Menschen ihnen gewaltig in die Federn gefahren. Sie hatten sich eng geduckt und nickten eifrig, als Flips seine Erklärung über den Menschen abgab. Sie waren genau seiner Ansicht! –
Nun guckten sie, wie die Lerchen, still und aufmerksam hinter den über das Feld hüpfenden, seltsamen Freunden her, in gespannter Erwartung, was aus der Geschichte noch werden würde. Vorsicht schien jedenfalls auch ihnen geboten.
* * *
Inzwischen waren Flips und Pips bei Kulks, dem Kohlkopf, angekommen, der ganz gewaltig zu riechen anfing vor Angst, daß er nun beknabbert werden sollte.
Das machte dem Flips natürlich noch viel mehr Appetit. Er schnüffelte an der Kulksblätterkrause eine Weile herum, schlug sich mit der Pfote erfreut auf das Hasenbäuchlein und fing dann lustig an dem größten von den Blättern zu nagen an.
Pips stand auf seinen neuen, dicken Beinchen daneben, schüttelte den Kopf höchst erstaunt und faltete die Hände; denn jetzt machte Flips es genau so, wie Schnibunkelchen es gemacht hatte.
»Es wird wohl zum Laufen gehören, und darum werde ich es wahrscheinlich jetzt auch lernen müssen; aber Lust dazu habe ich eigentlich gar nicht.« So dachte er und zog ein schiefes Gesicht.
Flips wandte sich nun auch schon, schmatzend, nach ihm um:
»Wollen Sie nicht etwas Kohl mit mir schnabulieren, Herr Pips? Es schmeckt ganz herrlich!«
Zögernd streckte Pips den dicken Kopf vor und kam etwas näher.
»Eigentlich weiß ich gar nicht, wie man das macht, »schnabulieren;« aber, wenn es so schön ist, dann will ich es auch lernen. Alles Schöne will ich lernen.«
»Bitte sehr, mein Herr, bitte sehr!« antwortete Flips mit einer sehr eleganten Häschenverbeugung, riß ein Blattzipfelchen von der Kulkskrause ab und reichte es dem Kleinen.
* * *
In dem Augenblick, als Pips die Hand nach dem Blattzipfelchen ausstreckte, fiel plötzlich vom Waldrande her ein Schuß, und Flips sprang, zu Tode getroffen, hoch in die Luft, purzelte kopfüber zur Erde und lag dann still neben dem erschreckten Pips, der, völlig starr über dieses neue Ereignis, sich – patsch – auf die Erde gesetzt hatte.
Es blieb dem Entsetzten aber nicht viel Zeit, sich zu überlegen, was dies zu bedeuten hätte, so überstürzten sich jetzt die Ereignisse.
Aus dem Waldrande drüben trat der Jäger, zeigte mit der Hand auf den toten Flips und rief: »Apport Karo!«
Und nun stürmte Karo, der Hund, über die Wiese und das Feld, daß nur so die Klümpchen hinter ihm herflogen, rannte den erstarrt auf ihn glotzenden Pips über den Haufen, stutzte einen Augenblick, blieb stehen, beschnüffelte ihn, nieste und rief: »Pfui, du stinkst!« machte einen mächtigen Satz zu dem toten Flips, beschnüffelte den, wedelte zufrieden mit dem Schwanz, schlenkerte mit der Schnauze, daß ein großer Klecks Hundespucke Pips an die Hosen flog, knurrte: »Großartig! … großartig! … ein Prachtbraten!«, packte den Hasen mit gefletschten Zähnen im Genick und raste mit ihm zurück über Feld und Wiese zum Jäger, der ihn am Waldrand erwartete.
»Recht so, mein Hündchen, recht so!« meinte der grüne Jägersmann, streichelte seinen Karo, nahm ihm das Wild aus der Schnauze und hängte die Flinte über die Schulter.
Karo sprang an ihm in die Höhe und bellte: »Ja, ja, das habe ich genau so gemacht, wie ich es auf der Jagdschule gelernt habe und nun freue ich mich schon auf den saftigen Hasentopf und die knusprigen langen Löffel als Belohnung zum Mittagsfressen in meinem Hundenapf!«
Darauf verschwanden die beiden wieder im Walde. – –
* * *
Eine Zeitlang war es ganz still auf Feld und Wiese nach diesen furchtbaren Geschichten.
Ruppel und Rippel saßen zitternd in ihrem Nest und hatten vor Angst ihre Eier bekleckst.
Die beiden kleinen Lerchen zitterten auch mit den Flügelchen. Der Schuß war doch recht schrecklich gewesen, und dann war Karo so dicht an ihrem Nest vorbeigerast; Hunde waren aber gar nicht ihre Freunde. Im vorigen Jahr hatte nämlich so ein Hund ihr Nest mit seiner dicken Nase beschnüffelt und dann alle ihre Eierchen mit seiner roten Zunge in sein Maul geschlapst. Das war schrecklich gewesen. Nie konnten sie es vergessen. Und so schwiegen auch sie in großer Angst.
Pips aber saß lange Zeit neben Kulks auf der Erde, entsetzt über all' dies Seltsame. Dann stieg ihm allmählich der erstarrte Saft wieder ins Köpfchen, und er fand seine Besinnung.
Vorsichtig betastete er sich den Pilzleib und meinte dann mit einem tiefen und höchst beleidigten Seufzer: »Ich stinke? – ich stinke? – Was war denn das? – Ich stinke, hat er gesagt!«
* * *
Langsam faltete Kulks neben Pips die Blätter auseinander und grinste:
»Hi-hi-hi! … Ja-ja-ja!«
Als der plötzlich das dicke Kulksgesicht neben sich aus der Blätterkrause grinsen sah, war er noch mehr erstaunt.
Er rappelte sich auf, guckte den Kohl an und entschuldigte sich stotternd bei ihm, da er geglaubt hätte, daß Kohlköpfe nur schnabuliert würden.
Kulks grinste weiter und nickte:
»Weiß wohl, weiß wohl! Das hat Ihnen der freche Fresser, der Flips erzählt. Zur Strafe ist er jetzt tot und wird aufgefressen. Ja, ja, so geht's. Geschieht ihm recht, dem Fresser!«
Pips zog wieder eine höchst erstaunte Pilzmiene.
Er wird gefressen? Was ist denn das »fressen«? Ist das auch so etwas wie »schnabulieren?«
»Eine Gemeinheit ist es, eine Roheit ist es, etwas tierisch und menschlich Unanständiges ist es! – Ich würde so etwas niemals tun! Ich bin vom edlen Stand der Gemüsewesen und lebe nur von anständigem Dung! – Kulks ist mein Name, Kulks, der Kohl!«
Dabei legte er sein dickes Gesicht in sehr würdige Gemüsefalten.
Pips wußte nun schon, wie er sich als Laufpilz zu benehmen hatte, machte eine Verbeugung, schlug mit dem einen neuen Bein nach hinten aus und nannte seinen Namen: »Pips, der Pilz!«
»Was?« kohlte Kulks etwas mißtrauisch; »Pips, der Pilz? – – Die Familie der Pilze auf Beinen ist mir unbekannt. Überhaupt, ja, ja, sind Sie ein sonderbares Wesen. Ich habe so etwas wie Sie noch nie gesehen und habe schon sehr viel gesehen, schon sehr viel; ja, ja, schon sehr viel!«
* * *
In diesem Augenblick krächzte es in der Luft, und von einer Weide, die nicht weit entfernt auf dem Felde stand, kam Schwarz, der Rabe, herangeflogen.
»Ah, dort kommt ja Herr Dr. Schwarz, der Rabe!« kohlte Kulks erfreut. »Der ist sehr klug und wird mir wohl über die Pipse Bescheid geben können!«
Da ließ sich auch schon der Rabe auf einen Feldstein neben ihm nieder, faltete die Flügel feierlich auf dem Rücken und rückte die Brille auf dem Schnabel zurecht. Er war nämlich, als alter Herr, schon etwas kurzsichtig.
Auch seine Schnabelkanten waren brüchig und stumpf geworden im Laufe eines Rabenalters, so daß er nur noch weiche Würmchen, Raupen und derartiges fressen konnte und auf die schönen, knusprigen Käferchen verzichten mußte.
Seine Freundschaft mit Kulks kam auch daher, daß dieser ihn nur als Raupenvertilger und Gelehrten kannte.
Als junger Mann hatte er nämlich sehr gern auch die saftigen, frischen Kohlblätter zu den Insekten gefressen; aber nun konnte er sie nicht mehr so recht im Magen vertragen. Also holte er sich vom Kulks nur noch die Raupen und tat ihm gegenüber, der ja erst seit diesem Frühling das Feld schmückte, als ob er niemals in früheren Jahren den Kulksgroßvätern mit Rabenhunger große Fetzen aus dem dicken Kopf gerissen hätte.
* * *
Würdig und gemessen, wie sich das für sein Alter geziemte, krächzte der Rabe: »Guten Morgen, mein lieber Herr Kulks! Wie geht es Ihnen?«
Kulks wedelte mit den Blättern und bedankte sich höflichst. Er habe sich allerdings vorhin über den frechen Flips sehr ärgern müssen. Der sei nämlich schon wieder hier gewesen, um ihm seine schöne Krause zu benaschen; aber es habe ihn nun endlich die Gerechtigkeit erwischt; der Mensch habe ihn totgeschossen.
»Ich habe das mit angesehen von ferne. Hm, hm, wie schnell so etwas geht!« krächzte Schwarz und rieb sich den Schnabel mit der langen Zeigekralle. »Meine alte Überzeugung bestätigte sich auch in diesem Falle wieder: Vor den Hunden und vor den Menschen muß die Welt sich hüten!«
Kulks stimmte, tief seufzend, zu, daß ganz besonders die Menschen heimtückisch seien. Zuerst gäben diese hinterlistigen Wesen einem den herrlichen Mist zu essen und, wenn man so schön groß, dick und gesund geworden sei, wie sich das für einen anständigen Kohl gehört, dann kämen sie herbei, um jedes fröhliche Köpfchen von seinem Wurzelstühlchen zu reißen und in ihren entsetzlichen Kochtöpfen Mittagbrot aus den edlen Kohlgliedern zu schmoren. Herr Doktor Schwarz habe bezüglich der Menschen, dieser gefräßigen Betrüger, ganz gewiß recht.
Der Rabe nickte selbstgefällig überlegen, und Kulks fragte nun, mit einem schiefen Blick nach dem kleinen Wanderpilz weiter, ob der gelehrte Herr Doktor denn nicht auch wisse, wer die Pipse seien und was diese Wesen zu bedeuten hätten auf der Welt.
»Die Pipse? –«
»Ja, ja, Herr Doktor, die Pipse! – Dort steht einer! Er kam vorhin mit Flips hier angehüpft aus dem Wald, über die Wiese her, fast wie ein Hase und dann doch wieder ganz anders. Mit den Hasen scheint er mir nicht näher verwandt zu sein. Er sieht ihnen ja gar nicht ähnlich, wie z. B. die ruppigen Kaninchen. Ich glaube auch, daß er nicht edeles Gemüse frißt wie der Flips und alle seine Verwandten. Das hat mir vorhin schon einiges Vertrauen zu ihm gemacht. Dann haben wir uns auch gegenseitig vorgestellt, wie sich das für anständige Feldbewohner gehört; aber ich bin mir doch trotz alledem nicht klar darüber, ob er zu den Gemüsewesen oder zu den Tieren gehört auf der Welt.«
* * *
Schwarz wendete sich wichtig, rückte wieder die Brille auf dem Schnabel zurecht und betrachtete Pips eingehend von oben bis unten. Dann ging er steifbeinig um den Verlegenen herum.
»Ich habe dieses Wesen vorhin schon aus der Entfernung gesehen; aber undeutlich, sehr undeutlich und bin eigentlich hergekommen, um mir über seine Art Aufklärung zu schaffen! – Also: »Pips« heißt es?« – So krächzte er würdig und tippte den Kleinen, der ihn beklommen anstarrte, mit dem Flügel an. Dann kratzte er sich den Denkerkopf und meinte: »Hm, hm, scheint mir ein Pilz zu sein; aber – seltsam, sehr seltsam! – – Es hat ja Beine?! – Ganz etwas Neuartiges ist mir das in der Tat! Ein sehr eigenartiges Wesen!«
Er schüttelte den Kopf und rückte wieder die Brille. »Hm, hm! – Sie heißen Pips?«
Pips stotterte verschüchtert: »Mein Name ist Pips, jawohl!«
Forschend betrachtete ihn der Rabengelehrte weiter. »Hm, hm! – Im allgemeinen sehen Sie aus wie ein Pilz; aber Sie haben ja Beine? – Ein Pilz mit Beinen, das ist mir neu, das ist sehr sonderbar!«
Er schüttelte wieder den Kopf, rieb sich den Schnabel, tippte dann Pips mit der Zeigekralle an die Beinchen, die diesem aus unbestimmter Furcht ein wenig zitterten und wandte sich kurz an Kulks mit der überlegenen Bemerkung: »Wahrscheinlich stehen wir hier vor einer Entartung, vor einer schauderhaften Unnatur!«
»Hä, hä! – das hab' ich auch schon gedacht, Herr Doktor, hab' ich auch schon gedacht! – Hä, hä!« grinste der und schüttelte seine Krause.
* * *
Nun war Pips entrüstet.
»Ich bin aber keine Entartung!« quietschte er und stampfte auf den Feldboden, daß eine kleine Fliege, die ihm eben ins Füßchen stechen wollte, tot war. »Ich bin keine schauderhafte Unnatur!« –
»Was sind Sie dann?« krächzte der Rabe.
»Ich bin ein richtiger Pilz. – Pips, der Pilz bin ich!« – – Und er richtete sich straff auf, verschränkte die Ärmchen und versuchte, würdig auszusehen.
»Ein richtiger Pilz? – – Das ist Unsinn!« lächelte Schwarz mit mitleidigem Schnabelklappern. »Pilze, mein Herr, haben keine Beine. Pilze sitzen im Wald auf ihrem Stühlchen, wo sie gewachsen sind und laufen nicht in der Welt herum. – Was tun Sie hier, wenn Sie ein ordentlicher Pilz sind? Was tun Sie hier?«
»Ich? – – Ich will mir die Welt ansehen und klug werden!« quietschte Pips energisch.
* * *
Schwarz sperrte verdutzt den Schnabel auf und beinahe blieb ihm die sonst recht kräftige Krächze aus.
Ein Pilz, der Beine hatte, um die Welt anzusehen und klug zu werden? – So etwas war ihm denn doch noch nicht begegnet in seinem schon recht hohen Rabenalter, und er hatte doch wirklich viel gesehen und erfahren auf Feldern, Wiesen und in Wäldern!
Pilzen gegenüber war er allerdings schon immer etwas mißtrauisch gewesen, seit er sich in seinen Flegelflugjahren einmal in übertriebener Freßfreude den Magen gründlich mit einer fetten Made verdorben hatte, die sich auf einem dicken Pilzkopf in der Sonne wälzte.
Mit Kohlmaden war ihm so etwas noch nie passiert. Die waren stets sehr bekömmlich gewesen. Daher kam auch seine Freundschaft mit Kulks, dem es natürlich sehr angenehm war, wenn er von Zeit zu Zeit von den alten Juckbiestern durch den würdigen Doktor befreit wurde.
Schwarz benahm sich bei seinen Besuchen ja stets sehr viel höflicher als z. B. Ruppel und Rippel, die auch recht oft zum Madenfraß kamen. Die Rebhühner waren aber immer so plump gierig und fraßen manchmal sogar ein richtiges Stück Kulkskrause mit. Dabei sagten sie nicht ein Wort, während der Rabe, wie wir schon wissen, wegen der altersstumpf gewordenen Schnabelkanten keine Kohlkrausen beknabberte und bei seinen Besuchen meist irgendeine neue Geschichte zu erzählen wußte von den Gefahren, die in der Welt den Kulksen drohten, besonders durch die Bremsen und Kohlweißlinge, deren Maden er so gern fraß.
Als daher Kulks das Erstaunen seines gelehrten, alten Freundes bemerkte, kohlte er Pips an, daß er doch mal gründlich Bescheid geben solle über seine Herkunft.
Ganz gewiß sei der Herr Doktor sehr welterfahren, und, wenn man einem so berühmten Gelehrten nicht erklärlich sei, so sei man eben eine Unnatur, eine Entartung, ein sinnloses Ding. Die Köhle, und besonders die Kulks- oder Weißköhle, seien ein durch alte Züchtung sehr edeles Gemüsegeschlecht, das jedermann auf der Welt kenne; aber was seien denn nun eigentlich die Laufpipse? –
* * *
Pips hatte jetzt Mut. Außerdem war er stolz, daß er etwas erzählen konnte und so berichtete er eifrig, daß er im Walde unter der alten Tanne, schon zwei Tage alt, auf seinem Wurzelstühlchen gesessen hätte und sehr zufrieden gewesen sei, bis heute morgen Schnibunkelchen, das freche Eichhörnchen, ihm seine Frühstücksreste an den Kopf geworfen hätte. Es habe ihn dann noch ausgelacht, weil er so dumm sei und sich noch nicht einmal von seinem Stühlchen bewegen könne.
Darüber habe er sich natürlich sehr geärgert.
»Hm, hm!« meinte der Rabe.
»Hä, hä!« grinste Kulks.
»Ja, und dann kam Flips, der Hase!« fuhr Pips eifrig fort. Der hat mir viel von der Welt erzählt, und da merkte ich, daß ich doch eigentlich noch nicht sehr klug war und, daß Schnibunkelchen beinahe recht hatte, wenn es mich für dumm hielt und auslachte.
Überhaupt war Herr Flips sehr freundlich zu mir und hat sich auch gleich angeboten, mir die Welt zu zeigen, wenn Onkel Dachsmann mich von meinem Wurzelstühlchen freigrübe.
Onkel Dachsmann hat erst ein sehr sonderbares Gesicht gemacht, als ich ihm sagte, daß ich laufen lernen wolle. Als er aber dann merkte, daß es wirklich mein Ernst war, das »Laufenlernenwollen,« um die große Welt zu sehen wie Herr Flips und, klug zu werden, noch viel klüger als Schnibunkelchen, sagte er: »Na, du wirst vom Laufen schon klug werden!« und hat mich mit seinem Spaten freigegraben.
Als ich dann aber umfiel und noch nicht laufen konnte, trotzdem Herr Flips sich große Mühe gab mit mir, kam der Mooskönig, der mich sehr gern hat und schenkte mir meine Beinchen.
Wie man die Beinchen bewegt, habe ich dann sehr bald gelernt, und Flips und ich sind sehr schnell hierher gelaufen!«
»Hm, hm!« meinte der Rabe.
»Hä, hä!« grinste der Kohl.
Pips guckte von einem zum andern, schwieg ein Weilchen und seufzte dann: »Ja, und nun ist der kluge und freundliche Herr Flips fort. Es hat gekracht, und er ist umgefallen.«
* * *
Der Mensch hat den Hasen getötet und wird ihn fressen!« krächzte Schwarz mit würdiger Bestimmtheit nach dieser Erzählung.
»Ich habe den Menschen auch gesehen! Er hat mich umgelaufen und gesagt: »Pfui, Du stinkst!« fuhr Pips auf.
Nun lachte Kulks und klatschte die untersten Blätter vor Vergnügen auf die Erde, was die Kohlköpfe sonst nur tun, wenn sie sich sehr wohl fühlen in der Sonne nach einem schönen Regen. Schwarz aber meinte mit mitleidigem Kopfneigen: »Sie scheinen in der Tat nicht sehr klug zu sein, mein Herr. Es war nicht der Mensch, sondern der Hund, der Sie umgelaufen hat.
Ich fange an zu glauben, daß Sie noch viel lernen müssen, wenn ich nicht annehmen soll, daß es an sich töricht von Ihnen war, sich überhaupt von Ihrem Wurzelstuhl im Walde auf die Reise in fremde Umgebung zu begeben. Jedoch ist das ja Ihre Sache, und Wissensdrang, wie Sie ihn beweisen, immerhin anzuerkennen.«
»Jawohl, Herr Doktor, ich will alles wissen auf der Welt!«
»Hä, hä!« grinste Kulks.
»Warum lachen Sie?« fuhr ihn Pips an.
»Hä hä, ich denke mir nur, daß ich nicht alles wissen möchte auf der Welt. Das ginge gar nicht in meinen Kopf hinein, und mein Kopf ist ein sehr guter Kohlkopf. Nein, alles möchte ich nicht wissen!«
»Sie wissen aber, wer der Mensch ist, und das möchte ich auch wissen,« schmollte der Kleine.
Wohlwollend meinte der Rabe: »Seien Sie froh, daß Sie es nicht wissen, daß Sie mit ihm noch nicht zusammengeraten sind, sondern nur mit seinem Diener, dem Hund. Hätte der Mensch Sie gesehen, so hätte er Sie sicher zertreten, und Sie wären zur Zeit nur noch ein Haufen Brei. Pilze, die herumlaufen, hat er ganz gewiß nicht gern. Also danken Sie Ihrem Glück, daß er dort hinten irgendwo stand, und Sie nicht entdeckt hat.«
»Ich habe niemand dort hinten stehen sehen, als es gekracht hat!« piepte Pips erstaunt.
»Dazu sind Sie auch zu klein, mein Lieber. Die Aussicht ist Ihnen durch die Gräser verdeckt gewesen!«
»Dann muß ich noch größer werden? Vielleicht so groß wie Herr Kulks, wenn ich den Menschen sehen will?« Und sehr sehnsüchtig reckte sich der Kleine auf seinen Füßchen.
»Gewiß!« nickte der Rabe. »Wachsen Sie nur noch ein wenig. Es wird Ihnen bestimmt nicht schaden. Sie sind ja noch verhältnismäßig jung. Zwei Tage ist kein sehr hohes Alter.«
»Ja, ich will noch wachsen. Ich will überhaupt alles, was man muß, um viel zu sehen und sehr klug zu werden!«
»Dieser Wille ist, wie ich schon bemerkte, lobenswert, auch bei den Pilzen,« krächzte Schwarz weise und brach das Gespräch ab; denn er hatte noch andere Absichten mit seinem Morgenbesuch bei Kulks, als sich über das Wesen des Pips aufzuklären, über den er nun auch genügend unterrichtet war.
* * *
Mit freundlichem Schwanzfederwippen wandte sich der Rabe wieder an den Kohl: »Mein lieber Kulks, wie ist es? Haben Sie heute ein Frühstück für mich?«
»Jo, jo, Herr Doktor, jo, jo!« grinste der erfreut. »Ein paar fette Raupen, da, irgendwo in meiner Krause, dicht an meinem Hals. Die haben mich schon die ganze Nacht gejuckt! Wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sie verspeisen würden!«
»Na, dann wollen wir mal sehen!« krächzte Schwarz begierig und hüpfte ganz dicht an Kulks heran, der seine Blätter, zufrieden grinsend, von ihm auseinanderbiegen und absuchen ließ. –
Lange dauerte es auch nicht, da schnalzte der Rabe mit der Zunge. »Ach! – ja! – prächtig! – sehr prächtig! … Hm! – hm! – sehr gut! – sehr gut!«
Eine große, fette Raupe verschwand in seinem Schnabel, und dann noch eine, und dann noch eine.
Kulks strahlte den Schmatzenden innig dankbar an.
* * *
Pips hatte diesem Frühstück sehr erstaunt zugesehen.
Der Rabe also fraß auch? – Und wieder etwas anderes? –
Das Fressen mußte doch wohl zum Laufen gehören; denn alle, die laufen konnten, fraßen. Es war wohl notwendig, daß er es nun auch lernte. »Ach, entschuldigen Sie,« stotterte er und kam verlegen näher; »was ist das?«
»Mein Frühstück, junger Mann!« antwortete der Kauende. »Wollen Sie auch so ein Räupchen? Sie sind delikat! Hier ist gerade noch so eine recht saftige. – Bitte sehr!« Und er hielt ihm ein Räupchen hin, das sich in seiner Todesangst nur so um die Rabenkralle kringelte.
Pips nahm die Raupe und bedankte sich verlegen. Er wisse aber wirklich gar nicht, wie man? ….
Der Alte fand das natürlich sehr einfach. »Stecken Sie das appetitliche kleine Ding in den Schnabel und schlucken Sie es herunter. Sie haben das doch soeben von mir gesehen!« meinte er.
Vorsichtig versuchte nun der kleine Welterforscher, die Raupe an sein Sprechmäulchen zu bringen. – –
»Au!! … Sie hat mich gebissen!« quietschte er gleich darauf erschreckt und warf das Kringeltierchen weit fort.
»Hä, hä – jo, jo!« grinste Kulks. »Die Raupe wollte Sie fressen. Sie sind eben kein Tier, sondern ein Gemüse, Herr Pips!« –
Der Rabe suchte eifrig nach der Raupe. Dabei krächzte er vor sich hin: »Zu töricht, das Räupchen gleich fortzuwerfen! Ein gesittetes Gemüsewesen tut das doch nicht! Da ist Kulks doch wesentlich besser erzogen. – Wo ist es nur? – – Ah, hier!«
Er nahm die Raupe gierig vom Boden und hielt sie hoch in der rechten Klaue und krächzte: »Sehen Sie, Herr Laufgemüsepipspilz: So macht man das!«
Und damit schmatzte er sie herunter.
Pips seufzte bekniffen: »Nein, ich möchte das nicht. Ich habe gar kein Vergnügen dabei.«
»Nun, mir macht so ein Frühstück einiges Vergnügen; das kann ich wohl sagen!« lachte Schwarz und wandte sich wieder an den Kohl: »Haben Sie noch welche? Sie waren prächtig; Leckerbissen erster Sorte!«
»Nein, Herr Doktor, ich glaube nicht!« grinste der und wedelte vergnügt mit seinen Blättern; »es juckt mich keine mehr. Ich danke Ihnen herzlichst für Ihre freundliche Entraupung!«
»Hm, hm, wenn Sie keine Räupchen mehr haben,« meinte der gefräßige Rabengelehrte, »so muß ich mir wohl auf dem Felde noch ein paar Regenwürmer suchen; denn satt bin ich doch noch nicht so recht!«
Damit machte er sich auf dem Feld eifrig auf die Suche, während Pips sich verzweifelt den Kopf rieb und, mit großen Safttränen in den kleinen Augen, seufzte, daß es doch sehr schrecklich sei, so wenig zu wissen und zu können wie ein Pilz.
»Das Wissen kommt noch, junger Mann!« krächzte Schwarz ihm begütigend zu.
»Jo, jo!« grinste Kulks und dachte sich sein Teil in seiner fettzufriedenen Gemüseseele.
* * *
Eine Zeitlang war es still. Pips wischte sich die Tränen, Kulks duftete, wie man als appetitlicher Kohl in der Sonne zu duften hat, und Schwarz suchte nach Regenwürmern.
Plötzlich raschelte es leise unter der Rosenhecke, und zwischen zwei Knospen erschien ein spitzes Näschen.
»Guten Morgen, Herr Doktor! – Guten Morgen, Herr Doktor!« pfiff eine feine Stimme.
Schwarz drehte sich um, rückte an seiner Brille, guckte nach der Stelle, von der der Pfiff kam und hüpfte dann mit erfreutem Federwippen dorthin.
»Ah, guten Morgen, mein schönes Fräulein Piperchen! Wie geht es Ihnen?« –
Und nun kam Piperchen, die kleine Spitzmaus, niedlich knicksend, unter der Rosenhecke hervor und reichte dem alten Herrn zwei lange Regenwürmer.
»Bitte sehr, Herr Doktor! Ich habe Ihnen diese beiden Regenwürmer gefangen in meinem Mausegang. Ich habe sie noch ein wenig in bestem Sumpfwasser gepökelt; denn ich weiß, daß Sie sie dann besonders schätzen zum Frühstück. Bitte sehr!«
»Ah, ah!« krächzte der Alte und spreizte die Flügel; »vielen Dank, mein Fräulein, vielen Dank! Ich hoffe, daß ich mich bei Gelegenheit auch einmal erkenntlich zeigen kann für so große Liebenswürdigkeit.«
Und damit verspeiste er die Würmer mit Kennermiene, während Piperchen schüchtern auf Pips wies und fragte: »Wer ist denn das, Herr Doktor?«
* * *
Pips war aufgesprungen, als das Mäuschen kam. Nun machte er Verbeugung und Kratzfuß, wie er es von Flips gelernt hatte und nannte dazu seinen Namen sehr feierlich; Schwarz aber entschuldigte sich, daß er vergessen hätte, vorzustellen und holte es mit verbindlichem Flügelspreizen nach:
»Pips, der laufende Pilz! – Piperchen, das liebenswürdigste Mäuschen des ganzen Feldes!«
Pips machte noch eine feierliche Verbeugung mit Kratzfuß, und Piperchen kicherte, knicksend: »Einen laufenden Pilz kenne ich noch nicht; aber es ist mir sehr interessant, Sie kennen zu lernen, mein Herr! – Hi-hi-hi!«
Pips kratzfüßelte eifrig mit beiden Beinchen.
»Oh, ich freue mich auch, Sie kennen zu lernen, mein Fräulein! Ich freue mich außerordentlich!« piepte er in den verbindlichsten Tönen und dann wandte er sich an Schwarz, rieb sich mit den Händchen verlegen den Hals und flüsterte, daß Fräulein Piperchen wirklich die schönste Maus sei, die er sich denken könne.
»Hi-hi-hi!« kicherte Piperchen zu Kulks, der diesen Vorgang natürlich auch, grinsend, betrachtete; »er ist so komisch, wenn er »so« macht!« Und dabei versuchte sie, ihm sein Kratzfüßeln nachzumachen.
Pips hatte dies aber gehört. Erschreckt fuhr er herum und sah nun auch, wie sie ihm nachmachte.
»Oh – oh – Fräulein Piperchen; ist das nicht richtig?« stotterte er verlegen. »Sie müssen entschuldigen, mein Fräulein; aber ich laufe noch nicht sehr lange, und da kann es mir leicht geschehen, daß ich einmal die Beine verwechsele oder so etwas. Aber ich will ganz gewiß sehr bald lernen, wie man sie auf die schönste Weise bewegt, diese Beine. Große Mühe will ich mir geben, um Ihnen zu gefallen, mein Fräulein!«
Und wieder verbeugte er sich umständlich; diesmal natürlich ohne Kratzfuß.
Piperchen kicherte: »Hih-hi-hi! – Ich finde Sie sind sehr liebenswürdig, Herr Pips!«
Sie kringelte ihr langes Schwänzchen um die Taille, nahm die Spitze in die rechte Pfote, wie das bei den Mausedamen für besonders fein gilt, und machte einen zierlichen Knicks.
* * *
Schwarz hatte das Benehmen des Paares während der ganzen Zeit mit der Miene des Kenners beobachtet. Nun rückte er seine Brille umständlich zurecht und meinte mit verständnisvollem Lächeln: »Hm, hm, hm, mir scheint, daß die beiden Herrschaften Gefallen aneinander finden?«
Pips hielt den Kopf verlegen schief.
»Oh, mein Herr!« krächzte der Alte gütig; »ich kann das verstehen. Ein so reizendes Mäuschen gibt es auf keinem Felde der Welt wieder und im Walde erst recht nicht.«
»Gewiß, gewiß!« eiferte Pips; »das glaube ich, das glaube ich ganz gewiß! Bei uns im Walde sind die Mäuse alle sehr häßlich, und ich habe schon viele gesehen!«
Schwarz wandte sich nun an Piperchen mit seinem freundlichsten Augenzwinkern und fragte sie, wie denn ihr dieser höchst seltsame Jüngling, dieser laufende Pilz gefalle. Es scheine ihm doch, daß er ihr nicht so ganz gleichgültig sei, wie das im allgemeinen die Pilze den Mäusen wären.
Nun lächelte auch Piperchen verlegen und pfiff leise, mit zartester Mäuseanmut, vor sich hin, daß Herr Pips ja sehr seltsam und eigenartig und auch sehr galant sei. Und dann sei ein »laufender« Pilz doch wohl etwas sehr Außerordentliches und darum Vornehmes. –
»Natürlich, ohne Frage!« bestätigte Schwarz sehr würdig. »Ich kenne viel von der Welt, bin viel herumgeflogen; aber einem solchen Wesen bin ich bisher noch nicht begegnet. Das muß ich gestehen.«
Er betrachtete den kleinen, kopfnickend, noch einmal von allen Seiten, während dieser eine bedeutende Haltung einzunehmen versuchte.
Piperchen blinzelte Pips verschämt zu, trat von einem Pfötchen auf das andere und knabberte an ihrem Schwänzchen.
»Ach, ich bin sehr glücklich!« seufzte Pips aus tiefer Überzeugung. »Es ist doch sehr schön, wenn man laufen kann!«
* * *
Mir fällt etwas ein, meine Herrschaften,« krächzte der Rabe nach einer Zeit bedeutungsvollen Schweigens. »Sie gefallen einander so gut; wie wäre es denn, wenn Sie ein Paar fürs Leben würden?«
»Aber, Herr Doktor!« pfiff Piperchen schämig; »das … das … das … das ist doch?! … Ein Pilz … und ein Mäuschen? …«
»Ei, warum nicht? Herr Pips ist kein gewöhnlicher Pilz; denn er kann laufen, und so denke ich mir die Ehe zwischen einem Laufpilz und einem Spitzmäuschen sehr neuartig und gewiß auch glücklich in ihrer Zukunft. Vor allen Dingen wäre aber eine Heirat zwischen Ihnen beiden für die Wissenschaft von einer großen Bedeutung, insbesondere zur Erkenntnis des Guten und Bösen in der Welt!« – Mit sehr geheimnisvollem Augenzwinkern sagte dies der gelehrte Rabe.
»Oh ja!« quietschte Pips energisch. »Ich werde recht gerne heiraten in Bezug auf die Wissenschaft und die Erkenntnis des Guten und Bösen in der Welt vermehren, – wenn Fräulein Piperchen nichts dagegen hat?«
Piperchen hatte nichts dagegen, und so war man sich einig.
»Häh, hä, hä!« grinste Kulks.
»Was hat der Kohl denn bei dieser höchst feierlichen Angelegenheit zu lachen?« fuhr Schwarz herum.
»Verzeihung, Herr Doktor! Verzeihung!« stotterte der dicke Gemüsekopf, mühsam ernst. »Ich verzog nur die Miene ein wenig in meiner Freude über dieses außergewöhnlich schöne Ereignis auf unserem Felde. Jo, jo, jo! –«
Gnädig verzeihend nickte der Rabe und meinte, daß Kulks nun ja auch sogleich den Zeugen abgeben könne, wenn diese beiden höchst ehrenwerten Wesen jetzt in aller Form feierlich verehelicht würden, zur Freude des Feldes und zum Nutzen der würdigen Wissenschaft. – Er denke, vom Kollegium der Nachteulen, der obersten Körperschaft zur Ergründung der Weltweisheit, für die Vermittelung dieser höchst interessanten Ehe »Piperchen-Pips« den Professorentitel zu erhalten und werde auch dem Zeugen Kohl dann später selbstverständlich einiges aus Erkenntlichkeit zukommen lassen.«
Kulks grinste dankbar und meinte, daß ihm ein großer Haufen vom besten Stalldung wohl das Liebste sein würde; besonders augenblicklich, da das Pfützenwasser auf dem Feld zur Zeit außerordentlich fade sei.
* * *
Nun stellte der Rabe das Mäuschen und den Pips, Hand in Hand, links vom Kohl auf, nahm selbst in würdiger Amtshaltung vor den Dreien seinen Platz ein und krächzte sehr feierlich: »Herr Kulks, bitte reißen Sie sich doch einmal ein Blatt aus, damit wir ein Protokoll über den Vorgang aufnehmen können!«
»Was, was, was? … Das ist aber … das tut mir aber weh, Herr Doktor … Herr Professor!« stotterte der, gewaltig erschrocken.
»Im Dienste der Wissenschaft darf uns kein Schmerz zu groß sein, mein Herr!« bemerkte Schwarz mit großer Ruhe und trat dicht an den Kohl. »Wenn Sie aber nicht den Mut haben, so will ich mal helfen!«
Damit blätterte er in der Krause des zitternden Kulks und – ritsch! … hatte er ein großes Blatt herausgerissen.
»So, da hätten wir ja schon, was uns nötig war!«
Kulks schnitt jämmerliche Gesichter und stöhnte laut, wie weh es täte!
»Seien Sie still!« begütigte Schwarz. »Da es im Dienste der Wissenschaft geschieht, wird das Kollegium der Nachteulen auch Sie nicht vergessen um dieses Opfers willen. Lassen Sie uns jetzt keine Zeit verlieren und wohnen Sie schweigend, wie es sich gehört für Kohlköpfe, dieser hochwichtigen Handlung als Zeuge bei. – Im übrigen bemerken Sie bitte, daß ich mich selber ebenfalls im Interesse der Wissenschaft berauben werde, da ich von der Wichtigkeit dieser Handlung durchaus überzeugt bin.«
Damit riß er sich eine Schwanzfeder aus, hob das Kohlblatt, um darauf mit dem Wasser der Pfütze neben Kults zu schreiben und begann: »Also, würdiges Paar, ich bitte zunächst, meine Fragen genauestens zu beantworten:
»Ist der »laufende Pilz« aus der Familie der Pipse unverehelicht?«
»Jawohl, Herr Professor Schwarz. Ich bin noch ganz unverheiratet!« antwortete Pips mit zärtlichem Augenaufschlag zu seinem Mäuschen.
»Und ist das Fräulein Piperchen aus der Familie der Spitzmäuse gleichermaßen ledig?« fragte der schwarze Standesbeamte weiter, mit feierlicher Wendung zu der Kleinen.
Sie wollte antworten; da raschelte es plötzlich neben ihr, und mit einem lauten Angstpfiff huschte sie fort.
* * *
Swinhans, der Igel, kam schnaufend unter dem Rosenbusch hervorgetrabt.
»Uff, uff, uff! – Wo ist sie? – Uff, uff! – Da war sie doch eben!« grunzte er, rannte den erstaunten Pips über den Haufen und schnarchte den Raben an: »Wo ist die Maus, die ich fressen will? – Uff, uff! – Da war sie doch eben! – Wo ist sie, du Schwarzrock? – Wo ist die fette Maus?« – –
Schwarz war in höchster Entrüstung.
»Was wollen Sie? Was fällt Ihnen ein?« krächzte er in den höchsten Tönen; »Sie sind ein Flegel, ein Tölpel, ein unerzogenes Schwein! Haben Sie mich verstanden? – Suchen Sie sich Ihren Mausbraten alleine und reden Sie mich nicht an!« – –
Damit flog er eiligst fort.
Swinhans warf einen Klumpen Erde hinter ihm her und grunzte: »Mach' ja, daß du fortkommst, du Schwarzrock, du Langschnabel, plappriger!«
Darauf schnüffelte er wieder auf der Erde herum nach der Maus.
* * *
Für Pips war das natürlich wieder ein neues erschreckendes Erlebnis. Er hatte sich inzwischen zaghaft aufgerichtet und machte nun vor dem grunzenden Igel seine höflichste Flipsverbeugung.
»Entschuldigen Sie, mein Herr; was wollen Sie von Piperchen? Wer sind Sie? Hat Ihnen Piperchen etwas getan? – Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Piperchen meine …«
»Uff! – Halt's Maul!« schnarchte der Igel herum und warf dem Kleinen einen Erdklumpen an den Kopf. »Wo ist sie? – Wo ist der Leckerbissen mir wieder hingeschlüpft? – Uff, uff! – Verdammt! – Natürlich ist sie wieder ins Loch gewitscht!« – –
Wütend wühlte er mit dem dicken Rüssel die Erde ringsum auf und verschwand dann allmählich, schnarchend und grunzend, in den Feldfurchen.
* * *
Pips wischte sich die Erde vom Kopf und aus den kleinen Augen, mußte ein paarmal niesen und seufzte sehr tief auf aus seiner entsetzten Seele.
Kults aber grinste wieder und meinte, daß er das schon kenne. Swinhans sei öfter hier auf seiner Mausejagd, und den dürfe man nicht stören; dann würde er schrecklich.
»Ja, er ist sehr schrecklich!« klagte Pips. »Es ist überhaupt hier sehr schrecklich gewesen! Flips war so freundlich und ist tot! Piperchen war so hübsch und ist fort! Der Herr Professor Schwarz war so klug und ist auch fort! – Nun bin ich wieder ganz allein! – Ach, es ist schrecklich!«
»Ganz allein?« … bemerkte Kults, etwas beleidigt und mit großer Würde; »ich bin doch hier, mein Herr! Sie sind doch nicht allein, wenn edler Kohl neben Ihnen auf seinem Throne duftet!«
»Sie können ja nicht laufen!« meinte Pips verächtlich.
»Das will ich auch gar nicht und Ihnen kann ich nur den Rat geben, mit dem Laufen aufzuhören. Sie sind ein Gemüsewesen, so scheint mir das jetzt immer deutlicher, und können beim Laufen nur schlechte Erfahrungen machen.«
»Dann will ich fliegen!« quietschte der Kleine kühn auf. »Professor Schwarz war sehr klug und der ist geflogen. Vom Fliegen wird man am klügsten, und ich will schrecklich klug werden!«
Nun lachte Kulks so, daß er ordentlich wackelte und meinte, Pips sei völlig verrückt. Der aber stellte sich in seiner kühnsten Haltung vor ihn und erklärte ihn für einen dummen Kohlkopf, der niemals ein kluger Kohlkopf werden würde. Gemüsewesen seien dumm. Die Külkse seien Gemüsewesen; aber die Pipse seien das nicht. Die Külkse würden angeknabbert und schnabuliert; die Pipse brauchten sich das nicht gefallen zu lassen. Die Pipse könnten laufen und, wenn sie wollten, dann könnten sie auch fliegen!
Während Kulks trotz dieses Schimpfens weiter lachte und grinste, wendete sich der kleine Weltforscher verachtungsvoll von ihm ab, schwang sein Kleeblättchen in der Luft und rief: »Kleeblättchen, ich wünsche mir das Fliegen! Sehr weit von hier fort will ich fliegen! Dorthin will ich, wo alle fliegen und, wo man von hier nur hinkommt, wenn man fliegen kann; wo kein Swinhans ist und kein Hund und kein dummer Gemüsekulks!« – –
Ein Blättchen fiel vom Stiel, und im gleichen Augenblick flog er, wie ein kleiner Ball, über Kulks und den Rosenbusch hoch hinauf in die Luft.
»Nanu!« kohlte Kulks, ein wenig erstaunt; »nun kann er doch fliegen?« –
Er wollte ihm nachgucken; aber sein Hals war zu dick; er konnte sich nicht umdrehen in der Blätterkrause und so begnügte er sich damit, seine weiseste Denkermiene aufzusetzen und den Kopf zu schütteln über die Seltsamkeiten, die einem im Gemüsedasein doch begegnen können.
* * *
ast du das gesehen Rippel?« gackerte Ruppel leise.
»Ja, ich finde, daß das alles sehr sonderbar war!« gackerte die Henne.
»Soll ich mal schnell zum Kohl herüberlaufen und ihn fragen, was das zu bedeuten hatte?« meinte der Hahn. »Ich kann dir ja gleich ein paar fette Raupen mitbringen …«
»Daß du mir hierbleibst!« fuhr sie auf. »Ich habe Angst, und den ganzen Vormittag gehst du mir nicht vom Nest! Ein paar Bremsen darfst du fangen, wenn sie hier vorbeisummen; sonst wird mir hübsch am Waldrand zu Hause geblieben!«
»Na ja,« meinte Ruppel und duckte sich zufrieden.
Er hatte nämlich auch gewaltiges Herzklopfen gehabt während der ganzen Zeit, obschon er ein stolzer Hahn war, der gern mit seiner Tapferkeit in seiner Verwandtschaft prahlte. – Der Schuß vorhin, der Hund auf dem Feld, und nun auch noch dieser Abflug des sonderbaren Laufpilzes? – – Das war doch ein wenig viel, selbst für die tapferste Rebhuhnseele. –
»Ich will lieber nicht hinter ihm herfliegen,« piepte Trillerchen neben seiner kleinen Frau ganz leise. »Ich habe dich viel zu lieb, als daß ich dich an einem Morgen allein ließe, an dem soviel Gefährliches auf unserm Feld geschehen ist. Heute Mittag aber fliege ich wieder hoch ins Blaue, fange dir dicke Mücken und singe dir mein schönstes Lied.«
»Ja, du bist ein gutes Männchen,« piepte sie glücklich und beide schnäbelten sich mit ihren zärtlichsten Lerchenküßchen. –