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Wiederum waren zwei Jahre verflossen, seit Stephans Haus ein Schieferdach trug, und noch immer war er unbeweibt. Da sich auch kein Stadtfräulein eingefunden hatte, das das Regiment im Spruchbauernhof geführt hätte, gaben sich die Dorfleute mit der Sachlage zufrieden. Höchstens zuckten sie die Achseln, wenn sie auf Stephan zu reden kamen, oder sie gaben ihre Meinung dahin ab, der dalkete Mensch könne es noch immer nicht verwinden, daß er kein geistlicher Herr werden durfte; deshalb wolle er, um einem solchen wenigstens in diesem einen Punkte ähnlich zu sein, für immer ledig bleiben.
Wenn dies die Absicht des jungen Mannes gewesen sein sollte, – er selbst war viel zu schweigsam und verschlossen, um sich darüber zu äußern, – so hatte er bei seiner Rechnung einen Hauptfaktor außer Ansatz gelassen, und das war seine Mutter. Die alte Frau war sehr wenig erbaut davon, daß ihr Sohn so gar keine Miene machte, ihren Wunsch nach einer Schwiegertochter der 7 Erfüllung näher zu bringen. Deshalb nahm sie sich vor, ihm einmal auf den Leib zu rücken und ernsthaft ins Gewissen zu reden.
Am Pfingstmontag war es, nach der Vesper. Stephan saß im Baumgarten auf einer vor den Bienenständen in die Erde gerammten Holzbank und sah träumerisch zu, wie die fleißigen Tierchen bei den Stöcken ein- und ausflogen. Eine breitästige Linde schützte ihn vor den heißen Sonnenstrahlen und spendete kühlen Schatten; über dem ganzen Dorf lag festtäglicher Frieden. Es war ein einsames Plätzchen, so recht geschaffen zum stillen Sinnen und Hindämmern, wie es zu Stephans Gewohnheiten paßte. Da kam seine Mutter und setzte sich neben ihn auf die Bank. Sie hatte ein Strickzeug mitgebracht, weil sie nicht einmal an dem hohen Festtag ganz müßig gehen wollte.
»Hör', mein Bub,« leitete sie die Unterredung ein, »ich hätt' 'was zu verhandeln mit Dir.«
»Was könnt' das wichtiges sein?« fragte er lächelnd. »Denn wegen einer Bagatellsachen kämest Du mir nicht in den Garten nach, Mutterl, – und tätest auch kein so finsteres G'sicht machen, wenn Dich der Schuh nicht fest drücken würd'.«
»Ganz recht hast, Stephan! Eine wichtige Ang'legenheit führt mich zu Dir.«
8 »So red', Mutterl,« ermunterte der junge Mann die Bäuerin. »Vor mir brauchst Du doch g'wiß kein Blattl vor den Mund z'nehmen. Wenn Du einen Wunsch hast, den ich erfüllen kann, so ist meine Einwilligung schon im voraus dabei.«
Die Frau seufzte.
»Ich wollt', Stephan, ich dürft' Dich beim Wort nehmen,« sagte sie, »dann wär' uns gleich all' zweien geholfen.«
Nun war die Aufmerksamkeit des Bauern voll erwacht. Hastig rückte er sich auf seinem Sitz zurecht, daß er der alten Frau in die Augen schauen konnte, und fragte im Tone aufrichtiger Besorgnis:
»Mein Gott, – ist 'leicht' was ungutes vorg'fallen? – Du redest so g'spassig – –«
»Nein, nein – hab' keine Angst! Mich kommt's nur allemal so hart an, wenn ich Dich an was erinnern muß. Also kurz und gut: denkst Du denn gar nicht d'ran, daß es für Dich die allerhöchste Zeit ist zum Heiraten?«
Der Spruchbauer lachte laut auf. Dann sank er in seine lässige Haltung zurück und erwiderte geringschätzig:
»Das war's also? Nun, dessentwegen hättest mir nicht nachz'laufen brauchen. Denn das hast mir schon so oft vorg'sagt, daß ich's jetzt auswendig weiß!«
9 »Und doch tust Du nicht dergleichen, als ob mir G'hör schenken wolltest,« klagte die Frau. »Du kümmerst Dich wenig, daß mir bei meinem Alter ein so großes Haushalten wie das unsrige schwer ankommt.«
»Aber Mutterl!« suchte Stephan die Bäuerin mit unverhohlener Herzlichkeit zu beschwichtigen, »red' doch nicht so! Du bist ja kaum über die fünfzig Jahrln drauß', dabei g'sund und nudeldick. Auch hab ich noch nicht g'merkt, daß in unserm Haushalten nur 's G'ringste fehlen tät'. Aber damit Du siehst, daß ich Deine Wünsch' nicht hintansetz', so sag' ich halt wieder wie schon öfters: Gut, ich will heiraten; aber z'erst muß ich eine Hochzeiterin g'funden haben, die mir g'fällt, und die ich mit Freuden als Bäuerin in meinen Hof einführen kann. Bis jetzt hab ich freilich noch kein solches Mädel 'troffen.«
»Es gibt doch g'nug reiche Bauerntöchter im Dorf,« warf seine Mutter ein.
»Muß es g'rad eine reiche sein?« fragte er nachdenklich. »Der Reichtum allein macht nicht glücklich und es heißt, wo viel Geld ist, dort sitzt der Teufel.«
»Wo kein's ist, sitzt er zweimal!« lautete die schlagfertige Antwort der Frau.
»Das trifft bei uns nicht zu, Mutter! Wir sind von unserm Herrgott so gnädig bedacht worden im 10 Haus und Hof, mit Geld und Gut, daß ich ohne Besinnen auch ein ganz armes Ding heiraten kann, wenn's mir nur g'fallen tut, und wenn's zu mir den richtigen Z'sammenstand hat. Aber darüber länger z'reden, hat keinen Wert; denn ich merk' schon, daß Du ein g'wisses Mädel im Sinn hast. Also schieß los, Mutterl, damit ich g'schwind erfahr', was nur für eine Hochzeiterin b'stimmt sein soll.«
»So weit sind wir ja noch nicht,« sagte sie einlenkend. »Ich hab' mir nur denkt in meinem Sinn, die Wiesenbauern-Lene wär' eine, die für Dich taugen tät'. De hätt' das richtige Alter und mit dem Heiratsgut klappt's auch. Ihr Vater gibt jeder von seinen Töchtern zehntausend Gulden und einen Teil von seinen besten Grundstücken mit – –«
»Ich hab Dir schon g'sagt, Mutter, daß das viele Geld in meinen Augen nicht die Hauptsach' ist,« unterbrach er ihre Rede.
»Schaust Du's 'leicht gar für ein Hindernis an beim Heiraten?«
»G'wiß nicht. Aber z'allererst muß mir die Hochzeiterin selber g'fallen. Davon geh' ich kein Haarbreit ab. Und dessentwegen will ich Dir nur sagen, daß ich mit der Wiesenbauern-Lene noch niemals ein Sterbenswörtl g'redt hab', als höchstens guten Morgen und Guten Abend, g'schweig' 11 daß ich sie mir darauf ang'schaut hätt', ob ich sie zur Frau möcht'.«
»So versprich mir wenigstens, daß Du Dir das Mädel einmal betrachtest,« drängte sie. »Tu' mir halt den G'fallen!«
»Wenn Dir damit 'was z'lieb g'schieht, Mutter, dann von Herzen gern.« –
Zufrieden, ihren Sohn wenigstens zu diesem Versprechen bewogen zu haben, das ihn freilich zu nichts Sicherem verpflichtete, schloß die Bäuerin die Unterredung und verließ den Baumgarten. – 12