Victor Auburtin
Einer bläst die Hirtenflöte
Victor Auburtin

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Wasserträgerinnen

Es liegt in Mittelitalien eine Bergstadt – ich nenne ihren edlen Namen nur mir selbst –, in der ich vor jetzt zwanzig Jahren einige dämmernde Tage lebte. Das ist eine enge Stadt mit finsteren Gassen und mit vielen kleinen Weinkneipen, an deren Decke Würste und runder Stutenkäse hängen, bunt durcheinander. Vor dem Tore aber ist ein Brunnen, und an diesen Brunnen kamen des Abends die Mädchen, um Wasser zu holen.

Jeden Abend saß ich da und sah mir das an, wie die Mädchen durch das Tor heraufkamen mit ihren Gefäßen auf den Köpfen. Die füllten sie an dem laufenden Wasser, ohne viel Gerede dabei zu machen, hoben sie schwer wieder auf und gingen gerade und edel zum Tore zurück.

Es waren aber die Wassergefäße der Mädchen aus Bronze geformt und von reinen, alten Formen wie die Hydrien der Griechen. Und das schwere Gefäß mit dem klaren Elemente drin stand gar herrlich auf dem dunkeln, stolzen Haupt Latiums.

Und immer habe ich nachher an diese Gefäße denken müssen und an diese Frauen, jahrelang. Wenn mir des Alltags Ekel das Herze brach, wenn mir das Leben zu grau und zu verwaschen schien, dann dachte ich an den Brunnen in Latium und sagte mir: das ist ja immer noch da, also ist es nicht ganz so schlimm.

Jetzt reiste ich wieder einmal dahinunter und fuhr über das große Rom und ging in die stille Bergstadt und setzte mich abends an meinen Brunnen, um auf jene Mädchen zu warten. Sie kamen auch wieder. Aber sie trugen auf den Köpfen nicht mehr die dunkeln Bronzegefäße von damals, sondern vielmehr alte Konservenbüchsen aus Weißblech, die bedeutend billiger und praktischer sind. Solche Konservenbüchsen braucht eine Aktiengesellschaft in Livorno zum Transport von eingemachten Pflaumen; die verbrauchten Konservenbüchsen aber werden um ein Billiges an alle jene Bergstädte abgegeben, in denen ein Brunnen rauscht und junge Wasserträgerinnen abendlich kommen, das Wasser zu holen.

Und als ich das sah, begriff ich, daß es wirklich in der Welt einen Fortschritt gibt und eine Auslese des Besten und Passenden.

Aber immerhin möchte ich doch nun endlich wissen, wo mein Grab sein wird. Mein Grab, Herrschaften, ich sehne mich nach meinem Grabe.


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