M. Artzibaschew
Ssanin
M. Artzibaschew

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XXXIV

Am frühen Morgen, als die Sonne noch schräg und weich niederstrahlte, gingen Iwanow und Ssanin zur Stadt hinaus.

Der Tau glänzte unter der Sonne und funkelte in vielen Feuerchen; im Schatten wurde das Gras unter ihm silbergrau. An den Seiten des Weges gingen entlang den dürren, alten Weiden Pilger zum Kloster; ihre roten und weißen Kopftücher, Bastschuhe, Röcke und Hemden leuchteten bunt in den Lichtbüscheln, die durch die Zaunspalten hindurchdrangen.

Vom Kloster her wurden die Glocken geläutet. In der Morgenruhe klang ihr kräftiger Ton wie ausgewaschen; in besonderer Reinheit dröhnte er über die freiliegende Steppe, flog wahrscheinlich bis an die stillen Wälder heran, die wie eine Fata Morgana dicht am Rand des Horizonts blau schimmerten. Auf dem Wege klang scharf und abgebrochen die Glocke eines zurückfahrenden Dreigespanns; laut schallten die derben, geschäftlich klingenden Stimmen der Pilger dazwischen.

»Wir sind früh aus den Federn gekrochen,« meinte Iwanow.

Ssanin schaute sich fröhlich um. »Wahrhaftig, wir haben Zeit, den Tag abzuwarten.«

Sie setzten sich unterhalb eines Zaunes gerade auf den Sand und zogen mit Genuß den Zigarettenrauch ein. Die Bauern, die hinter ihren Wagen zur Stadt gingen, sahen sich nach ihnen um, die Dirnen und Frauen, die in leeren Karren hin- und hergeschleudert wurden, lachten laut und zeigten mit fröhlich spöttischen Augen auf die beiden. Iwanow schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit, aber Ssanin nickte ihnen vergnügt zu. Der ganze Weg leuchtete unter dem klangvollen weiblichen Lachen auf.

Es wurde heiß.

Endlich trat der Verkäufer eines Schnapsmonopolladens auf die Steintreppe hinaus, ein hochgewachsener Mann in Hemdärmeln. Schlüsselrasselnd öffnete er die Tür. Ein Weib mit rotem Kopftuch schlüpfte hinter ihm hinein.

»Ah, die Bahn ist uns schon frei gemacht,« begrüßte Iwanow das Ereignis.

Sie gingen hinein und kauften Wodka, dann bei demselben Weib im roten Kopftuch grüne Gurken.

»Oho, Freund, du bist wohl reich geworden,« meinte Iwanow, als Ssanin die Börse aus der Tasche zog.

»Ein Vorschuß,« lachte dieser. »Zur großen Schande meiner Mutter habe ich mich bei einem Versicherungsagenten als Schreiber vermietet. Habe mit einem Schlag ein Kapital und die mütterliche Verachtung erworben.«

»Jetzt wird es sich doch bedeutend bequemer gehen,« meinte Iwanow, als sie wieder auf den Weg hinaustraten.

»Und wie, wenn wir noch die Stiefel ausziehen wollten.«

»Kann man machen!«

Die beiden zogen die Stiefel aus und gingen barfuß.

Die Füße versanken tief im warmen Sand; sie wurden nach dem Druck der engen Stiefel angenehm erfrischt. Der Sand schob sich zwischen die Zehen, rieb aber den Fuß nicht, sondern schien ihn im Gegenteil zu liebkosen.

»Famos,« rief Ssanin voll Freude.

Die Sonne strahlte immer stärker und stärker.

Vor ihnen stiegen ferne Dünste auf, alles schien sich blau und durchsichtig aufzulösen. An den Telegraphenpfählen, die neben den Gleisen einer Bahn plötzlich über ihren Weg liefen, sang der Draht, darauf saßen Schwalben und zwitscherten kokett zu ihnen herab. Ein Zug mit blauen, gelben und grünen Waggons sauste über die Böschung. An den Fenstern und auf den Plattformen sahen sie verschlafene, zerdrückte Gesichter; er tauchte auf und verschwand. Auf der hintersten Plattform standen zwei Mädchen in hellen Hüten, mit frischen neckischen Gesichtern, die der Morgenwind angeregt hatte. Mit ihren Augen begleiteten sie unverwandt die fröhlichen barfüßigen Männer. Ssanin lächelte ihnen zu und tanzte ein paar Walzerpas auf dem Sande, daß seine nackten Fersen in der Sonne aufglänzten.

Sie kamen an einer Wiese vorbei, wo das Gras feucht und dicht war; es war ebenso angenehm und vergnüglich, sie mit bloßen Füßen zu durchlaufen.

»Wunderschön,« sagte Iwanow.

»Tatsache, es liegt gar keine Notwendigkeit vor, zu sterben,« gab Ssanin zurück.

Iwanow warf ihm einen Seitenblick zu; es schien ihm, daß sich Ssanin bei diesen Worten Sarudins erinnern müßte, obgleich bereits einige Zeit seit der Beerdigung Sarudins vergangen war. Aber Ssanin erinnerte sich offenbar an nichts; das berührte Iwanow zwar eigentümlich, gefiel ihm aber trotzdem.

Hinter der Wiese setzte wieder die Landstraße ein, wieder mit Wagen, Bauern und lachenden Weibern überfüllt. Dann kamen Bäume und Schilf, das unter Sonnenstrahlen glänzende Wasser wurde sichtbar und endlich der Klosterberg, von dem wie ein goldener Stern das Kreuz herabstrahlte.

Am Ufer lagen bunte Boote; Bauern, in Westen und farbige Blusen gekleidet, saßen herum; nach langem, fröhlichen Feilschen mieteten Ssanin und Iwanow von ihnen ein Boot.

Iwanow nahm die Ruder zur Hand, Ssanin setzte sich an das Steuer und das Boot glitt leicht und schnell am Ufer entlang, bald im Schatten verschwindend, dann im Licht aufleuchtend, hinter ihm zogen die Silberwellen glatte Streifen. Iwanow ruderte schnell und geschickt mit häufigen gleichmäßigen Schlägen, unter denen das Boot erzitterte und sich dann wieder keuchend anhob. Manchmal streiften die Ruder knackend die dichten Zweige und diese schwankten lange und nachdenklich über der dunklen Tiefe des Ufers. Ssanin legte sich manchmal stark auf das Steuerruder, so daß das Wasser mit freudigem Geräusch quirlte und aufschäumte. Einmal drängte sich das Boot jäh in eine schmale Wasserstraße, zwischen überhängende Büsche, wo es kühl und dunkel war. Das Wasser war hier von vollendeter Klarheit. Bis in die Tiefe von zwei Metern konnte man darin Haufen gelber Steine sehen und die Rudel rotflossiger Fische, die herdenweise hin- und herzogen.

Iwanow meinte: »Das wäre auch die allergeeignetste Stelle.« Seine Stimme hallte lustig wieder. Knirschend stieß das Boot ans Ufer; mit einem übertriebenen Satz sprang Iwanow hinaus.

»Auf der Erde das ganze Menschengeschlecht,« sang er mit mächtigem Baß, von dem die Luft aufgerührt wurde und dröhnte. Lachend sprang Ssanin hinter ihm aus dem Boot und lief schnell, während er bis an die Kniee im hohen, satten Ufergras versank, die Böschung hinauf.

»Eine bessere wäre weiß Gott nicht zu finden,« rief er.

»Und wozu auch lange suchen,« schrie Iwanow von unten zurück und holte aus dem Boote Wodka, Brot und einen Packen Kleinigkeiten. Alles das brachte er an einen kleinen Hügel, unter der Krone eines breiten Baumes, und breitete es auf dem Grase aus. »Nun, sei bei Lucullus zu Gaste.«

»Und laß es dir schmecken wie er,« endete Ssanin.

»Nichts ist vollkommen,« sagte Iwanow in scherzhaftem Aerger, »das Gläschen haben wir doch vergessen.«

»Schade! Wirklich schade. Na, wir wollen nicht trauern. Wir machen uns eins.«

Und ohne an etwas anderes zu denken, als daß sein Körper Licht, Wärme, das Grüne und seine eigenen leichten Bewegungen genießen konnte, kletterte er auf einen Baum, wählte sich einen grünen, weichen Zweig und begann an ihm herumzuschnitzen. Das saftige Holz gab dem Messer leicht nach und weiße duftende Späne schütteten sich auf das grüne Gras. Iwanow schob sich auf dem Rücken zurecht, hob den Kopf und blickte zu ihm herauf; in dieser Lage ging der Atem so leicht und bequem, daß er die ganze Zeit über vergnügt vor sich hin schmunzelte. Als der Zweig auf das Gras hinunterfiel, sprang Ssanin mit einem kurzen Satze ab und höhlte dann aus dem Holz ein Gläschen aus, wobei er sich Mühe gab, nicht die Rinde zu verletzen. So wurde es auch eben und hübsch.

»Bruder, ich will nachher baden,« sagte Iwanow, während er Ssanins Arbeit aufmerksam verfolgte.

»Das ist eine gute Idee,« Ssanin warf das fertige Gläschen in die Luft und fing es wieder auf.

Sie setzten sich aufs Gras, begannen mit Appetit Wodka zu trinken und grüne, saftige Gurken zu essen.

»Ich halte es nicht länger aus,« sagte Iwanow. »Meine Seele schreit danach.« Er konnte nicht schwimmen und ging daher an der flachsten, durchsichtigsten Stelle, wo der ebene sandige Boden noch gut sichtbar war, ins Wasser. Ohne Eile kleidete sich Ssanin aus, sah zu Iwanow hinüber, sprang im Laufschritt ins Wasser, warf sich mit einem Aufschrei in die Wellen und schwamm quer über den Fluß.

»Du ersäufst,« schrie Iwanow. »Sicher, – du ersäufst!«

»I wo,« gab Ssanin fauchend und lachend zurück. »Unterzugehen, Bruder, das verstehe ich nicht!«

Ihre lustigen Stimmen schwebten weit und freudig über den hellen Fluß und die grüne Wiese fort. Später gingen sie heraus und wälzten sich nackt im weichen, feuchten Grase.

»Herrlich,« sagte Iwanow, indem er seinen breiten Rücken mit den darauf glänzenden Wassertropfen der Sonne zuwendete.

»Schlagen wir hier unsere Zelte auf,« rief Iwanow.

»Ach, hol sie doch der Teufel, es ist auch ohne Hütten schön. Mir hängen verschiedene Hütten schon lang zum Halse heraus.«

»Hoha, trik brik!« brüllte Iwanow und machte groteske lustige Tanzschritte.

Ssanin stellte sich ihm gegenüber auf, lachte aus vollem Halse und begann ähnliche Pas.

Ihre nackten Körper glänzten in der Sonne und die Muskeln gingen schnell und kräftig unter der gespannten Haut.

»Uff,« Iwanow keuchte.

Ssanin tanzte noch eine Weile allein, stand dann Kopf und schloß mit einem eleganten Salto mortale.

»Komm her, sonst trinke ich dir den ganzen Wodka aus,« rief ihm Iwanow zu.

Nachdem sie sich angekleidet hatten, legten sie sich wieder zum Essen hin und tranken den Wodka zu Ende.

»Jetzt wäre kaltes Bier geradezu wun–derbar –,« sagte Iwanow träumerisch.

»Fahren wir los ... gelt? ...«

Sie liefen um die Wette zum Boot herunter, sprangen beide fast gleichzeitig hinein, schaukelten und fuhren kräftig davon.

»Es ist schwül,« sagte Ssanin, indem er sich auf dem Boden des Bootes lagerte und vor der Sonne die Augen zusammenkniff.

»Wir werden Regen bekommen ... Geh doch ans Steuer, zum Teufel.«

»Ih, du wirst auch alleine fertig.«

Iwanow spritzte mit dem Ruder auf ihn und helle zarte Tropfen, durch und durch von der Sonne durchflutet, stieben wie ein Wassersturz umher.

»Auch dafür, Freund, nun sei bedankt,« sang Ssanin.

Als sie an einer grünen Insel vorbeifuhren, hörten sie lustige Rufe, Wasserplätschern, und klingendes, fröhliches Frauenlachen. Es war ein Feiertag und sehr viele Leute waren aus der Stadt gekommenem, um sich zu erholen und zu baden. »Mädchen baden,« sagte Iwanow.

»Wollen mal hinschauen,« meinte Ssanin.

»Sie werden's merken.«

»Nein, wir legen hier an und schleichen durch das Schilf.«

»Ach, laß sie doch,« sagte Iwanow, errötete aber dabei.

»Gehen wir doch. Man soll nichts versäumen.«

»Aber das ist nicht anständig,« Iwanow zuckte scherzend die Achseln.

»Weshalb denn nicht?«

»Wahrscheinlich sind das noch sehr jungfräuliche, junge Damen. Das schickt sich doch wirklich nicht.«

»Du Dummkopf,« rief Ssanin lachend, »dabei möchtest du es selber gern.«

»Ja, wenn es junge Mädchen sind, gewiß, interessant wäre es schon.«

»Nun, so gehen wir also.«

»Aber laß doch.«

»Pfui,« rief Ssanin. »Es gibt doch keinen Mann, der nicht eine hübsche nackte Frau ganz gern ansähe. Und sicher gibt es auch keinen, der nicht wenigstens einmal im Leben, und wenn auch nur verstohlen, eine gesehen hätte.«

»Das ist wahr ... Aber wenn du so urteilst, dann solltest du einfach, geradezu hingehen. Siehst du, du versteckst dich doch!«

»So ist es viel verlockender, mein Freund,« bemerkte Ssanin lustig.

»Das mag dich zwar sehr gelüsten, aber ich rate dir, halte dein Fleisch davon zurück.«

»Etwa von wegen der Keuschheit? ...«

»Vielleicht!«

»Dummheit – – vielleicht! Ein Vielleicht gibt's dabei gewiß nicht. Einen anderen Zweck könnte es überhaupt nicht geben.«

»Nun schön.«

»Siehst du, aber diese Keuschheit steckt doch nicht in uns.«

»So dich dein Auge verlockt, reiße es aus,« sagte Iwanow.

»Schmeiße doch nicht mit solchem Blödsinn um dich, wie dieser Swaroschitsch. Gab dir Gott ein Auge, so hast du nicht nötig, es auszureißen.«

Iwanow zuckte lächelnd die Achseln.

»Also Bruder,« – Ssanin steuerte das Boot zum Ufer, »wenn du beim Anblick einer nackten Frau gar keine Erregung empfändest, dann wärst du wirklich ein keuscher Mensch. Und ich wäre der erste, der deine Keuschheit bewunderte. Zwar würde ich es dir nicht nachmachen, wahrscheinlich sogar würde ich dich ins Irrenhaus bringen. Aber solange in dir noch all die Triebe vorhanden sind und nach außen drängen und du sie dann nur gewaltsam wie einen Hund an der Kette zurückhalten mußt, dann ist deine ganze Keuschheit keinen Pfifferling wert.«

»Das stimmt schon. Aber wenn ein Mensch sich nicht selbst zurückhalten wollte, so könnte man unter Umständen recht viel Unheil anrichten.«

»Was für Unheil? Wenn auch die Wollust mitunter Böses mit sich bringt, so ist sie gewiß nicht selbst, für sich, daran schuld.«

»Richtig, richtig, erkläre nicht erst weiter.«

»Nun, also gehn wir!«

»War ich denn dagegen? ...«

»Ein Dummkopf bist du. Tritt doch leiser auf,« sagte Ssanin lächelnd.

Sie schlichen fast auf dem Bauch über das duftende Gras hinweg und schoben das rauschende Schilf mit den Händen vor sich auseinander.

»Sieh doch, Bruder,« rief Iwanow hitzig.

Es mußten Mädchen aus der besseren Gesellschaft sein, die dort badeten; man konnte es an den farbigen Röcken, Blusen und Hüten erkennen, die auf dem Grase lagerten. Die einen waren im Wasser, plätscherten, bespritzten einander und das Wasser berieselte weich ihre zarten Schultern, Arme und Brüste. Eine von ihnen, hochgewachsen, ganz von Sonnenlicht durchtränkt, stand rosig und zart am Ufer und lachte. Von diesem Lachen erzitterte fröhlich ihr rosiger Leib und die mädchenhaften Brüste. Sie schien im Sonnenlicht ganz durchsichtig.

»Oh, Bruder,« sagte Ssanin mit ernstem Entzücken.

Iwanow wich erschrocken zurück.

»Was hast du? ...«

»Ruhig, das ist Karssawina.«

»Wirklich? ... und ich habe sie gar nicht erkannt. Aber nein, wie wundervoll sie ist.«

»Tja,« Iwanow lächelte breit und gierig.

Sie wurden gehört, vielleicht auch gesehen. Ein Schrei und Lachen erscholl; Karssawina stürzte sich erschrocken, geschmeidig ihnen entgegen und warf sich ins durchsichtige Wasser. Auf der Oberfläche blieb nur ihr rosiges Gesicht mit den glänzenden Augen.

Glücklich und aufgeregt liefen Ssanin und Iwanow voller Hast, obgleich sie sich immer wieder im Schilf verwickelten, zurück.

»Ach, es ist herrlich auf der Welt,« rief Ssanin, reckte und streckte sich breit und sang laut:

Räuberschiffe ziehn, die schnellen
Von den Inseln mutig fort,
Scharf durchschneiden sie die Wellen
Stjenka Rjasin trägt ihr Bord.

Hinter den grünen Bäumen hörte man noch lange das eilige, verwirrte Gelächter der Frauen, die beschämt und doch belustigt waren.

»Ein Gewitter kommt!« Iwanow schaute auf den Himmel, als sie zum Boot zurückgekehrt waren. Die Bäume wurden schon dunkel und ihre Schatten glitten schnell über die grüne Wiese.

»Ehe, Bruder, laufe nur!«

»Wohin, – dem Gewitter läuft doch keiner davon,« schrie Ssanin zurück.

Leise und windlos rückte die Wolke immer näher heran; ganz plötzlich war ihre Farbe zu einem schweren Bleigrau geworden. Alles verfiel in stille Betäubung, schien duftiger und dunkler.

»Das wird uns bis auf die Haut begießen,« meinte Iwanow. »Stecken wir uns aus Kummer eine Zigarette an.«

Ein schwaches Feuerchen blitzte auf. In dem schwachen gelben Licht unter der drückenden Finsternis, die von oben immer tiefer herunterwuchtete, lag etwas Seltsames.

Ein scharfer Windstoß stieß heran, drehte sich lärmend und riß das Feuerchen fort. Am Boot zerschellte ein schwerer Tropfen, ein anderer sprang Ssanin auf die Stirn. Und mit einem Mal trommelte es über den Blättern und klatschte auf das Wasser. Alles wurde im Augenblick schwarz; der Regen goß wie mit Eimern und übertönte mit seinem wunderbaren, breiten Schall alle Laute ringsherum.

»Auch das ist schön,« sagte Ssanin, während er die Schultern hin und her rieb, an denen das nasse Hemd ankleben wollte.

»Schlecht gerade nicht,« erwiderte Iwanow. Dabei saß er aber wie ein begossener Pudel da.

Die Wolke wurde nicht leichter, doch der Regen schwächte sich ebenso schnell wieder ab, wie er gekommen war, bespritzte nur noch unregelmäßig das nasse Laub, die Menschen und das Wasser, auf dessen Oberfläche er wie mit stählernen Nägeln wieder in die Höhe sprang. In der Luft lag es düster und irgendwo hinter dem Wald zuckte ein Blitz.

»Nun, nach Hause ... Wie? ...«

»Ganz egal ... Meinetwegen auch nach Hause!«

Sie fuhren auf die breite Fläche des Flusses hinaus, über dem eine plumpe Wolke in düsterem niedrigem Klumpen herabhing. Die Blitze zuckten immer häufiger und grelle Feuer zerschnitten den schwarzen Himmel. Es hatte völlig zu regnen aufgehört. In der Luft wurde es trocken; es begann erregend nach dem Gewitter zu riechen. Schwarze zottige Vögel flogen dicht an der Oberfläche des Wassers entlang. Die Bäume standen dunkel und unbeweglich und hoben sich deutlich gegen den bleiernen Himmel ab.

»Uff, uff,« schrie Iwanow.

Als sie über den Sand schritten, der von Regen festgestampft worden war, blieb hinter ihnen alles dunkel und schweigsam zurück.

»Nun wird es erst losgehen.«

Die Wolke senkte sich immer tiefer herab; sie drückte ihren unheimlichen, weißgrauen Leib fast gegen die Erde.

Aber plötzlich brach der Wind wieder mit neuer Kraft durch, wirbelte den Staub und die Blätter in die Höhe, der ganze Himmel zerriß unter furchtbarem Krachen, Glänzen, Wiederdröhnen in zwei Hälften.

»Oho ho ho ho, ...« rief Ssanin und strengte sich an, das Gerassel zu übertönen, das alles umher betäubte.

Doch er konnte selbst seine Stimme nicht hören.

Als sie über das Feld hinauskamen, herrschte vollständige Finsternis. Nur wenn der Blitz zuckte, hoben sich ihre scharfen, dunklen Gestalten vom glatten Sande ab und zeigten in der schwarzen Luft eigentümlich hastig abgeschnittene Formen. Alles um sie dröhnte und krächzte.

»Oh, ah, oh,« schrie Ssanin wieder.

»Was?« rief Iwanow aus allen Kräften zurück.

Ein Blitz funkelte und er sah ein glückliches Gesicht mit strahlenden Augen.

Iwanow konnte die Antwort nicht verstehen. Er fürchtete sich ein wenig vor dem Gewitter. Als es wieder einmal aufblitzte, breitete Ssanin die Arme aus, sein ganzes Wesen strömte in dem Gefühl von Kraft und Leben über. Aus voller Kehle stieß er gedehnte und glückliche Rufe aus; dem Donner, der mit wütendem Brüllen, Krachen und Dröhnen den Himmel von einem Ende der mächtigen Freiheit zum anderen durchrollte, jubelte er seine Freude entgegen.


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