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Ulm war eine der ersten Reichsstädte, welche die Reformation einführten. Die Entscheidung darüber war in die Hände der Bürgerschaft gelegt. Am 3. November 1530 erklärte sich dieselbe in erhebender Weise mit 1576 gegen 244 Stimmen bereit, lieber des Kaisers Ungnade auf sich zu nehmen und Leib und Leben, Hab und Gut dahingeben zu wollen, als wider ihr Gewissen von der erkannten evangelischen Wahrheit abzulassen. Als Karl V. im Jahre 1546 zu den Waffen griff, stand Ulm auf seiten des Schmalkaldischen Bundes. Als der Schmalkaldische Krieg infolge der Auflösung des Bundesheeres eine für die Evangelischen ungünstige Wendung nahm, mußte es Ulm schwer büßen. Am 14. Dezember 1546 wurden der Bürgermeister Georg Besserer und ein Ratsherr ans kaiserliche Hoflager nach Schwäbisch-Hall gesandt und erlangten nach einem vorausgegangenen Fußfall einen Sühnebrief, laut dessen der Kaiser Ulm wieder in seinen und des Reiches Schutz aufnahm. Für ihren Abfall mußte die Stadt aber 100 000 Gulden bezahlen. Am 25. Januar 1547 kam Karl V. selbst nach Ulm und blieb 37 Tage lang, was der Stadt beträchtliche Kosten verursachte, da er mit großem Gefolge reiste. Seine Wohnung nahm er, wie auch bei seinen späteren Besuchen, im Ehinger Haus an der Donaubrücke (jetzt Gouvernementsgebäude), von welchem in ein benachbartes Haus, in dem Granvella wohnte, ein Gang gemacht wurde, so daß des Kaisers Kanzler »keinen Tritt auf die Gassen tun durfte,« wenn er mit seinem kaiserlichen Herrn verkehren wollte.
Nachdem Karl V. alle seine Feinde niedergeworfen hatte, erließ er am 30. Juni 1548 eine vorläufige Ordnung, das Interim, nach dem den Protestanten das Abendmahl unter beiderlei Gestalt und die Priesterehe zugestanden wurde; in allen andern Stücken sollten sie sich der römischen Kirche wieder anschließen. Diese kaiserliche Verfügung mußte im Münster feierlich verkündigt werden.
Am 14. August 1548 erschien der Kaiser wieder in Ulm; in seiner Begleitung war der in der Schlacht bei Mühlberg gefangene Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, der wegen seiner treuen evangelischen Gesinnung von allem Volk ehrfurchtsvoll begrüßt wurde. Am folgenden Tag ritt der Kaiser in feierlichem Zug und mit glänzendem Gefolge ins Münster. Oben am Chor war ihm ein besonderer Stand hergerichtet. Granvella weihte die zwei neuen Altäre ein; dann teilte er das Abendmahl mit Brot und Wein aus, wie es das Interim gestattete. Der Kaiser selbst empfing es so. Am 16. August wurden die evangelischen Prediger der Stadt auf Befehl des Kaisers vorgeladen und ihnen vom Bürgermeister Hans Krafft eröffnet, es sei der Wille des Kaisers, daß sie das Interim annehmen.
Damals hat in Ulm ein ehrsamer Schuhmacher gelebt, Sebastian Fischer, der alle wichtigen Ereignisse seiner Vaterstadt mit großem Fleiß in ein Buch geschrieben hat. Wie es den evangelischen Geistlichen weiterhin ergangen, darüber finden wir in seiner Chronik folgendes aufgezeichnet:
»Das haben die Prediger nicht wollen tun und den Eid nicht wollen schwören, er ihnen zugemutet worden ist. Unterdessen sind alle Stadtknecht und Büttel zusammenberufen worden; die sind eilends gekommen und haben die Prediger gefangen genommen und allweg zwei Knechte einen Prediger unter den Armen geführt an des Kaisers Hof; aber der Kaiser sie nicht vor sich kommen lassen, sondern befohlen, daß man sie zu Granvella führe. Der hat dann mit ihnen geredet, daß sie des Kaisers Interim annehmen. Aber die Prediger haben den Eid nicht wollen schwören. Da sind sie dem Profos überantwortet worden, der hat alle vier in Eisen geschlagen: Jakob Frecht, Martin Spieß, Martin Rauber und Georg Fieß. Wie man sie nun dahin geführt hat, hat Frecht zu einem Stadtknecht gesagt: ›Lieber, wünsch' meiner Frau eine gute Nacht und sag' ihr, man habe mich gefangen und tröst' sie von meinetwegen.‹ Da hat ihm der Stadtknecht geantwortet: ›Das will ich treulich tun.‹ Da ist der Profos über den Stadtknecht erzürnet und hat zu ihm gesagt: ›Was hast du mit meinem Gefangenen auszurichten?‹ und hat den Stadtknecht auch festgenommen. Man hat sie hinaufgeführt, am Wengenkloster vorbei zum neuen Bollwerk; daselbst hat man sie in ein Haus gelegt. Da ist ein groß Volk zugelaufen von Männern, Weibern und Kindern, aber es hat sich niemand ihrer dürfen annehmen, denn der Kaiser ist mit großem Gefolge hier gelegen, haben also die Leute still dazu geschwiegen mit traurigem Herzen und weinenden Augen um unsre lieben und getreuen Prediger. Das war am 16. August, abends zwischen 5 und 6 Uhr. Am Sonntag nacht hat man Bonaventura Stelzer in seinem Haus auch in Eisen geschlagen und hat man ihn zu nacht aus seinem Haus geführt und ins Gefängnis gelegt. Denselben hat man auch auf den Wagen gesetzt zu den andern. Also sind der Prediger fünf gewesen. Und Frechts Bruder, Jergen, den Schuhmacher und Ratsherrn, den hat man auch in Eisen geschlagen und auf den Wagen gesetzt, nämlich darum: er ist zu seinem Bruder gegangen und hat ihm tröstlich zugesprochen und ihn heimgesucht in seinem Gefängnis, desgleichen die andern Prediger auch herzlich angeredet. Am 20. Aug. ist der Kaiser nach Speier aufgebrochen und hat man also die fünf Prediger und den Schuhmacher, alle sechs, auf einen Wagen am Morgen um 6 Uhr zum Neuen Tor hinausgeführt und sind den Spaniern überantwortet worden, die haben's hinweggeführt bis gen Kirchheim und Teck. Da hat sie der Kaiser zurückgelassen und blieben in hartem Gefängnis bis 3. März 1549; sind also ein halb Jahr gefangen gewesen, und solcherweilen hat man viel für sie getan und viel Mittel und Wege versucht, aber da hat nichts helfen wollen. Einmal hat es sich begeben, daß man sie im Argwohn gehabt hat, als wollen sie ausgraben. Da hat man sie all an eine Kette gelegt, die haben sie selbst müssen bezahlen. Ehe man sie hat losgelassen, haben sie müssen geben 240 Gulden. Aber sie haben müssen schwören, auf ewige Zeiten die Stadt Ulm nicht mehr zu betreten. Darnach sind sie hinweggefahren gen Söflingen; da kamen zu ihnen hinaus ihre Weiber und lief viel Volks hinaus zu ihnen, um von ihnen Abschied zu nehmen, auch einen Zehrpfennig auf den Weg zu geben. Es war am 9. Tag im März, nachmittags um 3 Uhr. Ich war eben erst hinausgekommen und mit mir mein Gesell und mein Weib. Da empfingen sie uns freundlich. Nachdem sie mit uns geredet, schieden sie voneinander. Die guten Leute gehuben sich ganz übel, daß mir in meinem Herzen weh tat, denn es gab viel nasse Augen und das nicht unbillig, denn es nicht ein Kleines ist, wenn sich Leute müssen voneinander scheiden, die also Lieb und Leid miteinander gelitten haben und keiner weiß wohin. Also fuhr Frecht mit seinem Weib und Kind auf einem Wagen davon. Sein Weib und Kind sind nicht weiter mit ihm gefahren denn gen Talfingen, Nürnberg zu. Stelzer und Spieß und ihre Weiber gingen mit uns zur Stadt herzu und um den Graben herum bis zu des Teufels Stiegle. Allda wartete Jakob Lauts Sohn mit einem Schiff, darein sie saßen und fuhren davon; Stelzer wollte gen Lauingen zu seiner Mutter und Herr Jakob gen Memmingen; aber Martin Rauber und Jörg Fieß ließen wir hinter uns zu Söflingen im Wirtshaus, die wollten auch gleich davon; Rauber hat an einem Ort eine Schwester, zu der wollte er; ich weiß aber nicht, wo Fieß hingewollt. Also schieden sie voneinander wie die zwölf Boten von Jesu.«
E. K.