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Lebensführung.
Wertvoll und fördernd sind vor allem die Werke von R. Eucken, Der Kampf um einen geistigen Lebensinhalt M. 7.50, Grundlinien einer neuen Lebensanschauung M. 5.– und Der Sinn und Wert des Lebens für die Menschen der Gegenwart M. 3.60. Zum Nachdenken anzuregen vermögen auch die Schriften von C. Hilty, Glück 3 Bde. je M. 5.S0, A. Sperl, Lebensfragen. Aus den Papieren eines Denkers M. 4.– und R. Jahnke, Aus der Mappe eines Glücklichen M. 1.80. Was unserem Volke heute fehlt, hebt besonders hervor A. Lichtwark, Der Deutsche der Zukunft M. 5.–. Eine die Selbsterziehung zu Willenskraft betonende, aber autoritär-asketischen Idealen zuneigende Lebenskunde bietet Fr. W. Förster M. 3.– ergänzt durch das Buch Lebensführung M. 2.80. Wertvolle Winke für die Selbsterziehung enthält das Buch von K. Keller, Ein ganzer Mensch! M. 3.80. Die für unsere Zeit bedeutsame soziale Frage als eine sittliche Frage stellt dar Th. Ziegler M. 3.–. Die sozialen Verpflichtungen der modernen Frau behandelt A. Salomon, Was wir uns und anderen schuldig sind M. 2. 50. An der Entwicklung der sozialen Idee im Denken des 19. Jahrhunderts sucht zu zeigen, was an unverlierbaren Ergebnissen und Maßstäben für die Beurteilung der großen Frage: »Der einzelne und die Vielen« gewonnen ist, Gertr. Bäumer, Die soziale Idee in den Weltanschauungen des 19. Jahrhunderts M. 6.50. Fragen des sexuellen Lebens erörtern H. Wegener, Wir jungen Männer M. 3.– und H. Lhotzky, Das Buch der Ehe M. 1.80. Auch heute lebendig sind F. Schleiermachers Monologe M. 1.80, G. Fichte, Bestimmung des Menschen M. –.80, ferner W. v. Humboldt, Briefe an eine Freundin M. 2.–. Wie Goethe als Kulturfaktor im höchsten Sinne zu wirken vermag, zeigt das (anonym erschienene) Buch von der Nachfolge Goethes M. 2.50; daneben lese man das feine Büchlein von W. Bode, Goethes Weg zur Höhe M. –.80. – Die erste Bekanntschaft mit den Männern aus der Zeit vor 100 Jahren, die das besaßen, was uns heute wieder fehlt, »universale Bildung, den großen Zusammenhang der Wissenschaften untereinander, das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Wissenschaft und Leben, das nachschaffende Verständnis des Gelehrten und die eigene, durch Wissenschaft und Philosophie erkämpfte, persönliche selbständige Weltanschauung, die innere geistige Freiheit«, zu vermitteln geeignet sind die Auswahlbände, die unter dem Titel Erzieher zu deutscher Bildung (je M. 3.– und M. 4.–) erschienen sind: Herder, Schlegel, Fichte, Schiller, Hamann, Schleiermacher, Winckelmann, Lessing, W. v. Humboldt, Schelling und Görres. Sie werden Anregung geben zu immer näherer Beschäftigung mit diesen Männern und den anderen, deren Bedeutung für unsere moderne Lebensgestaltung der Name Klassiker ja erfreulicherweise allmählich wieder nur noch Ungebildete verkennen läßt und von denen es Ausgaben in verschiedener äußerer und innerer Ausstattung für jeden Geschmack gibt. Daneben sind zu nennen die Auswahlbände des Verlages Langewiesche, insbesondere: J. Ruskin, Menschen untereinander, Th. Carlyle, Arbeiten und nicht verzweifeln, W. Emerson, Die Sonne segnet die Welt je M. 3.–. Welche Schätze gerade hier zu finden sind, vermögen die Auswahlen am Eingang und Ausgang der beiden Bände des vorliegenden Werkes zu zeigen.
Anregung zur Beschäftigung mit bedeutenden Persönlichkeiten bietet auch Th. Carlyle, Über Helden und Heldenverehrung M. 2.– (Diederichs). Eine Reihe von Charakteren vornehmlich aus der neueren deutschen Geschichte zeichnet H. v. Treitschke, Historische und politische Aufsätze Bd. I M. 8.–; seine von echt wissenschaftlicher und nationaler Gesinnung getragene Persönlichkeit Treitschkes zur Geltung bringenden Briefe hat jetzt M. Cornicelius herausgegeben 3 Bde. je M. 12.50. Eine Sammlung von Biographien (je M. 3.20 und M. 4.80) enthält die Sammlung Geisteshelden (Verzeichnis in den Buchhandlungen). Des weiteren seien als »Lebensbücher« genannt B. Franklin, Leben, von ihm selbst geschrieben M. –.80; Frau Rat Goethe, Briefe M. 15.– (Kleine Auswahl M. 2.–); H. Jung-Stilling, Lebensgeschichte M. 1.50 und A. Wilbrandt, Das Leben und die Abenteuer des armen Mannes im Tockenburg M. 3.50. Wilh. u. Carol. von Humboldt in ihren Briefen 6 Bde. M. 64.–. L. Braun, Im Schatten der Titanen M. 6.50 (die Lebensgeschichte der Jenny von Pappenheim enthaltend); Malvida von Meysenburg, Die Memoiren einer Idealistin 3 Bde. M. 14.–; E. M. Arndt, Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn von Stein M. 2.20 und des letzteren Lebenserinnerungen M. 3. –; J. G. Droysen, Das Leben des Feldmarschalls Grafen York von Wartenburg 2 Bde. M. 14.–; P. Bailleu, Königin Luise M. 10.–; F. Schleiermacher, Briefe M. 6.–; W. v. Kügelgen, Jugenderinnerungen eines alten Mannes M. 1.80; ferner des Buchhändlers F. Perthes Leben 3 Bde. M. 14.–; des Theologen D. F. Strauß Ausgewählte Briefe M. 3.–; Ch. Darwins Leben, in autobiographischen Aufzeichnungen und Briefen dargestellt M. 9.–; Fr. Paulsens Jugenderinnerungen aus »einem rechtschaffenen Bauernhause« M 4.–; des Industriellen W. v. Siemens Lebenserinnerungen M. 2.–; endlich das Lebensbild A. Krupps von H. Frobenius M. 2.–; und dessen Briefe von Berdrow M. 5.–. Auch des dem deutschen Geistesleben so nahe stehenden Schotten Th. Carlyle Lebenserinnerungen M. 4.80 sind zu erwähnen sowie die Essays des amerikanischen Idealisten R. W. Emerson 3 Bde. M. 2.80. Ein extrem konservativer individualistischer Standpunkt wird von einem namhaften Gelehrten bedeutend und geistreich vertreten in P. de Lagardes Deutschen Schriften M. 5.– (Auswahl M. 2.–). Als Vertreter moderner Lebensauffassung seien etwa genannt F. Naumann, (eine Auswahl aus seinen Schriften bietet das Naumann-Buch M. 2.50 und das Buch von Vaterland und Freiheit M. 3.–) und W. Rathenau, Zur Kritik der Zeit M. 4.50. – Daneben sind die zu den einzelnen Abschnitten: Geschichte, Literatur, Kunst usw. genannten Lebensäußerungen und Biographien bedeutender Persönlichkeiten zu vergleichen.
Die Wurzelkraft im Menschen treibt zum Eilen,
Sie strebt ins Weiteste aus allem Engen,
Sie will das Letzte schon ins Erste mengen,
Ihr bangt vor Raum und Zeit, die sie zerteilen.
Die Gegenkraft im Menschen treibt zum Weilen,
Sie will ans Nächste sich auf ewig hängen,
Sie möchte die Entfaltung rückwärts drängen
Und jede Wunde meiden, statt zu heilen.
Aus dieser beiden Kräfte Widerstreben
Entspringt in ewig wechselnder Gestaltung
Die unbegriffne Form des Seins: das Leben.
Hebbel
Alle Menschen guter Art empfinden bei zunehmender Bildung, daß sie auf der Welt eine doppelte Rolle zu spielen haben: eine wirkliche und eine ideelle, und in diesem Gefühl ist der Grund alles Edlen aufzusuchen.
Goethe
Jeder Zustand, ja jeder Augenblick ist von unendlichem Wert; denn er ist der Repräsentant einer ganzen Ewigkeit.
Goethe
Volk und Knecht und Überwinder,
Sie gestehn zu jeder Zeit:
Höchstes Glück der Erdenkinder
Sei nur die Persönlichkeit.
Jedes Leben sei zu führen,
Wenn man sich nicht selbst vermißt:
Alles könne man verlieren,
Wenn man bliebe, was man ist.
Goethe
Ich weiß, daß mir nichts angehört,
Als der Gedanke, der ungestört
Aus meiner Seele will fließen,
Und jeder günstige Augenblick,
Den mich ein liebendes Geschick
von Grund aus läßt genießen.
Goethe
Wenn der Pöbel aller Sorte tanzet um die goldnen Kälber,
Halte fest: du hast vom Leben doch am Ende nur dich selber.
Storm
Es ist ein hoher, feierlicher, fast schauerlicher Gedanke für jeden einzelnen Menschen, daß sein irdischer Einfluß, der einen Anfang gehabt hat, niemals, und wäre er der Allergeringste unter uns, durch alle Jahrhunderte hindurch ein Ende haben wird! Was geschehen ist, ist geschehen, hat sich schon mit dem grenzenlosen, ewig lebenden, ewig tätigen Universum verschmolzen und wirkt hier zum Guten oder zum Schlimmen öffentlich oder heimlich durch alle Zeiten hindurch.
Ich hebe mein Haupt kühn empor zu dem drohenden Felsengebirge und zu dem tobenden Wassersturz und zu den krachenden, in einem Feuermeere schwimmenden Wolken und sage: ich bin ewig, und ich trotz eurer Macht! Brecht alle herab auf mich, und du Erde und du Himmel, vermischt euch im wilden Tumulte, und ihr Elemente alle, schäumet und tobet und zerreibet im wilden Kampfe das letzte Sonnenstäubchen des Körpers, den ich mein nenne? – mein Wille allein mit seinem festen Plane soll kühn und kalt über den Trümmern des Weltalls schweben; denn ich habe meine Bestimmung ergriffen, und die ist dauernder als ihr; sie ist ewig, und ich bin ewig wie sie.
Fichte
Ich bin dazu berufen, der Wahrheit Zeugnis zu geben; an meinem Leben und an meinen Schicksalen liegt nichts; an den Wirkungen meines Lebens liegt unendlich viel. Ich bin ein Priester der Wahrheit; ich bin in ihrem Solde; ich habe mich verbindlich gemacht, alles für sie zu tun und zu wagen und zu leiden, wenn ich um ihrerwillen verfolgt und gehaßt werde, wenn ich in ihrem Dienste gar sterben sollte, – was tät' ich dann sonderliches, was tät' ich dann weiter, als das, was ich schlechthin tun müßte?
Fichte
So ist mir aufgegangen, was seitdem am meisten mich erhebt, es ist mir klar geworden, daß jeder Mensch auf eigene Art die Menschheit darstellen soll, in einer eigenen Mischung ihrer Elemente, damit auf jede Weise sie sich offenbare und wirklich werde in der Fülle der Unendlichkeit alles, was aus ihrem Schoße hervorgehen kann. Der Gedanke allein hat mich emporgehoben und gesondert von dem Gemeinen und Ungebildeten, das mich umgibt, zu einem Werk der Gottheit, das einer besonderen Gestalt und Bildung sich zu erfreuen hat; und die freie Tat, die ihn begleitete, hat um sich versammelt und innig verbunden zu einem eigentümlichen Dasein die Elemente der menschlichen Natur.
Schleiermacher
Nicht auf Glück kommt es in der Welt an, sondern auf selbständige, harmonische, aus Edlem entspringende und zu Edlem fortschreitende Kraft, aus der unmittelbar, mitten in und trotz aller Ereignisse des Zufalls, Glück und Heiterkeit von selbst hervorgehen. Das eigentliche tiefe und innige Verlangen einer wahrhaft menschlichen Brust ist, zu sein, wozu die Natur die Anlage in sie gesenkt hat, ihre Bestimmung zu erfüllen, und sei es auch durch unaufhörliches Entbehren und Leiden, wenn die wirklich höhere Kraft einem schlechteren Widersacher erliegt, unterwirft sie sich nur, weil sie nicht mehr zu widerstehen vermag, aber macht nie in schimpflichem Vertrag ihre Sache mit der seinigen gemein, sammelt sich vielmehr mit verdoppelter Anstrengung in sich selbst, wählt sich mühsamer gesuchte und darum wundervollere Bahnen und beherrscht, nachdem sie ihrem Sieger augenblicklich gewichen ist, ihn zuletzt durch das langsame, aber mächtige Ausstrahlen ihres Geistes und ihrer Trefflichkeit.
W. v. Humboldt
Ein edles Verlangen muß in uns entglühen, zu dem reichen Vermächtnis ^ von Wahrheit, Sittlichkeit und Freiheit, das wir von der Vorwelt überkamen und reich vermehrt an die Folgewelt wieder abgeben müssen, auch aus unseren Mitteln einen Beitrag zu legen und an dieser unvergänglichen Kette, die durch alle Menschengeschlechter sich windet, unser fliehendes Dasein zu befestigen. Wie verschieden auch die Bestimmung sei, die in der bürgerlichen Gesellschaft uns erwartet – etwas dazusteuern können wir alle! Jedem Verdienst ist eine Bahn zur Unsterblichkeit aufgetan, zu der wahren Unsterblichkeit, wo die Tat lebt und weiter eilt, wenn auch der Name ihres Urhebers hinter ihr zurückbleiben sollte.
Schiller
Ich habe viel Arbeit vor mir, um zu meinem Ziele zu gelangen, aber ich scheue sie nicht mehr. Mich dahin zu führen, soll kein Weg zu außerordentlich, zu seltsam für mich sein. Überlege einmal, mein Lieber, ^ ob es nicht unbegreiflich lächerlich wäre, aus einer feigen Furcht vor dem Ungewöhnlichen und einer verzagten Unentschlossenheit sich um den höchsten Genuß eines denkenden Geistes, Größe, Hervorragung, Einfluß auf die Welt und Unsterblichkeit des Namens zu bringen. In welcher armseligen Proportion stehen die Befriedigungen irgendeiner kleinen Begierde oder Leidenschaft gegen dieses richtig eingesehene und erreichbare Ziel? Das gestehe ich Dir, daß ich in dieser Idee so befestigt, so vollständig durch meinen Verstand davon überzeugt bin, daß ich mit Gelassenheit mein Leben an ihre Ausführung zu setzen bereit wäre und alles, was mir nur so lieb oder weniger teuer als mein Leben ist.
Schiller
Fuß über Grüften, fest auf dem Festen,
Haupt in den Lüften, so ist's am besten.
Vischer
Es war ein unphilosophisches Geschrei, das Voltaire bei Lissabons Sturz anhob, da er beinah lästernd die Gottheit deswegen anklagte. Sind wir uns selbst nicht und alle das Unsre, selbst unsern Wohnplatz, die Erde, den Elementen schuldig? Wenn diese, nach immer fortwirkenden Naturgesetzen, periodisch aufwachen und das Ihre zurückfordern? wenn Feuer und Wasser, Luft und Wind, die unsere Erde bewohnbar und fruchtbar gemacht haben, in ihrem Lauf fortgehen und sie zerstören; wenn die Sonne, die uns so lang' als Mutter erwärmte, die alles Lebende auferzog und an goldenen Seilen um ihr erfreuendes Antlitz lenkte? wenn sie die alternde Kraft der Erde, die sich nicht mehr zu halten und fortzutreiben vermag, nun endlich in ihren brennenden Schoß zöge: was geschähe anders, als was nach ewigen Gesetzen der Weisheit und Ordnung geschehen mußte? Sobald in einer Natur voll veränderlicher Dinge Gang sein muß, so bald muß auch Untergang sein, scheinbarer Untergang nämlich, eine Abwechslung von Gestalten und Formen. Nie aber trifft dieser das Innere der Natur, die, über allen Ruin erhaben, immer als Phönix aus ihrer Asche erstehet und mit jungen Kräften blühet.
Herder
Die edelsten Verbindungen hienieden werden von niedrigen Trieben, wie die Schiffahrt des Lebens von widrigen Winden, gestört, und der Schöpfer, barmherzig strenge, hat beide Verwirrungen ineinander geordnet, um eine durch die andre zu zähmen und die Sprosse der Unsterblichkeit mehr durch rauhe winde als durch schmeichelnde Weste in uns zu erziehen. Ein viel versuchter Mensch hat viel gelernt; ein träger und müßiger weiß nicht, was in ihm liegt, noch weniger weiß er mit selbstgefühlter Freude, was er kann und vermag. Das Leben ist also ein Kampf und die Blume der reinen, unsterblichen Humanität eine schwererrungene Krone. Den Läufern steht das Ziel am Ende; den Kämpfern um die Tugend wird der Kranz im Tode.
Herder
Alles geben Götter, die Unendlichen,
Ihren Lieblingen ganz:
Alle Freuden, die unendlichen,
Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.
Goethe
Der du von dem Himmel bist,
Alle Freud und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all die Qual und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!
Goethe
Beständigkeit haben die Sterne gewählt, in stiller Lebensfülle wallen sie stets und kennen das Alter nicht. Wir stellen im Wechsel das vollendete dar; in wandelnde Melodien teilen wir die großen Akkorde der Freude. Wie Harfenspieler um die Throne der Ältesten leben wir, selbst göttlich, . um die stillen Götter der Welt, mit dem flüchtigen Lebensliede mildern wir den seligen Ernst des Sonnengottes und der andern.
Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,
Als daß sich Gott-Natur ihm offenbare,
Wie sie das Feste läßt zu Geist verrinnen,
Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre!
Goethe
Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt oder im Überschwenglichen, außer meinem Gesichtskreise, suchen und bloß vermuten; ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewußtsein meiner Existenz.
Kant
Geh', verschwende nicht dein Hoffen;
Keine Frage steht dir offen
Nach dem Anfang, nach dem Ende,
Nach des Daseins ew'gem Grund;
All dein Fragen ist vergebens:
Das Geheimnis alles Lebens
Macht kein Göttermund dir kund.
Ohne Zagen, ohne Fragen
Lerne wandeln
Deinen Pfad:
Lebt Erlösung doch im Handeln,
Und Gewissheit in der Tat.
Wirke! Nütze deine Stunde,
Und du stehst auf heil'gem Grunde
Lebenspendend, götterstark,
Wurzelnd in des Daseins Mark.
Lohmeyer
Redlich habe ich es mein lebelang mit mir und anderen gemeint und bei allem irdischen Treiben immer auf das Höchste geblickt. Sie und die Ihrigen haben es auch so getan, wirken wir also immerfort, solange es Tag für uns ist. Für andere wird auch eine Sonne scheinen; sie werden sich an ihr hervortun und uns indessen ein helleres Licht erleuchten. Und so bleiben wir wegen der Zukunft unbekümmert! In unseres Vaters Reiche sind viele Provinzen und, da er uns hier zu Lande ein so fröhliches Ansiedeln bereitete, so wird drüben gewiß auch für beide gesorgt sein. – Möge sich in den Armen des allliebenden Vaters alles wieder zusammenfinden.
Goethe
Schon in ihren gegenwärtigen Fesseln sind der Seele Raum und Zeit leere Worte; sie messen und bezeichnen Verhältnisse des Körpers, nicht aber ihres innern Vermögens, das über Raum und Zeit hinaus ist, wenn es in seiner vollen innigen Freude wirkt. Um Ort und Stunde deines künftigen Daseins gib dir also keine Mühe; die Sonne, die deinem Tage leuchtet, mißt dir deine Wohnung und dein Erdengeschäft und verdunkelt dir so lange alle himmlischen Sterne. Sobald sie untergeht, erscheint die Welt in ihrer größern Gestalt; die heilige Nacht, in der du einst eingewickelt lägest und einst eingewickelt liegen wirst, bedeckt deine Erde mit Schatten und schlägt dir dafür am Himmel die glänzenden Bücher der Unsterblichkeit auf.
Herder
So viel ist gewiß, daß in jeder seiner Kräfte eine Unendlichkeit liegt, die hier nur nicht entwickelt werden kann, weil sie von anderen Kräften, von Sinnen und Trieben des Tiers unterdrückt wird und zum Verhältnis des Erdelebens gleichsam in Banden liegt.
Herder
Wir waren indes um das Gehölz, das Webicht, gefahren und bogen in der Nähe von Tiefurt in den Weg nach Weimar zurück, wo wir die untergehende Sonne im Anblick hatten. Goethe war eine Weile in Gedanken verloren, dann sprach er zu mir die Worte eines Alten:
Untergehend sogar ist's immer dieselbige Sonne.
»Wenn einer fünfundsiebzig Jahre alt ist,« fuhr er darauf mit großer Heiterkeit fort, »kann es nicht fehlen, daß er mitunter an den Tod denke. Mich läßt dieser Gedanke in völliger Ruhe, denn ich habe die feste Überzeugung, daß unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur, es ist ein Fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit. Es ist der Sonne ähnlich, die bloß unsern irdischen Augen unterzugehen scheint, die aber eigentlich nie untergeht, sondern unaufhörlich fortleuchtet.«
Goethe
Der Mensch soll an Unsterblichkeit glauben, er hat dazu ein Recht, es ist feiner Natur gemäß, und er darf auf religiöse Zusagen bauen; wenn aber der Philosoph den Beweis für die Unsterblichkeit unserer Seele aus einer Legende hernehmen will, so ist das sehr schwach und will nicht viel heißen. Die Überzeugung unserer Fortdauer entspringt mir aus dem Begriff der Tätigkeit; denn wenn ich bis an mein Ende restlos wirke, so ist die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daseins anzuweisen, wenn die jetzige meinem Geist nicht ferner auszuhalten vermag.
Was die Unsterblichkeit betrifft, so kann ich nicht bergen, die Art, wie die meisten Menschen sie nehmen, und ihre Sehnsucht darnach ist ganz irreligiös, dem Geist der Religion gerade zuwider, ihr Wunsch hat keinen anderen Grund als die Abneigung gegen das, was das Ziel der Religion ist. Erinnert euch, wie in ihr alles darauf hinstrebt, daß die scharf abgeschnittenen Umrisse unserer Persönlichkeit sich erweitern und sich allmählich verlieren sollen ins Unendliche, daß wir durch das Anschauen des Universums soviel als möglich eins werden sollen mit ihm; sie aber sträuben sich gegen das Unendliche, sie wollen nicht hinaus, sie wollen nichts sein als sie selbst und sind ängstlich besorgt um ihre Individualität. Erinnert euch, wie es das höchste Ziel der Religion war, ein Universum jenseits und über der Menschheit zu entdecken, und ihre einzige Klage, daß es damit nicht recht gelingen will auf dieser Welt; jene aber wollen nicht einmal die einzige Gelegenheit ergreifen, die ihnen der Tod darbietet, um über die Menschheit hinauszukommen; sie sind bange, wie sie sie mitnehmen werden jenseits dieser Welt, und streben höchstens nach weiteren klugen und besseren Gliedmaßen ... Versucht doch aus Liebe zum Universum euer Leben aufzugeben. Strebt darnach, schon hier eure Individualität zu vernichten und im einen und allen zu leben, strebt darnach, mehr zu sein als ihr selbst, damit ihr wenig verliert, wenn ihr euch verliert; und wenn ihr so mit dem Universum, soviel ihr hier davon findet, zusammengeflossen seid und eine größere und heiligere Sehnsucht in euch entstanden ist, dann wollen wir weiter reden über die Hoffnungen, die uns der Tod gibt, und über die Unendlichkeit, zu der wir uns durch ihn unfehlbar emporschwingen. Die Unsterblichkeit darf kein Wunsch sein, wenn sie nicht erst eine Aufgabe gewesen ist, die ihr gelöst habt. Mitten in der Endlichkeit eins werden mit dem Unendlichen und ewig sein in jedem Augenblick, das ist die Unsterblichkeit der Religion.
Schleiermacher
Ich möchte keineswegs das Glück entbehren, an eine zukünftige Fortdauer zu glauben, ja ich möchte mit Lorenzo von Medici sagen, daß alle diejenigen auch für dieses Leben tot sind, die kein anderes hoffen; allein solche unbegreifliche Dinge liegen zu fern, um ein Gegenstand täglicher Betrachtung und gedankenzerstörender Spekulation zu sein. Und ferner: wer eine Fortdauer glaubt, der sei glücklich im stillen, aber er hat nicht Ursache, sich etwas darauf einzubilden ... Ein tüchtiger Mensch aber, der schon hier etwas Ordentliches zu sein gedenkt, und der daher täglich zu streben, zu kämpfen und zu wirken hat, läßt die künftige Welt auf sich beruhen und ist tätig und nützlich in dieser.
Das Vermögen, jedes Sinnliche zu veredeln und auch den totesten Stoff durch Vermählung mit der Idee zu beleben, ist die schönste Bürgschaft unseres übersinnlichen Ursprungs. Der Mensch, wie sehr ihn auch die Erde anzieht mit ihren tausend und abertausend Erscheinungen, hebt doch den Blick forschend und sehnend zum Himmel auf, der sich in unermeßlichen Räumen über ihm wölbt, weil er es tief und klar in sich fühlt, daß er ein Bürger jenes geistigen Reiches sei, woran wir den Glauben nicht abzulehnen noch aufzugeben vermögen, In dieser Ahnung liegt das Geheimnis des ewigen Fortstreben nach einem unbekannten Ziele? es ist gleichsam der Hebel unsers Forschens und Sinnens, das zarte Band zwischen Poesie und Wirklichkeit ... wenn man das Treiben und Tun der Menschen seit Jahrtausenden überblickt, so lassen sich einige allgemeine Formeln erkennen, die je und immer eine Zauberkraft über ganze Nationen wie über die einzelnen ausgeübt haben, und diese Formeln, ewig wiederkehrend, ewig unter tausend bunten Verbrämungen dieselben, sind die geheimnisvolle Mitgabe einer höheren Macht ins Leben. Wohl übersetzt sich jeder diese Formeln in die ihm eigentümliche Sprache, paßt sie auf mannigfache Weise seinen beengten individuellen Zuständen an und mischt dadurch oft so viel Unlauteres darunter, daß sie kaum mehr in ihrer ursprünglichen Bedeutung zu erkennen sind. Aber diese letztere taucht doch immer unversehens wieder auf, bald in diesem, bald in jenem Volke, und der aufmerksame Forscher setzt sich aus solchen Formeln eine 5lrt Alphabet des Weltgeistes zusammen.
Goethe
Ich bedauere die Menschen, welche von der Vergänglichkeit der Dinge viel Wesens machen und sich in Betrachtung irdischer Nichtigkeit verlieren. Sind wir ja eben deshalb da, um das vergängliche unvergänglich zu machen.
Goethe
Wär' nicht das Auge sonnenhaft,
Wie könnten wir das Licht erblicken?
Lebt' nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt' uns Göttliches entzücken?
Goethe
Beseelte Gott den Vogel nicht mit diesem allmächtigen Trieb gegen seine Jungen, und ginge das Gleiche nicht durch alles Lebendige der ganzen Natur, die Welt würde nicht bestehen können! – So aber ist die göttliche Kraft überall verbreitet und die ewige Liebe überall wirksam.
Beim Glauben, sagte ich, komme alles darauf an, daß man glaube, was man glaube, sei völlig gleichgültig. Der Glaube sei ein großes Gefühl von Sicherheit für die Gegenwart und Zukunft, und diese Sicherheit entspringe aus dem Zutrauen auf ein übergroßes, übermächtiges und unerforschliches Wesen. Auf die Unerschütterlichkeit dieses Zutrauens komme alles an; wie wir uns aber dieses Wesen denken, dies ...sei ganz gleichgültig.
Goethe
»Ich glaube einen Gott!« dies ist ein schönes löbliches Wort; aber Gott anerkennen, wo und wie er sich offenbare, das ist eigentlich die Seligkeit auf Erden.
Goethe
Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.
Goethe
So viel kann ich Sie versichern, daß ich mitten im Glück in einem anhaltenden Entsagen lebe und bei aller Mühe und Arbeit sehe, daß nicht mein Wille, sondern der einer höheren Macht geschieht, deren Gedanken nicht meine Gedanken sind.
Goethe
Im Namen dessen, der sich selbst erschuf
Von Ewigkeit im schaffenden Beruf,
In Seinem Namen, der den Glauben schafft,
Vertrauen, Liebe, Tätigkeit und Kraft,
In Jenes Namen, der so oft genannt,
Dem Wesen nach blieb immer unbekannt:
Soweit das Ohr, soweit das Auge reicht,
Du findest nur Bekanntes, das Ihm gleicht,
Und deines Geistes höchster Feuerflug
Hat schon am Gleichnis, hat am Bild genug,
Es zieht dich an, es reißt dich heiter fort
Und, wo du wandelst, schmückt sich Weg und Ort.
Du zählst nicht mehr, berechnest keine Zeit
Und jeder Schritt ist Unermeßlichkeit.
Goethe