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Vor langer Zeit war einmal in einem Dorf ein Pfarrer, den hatten die Bauern wegen seiner kurzen Predigten so gern, daß sie ihm bei jedem Schweineschlachten einen ordentlichen Happen von der Metzelsuppe schickten. Nun hatte aber der Pfarrer selber auch ein Schwein eingetan und gemästet, und es wog wohl an die vier Zentner, als es geschlachtet werden sollte. Der Metzger war eben daran, das Tier abzubrühen und die Schwarte von den Borsten zu reinigen; da fiel dem Pfarrer ein, daß er nun den Bauern, die ihm sonst etwas von ihrer Metzget zukommen ließen, auch ein Stück Fleisch und ein paar Würste ins Haus schicken müßte. »Gerechter Gott, wenn ich da jedem abgebe, bleibt mir selber nichts mehr übrig!« dachte er, ließ den Mesner zu sich kommen und fragte ihn um Rat, wie er es machen solle, damit er den Bauern keine Metzelsuppe zu geben brauche. »Das ist ganz einfach«, sagte der Mesner, »laßt das Schwein den ganzen Tag über am Rechen vor dem Hause hängen, so daß es die Bauern sehen und wissen, daß Ihr geschlachtet habt. Sobald aber die Nacht hereingebrochen ist, laßt Ihr es in aller Heimlichkeit beiseite schaffen und erzählt jedem, der Euch begegnet, Euer Schwein sei in der Nacht von einem Spitzbuben gestohlen worden. So wird niemand eine Metzelsuppe von Euch erwarten und Euch in Eurem Unglück höchstens noch bedauern.« Dieser Rat gefiel dem Pfarrer gut, und er gedachte ihn zu befolgen. »Ihr dürft aber keinem Menschen ein Sterbenswörtchen davon verraten!« bat der Pfarrer. – »Keine Silbe, Herr Pfarrer; darauf könnt Ihr Euch verlassen!« erwiderte der Mesner und ging nach Hause; schlich sich aber um Mitternacht, als das ganze Dorf in tiefem Schlafe lag, vors Pfarrhaus, nahm das Schwein auf die Schulter und trug es in seinen Keller, wo er es in einem großen Krautfaß versteckte. Früh am Morgen schon erschien der Pfarrer wieder: »Mesner, ich kann's fast nicht glauben« jammerte er, »man hat mir heute nacht mein Schwein gestohlen !« – »Ja, Herr Pfarrer, so ist's recht! So müßt Ihr sagen und gerade sojämmerbarwie jetzt, – dann glauben's die Leute!« »Ich bitt' Euch, Mesner' macht keine Späße; 's ist mir nämlich nicht danach! Man hat mir wirklich in der Nacht das Schwein gestohlen«, sagte da der Pfarrer. – »Recht so; so müßt Ihr sprechen, Herr Pfarrer! Und seid versichert: ich will schon mit helfen dafür sorgen, daß es unter die Leute kommt. 's ist ja Samstag heut, wo sich ohnehin die Weiber in Metzig und Laden und die Männer im Wirtshaus treffen.« – Als aber der Pfarrer gar nicht nachgab, zu versichern, daß das Schwein wirklich gestohlen sei, lächelte der Mesner nur verschmitzt und sagte: »Macht nur keine Flausen! Ich weiß doch alles; hab' Euch ja selbst diesen Rat gegeben; bei mir bedarf's keiner Verstellung!«
Da ging der Pfarrer unwillig nach Hause. Weil ihm aber das Betragen des Mesners verdächtig vorkam und er zuletzt in ihm den Dieb vermutete, sann er unterwegs darüber nach, auf welche Weise er sich am schnellsten Gewißheit verschaffen könne. Er hatte sich auch bald einen Plan zurechtgezimmert: Seine Schwiegermutter sollte horchen und ausspüren, ob der Mesner in Wahrheit der Schweinedieb sei. Er steckte sie darum in eine Kiste, ließ diese in die Mesnerwohnung schaffen und bat den Mesner, die Kiste über den Sonntag in seiner Stube aufzubewahren. Er bekomme Besuch und könne sie daher während der Zeit nicht im Hause brauchen. Öffnen dürfe er aber die Kiste nicht; es könnte sonst leicht ein Unglück geschehen. Der Mesner erfüllte des Pfarrers Wunsch gerne.
Am Sonntag kochte die Mesnersfrau Sauerkraut und setzte ein gutes Stück von dem fetten Schweinefleisch zu. Wie nun die Familie am Tisch saß und aß, sagte die Tochter: »Ah! Wie schmeckt doch dem Herrn Pfarrer sein Fleisch so gut!« Das hörte die alte Frau in der Kiste und konnte das Lachen nicht mehr verhalten, so daß der Mesner es bemerkte. Er zündete eine Schwefelschnitte an und steckte sie durch eine Ritze in die Kiste. Er dachte, der drinnen säße, würde nach einer Weile um Hilfe rufen, und er könnte ihn ja dann herauslassen. Als sich aber kein Laut mehr vernehmen ließ, brach er die Kiste auf und – sah zu seinem Schrecken des Pfarrers Schwiegermutter darin liegen. Die aber war im Schwefeldampf erstickt und mausetot. Neben ihr lag ein halber Laib Brot und ein Happen Rauchfleisch, von dem sie gegessen hatte. Da schnitt der Mesner schnell ein Stück von dem Fleisch ab, steckte es ihr in den Hals und nagelte die Kiste wieder zu.
Als nun der Pfarrer am andern Tag die Kiste zurückholen ließ und öffnete, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen und rief: »Ach Gott, ach Gott! Die alte Frau ist an dem zähen Fleisch erstickt! Was fange ich nur an, ich armer, geschlagener Mann!« In seiner Not ließ er den Mesner kommen und gestand ihm hinter verschlossenen Türen: »Denkt Euch nur, Mesner, meine Schwiegermutter ist in der Nacht an einem Bissen Fleisch erstickt. Weil ich aber in meiner Einfalt und Aufregung keinen Arzt zu Hilfe gerufen habe, fürchte ich, daß man mir Vorwürfe macht und mir gar die Schuld an ihrem Tode zuschiebt. Drum bitt' ich Euch, begrabt sie heimlich im Garten. Ich will Euch einen Scheffel Korn, den Ihr selbst einfassen dürft, zum Lohne geben.« – Der Mesner war damit einverstanden, nahm die Tote und trug sie auf des Pfarrers Kornboden, wo er sich gleich einen gehäuften Scheffel Frucht einmaß. Als er damit fertig war, stellte er die tote Schwiegermutter bis über die Knie in den Kornhaufen und ging nach Hause.
Am andern Morgen kehrte die Pfarrmagd die Treppen und kam dabei auch auf den Speicher. Kaum aber hatte sie die Tür zur Fruchtkammer aufgemacht, stieß sie einen Schrei aus, rannte die Treppe hinab und in des Pfarrers Studierstube und erzählte außer Atem: »Herr Pfarrer! Herr Pfarrer! . . . droben . . . in der Fruchtkammer ... steht Eure Schwiegermutter mitten im Kornhaufen ... und ...« – »Wie? Was erzählst du mir da?« sagte der Pfarrer. »Geh schnell zum Mesner hinüber; er soll gleich kommen!« – Der Mesner kam. – »Habt Ihr denn meine Schwiegermutter nicht begraben?« fragte der Pfarrer. – »Freilich habe ich sie begraben«, erwiderte der Mesner. – »Aber sie steht droben auf der Kornbühne mitten im Fruchthaufen.« – »Dann ist sie eine Hexe, Herr Pfarrer; sonst wäre sie nicht wiedergekommen!« – Sollte der Pfarrer aufkommen lassen, daß seine Schwiegermutter eine Hexe sei? Er bat den Mesner, sie noch einmal zu begraben. – »Das tu ich nur, wenn Ihr mir hundert Gulden auf die Hand legt. Andernfalls könnt Ihr sie selber einscharren!« – So schwer's ihm fiel, der Pfarrer mußte in den Beutel greifen und dem Mesner die hundert blanken Gulden auf die Hand zählen. Der steckte sie in die Tasche, nahm dann die Leiche und trug sie in den Wald hinaus.
Er war noch nicht lange gegangen, da sah er unter einer Eiche einen Krämer sitzen. Der war eingeschlafen und hatte einen großmächtigen Koffer neben sich stehen; er schlief so tief, daß er nicht einmal merkte, wie der Mesner den Koffer öffnete, alle Waren herausnahm und davontrug und in einem hohlen Baum versteckte. Dann legte er die tote Frau hinein, drückte ihr einen der silbernen Löffel in die Hand, die der Krämer zum Verkaufe bei sich hatte, und schloß darauf den Koffer wieder vorsichtig ab. Danach ließ er sich ein Stückweit entfernt im Schatten eines Baumes nieder und wartete, bis der Krämer erwachte, den schweren Koffer auf die Schulter nahm und sich zum Weiterwandern anschickte. Nun trat der Mesner hinter dem Baum hervor, tat, als ob er ganz zufällig hier vorüberkäme, grüßte den Fremden und sagte: »So, seid Ihr auch unterwegs? Werd' wohl nicht fehl gehen, wenn ich annehme, daß Ihr ein Handelsmann seid.«
»Das bin ich«, gab darauf der Krämer zur Antwort, »aber man macht schlechte Geschäfte heutzutage. Die Leute haben weder Lust noch Geld, etwas zu kaufen.«
»Da habt Ihr recht«, sagte der Mesner. »Aber manchmal muß auch einer etwas kaufen, ob er Lust hat oder nicht. Seid Ihr beim Pfarrer gewesen?« Der Krämer schüttelte den Kopf und sagte: »O je, den kenn' ich! Der ist zu knauserig, um unsereinen was verdienen zu lassen.« »Da habt Ihr wiederum recht. Aber diesmal ist's eine andere Sache. Geht nur gleich hin und klopft bei ihm an; er hat Trauerkleider nötig, weil seine Schwiegermutter gestorben ist.« Da bedankte sich der Krämer bei dem Mesner für den guten Rat und machte sich auf den Weg ins Pfarrhaus.
Der Pfarrer ließ ihn gar nicht erst bis in sein Studierzimmer gelangen, sondern kam in den Gang heraus und brummte mißgelaunt, er brauche nichts, er sei mit allem versehen. »So gestattet wenigstens, daß ich Euch meine Waren zeige«, sagte der Händler und machte den Koffer auf. Da fiel das tote Weib heraus. »Um Gottes willen!« rief der Pfarrer. »Das ist ja meine Schwiegermutter! Wie kommt die in Euren Koffer hinein?« Doch der Krämer konnte keine Antwort geben; er war vor Schrecken in Ohnmacht gefallen. Da ließ der Pfarrer den Mesner holen und fragte ihn, ob er denn seine Schwiegermutter nicht begraben habe. »Ei, freilich habe ich sie begraben! Schon zweimal; und diesmal habe ich sie sogar in den Wald hinausgetragen. Eben daran aber, Herr Pfarrer, daß sie immer wieder kommt, kann man deutlich sehen, daß sie eine Hexe gewesen sein muß!« – »So begrabt sie zum drittenmal und sorgt dafür, daß sie nicht wieder ans Tageslicht kommt !« Der Mesner versprach es zu tun, wenn er ihm dreihundert Gulden gebe. Das kam den geizigen Pfarrer hart an; aber er hatte keine andere Wahl, wenn er die Sache geheimhalten wollte, als den vollen Beutel aufzutun. Und diesmal ging der Mesner wirklich in den Garten hinaus und begrub die Schwiegermutter unter einem alten Apfelbaum.
Inzwischen war der Krämer aus seiner Ohnmacht wieder erwacht und verlangte von dem Pfarrer, daß er ihm die Waren, die vordem im Koffer gewesen, bezahlen solle. Der aber sagte, das gehe doch ihn nichts an; er habe die Sachen ja nicht gestohlen. »Aber Eure Schwiegermutter hat sie gestohlen! Sie hatte doch noch einen von meinen silbernen Löffeln in der Hand! Der Tand war wohl seine hundert Gulden wert, und wenn Ihr mir die nicht auf Heller und Pfennig bezahlt, dann verklage ich Euch samt Eurer Schwiegermutter!« So blieb dem Pfarrer am Ende nichts übrig, als auch diese hundert Gulden dranzugeben, wenn er nicht in das böse Gerede der Leute kommen oder vom ganzen Dorf verhöhnt und ausgelacht werden wollte.
Das ist die Geschichte von der teuren Metzelsuppe, die der Pfarrer ganz allein zu verzehren gedachte. Meine Großmutter hat sie mir einst zwischen Tag und Dunkel erzählt, und also muß sie auch wahr sein, so gewiß als der Pfarrer Amen sagt.