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Es waren einmal drei Handwerksgesellen, die hatte draußen in der Fremde der Zufall zusammengeführt und das Heimweh nach der lieben Heimat zu guten Freunden gemacht. Die beiden älteren waren Kupferschmiede und stammten aus dem gleichen Dorfe; der jüngste, der Bernhard, war ein Schreiner, Kind armer Leute, die schon lange gestorben waren. Nun standen die drei Gesellen schon einige Jahre in der großen fremden Stadt in Arbeit, konnten die ganze Woche über zwischen den hohen Häusern den Himmel nicht erblicken und wußten fast nicht mehr, wie ein Berg oder ein Wald aussah. So wurde ihre Sehnsucht nach Hause allmählich so stark, daß sie eines Tages ihren Meistern den Dienst aufsagten, ihre Felleisen schnürten und heim wanderten. Oftmals marschierten sie Tag und Nacht durch, und weil sie möglichst all ihr Erspartes nach Hause bringen wollten und es gerade Sommer war, so ließen sie die, Wirtshäuser unbeachtet an der Straße liegen und nahmen lieber bei Mutter Grün Herberge.
So nächtigten sie auch einmal wieder nach einem langen Regentag im Walde, suchten eine windgeschützte Felsschlucht auf und machten ein Feuer an, um ihre Kleider trocknen zu können. Sie hatten es so vereinbart, daß sich immer zwei zum Schlafe niederlegen durften, der dritte aber Wache stehen und das Feuer unterhalten mußte. Bernhard hatte die erste Wache, und als das Feuer allmählich abbrannte, ging er in den Wald hinein, um noch mehr dürres Holz zu suchen. Während er sich aber immer weiter entfernt hatte, war das Feuer vollends erloschen, und er konnte in der stockdunklen Nacht den Lagerplatz nicht wiederfinden. Stundenlang irrte er im Wald umher. Endlich sah er zwischen den Stämmen ein Licht schimmern, ging darauf zu und kam an ein altes Jagdschloß. Er trat ein, klopfte an die Türen, rief – aber nichts rührte sich. Doch brannte im letzten Zimmer Licht, und ein Feuer knisterte im Ofen; in der Mitte stand ein Tisch und in der Ecke ein frisch gerichtetes Bett. Darein legte er sich, um auszuruhen. Als er aber gerade am Einschlafen war, hörte er ganz in seiner Nähe einen Hahn krähen. Er stand auf und durchsuchte das Zimmer bis in den letzten Winkel hinein; aber nirgends war ein Hahn zu entdecken. Kaum lag er wieder im Bett, krähte es zum zweiten Male. Bernhard glaubte bestimmt zu hören, daß das Krähen aus dem Zimmer kam; aber er mochte suchen so lange er wollte, es war kein Hahn zu finden. Er legte sich wieder hin und paßte nun genau auf, und richtig, als sich der Hahn zum dritten Male vernehmen ließ, merkte er deutlich, daß das Krähen aus dem Tische kam. Er sprang aus dem Bett, zog die Schublade heraus, und – wahrhaftig: da saß der Gockel drin. Ein großer Gockel, mit lauter goldenen Federn! »Du kommst mir gerade recht!« dachte Bernhard, zog sein Messer heraus und wollte den Hahn schlachten und braten; denn er hatte großen Hunger. Da fing der Hahn plötzlich an zu sprechen wie ein Mensch: »Laß mich am Leben. Zieh nur eine Feder aus meinem Schwanz; mit ihr kannst du dir alles herbei wünschen, was du willst. Du brauchst es nur mit der Feder zu schreiben und sogleich wird es da sein. Eines aber vergiß nicht: du darfst keinem Zweiten etwas von dieser Feder erzählen!« Der Gockel hatte noch nicht einmal zu Ende gesprochen, da hatte. ihm Bernhard schon eine seiner goldenen Federn ausgerupft und schrieb damit auf die Tischplatte: »Ich wünsche einen saftigen Braten und eine Flasche Wein!« Im Nu stand beides auf dem Tisch, und er ließ sich's vortrefflich schmecken. Als er satt war, schrieb er: »Ich wünsche, daß das Lagerfeuer im Walde brennt, daß meine beiden Kameraden fest schlafen und daß ich sogleich bei ihnen bin!« Kaum hatte er das letzte Wort geschrieben, stand er auch schon vor den schlafenden Gesellen, und das Feuer loderte hell und lustig. Als die zwei Kupferschmiede am Morgen erwachten, fragten sie den Freund, warum er sie denn nicht geweckt und die. ganze Nacht allein Wache gehalten habe. »Ach, ihr habt so gut geschlafen, daß ich euch nicht wecken wollte. jetzt aber, meine ich, sollten wir weiterwandern«, sagte er; von seinem Besuch in dem alten Waldschloß aber und von der goldenen Hahnenfeder erwähnte er kein Wort, weil's der Hahn ihm verboten hatte. Nach einigen Tagen, als der große Wald noch immer kein Ende nehmen wollte, blieb Bernhard einmal hinter den anderen zurück und schrieb flink auf einen glatten Buchenstamm: »Ich wünsche, daß wir bald in unserer Heimat und im Dorf der beiden Kupferschmiede sind!« Es dauerte keine Viertelstunde, da der Wald zu Ende, und sie befanden sich in einer ganz anderen Gegend. Plötzlich blieb der eine erstaunt stehen und rief seinem Kameraden voller Freude zu: »Sieh doch einmal die, Berge und das Tal und das Dörfchen dort! Das ist doch unser Heimatort!« – »Ja, wahrhaftig!« rief der andere aus. »Ich kann es fast nicht glauben, denn vor keiner halben Stunde noch waren wir meilenweit von zu Hause entfernt. Aber – aufs Tüpfelchen genau so wie unser Dörfchen kann doch kein zweites auf der Welt aussehen!« »Nein, Bruderherz; das kann nicht sein!« bestätigte der erste. »Was vier Augen sehen, das muß wahr sein und – sollte uns auch gleich eine gute Zauberfee hierher versetzt haben!« Bernhard aber, der alles wohl wußte, sprach kein Wort und schmunzelte nur heimlich vor sich hin. Die zwei Gesellen, die sich vor Freude und Erwartung nicht mehr kannten, machten Schritte wie der Bettelmann auf die Kirchweih, nahmen den Bernhard in die Mitte und zogen singend und pfeifend mit ihm in ihr Heimatdorf ein. »Nun bleiben wir hier für alle Zeit!« sagten sie. »Und du, Kamerad, wie wär's, wenn auch du hierbleiben und eine Werkstatt aufmachen würdest?« Doch Bernhard schüttelte den Kopf und sagte, er wolle sein Glück anderswo versuchen; nahm Abschied von ihnen und wanderte weiter in die Welt hinaus. Nach langer, langer Zeit kam er in eine große, schöne Stadt. Dort hörte er aus dem Gerede der Leute, daß die einzige Tochter des Königs schon viele Jahre krank sei und daß niemand ihr helfen könne. »Es wäre doch jammerschade, wenn die junge Prinzessin sterben müßte«, dachte da Bernhard bei sich, trat sogleich den Weg aufs Schloß an und ließ sich beim König melden. Er gab sich für einen fremden Doktor aus, verlangte die' Prinzessin zu sehen und versprach, sie zu heilen. Der König aber traute keinem Doktor mehr und wies ihn ab. Doch Bernhard ließ sich nicht so schnell abschütteln und ruhte nicht, bis der König ihm endlich erlaubte, seine Tochter zu besuchen und ihr eine Arznei zu verschreiben. Da trat er mit ehrerbietigem Gruß an das Bett der Prinzessin, schrieb mit seiner Goldfeder den Namen eines heilsamen Krautes auf einen Zettel und wünschte dazu, daß es ihr bis morgen ein wenig besser gehen möge. Und siehe: schon am anderen Tage zeigte sich eine deutliche Besserung, und die Freude darüber im königlichen Schlosse war groß. Nun verordnete er der Kranken eine andere Arznei und wünschte, daß ihr darauf noch viel wohler werden möge. Und wahrhaftig: es ging der Prinzessin von Tag zu Tag besser, so daß sie es kaum erwarten konnte, bis ihr Doktor wieder kam. Beim dritten Besuch verschrieb er ihr wieder eine neue Arznei und wünschte ihr von Herzen völlige Genesung. Keine drei Tage waren vergangen, da war die Prinzessin frisch und gesund wie der Fisch im Wasser, und sie wußte ihrem Retter dafür nicht genug Dank und Liebe zu erweisen; denn sie hatte fest und sicher geglaubt, sie müsse sterben. Auch der König war froh und glücklich, daß er sein liebes Kind wieder hatte und wollte dem Doktor einen Scheffel Gold zum Lohne geben. Bernhard aber nahm nichts zum Geschenk an, als ein schmales goldenes Ringlein, das die Prinzessin von ihrem Finger gestreift und ihm beim Abschied gegeben hatte. Nicht lange danach sagte eines Tages die Prinzessin zu ihrem Vater: »Ich bin nun wieder ganz gesund, bin jung und lebensfroh und möchte nicht als alte Jungfer sterben, sondern heiraten!« Darüber war der König froh und sprach: »Dein Wunsch freut mich, mein liebes Kind. Sage mir, wen du gerne zum Mann haben möchtest, und du sollst ihn bekommen. Keinen anderen als den Doktor der mich geheilt hat!« sagte die Prinzessin. Über diese Antwort war der König nun doch nicht wenig betroffen und hätte am liebsten sein Wort zurückgenommen. Weil er 'aber seine Tochter über alles liebte, sandte er auf ihren Wunsch Boten aus', den Doktor zu suchen. Nach kurzer Zeit trafen sie ihn unterwegs an und brachten ihn an den Hof. Da verlobte der König ihn mit seiner Tochter, und nicht lange hernach wurde die Hochzeit gefeiert. Um auch wie ein Prinz leben zu können, hatte sich Bernhard mit Hilfe der goldenen Feder unermeßliche Schätze gewünscht. Davon ließ er sich ein prächtiges Schloß mit einem großen Park davor bauen. »Nun weiß ich nichts mehr, was mir noch zu wünschen übrig bliebe«, dachte er, und verbarg die goldene Hahnenfeder, der er all sein Glück verdankte, in einer geheimen Maueröffnung hinter einem Wandbilde. Keinem Menschen hatte er bisher etwas von der Wunschfeder erzählt, und niemand sollte sie je zu Gesicht bekommen, – so hatte ihm damals der Hahn geboten, und also wollte er es auch halten. Doch seine Frau ließ ihm Tag und Nacht keine Ruhe mit der Frage : welches die geheimnisvollen Mittel seien, mit denen er sie einst von ihrer Todeskrankheit geheilt habe. Lange hielt er ihren Bitten stand; weil er sie aber. von Herzen liebte und kein Geheimnis vor ihr haben wollte, gab er endlich nach und erzählte ihr alles, und zuletzt zeigte er ihr auch den Platz, wo die Wunschfeder verborgen war. Wie es nun aber so geht: die Prinzessin konnte das Geheimnis nicht für sich behalten, sondern vertraute es ihrem Vater an. »Er ist ja mein Vater; ihm darf ich's schon sagen«, dachte sie in ihrem unschuldigen Herzen, und erzählte ihm die Geschichte ,voll der zaubermächtigen Hahnenfeder. Der König aber, der seinen Schwiegersohn nicht leiden konnte und ihn geringachtete, weil er so niederer Herkunft war, dachte sich sogleich einen bösen Plan aus. Er holte in der Nacht heimlich die Feder hinter dem Bild hervor und schrieb auf einen Zettel: »Ich wünsche daß sich ein Sturmwind erhebt und meinen Tochtermann entführt, mitten aufs wilde, weite Meer hinaus!« Im Augenblick brach ein heftiger Sturm los, nahm Bernhard auf seinen schwarzen Schwingen mit sich durch die Lüfte und warf ihn endlich mitten im Meer auf ein Seeräuberschiff. Die Räuber nahmen ihn mit, und als sie nach langer Abenteuerfahrt, in einem fremden Hafen anlangten, verkauften sie ihn um viel Geld an einen Edelmann. Ein Jahr lang mußte Bernhard im Schloß Hausknechtsdienste tun; weil er aber fleißig, treu und zuverlässig war,- machte ihn der .Edelmann zu seinem Kammerdiener und bald zu seinem Freunde. Auch das Edelfräulein fand an ihm Gefallen und bat schließlich ihren Vater,. er möge ihr doch den Kammerdiener zum Manne geben. Obwohl Bernhard das schöne Fräulein auch von Herzen gern hatte, konnte er sich doch lange nicht entschließen, »ja« zu sagen. Er war doch mit der Prinzessin verheiratet und hatte immer noch die Hoffnung, zu ihr zurückzukehren. Als aber Jahr um Jahr dahingegangen war, ohne daß sein Hoffen sich erfüllt hätte, willigte er endlich ein und hielt mit dem Edelfräulein Hochzeit. Eines Tages war er in einem Kahn am Meeresufer hin gerudert. Da kam plötzlich ein starker Wind auf und trieb das, Fahrzeug aufs hohe Meer hinaus und weiter und weiter, bis es endlich nach vielen Tagen am jenseitigen Strande landete. Da merkte Bernhard zu seiner großen Freude, daß er sich ganz in der Nähe der Hauptstadt befand, in der das königliche Schloß stand. »Wie wird sich meine liebe Frau, die Prinzessin, freuen, wenn ich endlich wieder bei ihr bin!« dachte er und machte sich sogleich auf den Weg zu ihr. Am Stadttor wurde er aber von den Wachposten festgenommen und vor den König geführt. Der erkannte den verhaßten Tochtermann gleich wieder und ließ ihn in einen tiefen Kerker werfen, wo weder Sonne noch Mond hinschienen. Monat um Monat mußte er in diesem finsteren und feuchten Gewölbe zubringen, und er hatte schon alle Hoffnung aufgegeben je einmal das goldene Licht der Sonne wiederzusehen. Da schwebte eines Tages durch die schmale, vergitterte Mauerluke etwas Helles in sein Gefängnis herab; das glänzte wie ein Licht und rief ihm zu: »Oh Bernhard, hier muß ich dich wiederfinden? Ich bin der Hahn, der dir einst die goldene Feder schenkte. Warum hast du nicht reinen Mund gehalten, wie ich dir geboten habe?« Da klagte ihm Bernhard seine Not und bat ihn inständigst, ihm doch noch einmal zu helfen. »Ich will dich nicht vergeblich bitten lassen«, sagte der Hahn und gab ihm eine zweite Goldfeder,. die auch alle Wünsche erfüllen konnte. Als sich Bernhard bei ihm bedanken wollte, war der Lichtstrahl verschwunden und der Kerker dunkel wie zuvor. »Nun sollst du mir helfen, du gute Feder!« sagte er und schrieb so gut er es vermochte, auf die rauhe Wand des Gefängnisses drei Wünsche: »Ich wünsche, daß die erste Goldfeder nie wieder ans Tageslicht kommt; ich wünsche zum anderen, daß mein Schwiegervater sein Leben lang als armer Handwerksbursche barfuß durch die Welt ziehen muß, und ich wünsche zum dritten, daß ich heute noch im Schloß bei meiner lieben Frau bin.« Kaum hatte er dies geschrieben, sah er den König barfuß, in zerlumpten Kleidern und mit dem Felleisen auf dem Rücken' durch das Schloßtor treten und fortwandern, um nie wiederzukehren. Im nächsten Augenblick aber saß er droben im Schloß in einem samtenen Sessel neben seiner Frau. Sie umarmten und küßten sich und weinten vor Glück und waren nun für immer beisammen als König und Königin.