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Übertragung von A. v. Keller
Antonio Francesco Doni
In einem gewissen Königreich in dieser Welt, den Ort will ich nicht nennen, begab es sich vor einigen Jahren, daß ein sehr vornehmer Ritter, wohl einer der ersten Edelleute der Krone, eine junge schöne Frau zur Ehe nahm, die ebenso von edlem Blute, wie auch sonst für seinen Rang passend war. Sie waren sehr glücklich miteinander; ihre gegenseitige Neigung war so groß und gewaltig, daß, so oft der Baron in Geschäften des Königs außer Landes ging, er immer bei seiner Rückkehr seine schöne Ehegenossin entweder mißmutig, wie von Sehnsucht angegriffen, oder krank, antraf. Unter anderen wurde denn auch einmal der Baron vom König als Botschafter an den Kaiser geschickt, und da er gegen seine Gewohnheit mehrere Monate ausblieb, sei es aus zufälligen Gründen oder um wichtige Geschäfte zu besorgen oder wie es nun kam, fügte es das Schicksal, daß seine Frau nach vielen schmerzlichen Seufzern und Klagen, indem sie die Männer ihres Hofes wieder anschaute, mit ihren Blicken an eine Stelle kam, die sie vielleicht nicht gewünscht hatte; und der Blick war so gewaltig, daß sie sich heftig in einen sehr vornehmen und wohlgesitteten Edelknaben, der sie besonders bediente, verliebte, ohne sich der Sache erwehren zu können. Sie spähte oft nach einer gelegenen Zeit, ohne von dieser ihrer Liebe mit irgend jemand zu sprechen, bis eines Abends ihr Gedanke zur Reife gedieh. Sie schloß daher auf eine geschickte Weise das Zimmer, tat als ließ sie sich einige Briefe reichen, um sie zu lesen. Bei dieser Gelegenheit ermutigte sie den Jüngling, weiter zu gehen als recht war, durch ein gewisses halb nach Sittsamkeit, halb nach Lüsternheit schmeckendes Betragen, durch Blicke, die Jupiter hätten in Glut setzen müssen, indem sie manchmal den weißen zarten Busen plötzlich öffnete und schnell wieder schloß, oft den kleinen Fuß aufdeckte mit einem Teil des blendenden schneeweißen Beines, alles, als ob sie über einem beengenden Gedanken sich Luft machen wollte; diese Gebärden begleitete sie hin und wieder mit einem Seufzer und griff die Sache so gut und listig an, daß der Jüngling endlich schüchtern sagte: Ach Madonna, habt Erbarmen mit meiner Jugend! So hier in Zwang und Folter leben, zersprengt mir das Herz.
Bei diesen Worten warfen die glühenden Liebesflammen, welche in einer Brust von feinstem Alabaster verschlossen waren, einen Feuerfunken in ihr Gesicht, das sich also ganz entzündete und wie eine glühende Sonne brannte. Sie nahm ihn bei der Hand, die so heiß war, daß sie einen Diamant zum Schmelzen gebracht hätte, und kurz, nach manchen Gesprächen und enggeschlossenem Bunde, pflückte er die Frucht jener Lust, deren Verlangen jeden Liebenden verzehrt. Nachdem sie viele Tage mit großer Wonne ihr Liebesglück genossen, begegnete ihnen ein unerwarteter Unfall. Ein Baron nämlich, der mit ihrem Gatten im vertraulichsten Verhältnisse stand und fast einem Bruder gleich gehalten wurde, pflegte, da ihm die Tür des Palastes nicht verschlossen war, er vielmehr mit Achtung und Ehre empfangen wurde, der Edelfrau oft seine Höflichkeit und Verehrung zu bezeugen. So kam er eines Morgens, da es schon spät war, ohne bis zum Zimmer auf ein Hindernis zu stoßen, fand unglücklicherweise die Türe offen und meinte wie sonst eintreten zu können, ohne zu stören. Die junge Frau und der schöne Edelknabe waren aber nach den anmutigsten Unterhaltungen in einen tiefen wohligen Schlaf gesunken, wie das meist in ähnlichen Fällen zu begegnen pflegt. Da der Baron die Frau nicht sah, hob er mit unerhörter Keckheit einen Zipfel des Bettvorhanges auf, erkannte das Verbrechen der Frau und die Vermessenheit des Jünglings und konnte sich in der Überraschung und bei seiner Neigung zu ihrem Gatten nicht enthalten, auszurufen: Ah, verbrecherisches Weib, benimmt sich so eine treue Gattin? Oh, zügellose Jugend, was sehe ich hier?
In diesem Tone fuhr er noch lange fort. Bei dem Schreien erwachten die beiden Liebenden und in starrem Staunen über den unerwarteten Vorfall wußten sie sich nicht anders zu helfen, als demütig unter heißen Tränen und dringenden Bitten um Gottes willen um Gnade zu flehen, was sie denn auch unter so viel Schluchzen taten, daß jedes harte Herz erweicht werden mußte. Der Baron, welcher nicht von Stahl und Eisen war, fühlte von einem einzigen Drucke des Bogens sich zwiefach verwundet, von Mitleid und Erbarmen, dann von Liebe und Wollust; und nach mancherlei Hin- und Widerreden beruhigte er sich unter der Bedingung, daß er einmal einen Teil der Güter genießen dürfe, in deren glücklichem Besitz der Edelknabe sich befinde. Damit war die Frau zufrieden; der Baron beruhigt, der Edelknabe heiter; und sie genossen diese Wonne, die jedes andere menschliche Vergnügen übersteigt, von einem Tag zum andern. Das Schicksal aber ist den Zufriedenen feindlich gesinnt und weiß die Glückseligkeit nicht lange auf derselben Stufe zu erhalten; so genügte es ihm auch nicht an dem ersten und zweiten Unrecht, die beide schon häßlich waren, es fügte vielmehr noch ein drittes über die Maßen garstiges dazu. Ein Mönch, nämlich der Kaplan der Dame, ein gesunder rüstiger Mann, war gewohnt in das Vorzimmer zu kommen, um seine Geheimnisse in Ordnung zu bringen, fand aber den gewohnten Weg verschlossen. Da es nun zu spät wurde, sein Amt zu versehen, fand er mit gewohnter Anmaßung über eine geheime Treppe in das Vorzimmer; lauschte mehrmals an der Tür und fand, da er immer wieder hinzutrat, daß sie offen, aber genau angelehnt war. Er öffnete sie daher ganz sacht ein wenig mit der Hand und merkte, daß der vertraute Baron in großen Ehren bei der Frau lag und alle seine Wünsche in Wonne befriedigte. Da ihm hierbei der Wunsch rege wurde, denselben Weg zu gehen, dachte er hin und her, wie er es angreifen solle, um zu diesem Ziele zu gelangen. Als der Baron demnach aus dem Bett gestiegen war und das Zimmer verlassen hatte, trat der Mönch unverzüglich an das Bett der Dame und sprach zu ihr: Es sind schon mehrere Jahre her, meine gnädige Frau, daß ich dem ehrenwerten Baron Eurem Gemahl diene; der Dienst aber, den ich ihm geleistet, geschah aus keinem andern Grunde als dem der Schönheit, die in diesem Euren englischen Angesicht und in den glänzenden und blitzenden Lichtern Eurer schönen Augen ruht. Die Liebe, die ich zu Euch trage, hat nicht Ende noch Ziel. Sie achtet nicht mein Gelübde noch meinen Stand und hat mich mit der Glut Eurer schönen lebhaften Strahlen so gewaltig angefallen, daß ich oftmals, über die Bahn alles Bestehenden mich hinwegsetzend, nahe daran war, mich ums Leben zu bringen. Ich war dazu fest entschlossen; es fehlte nicht mehr viel, so hätte ich die Grausamkeit an mir ausgeführt; Amor aber, der mein wahnsinniges verrücktes Vorhaben bemerkte, hat mir, Dank sei ihm dafür! ein bißchen Licht geworfen in diese dunkeln Schatten meiner Leiden, in dem ich nämlich mit eigenen Augen sehen durfte, was zu meiner Rettung erforderlich war.
Hier erzählte er der Frau, welche voll Staunens war, die Einzelheiten, zeigte ihr in ausführlicher Rede den Schaden, der daraus entspringen mußte, die Vorwürfe, die sie sich damit zuziehe, wenn sie ihm ihre Zustimmung versage; auf der andern Seite stellte er ihr das treueste Schweigen, ewigen Frieden, ungestörte Ruhe in Aussicht. Endlich setzte er ihr auseinander, daß sie ihm das Leben schenke und sich und ihrem Gemahl gleicherweise es erhalte; so daß die mitleidige Frau, von Furcht und Angst und dem Versprechen das Geheimnis zu bewahren in der Schwebe gehalten, für ein einziges Mal mit großem Widerwillen und Ärger seinen sittenlosen Wünschen sich fügte, und er wich also nicht aus dem Zimmer, ehe alles vollendet war. Als die Zeit der Botschaft vorüber war, kehrte nun der Edelmann zum König und in seine Heimat zurück; fand seine Gemahlin gegen ihre Gewohnheit nicht nur gesund, sondern heiter und viel schöner und glücklicher. Darüber sehr verwundert, bedachte er vielfach, woher das kommen möge, erkannte und verstand aber diesen Zufall durchaus nicht, so viel er sich auch bemühte, ihn aufzuhellen. Da ihm alles nichts half, beschloß er, durch ein nicht sehr empfehlenswertes Mittel sich über die Angelegenheit Aufklärung zu verschaffen und sich zu vergewissern, ob seine Vermutung wahr sei. Als die Zeit gekommen war, wo die Menschen den größten Teil ihrer Geheimnisse in die Brust der Beichtväter niederlegen, suchte der Baron einen braven Priester auf, bei dem die Frau zu beichten gewohnt war, und versuchte zuerst mit Bitten, dann mit Anwendung seines Ansehens und seiner Gewalt, ihn dahin zu bringen, daß er ihm sein Gewand und seine Stelle abtrat. Die Frau kam mit ihren Jungfrauen eines Morgens bei Zeiten dahin, fiel andächtig auf die Knie und fing an, für ihre Sünden um Vergebung zu bitten. Als sie nun auf das Kapitel der Ehe kam, brach sie in heftiges Weinen aus, und auf die Frage des Beichtigers und die Versicherung der Vergebung ihrer Sünde sagte sie ihm, wie sie in einen ehrenwerten und ihr sehr teuern Edelknaben sich verliebt, was dann unerhörte, unerwartete und schwere Verfehlungen zur Folge gehabt. Nach diesen Worten brach sie von neuem und noch heftiger in Tränen aus und der Baron, welcher diesen ersten Schlag für seinen Vorwitz erhalten hatte, der ihn suchen ließ, was er nicht hätte suchen sollen und nie hat finden wollen, wurde vom Unwillen so übermannt, daß er sich beinahe entdeckt hätte. Aber aus Begierde, weiter zu hören, beruhigte er sie mit freundlichen Worten und machte ihr die Vergebung für diese Sünde leicht. Die Frau fuhr fort: Nach dem Edelknaben, mein Vater, und mit seiner Beistimmung, sah ich mich genötigt, da ich nicht anders konnte und dazu gezwungen ward, Gott verzeih mirs, auch einem edeln Baron, so oft er wollte, mich fleischlich hinzugeben, und nach diesem Fehltritt ward ich zuletzt, was mir am meisten Leid ist, mit Zwang und gegen meinen Willen die Beute eines verwünschten Mönchs, den Gott verdamme, denn ich sehe ihn nie, ohne ihm alles Übel der Welt auf den Hals zu wünschen.
In ihrem Unwillen über die Sünde und den Schmerz über die erlittene Unbill brach sie in so heftiges Schluchzen aus, daß sie durchaus nicht imstande war, weiter zu sprechen. Der Gatte, der sich vor Ärger gar nicht zu raten wußte, geriet durch das neue Ereignis in wahnsinnige Wut; vor Erstaunen außer sich, riß er die Kapuze vom Kopf, öffnete das Gitter, hinter dem sich die Beichtiger verbergen, und sprach: So hast du also, verruchtes Weib, nicht umsonst gelebt und deine Tage nicht vergeudet, da du sie so sittenlos und unkeusch hingebracht hast!
Jede Frau, welche in ähnlichen Verhältnissen gewesen, mag sich hier vorstellen, wie betrübt die schuldbeladene Frau war, als sie sich so entdeckt und entlarvt und alle Möglichkeit einer Ausflucht abgeschnitten sah. Es fehlte nicht viel, so wäre sie in Ohnmacht gesunken, nicht sowohl wegen der früheren als wegen des jetzigen Unglücksfalls. Gott aber wollte den an der Frau geübten Betrug und Täuschung bestrafen und verlieh ihr ebenso viel Kraft als Festigkeit. Sie erhub die Augen zu dem wütenden Gatten, listig, als wäre sie aus einem seltsamen Traume erwacht, und sagte mit unwilligem Aussehen: O welch edler Ritter, welch adeliges Fürstenblut, was ein königlicher Baron bist du geworden! Weh meinem Schicksal! Ich weiß nicht, was an dir mehr zu tadeln ist, die niedrige Denkungsart, die in deiner Brust eingekehrt ist, oder deine Meinung, deine treue Frau tue dir Unrecht, oder dies, daß du dich so gemein verkleidet hast, verleitet sowohl von der Unfähigkeit deines Witzes als von der Neugier deines Unverstandes! Nun bin ich zufrieden, daß du endlich den Lohn, den du suchtest, gefunden hast! Übrigens will ich nicht mit dir verfahren wie du mit mir, und dir deine Torheit verborgen halten und meine Güte dir nicht offenbaren. Sag mir, bist du von Sinnen? Bist du denn nicht Edelknabe des Königs? Bist du nicht Baron? Bist du nicht zuletzt ein verwünschter Mönch geworden? Welche andere Edelknaben, welche andere Barone, welcher andere Mönch hat je mit mir zu tun gehabt, als du? Bist du so hirnlos, das nicht zu wissen? Ich bin nahe daran, über diesem schändlichen Vorfall und wegen des geringen Vertrauens, das du in meine Person setzest, mir selbst die Augen auszukratzen, um ein so häßliches Schauspiel nicht zu sehen! Wenn du klug bist, so lege diesen gräßlichen Verdacht ab und tue das törichte und tadelwürdige Benehmen, daß du dich als Mönch verkleidet, ab, denn ich schwöre dir bei Gott, daß ich nicht länger vor dir knien kann, so sehr tut mir dieser Vorfall leid und weh.
Damit stand sie mit zornglühendem Gesicht auf und kehrte ohne ein Wort weiter zu ihren Frauen zurück. Der Baron aber, welcher seinen törichten Schritt enthüllt sah und fest an die Worte der wackern Frau glaubte, suchte ebenso den Fehltritt zu verhüllen, als seinen Irrtum wieder gutzumachen.
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