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Unsere treuesten Hausfreunde.

Ein vierblättriges Kleeblatt.

Sie gehören in dies kleine Buch, die Namen unserer alten Hausfreunde, wie eben die Namen unserer Lieblingsdichter und Musiker, und sie verdienen, daß man von ihnen plaudert, wie von den andern, denn wir kennen sie seit unserer frühesten Kindheit und unzählige Erinnerungen hängen an ihnen, an süße und bittere Stunden, wie Blüten an einem Obstbaum im Frühling, und Geschichten und Märchen lassen sich von ihnen erzählen, wie auch von den andern. Der tägliche Besuch jedes einzelnen von ihnen ist uns zu allen Stunden willkommen, sie dürfen uns im ersten Morgenanzug, sogar in der Nachttoilette sehen, wir sind stets aufgelegt, den einen oder den andern zu empfangen, keiner von ihnen ermüdet uns jemals, und wenn wir ihn verabschieden müssen, so freuen wir uns schon auf das Wiedersehen. Ob man solches wohl von dem Besuch vieler sagen kann? – Und was auch bemerkt zu werden verdient, niemand ist jemals eifersüchtig geworden auf irgend einen dieser Hausfreunde, wie lange auch ein tête-à-tête mit ihnen dauern möchte, weder ein Ehemann, noch ein Bräutigam, noch eine zärtliche Freundin wird es uns zum Vorwurfe machen, wenn wir uns mit ihnen beschäftigen. Nun, und die Namen jenes Hausfreund-Kleeblattes? –

Es ist der Kaffee, Thee, Kakao und – Fleischextrakt. – Nicht umsonst besteht das beliebteste Hochzeitsgeschenk aus einem Kaffee- oder Theeservice, die Chokoladenkanne steht noch etwas zurück in dieser Beziehung und für den Fleischextrakt wurde noch keine elegante Umhüllung für nötig befunden. Der Kaffee spielt im Hause ohne Zweifel die Rolle eines Vertrauten und treuen Hausarztes, eines rechten und echten Leibmedikus. Der Thee ist ein angenehmer und eleganter Unterhalter mit weltmännischen Manieren, Herr Kakao ein heiterer Gast, stets in Festtagslaunen, geneigt, sich mit uns in Kindererinnerungen zu vertiefen, lustige Geburtstagsanekdoten zu erzählen, in denen er selber natürlich die Hauptrolle spielt, und der Fleischextrakt ist ein guter alter Berater, der eine kräftige Küche liebt und die Taschen voll vorzüglicher Rezepte hat. – Entbehren möchten wir keinen jener Freundesnamen in unserem Heim. Der Kaffeebrennereien giebt es noch mehr als Klavierschulen, sie sind in den letzten 25 Jahren wie Pilze aus der Erde geschossen, und jede rühmt sich die vorzüglichste zu sein. Ich selber kann eben nur aus eigener Anschauung und Erfahrung von einer der ältesten berichten, die sich seit länger denn 50 Jahren ihren Ruf zu bewahren und sogar zu einem Weltruf zu gestalten wußte durch tapfere, gewissenhafte Arbeit. Sie liegt in Bonn am Rhein, und an ihre Firma: Zuntz sel. Witwe, knüpft sich ein Stück Familiengeschichte eines wackeren deutschen Bürgerhauses, ein Bild unermüdlichster Arbeit und treuester Pflichterfüllung, ein ehrenvoller Kampf mit dem Dasein und eines mühsam errungenen Sieges. Die Gestalt einer rheinischen Hausfrau wird lebendig, einer klugen und vorsorglichen Mutter, die vor mehr als einem halben Jahrhundert an einem Weihnachtsabend in ihrem schlichten, wohlgeordneten Heim den Ihrigen nach allerlei geheimnisvollen Vorbereitungen mitten unter die kleinen Gaben der Liebe, eine Anzahl wohlverschlossener Päckchen auf den Bescheerungstisch legte, die alle die rätselhafte Inschrift trugen: »Gruß vom schwarzen Doktor.« Ist doch die liebe Weihnachtszeit bekanntlich die Zeit der glückseligen Herzen, sei's im Geben, sei's im Nehmen, und – der verdorbenen Magen. Das wissen am besten die Mütter, die Kinder und – die Ärzte. – Alles lebt von Süßigkeiten, und nur die Mutter gedenkt der Tage, die unabwendbar folgen müssen, wo sich die noch vom Weihnachtsfduft erfüllten Räume in ein Hauslazareth verwandeln, und man am liebsten die verschiedenen großen und kleinen Magen herausnehmen, ausscheuern, und auf der Leine im freien frisch und fröhlich trocknen lassen möchte, wenn dies irgend ginge. – Die vielbeschäftigten Ärzte überlassen diese Weihnachtskuren am liebsten den besten und geschicktesten Assistenten der Welt – den Mutter-Händen, – die werden mit allem fertig!

Jene treue Mutter zu Bonn am Rhein wußte das alles. Schon am Tage vor der Bescheerung sah man sie mit heißen Wangen umhergehen, ein wunderbarer Duft durchzog alle Räume, kräftig und würzig, wie kein Kuchen ihn ausströmt, aber die Küche selbst war an jenem Tage verschlossen für jedermann, die Hausfrau schaltete und waltete ungestört darin, unsichtbar für alle. Als nun im Scheine des Lichterbaums jung und alt neugierig jene sorgfältig verschnürten Päckchen öffneten, malte sich Enttäuschung auf allen Gesichtern, denn sie enthielten nur – schwarzbraune glänzende Kaffeebohnen. Den fragenden Blicken aus heiteren Augen wurde aber von der Geberin die Antwort zu teil: »Jetzt mögt Ihr alle so viel Süßes verspeisen, als Ihr irgend Lust habt, ich weiß, daß ein Schluck von meinem Kaffee eine Wunderarznei sein wird. Ich habe ihn nämlich gebrannt und hergestellt nach meinem Sinn, und ich möchte den sehen, dem er nicht ausgezeichnet bekommt. Ich denke, daß sich jeder Magen, wem er auch gehören möge, freuen könne, wenn er keine andere als diese meine warme Arznei zu kosten braucht. Der schwarze Doktor hier soll, so hoffe ich, noch einmal Königlicher Leibarzt werden und jedenfalls unser bester Hausfreund. Obendrein ist er billiger als jeder andere, und Tag und Nacht auf der Stelle zu haben!«

Und in der That wurde nach jenem Weihnachtstage, das, nach der still ersonnenen und geprüften Art jener Musterhausfrau des alten Hauses Zuntz, dort gebrannte und bereitete Kaffeegetränk nicht nur in der Familie, sondern unter allen Verwandten und Bekannten weit und breit nur mehr der »schwarze Doktor« genannt. Es war fast unglaublich, wie sich seine Praxis ausbreitete und wie viele und verschiedenartige Magen er in Zucht und Ordnung zu halten wußte, und nie, damals sowohl, wie im Laufe der folgenden Jahre, hatte man je von einer verunglückten Kur, von irgend welchem Mißerfolg gehört. Nicht nur die guten Bekannten kamen ins Haus, um ihn eingehend zu konsultieren, auch Freunde wandten sich brieflich an die Hausfrau und erbaten seine genaue Adresse. Wie viele Schülerinnen meldeten sich in Bonn, steckten Nasen und Näschen in die Küche Zuntz, wie viel Augen sahen neugierig zu beim Kaffeesortieren, -brennen und -bereiten, wie viele Frauen und Mägdlein behaupteten gar bald alles zu wissen, und meinten selbstverständlich, das sei durchaus keine Kunst, ähnlich hätten sie selbst es schon längst gemacht u. s. w., aber keine brachte es trotz alledem »zum Doktor«. Es ging auch hier im kleinen, so wie es in so vielen Dingen und an so vielen Orten geht, und wie es der Altmeister Goethe so treffend schildert:

»Die Schüler preisen's an allen Orten,
Sind aber drum doch keine – – Kaffeebrenner geworden!«

So schließt wenigstens der Vers in bezug auf das Haus Zuntz. – Als nun aber das Oberhaupt jenes schlichten braven Hauses in Bonn, der Vater, heimging, da errichtete, schnell entschlossen, die thatkräftige Witwe im Gedanken an ihre Kinder, eine Kaffeebrennerei, die erste in ihrer Art, und der schwarze Doktor, den sie bei ihren Lieben eingeführt, hielt nun allmählig feinen Einzug in alle Welt, eroberte sich langsam, aber sicher, sein Terrain, um es siegreich zu behaupten bis auf den heutigen Tag. Das gewaltige Geschäft führt aber nach seiner Begründerin noch heute den Namen: A. Zuntz sel. Witwe.

Wie es sich nun allmählig ausdehnte und nach allen Richtungen hin vergrößerte und an Ansehen gewann, durch strenge unermüdliche Arbeit im Sinne jener wackeren Frau und Mutter, das hätte sie selber sich wohl nie träumen lassen, in ihrer Bescheidenheit. Wollte sie doch nur für ihre Kinder arbeiten. Der schwarze Doktor der Firma besucht jetzt schon längst vornehm und gering als Trostbringer und Lebenswecker, auch bei denen, die sich zu harter Arbeit stärken müssen, steht sein Elixir, das Kaffeetöpfchen, die vollkommenste Arznei der Welt, auf dem Ofen. – Unsere Gesundheitsapostel erklären die Notwendigkeit der Verbreitung des schwarzen Tranks, der nach allen Regeln der Kunst hergerichtet und zubereitet wird, durch die ungemein günstige Wirkung desselben auf den menschlichen Organismus. Wer glaubt noch an das Sprüchlein, daß der Kaffee ein langsames Gift sei?! – Ja allerdings so langsam, daß man ihn 80 und mehr Jahre schlürfen kann, ohne seine verderbliche Wirkung zu spüren. – Jene kluge Frau des Bonner Hauses hat vor einigen 50 Jahren freilich nicht das »Wo und Wie« des Kaffeebrennens sich klar zu machen verstanden, sie wußte nichts von Röstprodukten, von Kaffeegerbsäure und flüchtigem Öl, das die Magennerven so wohlthuend anregt, sie war sich »in ihrem dunklen Drange« nur »des rechten Weges wohl bewußt«. Wie oft »übt ein kindlich Gemüt, was kein Verstand der Verständigen« klarer zu durchschauen und darzulegen vermöchte. Was sie wohl gesagt und empfunden haben würde wenn sie ihre stille tapfere Arbeit mit Preismedaillen belohnt gesehen, und erlebt hätte, daß man den Namen »Zuntz sel. Witwe« auf den großen Ausstellungen unsrer Tage mit Ehren überall genannt als der Besten einen?! – –

Wenn man nun jener Firma nach mehr als 50jähriger Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen nachsagen muß, daß sie das denkbar Vollkommenste in ihrem Gebiete zu erreichen wußte, so ist dies eben doch nur möglich geworden durch das feine Verständnis, das sie entwickelte in der schwierigen Auswahl der verschiedenen Kaffeesorten, sowie durch die sorgfältige und gewissenhafte Sortierung des Rohmaterials. Das Haus Zuntz ist und bleibt ein geschickter Komponist, der die verschiedenartigsten Motive zu einem harmonischen Ganzen zu verschmelzen weiß, nämlich die verschiedenartigsten Kaffeesorten, zur Freude der Feinschmecker. Nur Gutes in Auswahl und Bereitung, muß naturgemäß Gutes bringen, denn auch in dieser Vereinigung heißt es, wie in so vielen anderen Dingen:

»Wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gießt es – –«

nicht nur einen guten »Klang«, sondern auch einen guten Geschmack, und mit dem letzteren ist den meisten Leuten noch mehr gedient, als mit dem ersten.

Sparsame Hausfrauen heben auch mit besonderer Betonung die ökonomische Seite des Zuntz-Fabrikates hervor, und wollen behaupten, daß man von eben diesem Kaffee viel weniger brauche und dennoch ein ungleich stärkeres Getränk zu erzielen vermöge, als mit demselben Quantum eines anderen Kaffees. In dem Arbeitszimmer des jetzigen Chefs der Firma hat denn auch verdientermaßen das lebensvolle Bildnis der wackeren Gründerin seinen Ehrenplatz erhalten, mit deren Namen sie stets voll und ganz Garantie leistet für die Güte des Fabrikats. Es ist ihr wahrlich zu gönnen, nach der tapferen Arbeit ihres Daseins, Tag für Tag.

Das Antlitz der einst so rastlos Thätigen schaut nun still, mit freundlichem Ernst, auf die eben so eifrige Arbeit ihrer Nachkommen, und liest erstaunt über des Enkels Schultern in jenen Geschäftsbüchern, die sie einst ohne Hilfe geführt, daß die Firma »Zuntz sel. Witwe« in allen größeren Städten Deutschlands und Belgiens ihre Korrespondenten und Filialen hat und daß man überall von der Manier des Röstens lobend redet, die der kleinen Bohne das kostbare und heilsame Kaffein zu erhalten versteht. Und wie würde sie sich freuen, daß diese ihre Nachkommen nimmer ermüden immer Besseres zu schaffen und das Gute sorgsam zu erhalten wissen, und daß eben der schwarze Familiendoktor noch so frisch und gesund blieb, trotz der gewaltigen Praxis. Aber wie bequem es dem Menschen doch gemacht wird von Jahr zu Jahr. Da sind die zahlreichen verschiedenen Maschinen aufgetaucht, die den Trank bereiten helfen auf dem Kaffeetisch, – – wahrlich, die Zeit scheint zu nahen, wo die gebratenen Tauben des alten Märchens demjenigen, der sich die Mühe nimmt, den Mund zu öffnen, zufliegen. Warten wir also, ob wir sie erleben! – Da rühmt man die Berliner Porzellanfiltrirmaschine mit dem Zusatz: sie arbeitet langsam aber gut, eine andere von Eicke in Berlin und besonders die Wiener Maschine von Kleinert, die in allen Größen zu haben ist. – Jetzt ist der schwarze Doktor in Bonn auch Hofrat geworden, d. h. er erhielt den Titel eines Königl. Kaiserl. Hoflieferanten und keiner seiner großen Kollegen braucht sich zu schämen, mit ihm Arm in Arm zu lustwandeln.

finis

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