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Der Kalif Almamûn gelangte auf einem Zuge nach Damaskus zu dem Oberen Kloster in Mosul und nahm dort für einige Tage Quartier. Auf einen dieser Tage fiel das Palmsonntagsfest, und hierüber haben wir folgende Erzählung von einem seiner Begleiter, dem berühmten Sänger Ahmed Ibn Sadaka.
Wir verließen Bagdad mit dem Kalifen und kehrten auf der Reise in dem Oberen Kloster in Mosul ein wegen seiner schönen und gesunden Lage. Da kam der Palmsonntag. Der Kalif nahm Platz an einer ausgesuchten Stelle, von wo man die Stadt, den Tigris, die Gärten und die Umgegend überschauen, auch jeden sehen konnte, der zum Kloster hinaufkam. Das Kloster war an diesem Tage auf das herrlichste geschmückt. Die Mönche und Priester zogen in geordnetem Zuge in die Kirche zum Altar, umgeben von Knaben, welche die Räuchergefäße trugen. Die Geistlichen trugen vom Halse herunterhängend Kreuze vor der Brust und waren umgürtet mit kunstvoll gestickten Tüchern. Als der Kalif dies alles sah, war er sehr davon angetan. Als der Gottesdienst zu Ende war, begaben sich die Mönche in ihre Zellen, die Kinder aber, Knaben und Mädchen, die an dem Gottesdienst teilgenommen hatten, wendeten sich seiner Majestät dem Kalifen zu, indem einige von ihnen liebliche Sträuße von zeitgemäßen Blumen, andere kostbare, mit verschiedenen Weinsorten gefüllte Becher in den Händen trugen. Der Kalif ließ sie näher treten und nahm dann von verschiedenen Kindern ihre Gaben samt einigen Begrüßungsversen entgegen. Der Kalif war von ihrem Benehmen entzückt und wir alle in seiner Begleitung ebenfalls. Er trank von dem ihm kredenzten Wein, während im Hintergrunde während dieser ganzen Feier gesungen wurde.
Nun befahl der Kalif, daß die christlichen Sängerinnen seines Haushaltes, die ihn auf der Reise begleiteten, vortreten sollten. Darauf erschienen zwanzig dieser Sängerinnen, alle schön wie der Mond, bekleidet mit seidenen Gewändern, goldene Kreuze am Halse und Palmen- und Ölzweige in den Händen tragend. Darauf redete Seine Majestät mich, den Erzähler, an und sprach: O Ahmed, über diese Mädchen habe ich folgende Verse gedichtet, laß sie mir von ihnen vorsingen:
»Sie sind zierlich gleich Gazellen, strahlend gleich goldenen
Denaren, lieblich in ihren weißen Gewändern.
Der Palmsonntag hat sie für uns geschmückt mit ihren Schärpen.
Geschmückt sind sie auch mit Seitenlöckchen, ähnlich den
Schwänzen der Stare.
Sie kommen einher so zierlich und dünn in den Hüften,
welche der Mitte der Bremse gleichen.
Danach ließ der Kalif die Noam, die gefeiertste seiner Sängerinnen vortreten, und diese trug ein Gedicht vor, dessen Anfang lautete:
Und du behauptest, ich sei treulos, darum verlassest du mich und durchbohrst mein Herz mit scharfem Pfeil.
Freilich, ich war treulos, du aber vergib und verzeihe dem, der hier Schutz und Zuflucht erflehend vor dir steht.
Der Kalif war höchst vergnügt, trank immer weiter und ließ sich die Lieder mehrmals wiederholen. In heller Begeisterung sprach er dann zu einem seiner Hofleute, Aljasïdi: »Was meinst du? Gibt es etwas Schöneres als das, was wir hier erleben?« »Jawohl,« antwortete Aljasïdi, »noch schöner ist es, wenn du dankbar bist gegen denjenigen, der dich mit diesen Glücksgütern begnadet hat, damit er weiterhin dir Glück verleihe und es dir erhalte.«
Sofort erwiderte der Kalif: »Gottes Segen über dich! Du hast zur rechten Zeit dein Mahnwort gesprochen.«
Darauf ließ er 30 000 Dirhem kommen und verteilte sie zu Gottes Wohlgefallen als Almosen.