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19. Königin Dagmars Tod.

1212.

Drei Aufzeichnungen aus dem 16. Jahrhundert haben dieses berühmte Volkslied aufbewahrt.

Königin Dagmar liegt in Ribe krank,
Nach Ringsted wollte sie reisen;
Die Frauen all' im Süden der Au'
Werden zu ihr zu kommen geheißen.
– In Ringsted bestattet man Dagmar.

»Holet mir vier, holet mir fünf
Von den weisen Frauen, nur diese!
Vor allen holt mir die kleine Kirstin,
Die Schwester Herrn Karls von Rise!«

Herein kam sie, die kleine Kirstin,
Goldschimmernd des Haares Strähnen,
Die Lichter der Kronen blendeten sie,
Ihre Augen schwammen in Thränen.

Kirstinchen trat zur Thür herein
Mit Züchten, wie's wohl mag frommen,
Und Königin Dagmar richtet sich auf,
Der thut so wohl ihr Kommen.

»Kannstu lesen und kannstu schreiben
Und erlösen mich von der Pein,
Dann sollst du tragen mein scharlachen Kleid
Und reiten den Zelter mein.

Kannstu lesen und kannstu schreiben
Und mich erhalten beim Leben,
Dann soll der König von Dänemark
Rotprangende Burgen dir geben.«

»Ach, wenn ich könnt' lesen und schreiben könnt',
Gern wollt' ich die Lieb' euch erweisen:
Wahr ist es und muß bleiben wahr,
Eure Qual ist härter denn Eisen.«

Meldete dies die kleine Kirstin,
Der Königin saß sie zu Füßen:
»Wären alle die weisen Meister hier,
Die wüßten sie auch nicht zu büßen.«

Und das that sie, die kleine Kirstin,
That, wie ihr die Herrin befahl,
Erst sprach sie: »Gott Vater im Himmelreich!
Eure Pein ist härter als Stahl!«

Dann nahm sie Sankta Mariä Buch
Und ihre Gebete begannen,
Doch wahr ist's und muß bleiben wahr,
Ihre bitteren Thränen rannen.

Die Fräulein folgten ihr aus und ein,
Doch schlimmer ward es und schlimmer:
»Und wird es nicht besser, o sendet dann
Nach meinem Herrn nur immer.

Und läßt mein Leid sich linden nicht,
Meinem Herrn dann mögt Ihr es künden!
Schickt Boten hin nach Gurreburg,
Da werdet ihr ihn finden.«

Es war ihr junger Edelknab' –
Zeit durft' er nicht lassen verstreichen,
Rasch nahm er den Sattel vom Pflock herab,
Aufs Roß legt' er den reichen.

So ritt er wohl Tage, wohl Nächte durch,
Wie's Gott zuließ in Gnaden:
Groß Wunder war's, daß nicht Reiter und Roß
Tot stürzten hin auf den Pfaden.

Der König steht auf dem Schloßaltan
Und schaut hinaus in die Weiten:
»Dort seh' ich Dagmars Pagen nahn,
Nichts Gutes kann das bedeuten;

Tot hetzt dort Dagmars Edelknab'
Sein dampfendes Roß im Thale:
Wie geht's nun, Gott Vater im Himmelreich,
Wohl Dagmar, meinem Gemahle?«

Und herein trat der junge Page,
Trat vor den König sofort:
Die Zunge risch und redegewandt,
Wußt' er zu brauchen das Wort.

»Froh sitzt Ihr, Dänenkönig,
Beim goldnen Brettspiel da:
Königin Dagmar hat mich zu euch gesandt,
Hört schnell, was ihr geschah.

Königin Dagmar hat mich zu euch gesandt,
In Ribe liegt sie erkrankt,
Und für wahr will ich euch künden,
Daß um's Leben sehr ihr bangt.«

Auf den Tisch da schlug der König also,
Daß jeder der Goldsteine sung:
»Verhüt' es, Gott Vater im Himmelreich,
Daß Dagmar sollt' sterben so jung!«

Schnell führt man heraus die Rosse zumal,
Sie schirrend mit hitzigem Hasten,
Und eh' sie erreichten Roeskilde Stadt,
Dacht' keiner von ihnen an Rasten.

Als der König ritt aus Gurreburg,
Gaben Hundert ihm das Geleit;
Doch als er hin nach Ringsted kam,
War nur Dagmars Knab' sein Begleit.

Als der König ritt aus Gurreburg,
Folgten Hundert ihm landein;
Doch längst, eh' erreicht die Riber Bruck,
War er mutterseelenallein. – – –

Herrschte groß Jammern im Frauensaal,
Wo die Maide weinend saßen;
In Kirstinchens Arm lag des Königs Gemahl,
Als heran er stürmt' auf der Straßen.

Als der König ritt auf der Riber Straß',
Hört' er, wie die Glocken gingen:
»Dagmar, o Dagmar, Gott walt' es baß!
Mir deucht, mein Herz will zerspringen!«

Der König trat zu der Thür herein,
Sah die Totenbahre schon stehen:
»Herr Gott Vater im Himmelreich,
Laß das Aergste nicht geschehen!«

»Höret, Ihr Dänenkönig!
Beklagt nicht, was sie gelitten:
Heute erhieltet Ihr einen Sohn,
Aus Dagmars Seite geschnitten.«

»Ich bitt' euch, Frauen und Jungfrau'n gut,
Ich bitt' euch all' und jede:
O betet heute für mich ein Gebet –
Hört' ich doch noch Dagmars Rede!

Ich bitt' euch alle, Jungfrauen und Frau'n
Und Dienerinnen – beim Herrn!
O betet heut' ein Gebet für mich!
Ich spräche noch Dagmar so gern!«

Sie sanken allzumal auf die Knie',
So viele nur ihrer drinnen,
Betend zu Gott und zur Jungfrau Marie,
Er möge noch lebend sie finden.

Königin Dagmar setzt' man im Bette auf,
Ihre Augen waren blutig rot.
»O weh, o weh, mein adliger Herr!
Was macht Ihr mir große Not!

Erschrecken darf kein Mann vor mir,
Sind auch meine Wangen so bleich:
Ich hab' meine Beichte abgelegt,
Schwer war sie und nicht leicht.

Nicht befänd' ich mich in solcher Pein
In dieser selbigen Nacht,
Hätt' ich nicht am Sonntag meine Aermel geschnürt
Und Fältchen angebracht.

Die erste Bitte, die ich euch bitt',
O laßt sie nicht werden zu Schanden:
Die Geächteten, sprecht sie frei von der Acht,
Die Gefangnen gebt los aus den Banden!

Die andere Bitte, die ich euch bitt',
Euch selber mag sie frommen:
Die bittere Blume, die Bengerd, o laßt
An meine Statt sie nicht kommen!

Die dritte Bitte, die ich euch bitt',
Eure Ehre gilt es auf Erden:
O laßt nicht Knut, unsern jüngsten Sohn,
König von Dänemark werden!«

König Dagmar sich über die Augen strich,
Sehr weiß wurden ihre Wangen:
»Nun läuten des Himmelreichs Glocken für mich,
Nun heißt es: hinauf gegangen!

Lebt Ihr nun wohl, mein adliger Herr!
Mit Zaudern würd' ich fehlen:
Gottes Engelein sitzen im Himmelreich,
Ich sehne mich hin zu den Seelen!«
– In Ringsted bestattet man Dagmar.


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