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11. Sankt Jakob.

Die älteste Niederschrift findet sich auf einem fliegenden Blatte des achtzehnten Jahrhunderts.

Sankt Jeppe setzte sich auf einen Stein,
– Der Herrgott helf' uns nun! –
Ausruhen wollt' er seine müden Bein'.
– Der reiche Gott send' uns Gnade! –

Und Jesus nun da gegangen kam:
»Hinsegeln sollst du ins heidnische Land!«

– »Ich habe ja weder Schiff noch Prahm,
Wie kann ich denn segeln ins heidnische Land?«

Mit dem Stabe stieß Jesus den Stein nun an,
Auf dem Meere gleich dieser zu gleiten begann.

Der Stein begann zu gleiten
Wohl hundert welsche Meilen.

Am Ufer der heidnische König thät gehn:
»Nie hab' ich ein größeres Wunder gesehn!

Recht niemals solch Wunder meine Augen je sah'n,
Als den Stein, welcher schwimmt und drauf sitzend ein'n Mann.

Höre, du Fremdmann, ich rede zu dir!
Was hast du im Lande zu schaffen bei mir?«

– »Deshalb bin ich kommen zum Lande dein,
Weil mein Gott weit größer noch ist als der dein'.«

– »Nicht größer ist dein Gott als der, welcher mein:
Mein Gott trinkt jeden Tag Met und Wein.«

– »Und größer ist mein Gott doch, als der, welcher dein,
Denn er vermag Wasser zu wandeln in Wein.

Den Stein vermag er zu wandeln in Brot
Und Leben giebt dem er, der lange schon tot.«

– »Schaff' mir denn wieder den Sohn, der einst mein,
Dann glaub' ich auch an den Gott, welcher dein;

Schaff' ihn mir wieder mit Haut und Haar,
So wie er ertrunken vor einem Jahr!«

– »Dein Sohn ist nicht ertrunken vorm Jahr;
Schon fünfzehn Jahre lang tot er war.«

Sankt Jeppe nahm in die Hand sein Buch,
Dann ging er zum salzen Wasser flugs.

Und dies er sang und das er las,
Bis er des Toten mächtig was.

Sankt Jeppe sah es, als er so stund,
Wie die Glieder sich sammeln am Meeresgrund.

Und der Tote stieg auf, war weiß und rot,
Als wär' er niemals gewesen tot.

»Willkommen, mein Sohn, sollst willkommen mir sein!
Was berichtest du von der Wallfahrt dein?«

– »Ich bin gewesen vorm Himmelsthor,
Da sah ich Freude wie nimmer zuvor.

Im Himmel ist Freud' und von Leid keine Spur,
Doch dürfen da wohnen die Sündlosen nur.

Da sitzet, der treu den Geboten allzeit,
Im Himmel sitzt er in festlichem Kleid.

Da sitzet, der hier litt namenlos,
Er ruhet im Himmel in Abrahams Schoß.

Zum Thore der Höllen auch thät ich gahn,
Da sitzen sie alle, die Böses gethan.

Da sitzet der Sohn, welcher schlug seinen Vater,
In der Höllen wohl auf einem glühenden Sattel.

Die Tochter, die der Mutter geflucht, sitzt im Pfuhl
Der Höllen auf einem glühenden Stuhl.

Die Mutter, die gemordet ihr Kind ohn' Erbarmen,
Sie sitzt in den Flammen bis zu den Armen.

Es sitzen, die Unzucht verübten und Mord,
Schwarz wie die Erden im Feuer dort.

Die Wirtin sitzt da mit dem falschen Krug,
Es geht in der Höllen ihr schlecht genug.

Da sitzt der Kaufmann mit falschem Gewicht,
Tief, tief in der Höllen, tief unten er sitzt.

Da reitet der Vogt mit dem hohen Hut,
In der Höllen die Steuern er eintreiben thut.

Die Kinder, die nicht sich gehorsam erweisen,
Sie gehn in der Höllen auf glühendem Eisen.

Es hängt über ihnen ein Mantel von Blei,
Dem, welcher darinnen, Gott gnädig sei.

Das Feuer mag brennen, das Blei mag rennen
Und spät erst die Pein der Höllen mag enden!« –

– »Und höre nun das, du Christenmann:
Ich lasse mich taufen samt meinem Land.

Dein Gott, er möge mir gnädig sein,
Ich lasse sie taufen, beides Groß und Klein!«

Nun rat' ich allen, so auf Erden leben,
– Der Herrgott helf uns nun! –
Wer das Lied hier singt, acht mög' er geben!
– Der reiche Gott send' uns Gnade!


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