Gerhard von Amyntor (= Dagobert von Gerhardt)
Für und über die deutschen Frauen
Gerhard von Amyntor (= Dagobert von Gerhardt)

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Zum Geleit.

Ein literarischer Freund sagte mir einmal, er hätte in den ersten drei Monaten nach der Herausgabe eines neuen Buches immer das Gefühl, als ob er einen Menschen umgebracht hätte. Als Erklärungsgrund dieser so qualvollen Beunruhigung bezeichnete er die sich jedesmal ihm aufdrängende Vorstellung, daß sein neues Werk nun längere Zeit als Objekt der berufenen und unberufenen Kritik dienen und daß in allen Haupt- und Winkelblättern des deutschen Reiches ein Hagel von nergelnden Bemerkungen abseiten der namenlosen und auch der mit offenem Visir kämpfenden Recensenten auf ihn herniederprasseln würde.

Wenn ich an die Aufnahme denke, die das hier vorliegende Buch möglicherweise bei dieser oder jener Leserin finden wird, so beschleicht mich ein ähnliches Gefühl, und wenn ich trotzdem nicht noch in der elften Stunde von der Veröffentlichung meiner Schrift Abstand VI nehme, so mag man an diesem meinem Beharren ermessen, wie zwingend der Drang für den Autor gewesen ist, sein Herz auszuschütten. In der That, ich hoffe mit dieser Veröffentlichung etwas Nützliches zu wirken und den liebenswürdigen Leserinnen eine Art Zauberspiegel vorzuhalten, in dem sie nicht sich selbst, wohl aber eine oder die andere ihrer Mitschwestern erkennen werden. Eine solche Erkenntniß hat immer ihr Gutes und oft trägt sie dazu bei, dem Erkennenden auch für das eigene Handeln neue Beweggründe zu vermitteln.

Es giebt eine Art, von den Frauen zu sprechen, die nur reinste Anbetung und Verehrung ist; auch mag diese Art für einen Autor, der außer der Wahrheit noch andere Ziele im Auge hat, sehr verführerisch sein, denn im Parzival, dem das Motto dieses Buches entnommen ist, heißt es:

»Wen Frauen loben, wird bekannt,
Er hat den Ruhm an der Hand
Und seines Herzens Wonne.«

Ein starker, vielleicht unheilbarer Grad von Hypochondrie gehört sicher dazu, dieses Verfahren außer Acht zu lassen und auch an der Rose des weiblichen Geschlechtes gelegentlich einen Dorn zu entdecken. Ja, es ist gewissermaßen eine Verwegenheit, an den Dorn der Rose zu rühren, denn dieser Dorn kann blutig ritzen, und es giebt außerordentlich kampflustige Frauen und VII Jungfrauen. Ich hatte einmal in einer Wochenschrift eine wirklich nur mäßig gesalzene Plauderei über den Schatten einer weiblichen Tugend (und jede Tugend kann ihre Uebertreibung haben und einen Schatten werfen) unbefangen veröffentlicht; ach, welches Unheil hatte ich angerichtet! welchen Sturm heraufbeschworen! Der mir befreundete Herausgeber, in dessen Schreibstube ich ab und zu eine Cigarre rauchte, zeigte mir acht Tage nach dem Erscheinen meines Artikels einen großen Stoß Briefe und Manuskripte, die alle als Entgegnungen auf diesen unseligen Artikel eingelaufen waren. Besonders imponirte mir die Leistung eines allerliebsten, blaustrümpfigen Fräuleins, das ein Dutzend Bogen größten Formates mit einer wüthenden Philippica gegen mich angefüllt hatte und von dem Herausgeber kategorisch verlangte, er sollte diese Leistung sofort urbi et orbi bekannt geben. Der Herausgeber war ein warmer Verehrer des schönen Geschlechtes; er warf die Philippica in den Papierkorb, denn ihre Publikation hätte wirklich nicht zur Verherrlichung des Ewig-Weiblichen beigetragen.

Vielleicht erfahren diese Mittheilungen ein ähnliches Schicksal; vielleicht erregen sie die Galle irgend einer federfertigen, schreibseligen Virago, die mich nach allen Regeln der Kunst in einer Gegenschrift von unten nach oben rädert und meine armen disjecta membra den kritischen Raben zur völligen Vernichtung übrig läßt. VIII Ich bin darauf gefaßt und werde wie der sterbende Fechter keine Miene verziehen; auch heute, im Jahrhundert der Aufklärung, fordert die Wahrheit noch immer ihre Blutzeugen.

Die Wahrheit! Ich bin redlich bemüht gewesen, wahr zu sein, subjectiv wahr. Jeder Mensch unterliegt dem Irrthum und es hat mich nie gelüstet, für mich ein Unfehlbarkeitsdogma aufzustellen; aber auch da, wo ich geirrt haben sollte, habe ich wahr und wahrhaftig das ausgesprochen, was ich im Innersten empfand, ohne Spekulation auf Gunst oder Ungunst des Publikums und der Kritik. Das mag sehr undiplomatisch sein, aber ein Symptom der Milzsucht ist es eben, daß der mit ihr Behaftete seiner grämlichen Laune die Zügel schießen läßt und auf das Urtheil der Anderen so wenig Rücksicht nimmt.

Doch ich will mich keiner übertriebenen Hoffnungslosigkeit hingeben. Vielleicht werden auch nachsichtige Leserinnen freundlich in diese Blätter blicken, die aus wärmster Verehrung und Bewunderung für das zartere Geschlecht hervorgegangen sind. Das zartere Geschlecht ist oft das stärkere; wenn der Mann mit den Schultern trägt, so trägt die Frau mit dem Herzen, und solch ein echtes Frauenherz kann Riesenlasten auf sich nehmen. Im Hinblick auf dieses zarte und doch so starke Geschlecht sind all die folgenden Capitel niedergeschrieben worden; mein Werk soll kein Nothstall für obdachlose IX Feuilletons sein, kein Sammelsurium von Schnitzeln aus dem Papierkorbe; durch alle Abschnitte geht der rothe – – doch nein! das verbrauchte Gleichniß von dem bekannten Faden erzeugt mir immer eine Anwandlung von Uebelkeit, und so will ich nur bemerken, daß jede Zeile dieses Büchleins für die deutschen Frauen geschrieben ist, wenn sie auch nicht immer von den deutschen Frauen handelt. Die einsichtige aufmerksame Leserin wird schon gelegentlich merken, wo der Verfasser eigentlich hinaus will, wenn er auch scheinbar einmal von seinem Thema abschweifen sollte. Eine Bereicherung der jokosen Literatur über das weibliche Geschlecht beabsichtige ich keinesweges; es ist mir überall heiliger Ernst, wenn ich auch nicht immer das Antlitz in strenge Falten lege und auch einmal den Mund zu spöttischem Lächeln verziehe.

Und so übergebe ich denn dieses Buch den deutschen Frauen zum Eigenthume; deutschen Frauen verdanke ich die Anregung dazu – den deutschen Frauen soll es gehören. Mag es ihnen zur Sammlung und Erfrischung dienen, wenn der Geist durch zu vieles Romanlesen ermüdet und ausgetrocknet ist; mag es dieser oder jener Leserin zum Segen gereichen und mit dazu beitragen, daß sie in der Welt des Vergnügens und der Zerstreuung, die so schnell den Duft der Frische von den Wangen raubt, durch einen Trunk aus dem Gesundbrunnen der Wahrheit wieder jung und blühend X werde. Eine echte deutsche Frau altert so wie so niemals; sie bleibt trotz des Schnees auf dem Scheitel immer ein jugendheiteres Kind – ein Kind Gottes, das den unvergänglichen Frühling im Herzen trägt. Dem Autor ist schon manches Mal der Beifall holder Frauen geworden; sollte auch diesmal nicht aller Beifall ausbleiben und eine begeisterte Leserin ihn zum Universalerben einsetzen wollen, so hat er nichts dagegen.

Einige der folgenden Abschnitte sind schon in periodisch erscheinenden Blättern veröffentlicht worden; andere sind noch nie publicirt und also Original-Artikel. Wenn eine der hochgeehrten Leserinnen an einer oder der anderen Stelle auf einen ihr schon bekannten Inhalt stoßen sollte, so hoffe ich mit Bestimmtheit, ihr keine Enttäuschung zu bereiten; vielleicht verlohnt es sich der Mühe, das Bekannte in der ihm gebührenden Zusammenstellung doch noch einmal durchzulesen; jedenfalls werden aber andere Blätter des Büchleins so viel des Neuen bieten, daß auch für die belesenste Dame der Reiz, den jedes Neue übt, nicht gänzlich fehlen wird.

Hiermit grüße ich verehrungsvoll alle deutschen Frauen und Jungfrauen und verbleibe allezeit deren bewundernder und treugehorsamster Diener

G. v. Amyntor.

Postscriptum.

Ein richtiger Damenbrief hat ja wohl stets eine Nachschrift; so sei auch diesem Schreiben an die Damen eine solche hinzugefügt und zwar ein Verslein Friedrich Rückert's:

»Das sind die Weisen,
Die durch Irrthum zur Wahrheit reisen;
Die bei dem Irrthum verharren,
Das sind die Narren.«

In Eile

Der Obige.

 


 

Zur zweiten Auflage.

Jeder Autor hat den Ehrgeiz, sein Werk in recht vielen Händen sehen zu wollen; denselben Wunsch hegt der Verleger, wenn auch zuvörderst aus Nützlichkeitsgründen. Als ich dies Büchlein zum ersten Male hinaussandte, that ich es mit der frohen Zuversicht, daß es seinen Weg finden würde. Diese Zuversicht hat mich nicht getäuscht. Die Kritik hat mein Werk ausnahmslos gepriesen; begeisterte Zuschriften sind mir aus dem Leserinnenkreise zugegangen, und ein neuer Abdruck ist nöthig geworden. Trotzdem hat es über fünf Jahre gedauert, ehe die erste Auflage vergriffen war; von den lebenden fünfundzwanzig Millionen deutscher Frauen und Jungfrauen sind erst Eintausend im Besitze dieses ausschließlich für sie geschriebenen Buches. Wenn ich auch die Hälfte aller weiblichen Deutschen als Unerwachsene in Abrechnung bringe und von dem Reste nur den hundertsten Theil als gebildet gelten lassen wollte, so hätte von diesen zwölftausend gebildeten deutschen Frauen sich doch erst der zwölfte Theil mit diesem Büchlein vertraut gemacht. Dasselbe beansprucht aber, kein Leihbibliotheks-Schmöker zu sein, den man schnell durchpeitscht und dann für immer XIII fortlegt; es will gelegentlich wieder gelesen werden; stolz und selbstbewußt ruft es jeder denkenden Frau und Jungfrau zu: »Erwirb mich, um mich zu besitzen!«

Woran hat der langsame Absatz gelegen? Sollte meine Schätzung falsch gewesen sein? Sollte es nicht einmal zwölftausend gebildete deutsche Frauen geben, die nach einem Buche, wie dem vorliegenden, Verlangen tragen? Von verschiedenen Seiten ward mir der zu hohe Ladenpreis des Werkes als einziger Grund seiner langsamen Verbreitung bezeichnet. Ich habe den Herrn Verleger veranlaßt, den Preis dieses Neudruckes herabzusetzen, und bin nun neugierig, ob die noch fehlenden elf neuen Auflagen in schneller Folge werden nöthig werden; sollte dieses Wunder eintreten, so wird es mir den erfreulichen Beweis erbringen, daß die gebildeten deutschen Frauen dem Romane, dessen ausschließlicher Genuß die Frauen anderer Nationen verflacht und entgeistet, noch keine Alleinherrschaft auf ihren Lesetischen zugestanden haben.

Mit dem herzlichen Wunsche eines gesegneten neuen Jahres verharre ich aller deutschen Frauen und Jungfrauen aufrichtigster Verehrer.

Potsdam am 1. Januar 1889.

Der Verfasser.

 


 


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