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1745-1759.
In der Stadt Knaresborough lebte um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Schuhmacher, der erst durch seinen Tod, oder die Ereignisse, welche demselben folgten, bekannt wurde und viel von sich reden machte; obwol man denken sollen, daß gerade die Handlungsweise, derenwillen das Gerede entstand, und die Verbindungen, welche zu Tage kamen, aus einen Charakter deuteten, der, namentlich in einer kleinen Stadt, seinen Nachbarn, nicht so ganz hätte unbekannt bleiben dürfen.
Daniel Clark war ein Schwindler, der gern für reich gelten wollte, dazu unerlaubte Mittel anwandte, und den Schein benutzte, um sich wirklich auf verbrecherische Weise zu bereichern. Er hatte eine Frau vor Kurzem von auswärts geheirathet und wünschte, daß sie in der Stadt als eine Erbin gelte, welche ihm ein hübsches Vermögen mitgebracht hätte. Zu diesem Zwecke war es seine Absicht, von verschiedenen Freunden und Bekannten werthvolles Geschirr zu leihen, welches er in der Wirthschaft als Eingebrachtes ausstellen wollte. Seine eigentliche Absicht aber war, die Eigenthümer um diese Gegenstände zu betrügen. Man erfährt nicht, weshalb es zu dieser sehr einfachen Operation eines Bündnisses mit zwei andern Männern bedurfte, insofern die andere Annahme nur auf einer Vermuthung beruht, daß diese andern Männer die eigentlichen Urheber des Anschlags waren, und er nur der von ihnen Inducirte. Er schloß diese sonderbare Alliance mit Eugen Aram und Richard Houseman. Dieser war ein Flachsspinner, Jener tritt später als Schullehrer auf, was er vielleicht auch schon damals war, und als ein Mann, der, mit einer gewissen Bildung, wenigstens später, den ernsthaften gelehrten Studien oblag.
Die Compagnieschaft machte gute Geschäfte. Von allen Seiten her wurden hübsche und kostbare Geräthschaften zur Ausschmückung des Hauses dargeliehen: Leinenzeug und Wollenwaare, silberne Kannen und Becher, Milchgeschirre, ein Ring mit Emaille und zwei Brillanten, ein anderer mit drei Rosen-Diamanten, ein dritter mit einem Amethyst, sechs einfache goldene Ringe, acht Uhren, zwei Schnupftabakdosen und andere Gegenstände; alle von den verschiedensten Personen.
Sobald diese Sachen zusammen waren, scheint die Verbrüderung auch die Theilung beschlossen zu haben. Sie sollte in Eugen Aram's Hause stattfinden. Dies hatte man später in Erfahrung gebracht; jedoch nichts über die Art und Weise, wann sie erfolgte. Aber bald nach der Zeit, wo sie stattgefunden haben mußte, war Daniel Clark verschwunden.
Der Schuhmacher Daniel Clark war kein vermögender Mann, er hatte keine reiche Heirath geschlossen, seine Frau hatte ihm nichts Kostbares mitgebracht und er hatte sich die eben genannten Gegenstände in betrügerischer Absicht zu verschaffen gewußt. Dies mußte bald zu Tage kommen. Aber eben so nahe lag die Vermuthung, daß er sich mit dem geliehenen Gute in Nacht und Nebel davongemacht habe.
Zugleich aber entstand indeß der Verdacht, daß auch Eugen Aram und Houseman wissentlich und in eigennütziger Absicht an diesem Betruge Theil genommen. Man stellte Nachsuchungen an. Bei Houseman wurden wenige der Sachen, andere beim Nachgraben in Aram's Garten gefunden. Da aber von dem Silbergeschirr nichts zu Tage kam, so nahm man an, daß Clark sich damit aus dem Staube gemacht habe.
Diese Entdeckung und Clark's Verschwinden fallen in den Februar des Jahres 1745. Gegen Houseman und Aram scheint damals keine Untersuchung wegen betrügerischer Aneignung fremden Gutes eröffnet worden zu sein; doch entfernte sich Eugen Aram einige Zeit nachher aus Knaresborough, um anderwärts sein Unterkommen zu suchen, und die Sache ruhte, der Vergessenheit übergeben, durch 13 Jahre.
Im Juni des Jahres 1758 verbreiteten sich seltsame Gerüchte. Man sprach davon, daß der Schuhmacher Clark nicht, wie man vermeint, in die andere Welt über das Meer mit seinem Raube gegangen, sondern daß er durch mörderische Hände in die andere Welt gesandt worden, aus der Keiner zurückkehrt. Diese Gerüchte gingen von Eugen Aram's Weibe aus. Sie war ihm nicht nach der Grafschaft Norfolk nachgefolgt, sondern in Knaresborough zurückgeblieben. Schon seit er fort war, hatte sie gegen vertraute Freundinnen im Geheim die Meinung geäußert, Clark dürfte wol ermordet sein und ihr Gatte und Houseman möchten wol mehr um die Sache wissen, als ihnen lieb wäre. Aram war inzwischen in Lynn in Norfolkshire als Schullehrer angestellt. Er hörte von den Reden seines Weibes, und sagte im Zorn zu Houseman: er wolle sie erschießen und damit aus dem Wege räumen.
Diese Aeußerung kam zu Ohren der richterlichen Behörde, und auf noch andere dringende Anzeigen wurde Houseman, der beim Morde, wenn einer vorgefallen war, nahe betheiligt erschien, verhaftet. Zu diesen Anzeigen gehörte besonders eine. Im Sommer des Jahres 1759 war Houseman mit andern Arbeitsleuten bei Ausbesserung einer Chaussée beschäftigt. Während sie nach Grant an der Seite des Weges gruben, stießen sie auf das Skelet eines Menschen. Allgemein hatte man von Daniel Clark's Ermordung gesprochen, und die Mehrzahl der Arbeiter entschied sich sogleich dafür, das müsse Clark's Leichnam sein. Houseman, durch ein unwillkürliches Gefühl zu einer Aeußerung getrieben, welche das lange Geheimniß ans Licht bringen sollte, trat an die Gebeine und nahm einen Knochen mit höhnischer Miene in die Hand, indem er sagte: »Das ist so wenig Daniel Clark's Bein als es meines ist.« Scharf befragt, woher er denn das wisse, antwortete er rasch: »Weil der Leichnam in der St. Robert'shöhle liegt.« Er konnte nun nicht mehr ausweichen, er mußte mehr bekennen, und beschrieb, wo man den Leichnam finden werde, unter der Erde, den Kopf nach einer bestimmten Seite zu gerichtet. Auch vor Gericht legte er darauf, nach einigen ausweichenden Antworten, ein Bekenntnis ab, welches, wenn nicht die volle, doch einen guten Theil Wahrheit enthielt: daß Clark ermordet worden, daß er von Aram ermordet worden, und daß sein Leichnam in der St. Robert'shöhle bei Knaresborough verscharrt liege.
Diese erste Aussage, welche er unterzeichnete, lautete folgendermaßen:
Eugen Aram, damals in Knaresborough, hat den Schuhmacher Daniel Clark ermordet. Es war, so viel Zeuge sich entsinne, am 8. Februar 1745. Am frühen Morgen dieses Tages waren Clark, er und Eugen Aram in dem Hause des Letztem. Er selbst ging etwas früher hinaus. Als er auf der Straße war, kamen auch die beiden Andern und riefen ihm nach, er möge doch warten, sie wollten miteinander eines Weges gehen. Nun ging er mit ihnen zur Stadt hinaus in das felsige Flußthal, bis sie an die Stelle gekommen, welche Sanct Robert'shöhle genannt wird, nahe an der Grimble-Brücke. Hier blieben Aram und Clark stehen. Er sah darauf, wie Aram den Clark mehre Male schlug, über den Kopf und über die Brust. Darauf sah er den Letztern niederfallen wie todt. Ob Aram sich dabei einer Waffe, oder eines Stockes bedient, oder nur mit der Faust losgeschlagen habe, konnte er nicht sagen. Auch wußte er nicht, was Aram nachmals mit dem Leichnam vorgenommen, er glaubte aber, er habe ihn vorn in der Höhle liegen gelassen; denn als er Aram so wüthend losschlagen sah, ward ihm bange, daß es ihm eben so gehen könne, wie Clark. Deshalb machte er schnell Kehrt und eilte, daß er wieder über die Brücke käme. Ans andere Ende derselben gelangt, wandte er sich nochmals um, und sah jetzt, wie Aram aus der Höhle kam, die in einem abgesondert stehenden Felsen dicht am Flusse ist. Er sah wohl, daß er ein Bündel in der Hand hielt, Näheres konnte er aber nicht erkennen. Er gab sich deshalb auch keine Mühe, sondern eilte, was er konnte, die Stadt zu erreichen, ohne sich noch mit Aram auf dem Wege zu treffen. Erst am folgenden Tage sah er ihn wieder, hatte aber – sagte Houseman in diesem Verhöre – nie mehr mit ihm bis auf diesen Tag ein Gespräch unter vier Augen gehabt. Später räumte Houseman auch ein, was er außergerichtlich schon eingestanden, aber mit seiner eben berichteten Geschichtserzählung wenig stimmt, daß Clark's Leiche in der St. Robert'shöhle verscharrt worden, und er sei sicher, sie liege noch dort; aber er wünschte, man möchte sie da lassen, bis Aram selbst ergriffen und in festen Gewahrsam gebracht sei.
Diese Aussage, so mangelhaft sie nach unsern Ansichten ist, reichte doch einstweilen zu dem Zwecke aus, um dessenwillen man sie foderte. Eugen Aram hatte in einer einsamen Gegend nach einem Menschen geschlagen, der darauf für todt niedergefallen war. Der Geschlagene war bald nachher für das Publicum verschwunden und der Angeber sagte aus, daß er in einer Höhle verscharrt worden. Eugen Aram's in Knaresborough zurückgelassene Frau bestätigte durch ihre Reden, soweit sie davon Kenntniß haben konnte, Houseman's Aussage. Dies genügte, um zur Verhaftnahme Aram's zu schreiten. Mehr ward nicht von Houseman gefodert und eine mehr motivirte Angabe konnte nicht in seinem Interesse liegen; denn nach englischem Gerichtsbrauch hatte man ihn, wiewol von seiner Mitschuld überzeugt, zum Kronzeugen oder Königszeugen ernannt, welches gegen die Verpflichtung, vor Gericht wider seine Mitschuldigen Zeugniß abzulegen, dem Zeugen selbst für seinen Antheil am Verbrechen Straflosigkeit gewährt. Aber als solcher zugelassener Königszeuge hatte Houseman nicht die Verpflichtung, sich selbst in ein schlimmeres Licht zu stellen, als gerade nöthig war, um den Andern als schuldig darzustellen, und die Klugheit gebot ihm, bei dem Nothwendigsten stehen zu bleiben, weil, wenn er seiner Zunge freien Lauf ließ, ein Nebengeständniß herauskommen konnte und er Gefahr lief, in einen neuen Proceß verwickelt zu werden, da der Pardon nur buchstäblich für das eine Verbrechen gewährt wird, und man bei den Richtern, welche sich dieses traurigen Mittels bedienen, um den einen oder mehre Verbrecher zu überführen, keine Geneigtheit voraussetzen darf, ihre Gunst einem Schurken zuzuwenden, dessen sie sich nur als unvermeidliches Instrument bedienen, um das Verbrechen und die in ihren Augen schlimmsten Urheber oder Theilnehmer ans Licht zu bringen.
Eugen Aram ward in der Schule zu Lynn verhaftet. Nach einigen Ausflüchten machte er ein Geständniß, welches nicht weniger lückenhaft ist, als das seines Angebers, und wie jenes ihn, nun diesen vorzugsweise zu beschuldigen sich bemüht. Der Kampf zwischen dem Angeschuldigten und dem Königszeugen, sich gegenseitig zu verdächtigen und die Hauptschuld des Verbrechens auf die Schultern des Andern zu schieben, liegt in der Natur der Sache.
Eugen Aram räumte ein, in der Nacht vom 7. Februar 1745 in seinem Hause gewesen zu sein, als Richard Houseman und Daniel Clark mit Silbergeschirr zu ihm kamen. Sie gingen wieder fort und kamen Beide abermals mit anderm Silbergeschirr in Händen zurück. Ihm war es nicht unbekannt, daß Clark seine Nachbarn um diese Gegenstände betrügen wollte. Wie er sich bestimmt entsann, war Houseman aber ganz besonders und mit allen seinen Kräften geschäftig, dem Clark hierin beizustehen. Houseman hatte in seiner Angabe gesagt, er sei in jener Nacht bei Aram gewesen, um irgend eine Note oder ein Document zu unterzeichnen, dies wäre aber nicht so, er wisse ganz zuverlässig, daß Houseman nur da war, um dem Clark beim Silbergeschirr zu helfen.
Aber noch ein Vierter war bei diesem Geschäft bethätigt, wie Aram aussagte, ein Bierschenker Henry Tarry, der damals in Knaresborough lebte. Er war bei dem Betruge so eifrig, wie nur Houseman oder Clark zur Hand; in dieser Nacht befand er sich indeß nicht mit in Aram's Hause. Weil es gerade ein Markttag war, hätte seine Abwesenheit in seiner Schenke bei den Gästen Argwohn erregen können. Dennoch stahl sich auch Tarry ein Mal in dieser Nacht in Aram's Haus und brachte auf Clark's Rechnung zwei silberne Becher, die auf dem angegebenen Wege verschafft waren. Houseman hatte gesagt, daß Clark von ihm 20 Pf. Sterl. geborgt. Aram leugnete dies; Clark habe von Houseman nie mehr als neun Pf. Sterl. geborgt gehabt und ihm dieselben noch vor jener Nacht wiedergegeben.
Clark's gesammtes Leder, zu einem beträchtlichen Werthe, lag, nach Aram's Angabe, damals in Houseman's Hause unter dessen Flachs verborgen. Es sollte heimlich, Stück für Stück, losgeschlagen werden, vermuthlich in der Absicht, Alles zum Davongehen Clark's vorzubereiten. Houseman aber that Alles, um in den Augen des Publicums aus dem gefährlichen Spiele zu bleiben.
Aram widerspricht sich aber schon in dieser ersten Aussage mehrmals, wenn er zuerst aussagt, daß Henry Tarry in der Nacht sich nicht in seinem, Aram's, Hause befunden, dann doch einräumt, er habe sich einmal mit zwei silbernen Bechern zu ihm geschlichen, und endlich sagt, daß Tarry beim Einpacken der Sachen sehr thätig gewesen. Während nämlich Clark und Houseman die Uhren, Ringe und andern kleinern Pretiosen in einen Beutel zusammengesteckt, habe Tarry alles größere Silberzeug in einen Sack gestopft. Hierauf gingen sie alle miteinander, auch Eugen Aram, in das Flußthal bis nach der einsamen Sanct Robert'shöhle, wo sie sich an das Werk machten, das Silberzeug platt zu schlagen.
Bei dieser Arbeit überraschte sie der Morgen. Es war etwa 4 Uhr am 8. Februar 1745, als man sich in die Nothwendigkeit versetzt sah, um keinen Argwohn zu erregen, wieder auseinander und nach Hause zu gehen. Für Clark aber schien es nicht gerathen, daß er schon jetzt bei Tages Anbruch »sich auf den Weg mache, um irgend ein Ziel zu erreichen«. Es erscheint also, nach dieser undeutlichen Aussage, daß es im Plan, oder in Clark's Absicht gelegen, schon an diesem Tage auf und davon zu gehen. Man kam überein, er solle bis zur folgenden Nacht in der Höhle bleiben. Er mußte für den Tag Lebensmittel haben und auch hierzu fand sich Rath. Henry Tarry sollte sie ihm bringen. Da er in der Stadt als Jäger bekannt war, konnte derselbe unter dem Vorwande zum Schießen auszugehen, leicht in diese verlassene Gegend streifen. So blieb Clark, nach Aram's Aussage, den ganzen Tag über in der Höhle. In der darauf folgenden Nacht gingen Houseman, Tarry und er schon bei guter Zeit hinaus, um Clark mehr Zeit zu seinem Entweichen zu verschaffen.
Als sie vor dem Felsen angekommen waren, gingen nur Richard Houseman und Henry Tarry hinein. Er aber, Eugen Aram, blieb, nach seiner Aussage, in einiger Entfernung von dem Eingange stehen, um Wache zu halten, für den Fall, daß Jemand vorübergehe.
Draußen blieb es still. Aus der Höhle aber hörte er viel Geräusch. Er glaubte, sie schlügen das Silber platt. Nachdem er ungefähr eine Stunde müßig verweilt, kamen Houseman und Tarry aus der Höhle, aber ohne Clark. Sie sagten ihm, der habe sich schon in der Stille auf und davon gemacht. Beide trugen aber einen Sack. Er nahm ihn in die Hand und sah, daß darin Silbergeschirr war.
Warum hat denn Daniel das Silber nicht mit sich genommen? fragte Aram. Beide entgegneten, sie hätten es zusammen ihm abgekauft; ebendesgleichen auch die Uhren, und sie hätten es ihm Alles richtig bezahlt. Clark habe eingesehen, daß es leichter für ihn sei, mit baarem Gelde in die Welt zu gehen, als mit dem schweren Pack, welches ihn so leicht verrathen könne.
Darauf gingen alle Drei nach der Stadt zurück und in Houseman's Waarenlager. Hier versteckten sie die Uhren und das geringere Silberzeug. Tarry nahm das größere Geschirr mit sich. Späterhin vertraute derselbe Aram, daß er es in Haw-hill versteckt habe. Noch später sei er damit nach Schottland gereist und habe es dort veräußert. Von Clark wollte Aram weiter nichts wissen, weder ob er ermordet worden, noch wohin er gekommen sei. Er versicherte, nichts weiter von ihm gehört zu haben, als daß die Beiden, beim Austritt aus der Höhle, zu ihm gesagt hätten: er wäre schon fort.
So lautete Eugen Aram's erste Aussage, die er, nachdem sie zu Protokoll genommen war, unterzeichnete. Er und Houseman wurden in das Castell von York gesetzt, und auch Henry Tarry, welcher nach Aram's Erklärung sehr verdächtig erschien, verhaftet. Der Proceß zog, sich einige Zeit hin, da die Zeugen von weit her geholt werden mußten, und begann erst im August 1759.
Richard Houseman's Aussage vor den Geschworenen lautete folgendermaßen:
In der Nacht vom 7. auf den 8. Februar 1745 kam er, es mochte um 11 Uhr sein, in Aram's Haus. Etwa zwei Stunden oder noch mehr Zeit verstrich darüber, daß sie von Haus zu Haus gingen und die verschiedenen Sachen zusammentrugen, auch Berechnungen machten und Scheine sich gegenseitig unterschrieben. Dann schlug Aram vor, zuerst gegen Clark, dann gegen ihn, Houseman, sie wollten mit einander vors Thor gehen. Dies geschah, sie nahmen ihre Richtung nach der Gegend, wo St. Robert'shöhle liegt. Aram und Clark, stiegen über die Hecke, Houseman folgte ihnen. Als Jene etwa zehn bis zwanzig Schritte von dem Höhleneingange entfernt waren, sah er, daß sie handgemein wurden. Aram schlug zu mehren Malen heftig auf Clark los. Clark stürzte in Folge dieser Schläge nieder, und er, der Zeuge, sah ihn nicht mehr aufstehen. Er bemerkte aber kein Mord- oder anderes Instrument in Aram's Händen, und so viel ihm bekannt, besaß derselbe auch kein solches. Augenblicklich, und ohne sonst etwas abzuwarten, machte er, Houseman, Kehrt und ging nach der Stadt zurück. Am folgenden Morgen aber besuchte er Aram in seinem Hause und fragte ihn, was er denn mit Clark in der vergangenen Nacht vorgehabt und wo der geblieben sei? Aram antwortete nichts darauf, drohte ihm aber, wenn er nur ein Wort davon fallen lasse, daß er ihn in letzter Nacht mit Clark zusammen gesehen habe. Ja er sollte es schwer büßen, wenn durch ihn etwas verlaute; entweder er selbst oder ein Dritter werde es ihm vergelten.
Es wurden nun mehre Zeugen vernommen, welche meistens aber nur über Nebenumstände bekundeten. Ein ehemaliger Diener Clark's bestätigte, daß sein Herr, kurz vor seinem Verschwinden, fortgereist sei, um die Mitgift seiner Frau zu holen. Nach seiner Rückkunft sei er in Aram's Haus gekommen, und habe auf dessen Frage: wie es ihm gehe? erwidert: »Ich habe endlich mit Mühe und Noth meiner Frauen Vermögen gekriegt. Da ist's in meiner Tasche.« Aram habe hierauf in Houseman's Gegenwart zu Clark gesagt: »So laßt uns die Treppe hinaufgehen,« worauf alle Drei dies gethan hätten.
Ein Master Backwith sagte aus: Bei der Nachsuchung in Aram's Garten vor 14 Jahren habe man unter den dort ausgegrabenen Sachen auch ein Stück Cambry gefunden, welches er selbst einige Zeit vorher an Clark verkauft hatte. Thomas Bernet sah um 1 Uhr Morgens am 8. Februar Jemanden im weißen Mantel aus Aram's Hause kommen. Die Kappe trug er über den Kopf und schien ihm ausweichen zu wollen. Aber er trat ihm näher und erkannte in ihm Richard Houseman, und wünschte ihm, um ihn zu necken, eine gute Nacht oder einen guten Morgen.
Der Constabler John Barker berichtete über die Verhaftnahme Aram's zu Lynn: Während er vor der Thüre gewartet, sei die Magistratsperson, Sir John Turner, in die Stube eingetreten, wo Aram war. Sir John fragte ihn: ob er in Knaresborough bekannt sei? Aram erwiederte: Nein. Weiter befragt: ob er Einen, Namens Daniel Clark, dort gekannt, leugnete er auch dies. Er habe nie einen Mann des Namens gekannt. Der Constabler war darauf in die Schulstube getreten und hatte Aram angeredet: Wie geht es Ihnen, Master Aram? worauf Aram ihn verwundert angeblickt: »Wie es mir geht? Ich kenne Sie ja nicht.« – »Wie!« rief der Constabler, »mich nicht kennen? Entsinnen Sie sich denn gar nicht, daß Daniel Clark und Sie immer einen Dorn auf mich hatten damals in Knaresborough?« – Aram besann sich darauf und räumte nun ein, daß er früher in Knaresborough gewohnt. Nun erinnerte ihn der Zeuge auch an die St. Robert'shöhle und fragte ihn, ob er sie noch kenne? Aram erwiderte: »Gewiß!« worauf der Constabler einfiel: »Sagen Sie lieber leider!«
Aram hatte auf dem Transport nach York sich nach seinen alten Nachbarn erkundigt und gefragt: was sie wol von ihm sagten? Der Constabler erwiderte, sie waren eben nicht gut auf ihn zu sprechen, vielmehr recht bitterbös von wegen der Verluste, die er ihnen bereitet. Aram fragte, ob sich das mit den guten Leuten nicht ausgleichen lasse? Der Constabler sagte: er glaube, Aram könne wol noch mit heiler Haut davon kommen, wenn er ihnen Alles zurückerstatte, was sie eingebüßt hätten. Aram schüttelte den Kopf, das sei unmöglich, doch finde sich vielleicht eine angemessene Entschädigung für sie.
Eugen Aram konnte gegen diese Aussage auf Anfrage des Richters nichts einwenden, als daß dieser Auftritt zwischen ihm und dem Constabler nicht in der Schulstube, sondern in einem daranstoßenden Zimmer stattgefunden habe.
Ein Leichnam, oder vielmehr ein Gerippe, war in der St. Robert'shöhle aufgefunden worden. Der für unser Criminalverfahren wichtigste Theil der Untersuchung, die Feststellung des Thatbestandes des Verbrechens, scheint nach den wenigen aufbewahrten Acten dieses berühmten Protestes nicht mit der Wichtigkeit behandelt, welche wir ihm beilegen. Es ist kurz angedeutet, daß man das Gerippe in der Art gefunden, wie Houseman es angegeben. Hinsichts einer Untersuchung über die Identität des Gerippes und des Körpers des verstorbenen Clark, ob man besondere Merkmale aufgefunden, Fetzen von Kleidungsstücken oder Effecten, welche Clark erweislich gehört, wird nichts erwähnt, und die berühmte Vertheidigung Aram's, welche gerade diesen Punkt hervorhebt, läßt es uns bezweifeln.
Vor Gericht wurde nur der Schädel des aufgefundenen Gerippes producirt. Auf der linken Seite war ein Bruch, welcher, seiner Beschaffenheit nach, nur durch einen Schlag mit einem stumpfen Instrumente bewirkt sein konnte. Das Schädelstück war nach innen eingeschlagen, und nur von innen heraus konnte es wieder in seine vorige Stelle gebracht werden. Der zugezogene Wundarzt gab sein Gutachten dahin, daß der Bruch nicht auf natürlichem Wege durch ein Fallen oder Anstoßen an einen scharfen Gegenstand habe erfolgen können. Auch, sei es kein, neuerdings erst veranlaßter Bruch, etwa durch das Grabscheit, vermittelst dessen das Gerippe ausgegraben worden, sondern der Bruch schien vor längern Jahren bereits erfolgt.
Dies sind die actenmäßigen Thatsachen, welche gegen Eugen Aram vor seiner Verurtheilung vorlagen. Für unsere Leser, welche den durch Bulwer's Roman in der literarischen Welt berühmt gewordenen Helden vor Augen haben, wird diese Geschichtserzählung nicht dazu beitragen, den schwermuthvollen Lüstre, welchen der Dichter um seine Erscheinung gewoben, zu mehren. Der melancholische Träumer, der tiefsinnige Gelehrte, der liebenswürdige Mann, den nur die eine Blutschuld drückt, versinkt zu einem gewöhnlichen Verbrecher, dem nicht die noch zweifelhafte Mordthat, sondern die vorangegangene Gaunerei den unauslöschlichen Stempel der Gemeinheit aufdrückt. Für die Engländer ist indessen dieser Proceß weniger des psychologischen Räthsels, als der Vertheidigung wegen von Werth, welche der Schulmeister Eugen Aram für sich selbst anfertigte und dem Gerichtshof, gegen die Gewohnheit, schriftlich übergab. Sie gilt in England für ein Meisterstück in der gerichtlichen Beredsamkeit; und eben das Räthselhafte, daß ein Mann, welcher solcher gemeinen Uebertretungen bezüchtigt und überwiesen war, der mit solchen rohen Betrügern in einen Bund sich einließ, so hochgebildet vor seinen Richtern auftritt, veranlaßte Bulwer, das Räthsel zu einem psychologischen Gedichte umzuwandeln.
Diese schriftliche Vertheidigung lautete:
»Mylord! Zuerst und vor Allem widerspricht der Sinn und Geist, der sich durch meinen ganzen Lebenslauf zieht, in Allem und Jedem der wider mich erhobenen Anschuldigung. Wahrhaftig, ich würde das nie ausgesprochen haben, wenn nicht meine gegenwärtigen Umstände es mir erpreßten, ja es nothwendig machten. Ich muß die Bosheit selbst anklagen, die so lange und so grausam sich damit beschäftigte, mich zu verfolgen, und mit Voreingenommenheit mich der Immoralität anzuklagen. Nein, Mylord, ich entwarf keinen Plan, meine Mitmenschen zu betrügen, ich wandte gegen Niemand Gewalt an und kränkte keinen Menschen, weder in seiner Person, noch in seinem Eigenthum. Meine Tage vergingen in ehrbarer Arbeitsamkeit, meine Nächte in ernsten Studien, und ich hoffe in Demuth, daß ich dies offen und deutlich ausspreche, wird man nicht für anmaßlich und unpassend erachten. Wenigstens meine ich, sollte es in dieser Zeit einige Aufmerksamkeit bewirken. Denn, Mylord, ist es glaublich, daß Jemand, der durch lange Jahre ein ordentliches, mäßiges Leben geführt hat, regelmäßig in seinen Handlungen wie in seinen Gedanken, und der auch nicht ein einziges Mal aus diesem ebenen Maß in seinem Wandel abgeirrt ist, ist es denkbar, daß dieser Mann in die Tiefe des Lasters versinken sollte, und so plötzlich und mit einem Male? Nein, das ist eben so unglaublich als ohne Beispiel, und ganz unvereinbar mit dem natürlichen Gang der Dinge. Nie wird der Mensch mit einem Mal verderbt. Die Schlechtigkeit wächst in einem bestimmten, fortschreitenden Gange, und nur Schritt für Schritt weicht man vom Rechten ab, bis endlich jede Rücksicht auf Rechtlichkeit verloren ist, und aller Sinn für moralische Verpflichtungen gänzlich untergeht.
»Zweitens, Mylord, so widerspricht ein Umstand auf das Bestimmteste einem Verdachte dieser Art, den aber nur die abscheulichste Bosheit erfinden und die Unwissenheit verbreiten konnte. Nämlich mein Gesundheitszustand um jene Zeit. Denn nur kurze Zeit vor dem, wo der Vorfall sich ereignet, war ich an mein Bett gefesselt, und litt an einer langen und schweren Krankheit. Ja, ein halbes Jahr hindurch war ich kaum fähig, auch nur zu gehen. Nur langsam und theilweise verließ mich dies Unbehagen; aber ich war davon so abgemagert, so geschwächt, daß ich auf Krücken gehen mußte. Auch zu der Zeit noch, wo ich das Verbrechen begangen haben soll, war ich weit davon entfernt, völlig wiederhergestellt zu sein, ja ich bin es noch jetzt nicht. Läßt es sich denken, daß Jemand in dieser Lage sich dergleichen in den Kopf setzen sollte? Woher soll der Muth, woher die Kraft kommen, es nur zu wagen, woher die Fähigkeit, es zu vollbringen, wenn selbst die Waffe fehlt, um es auszuführen? Eine That ohne Interesse, ohne Vermögen und Kraft, ohne Beweggründe und ohne Mittel, sie ins Werk zu setzen.
»Ueberdem muß es Jedem einleuchten, daß eine Handlung so furchtbarer Natur nur dann eintritt, wo ihre Ursachen klar zu Tage liegen. Sei es, um sich zu helfen, oder um sich zu bereichern; dem Geiz zu fröhnen, oder dem Kitzel der Bosheit zu willfahren; einem wirklichen oder einem imaginairen Bedürfniß nachzukommen. War irgend einer dieser Fälle bei mir vorhanden? Mylord, mit Wahrheit und Bescheidenheit kann ich die Negative behaupten. Wer die Wahrheit liebt und mich kennt, wird dies nicht bezweifeln.
»Ferner, so gilt der Umstand, daß Clark verschwunden ist, als ein Beweis dafür, daß er todt sei. Aber die Unsicherheit solcher Schlüsse ist zu augenfällig, als daß ich darüber ein Wort verlieren sollte. Fälle der Art, wo Verschwundene für todt gehalten wurden, sind viele vorgekommen; sei es mir erlaubt, nur an einen zu erinnern, an den dieses Schloß selbst uns mahnt.
»Im Juni 1757 brach William Thompson, wie streng er auch bewacht wurde und doppelt geschlossen, und am hellen Tage aus diesem Castell aus. Obgleich man ihm augenblicklich nachsetzte und Alles aufbot, ihn wiederzufinden, so hat man ihn doch nie mehr gesehen, oder von ihm gehört. Wenn dieser Thompson, trotz aller Schwierigkeiten sich unsichtbar machte, wie leicht war das für Clark, dem keine von allen diesen Schwierigkeiten entgegenstand? Was würde man aber vernünftigerweise von einer Verfolgung gegen Jemand denken, um deshalb, weil er zuletzt mit Thompson gesehen worden?
»Sei es mir nun vergönnt, Mylord, meine Gedanken über die Gebeine zu äußern, die man aufgefunden hat. Man hat gesagt, und das ist vielleicht sehr kühn, es sei das Skelet eines Mannes. Es ist möglich, daß es das ist. Aber ist da irgend ein bestimmt anerkanntes Kriterium, welches unwiderlegbar über das Geschlecht, dem verwitterte Gebeine angehören, entscheidet? Dieser Punkt, Mylord, eine Entscheidung darüber hätte jedem Versuch vorangehen müssen, die Identität der Gebeine mit einer bestimmten Person festzustellen.
»Der Platz, wo man menschliche Gebeine findet, sollte vor Allem in Betracht genommen werden, und mehr als es in der Regel geschieht. Unter allen Plätzen der Welt ist nirgend eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß man in der Erde auf Gebeine stoßen werde, als in einer Einsiedelei. Natürlich nehme ich einen Kirchhof davon aus. Eremitagen waren in der Vorzeit nicht allein Plätze zu religiöser Einsamkeit und Beschaulichkeit, sondern auch Begräbnißplätze. Man hat fast immer davon gehört, daß jede dafür bekannte Zelle solche Reliquien eines gewesenen menschlichen Lebens enthielt oder noch enthält. Einige Gerippe wurden verstümmelt, andere noch ziemlich wohlerhalten aufgefunden. Ich will hier nicht belehren, ich erlaube mir nur, Mylord, daran zu erinnern, daß hier in Einsamkeit die heilige Demuth saß. Hier hoffte der Eremit, hier die fromme Einsiedlerin, daß dereinst, wenn sie todt wären, ihre Gebeine ruhen sollten, hier schwelgten sie in der Ahnung der Seligkeit, als sie lebten.
»Doch, Mylord, ich fühle, daß dies Euer Herrlichkeit und auch noch mehren Andern in diesem Gerichtshofe bekannt ist. Aber in meiner besondern Lage scheint es nöthig, daß auch Andere, die sich vielleicht nicht mit Dingen dieser Art beschäftigt haben, und auf meinen Proceß von Einfluß sind, damit bekannt, gemacht werden. Vergönne mir daher Mylord, daß ich hier einige Beispiele vorführe, aus denen hervorgeht, daß solche Zellen oder Höhlen als Repositorien für die Leichname der Gestorbenen benutzt wurden, und einige derselben aufzuzählen, in welchen menschliche Gebeine eben wie in unserer Höhle gefunden worden sind, damit der Zufall nicht als etwas Außerordentliches erscheine und zu Vorurtheilen Anlaß gebe.
1) Die Gebeine des alten Sachsen, des heiligen Dubritius, wurden in seiner Zelle an der Guy-Klippe entdeckt, nahe bei Warwick, wofür Sir William Dugdale meine Autorität ist.
2) Erst vor kurzem wurden die Gebeine, welche man für die der heiligen Einsiedlerin Rosia erkannt hat, in einer Zelle bei Royston aufgefunden, in vollständigem, unzerstörtem, schönem Zustande, obgleich sie durch mehre Jahrhunderte unter der Erde gelegen haben müssen. Dies beweist Dr. Struckely.
3) Aber unsere eigene Gegend, ja unsere nächste Nachbarschaft, bietet noch ein eigenes Beispiel. Im Januar 1747 fand Master Stovin, in Begleitung eines Geistlichen, in der Höhlenzelle zu Lindholm nahe bei Hatfield solche Gebeine. Man hielt sie für die William von Lindholm's, eines Einsiedlers, welcher einst diese Höhle zu seiner Eremitage gemacht hatte.
4) Im Februar 1744 wurde ein Theil der Woburn-Abtei niedergerissen. Bei dieser Gelegenheit fand man eine große Masse Körper, sogar noch mit Fleisch daran, welches man allenfalls mit einem Messer abschneiden konnte. Und gewiß hatten alle diese Körper ihre hundert Jahre dort gelegen, wahrscheinlich aber noch weit länger; denn die Abtei ward im Jahre 1145 gegründet und 1538 oder 1539 aufgelöst.
»Was würde man erst sagen, wenn sich mit den hier uns vorgezeigten Knochen etwas Aehnliches anstellen ließe!
»Noch mehr, Mylord. Wir entsinnen uns Alle noch, daß in einiger Entfernung von Knaresborough, auf einem Felde, welches zum Grund und Boden des würdigen und hochverdienten Baronet gehört, der uns die Ehre erzeigte, uns im Parlament zu vertreten, als man nach Grant grub, nicht allein ein menschliches Skelet gefunden wurde, sondern deren fünf oder sechs, die alle, eines bei dem andern, niedergelegt waren, jedes mit einer Urne zu Häupten, wie Euer Herrlichkeit wissen, daß dies bei alten Begräbnissen gebräuchlich war.
»Etwa um dieselbe Zeit wurde auf einem andern Felde, fast dicht an unserm Orte, gleichfalls, als man nach Grant grub, noch ein anderes Skelet gefunden. Aber die Pietät des würdigen Gentleman verordnete, daß jene Gruben sowol als diese sofort wieder ausgefüllt werden sollten, indem er darüber unwillig war, daß man so die Ruhe der Todten störe.
»Bei diesen Gebeinen hier sind die Reste des Lebendiggewesenseins vollkommen verschwunden oder künstlich versteckt. Weshalb hat denn nun aber die Entdeckung derselben so besonders Auffälliges und Wunderbares? Mylord, fast jeder Flecken Erde enthält menschliche Ueberreste. In den Feldern, den Hügeln, an den Seiten der Straßen, auf Gemeindeangern findet man häufig und ganz unerwartet Gebeine, und der Ort, den wir gegenwärtig zur Ruhestätte eines jüngst Entschlafenen einweihen, ist nur um einige Jahrhunderte älter.
»Noch mache ich Euer Herrlichkeit und die Herren von der Jury auf einen kleinen Umstand aufmerksam. Nämlich, es dürfte sich noch nie ereignet haben, daß man in einer dieser Siedlerzellen mehr als ein Skelet gefunden hätte. Auch in dieser Zelle fand man nur eines. Dies also stimmt mit der Eigenthümlichkeit jeder andern in Großbritannien bis da aufgefundenen und bekannt gewordenen Zelle. Wenn hier das Verdacht erregen und daraus auf eine schlimme That geschlossen werden sollte, so hätte man zwei Skelette auffinden müssen. Eins war ganz gewöhnlich.
»Demnächst aber, Mylord, die Identität dieser gebräunten, fleischlosen Gebeine mit dem weiland Daniel Clark aufzuweisen, wo der Identitätsbeweis schon unter Lebendigen seine große Schwierigkeit hat, wie wir das in den Fällen von Parkin Warbeck und Lambert Symmel in unserm eigenen Lande und mit dem berühmten Don Sebastian auswärts sahen, diese Aufgabe heißt, Mylord, wenn wir sie beim rechten Namen nennen wollen, etwas bestimmen, was gar nicht bestimmbar ist. Und ich hoffe, man wird dies hier nicht unberücksichtigt lassen, hier, wo meine geschworenen Richter mit Vorsicht glauben, mit Vernunft denken und mit Menschlichkeit urtheilen. Sie werden bedenken, was davon abhängt, wenn man diesen verwitterten Gebeinen eine bestimmte Persönlichkeit beilegt, deren einstigen wahren Besitzer doch Niemand nachzuweisen vermag, als die ewige Allwissenheit.
»Sei es mir nun noch einmal vergönnt, Mylord, demüthigst vorzustellen, daß, da menschliche Gebeine nun einmal die untrennbare Zugabe einer jeden Höhle zu sein scheinen, wen es beliebt nur irgend einen solchen Platz, der ihm grade einfällt, zu nennen braucht, und die unwissende Menge wird ihm Prophetengabe beimessen können. Vielleicht hat der Angeber in diesem Falle nichts boshaft Prämeditirtes geäußert; es war nur ein Wurf, der ihm in den Mund kam, und was er sagte, traf zu. Ein rein zufälliges Zusammentreffen von Worten und Dingen!
»Aber es erscheint aus den Verhandlungen, als sei noch ein anderes Skelet von einem Arbeitsmann entdeckt worden, welches man damals mit eben solcher Bestimmtheit für das des guten Daniel Clark erkannte. Mylord, ich frage, darf irgend ein lebendiger Mensch, wenn davon einiger Vortheil abhängt, für alle die Gerippe und Gebeine verantwortlich gemacht werden, welche sich in der Erde versteckt finden und welche der Zufall ans Tageslicht bringt? Und kann man nicht ebenso durch Zufall einen Ort nennen, wo Gebeine liegen, als der Chausséegräber durch Zufall mit dem Spaten an solche stößt? Oder ist es im Sinn der Criminalgesetze verhängnißvoller, einen Ort, wo Gebeine liegen, zufällig, auszusprechen, als einen solchen Ort zufällig aufzufinden?
»Auch hier ist nun ein menschlicher Schädel producirt, und dieser Schädel hat einen Bruch. War dies aber die Ursach, oder war es die Folge des Todes? Ward der Bruch durch Gewalt verursacht, oder sank und brach er auf dem Naturwege ein? War es Gewalt, so fragt sich: wann ward diese Gewalt angewendet? Vor oder nach dem Tode? – Mylord, im Mai 1732 wurden die irdischen Reste des Erzbischof William in dieser Kathedrale aus der Gruft auf höhern Anlaß herausgenommen, und man fand den Schädel auch gebrochen. Und doch ist ausgemacht, daß der Lorderzbischof an keiner gewaltsamen Verletzung starb, durch welche dieser Bruch entstanden sein könnte.
»Erwägen wir auch das wohl, Mylord, daß bei der Auflösung der Klöster und dem Anfang der Reformation viel geraubt und geplündert ward, und das auf gleiche Weise den Lebendigen wie den Todten traf. Um angebliche Schätze aufzufinden, wurden Särge zerbrochen, Grüfte und Gewölbe gesprengt, und Denkmäler und Steine niedergerissen. Euer Herrlichkeit wissen, wie diese Excesse so weit gingen, daß das Parlament endlich einschreiten mußte, um sie zu hemmen. Dies geschah zu Anfang der Regierung der Königin Elisabeth. Nun flehe ich Euer Herrlichkeit an, nicht die Gewaltthätigkeiten, die Plünderungen und die Frevel, zu jener Zeit verübt, der gegenwärtigen beizumessen.
»Wer hier weiß überdem nicht, daß Knaresborough ein Castell hat, welches, obgleich jetzt in Ruinen, ehedem ganz ansehnlich war, sowol durch seine Lage und starken Mauern, als durch seine Garnison. Man weiß, wie es einst hart belagert wurde von den Truppen des Parlaments. Bei den Stürmen, Gefechten, Ausfällen, Flucht und Nachsetzen, wo es immer heiß herging, fiel so mancher Mann, und wo er fiel, ward er auch beerdigt; denn im Kriege, Mylord, ist jeder Platz ein Kirchhof, und wahrscheinlich ruhen noch sehr viele von den damals Gefallenen an unbekannten Stellen und erst die Zukunft wird ihre Gebeine entdecken.
»Nun hoffe ich, meine Herren und Richter, mit aller dankbarer Unterwürfigkeit, daß man mir meine Einwendungen auf die Anklage nicht als Frechheit auslegen wird, und daß die Weisheit, die Kenntnisse und die Unparteilichkeit dieser Gerichtsbank weit davon entfernt sein wird, einem Lebendigen etwas beizumessen, was einst Wuth und Haß vollbracht haben mag, oder was die Natur auf dem gewöhnlichen Wege hinraffte und die Frömmigkeit beerdigte, oder was der Krieg allein zerstörte und hier auf die Seite warf.
»Was nun die Indicien betrifft, die, man aneinander gereiht und zusammengeheftet hat, so habe ich nichts darüber zu bemerken; nur daß alle Indicien täuschen können, wie es denn schon in so vielen Fallen sich erwiesen hat, daß sie kläglich getäuscht haben. Selbst hie stärksten Indicienbeweise schlugen um. Sie mögen sich zum höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit erheben, und doch bleiben sie nur Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Muß ich Euer Herrlichkeit an die beiden Harrison's erinnern, deren Geschichte Dr. Howel erzählt? Beide erlitten den Tod auf Grund von Indizienbeweisen, weil der dringende Verdacht sie traf, einen Miethsmann, der plötzlich aus ihrem Hause verschwunden war, umgebracht zu haben. Der Miethsmann, der Schulden halber sich heimlich auf und davon gemacht hatte, kam später wieder, fand aber seine Wirthe schon hingerichtet. Oder soll ich an Jacques de Moules unter König Karl II. erinnern, ein seltsamer Fall, den ein Rath der Krone berichtet? Oder an den unglücklichen Colaman, der unschuldig hingerichtet ward, aber auf den strictesten Indicienbeweis, und dessen Kinder aus Mangel umkamen, weil die grausame Welt ihren Vater für schuldig hielt? Brauche ich noch an den meineidigen Smith zu erinnern, den man so unvorsichtiger Weise als Königszeugen zuließ, der, um sich selbst zu retten, auf gleiche Weise den Fairecloth und Loreday der Ermordung Dun's anklagte, von denen der Erstere 1749 zu Winchester hingerichtet wurde? Auch Loreday war drauf und dran, zu Reading den Tod zu erleiden, wäre nicht Smith selbst noch zu rechter Zeit und zum großen Vergnügen des Gerichtshofes, durch den Wundarzt des Gosport-Hospitals des Meineides überwiesen worden.
»Nachdem ich nunmehr, Mylord, zu zeigen versucht habe, wie der ganze Proceß in offenbarem Widerspruch mit meinem ganzen Leben steht; daß die That sich durchaus nicht vereinen läßt mit meinem damaligen Gesundheitszustande; daß vernünftiger Weise aus dem Umstande, daß Jemand verschwunden ist, nicht der Schluß gezogen werden darf, daß dieser Mensch darum gestorben oder gar umgebracht ist; daß Einsiedeleien auch die gewöhnlichen Ruhestätten für die Gebeine ihrer ehemaligen Bewohner waren; daß die Beweise für diese Behauptung auf der Autorität der berühmtesten Schriftsteller beruhen; und daß während der Religions- und bürgerlichen Kriege die Leichen der Gefallenen allüberall und wo es war, begraben wurden, nach allem Diesem bleibt nur eine Schlußfolgerung, die eben so vernünftig und natürlich ist, als ich sie sehnlich wünsche. Schließlich so verlasse ich mich nach einem Gefängniß, welches ein Jahr angedauert hat, aber von den Schlägen des Schicksals nicht zu Boden geschmettert, auf den Scharfblick, den Gerechtigkeitssinn und die Humanität Eurer Herrlichkeit, sowie auf die Ihre, meine Landsleute, meine Herren Geschworenen!«
Diese Vertheidigung wäre vielleicht ein Meisterstück, wenn sie den Sachwalter für die Sache eines Andern zum Verfasser hätte. Für einen eines groben Verbrechens unschuldig Angeklagten ist sie zu subtil, zu kunstvoll, nur auf den Verstand, nicht auf das Herz berechnet. Sie wäre vielleicht von Erfolg gewesen vor einem gelehrten Gericht, welches den formellen Beweis fodert, und, in Ermangelung desselben, auch gegen seine moralische Ueberzeugung zu sprechen genöthigt ist. Auf Geschworene konnte dieser Aufwand von Gelehrsamkeit nicht wirken. Was sollte ihnen die durchgeführte Theorie von der Mislichkeit eines nur auf Indicien beruhenden Beweises, wenn sie nämlich von des Angeklagten Schuld überzeugt waren! So spricht nicht das tief durch die Anschuldigung gekränkte Gefühl, so nicht die edle Entrüstung, so weder die stoische noch die christliche Ergebung.
Die Geschworenen sprachen nach kurzem Besinnen das Schuldig aus.
Wie ein anderes Gericht geurtheilt hätte, läßt sich schwer bestimmen, da die Acten so mangelhaft in unserm Sinne vorliegen. Die Geschworenen wußten Vieles, was wir nur errathen können. Der Thatbestand des Verbrechens ist nach unsern Begriffen nicht erwiesen. Wenn man auch annehmen darf, daß der zugezogene Wundarzt darüber ein genügendes Gutachten abgegeben hat, daß der aufgefundene Leichnam nicht aus der Vorzeit dagelegen, sondern von einem jüngst gestorbenen oder gemordeten Manne hergerührt, so ist doch die Identität dieses Gerippes mit dem verschwundenen Daniel Clark durch nichts darzuthun versucht. Die Thatsache, daß dieser Daniel Clark wirklich ermordet worden, beruht nur auf der Vermuthung, die aus seinem Verschwinden hergeleitet wird, auf der Aussage eines dringend der That verdächtigen Mitschuldigen und auf der doppelt zweifelhaften des Angeschuldigten selbst, der ihn will gesehen haben in die Höhle gehen und nach einigem Lärmen drinnen nicht wieder herauskommen.
Ebenso wenig Licht ist, nach dem Bisherigen, über die Motive der That da; wogegen die wichtige Frage: ob Eugen Aram ein Mann gewesen, zu dem inan sich einer bösen That versehen könne, nach dem Ermittelten und Zugestandenen zu bejahen wäre. Auch seine eigene Verteidigung, in der er sich auf Sinn und Geist in seinem ganzen Lebenswandel beruft, würde uns darin nicht irre machen, da er eben so kurz über diesen wichtigen Punkt fortgeht, als er mit weitschweifiger Gelehrsamkeit bei unwichtigem Nebenpunkten verweilt. Ja diese Vertheidigung selbst in ihrer zierlichen, kalten Künstlichkeit ist ein moralisches Indicium mehr, daß dieser Mann die That verübt haben konnte.
Die Jury hatte kein ungerechtes Urtheil gesprochen. Eugen Aram hörte es mit dem Stoicismus an, welchen er durch den ganzen Proceß zur Schau getragen hatte. Am Morgen nach seiner Verurtheilung bekannte er auch ausdrücklich gegen zwei Geistliche: daß er gerecht verurtheilt sei. Er habe wirklich den Daniel Clark ermordet. Als einer der Geistlichen ihn fragte: welche Motive er zu der abscheulichen That gehabt? antwortete er: er hätte Clark in Verdacht gehabt, daß er mit seiner Frau in unerlaubtem Umgange lebe. Zur Zeit des Mordes sei er der Überzeugung gewesen, daß er recht gehandelt. Seitdem sei er zur Erkenntniß seines Unrechts gekommen. War Eifersucht wirklich die Hauptursache oder im Spiele, Jo sprachen doch viele Umstände dafür, daß der Mord zugleich in eigennütziger Absicht von ihm begangen wurde; denn in einem Resumé des berühmten Protestes heißt es: Allem Anschein nach bemächtigte sich Eugen Aram des Clark'schen Vermögens, welches er von seiner Frau erhalten, im Betrage von ungefähr 160 Pf. Sterl., ohne daß uns darüber ein näherer Nachweis gegeben wird. Smollet, welcher in seiner Geschichte von England diesem Processe untern Jahre 1759 ein Capitel widmet, sagt noch bestimmter: Eugen Aram habe mit Houseman den Daniel Clark überredet, sich jene Kostbarkeiten von verschiedene« Personen unter falschen Vorwänden zu borgen, um sich dann mit der Beute auf und davon zu machen. Nachdem er nun den Sack damit gefüllt, sei er mit seinen beiden treulosen Gefährten in der Nacht entwichen, die ihn dann unterwegs niederschlugen, seines Gutes sich bemächtigten und ihn verscharrten. Welches dieser beiden Motive auch das vorwaltende gewesen, so ergibt sich doch so viel daraus, daß jenes Motiv, welches Bulwer der That unterlegt, wol im Gebiete der Möglichkeit liegt, vom Dichter aber erst zur ausgesprochenen Existenz gehoben ist. Um dieser Geltung willen haben wir den englischen Eugen Aram dem deutschen Tinius an die Seite gestellt. Auch bei diesem Letztem erscheint die Bibliomanie als Motiv des Mordes mehr im allgemeinen Glauben, als daß sie actenmäßig dargethan und im Urtheil ausgesprochen wäre.
Von Eugen Aram's Ruhe, ja wie er mit einer Art ironischer Stimmung seine Sache betrachtete, zeugt eine Frage, die er nach jenem Geständnisse an einen der beiden Geistlichen richtete: »Aber, ich bitte, sagen Sie mir, was wurde denn aus Clark's Leichnam, wenn Houseman, wie er vor Gericht beschworen, gleich nachdem er ihn fallen sah, nach Hause lief?« – Der Geistliche erwiderte: »Ich will Ihnen genau angeben, was damit wurde. Sie und Houseman schleppten ihn in die Höhle, zogen ihn nackend aus und begruben ihn dort. Seine Kleider nahmen Sie mit nach Hause und verbrannten sie.« – Eugen Aram räumte es ein. Man fragte ihn hierauf: ob Houseman nicht ernstlich in ihn gedrungen wäre, seine Frau zu ermorden, aus Furcht, daß sie die Sache verrathen könne? Hastig antwortete er: »So ist es! Er drängte mich mehrmals dazu.«
Ob Henry Tarey an dem Verbrechen Theil genommen, oder nur eine von Aram vorgeschobene Person gewesen, um den Verdacht abzulenken, den Richter falsch zu führen und die Untersuchung hinzuziehen, wird uns nicht berichtet. Er verschwindet aus dem Proceß.
Smollet berichtet uns noch, daß Eugen Aram, als er seine Sache verloren sah, sich »in pathetischen Ausdrücken« der Gnade des Königs empfohlen habe. Sie ward ihm nicht gewährt. Aber der Historiker wirft hier Worte hin, welche das Bild des gemeinen Raubmörders, wie wir denselben bisher kennen gelernt, mit dem Bilde in einige Verwandtschaft bringen, welches der Dichter von ihm entworfen hat: »Wenn jemals ein Mord auf Gnade Anspruch hatte, sagt er, so würde sie vielleicht auf diesen Mann nicht unpassend angewendet gewesen sein, ein Mann, dessen fruchtbarer Genius sie durch Werke von allgemeiner Nützlichkeit gerechtfertigt hatte. Eugen Aram hatte, trotz aller Misgunst, welche immer die niedere Geburt und beschränkte Verhältnisse begleiten, durch seine große Fähigkeit und seinen unermüdlichen Geist, beträchtliche Fortschritte in der Mathematik und Philosophie gemacht. Er hatte alle alte und neue Sprachen studirt und sie sich angeeignet und schon einen Theil eines celtischen Dictionairs entworfen, welches, wenn er lange genug gelebt, um es zu vollenden, ein wesentliches Licht auf den Ursprung und die Dunkelheiten der europäischen Urgeschichte würde geworfen haben.«
An jenem Morgen nach der Verurteilung hatte Aram den beiden Geistlichen das Versprechen gethan, am Tage seiner Hinrichtung ein vollständiges Bekenntniß abzulegen. Und wie viel in dieser rätselhaften Geschichte war noch aus dem Dunkel an das Licht zu ziehen! Noch fehlte nicht allein eine Erzählung von der That selbst, sondern die ganze Vorgeschichte, wie eine solche That möglich war. Aber die Erwartungen wurden getäuscht, indem Aram in der Nacht vor seiner Hinrichtung einen Versuch machte, sich umzubringen.
Er lag, als zum Tode Verurteilter, in Eisen. Am Morgen vor der Hinrichtung hieß man ihn aufstehen, damit man ihm die Eisen abnehme. Er aber wollte nicht aufstehen, indem er vorgab, er wäre sehr schwach. Man untersuchte ihn und sein Arm war blutig. Schnell ward ein Wundarzt herbeigerufen, und es ergab sich, daß er den Versuch gemacht, die Adern an zwei Stellen des linken Armes mit einem Rasirmesser sich zu lösen. Doch war es ihm nicht vollständig gelungen, indem er, wahrscheinlich durch die Eisen gehindert, die Arterie nicht getroffen hatte. Das Messer hatte er an einem Orte zu verstecken gewußt, den die Engländer the condemned hole nennen.
Indessen wandte man grausamer Weise schnell alle Mittel an, den Blutverlust zu stillen und ihn wieder so weit herzustellen, daß er, ohne Gefahr unterweges zu sterben, den Weg zum Hochgericht geführt werden konnte. Auf die Frage: ob er noch etwas zu sagen habe, antwortete er, mit schwacher Stimme: Nein. Man hing einen Sterbenden auf.
Auf dem Tische in seiner Kammer hatte man am Morgen folgende Zeilen gefunden, in denen er die Gründe für seinen versuchten Selbstmord ausgeschrieben:
»Was bin ich besser als meine Väter? Zu sterben ist Sache der Natur und der Nothwendigkeit. Am Vollgefühl der letztern, fürchte ich nicht mehr zu sterben, als ich gefürchtet habe, geboren zu werden. Aber in der Art des Sterbens sollte, nach meinem Dafürhalten, etwas Würdiges und Männliches gesucht werden. Mich dünkt; ich habe diese beiden Punkte wohl ins Auge gefaßt. Gewiß hat Niemand ein besseres Recht, über eines Menschen Leben zu schalten, als der Mensch selbst. Er und nicht Andere sollten entscheiden, wie? Welche Schmach man auch meinem Körper anthun möge, wie ehrenrührig man auch über meinen Glauben und meine Moralität denken möge, das sind für mich gleichgültige Dinge; wie sie das auch bei meinen Lebzeiten für mich waren. Ich denke, wenn dies gleich dem gewöhnlichen Gedankenwege entgegen ist, daß ich Niemand dadurch kränke und hoffe, daß es kein Verbrechen ist gegen das ewige Wesen, welches mich und die Welt schuf. Und da ich also Niemand dadurch beleidige, so kann auch vernünftiger Weise Niemand dadurch sich beleidigt fühlen. Inbrünstig empfehle ich mich dem ewigen und allmächtigen Wesen, dem Gott der Natur, wenn ich dadurch sündige. Aber vielleicht ist es keine Sünde, und die That wird mir nicht zugerechnet werden. Obgleich ich jetzt befleckt bin durch Uebelwollen, und unter dem Vorurtheil der Menschen gelitten habe, so hoffe ich doch makellos und schön wieder aufzustehen. Mein Leben war nicht befleckt, meine Sittlichkeit traf kein Tadel und meine Ansichten waren orthodox (?).
»Ich schlief ruhig bis 3 Uhr Morgens, dann erwachte ich und schreibe diese Zeilen:
Komm, süße Ruhe, ew'ger Schlummer, falle
Auf meine Augen, wie du einst dich senkst auf alle.
Gefaßt tritt meine Seele an die Reise;
Die Schuld schläft still, das Herz schlägt sanft und leise.
Leb wohl, o Sonne, klar wie sie steig aus den Fluthen!
Lebt wohl, ihr Freunde, all ihr Edlen, Guten!«
Man glaubt, Eugen Aram habe diese Verse gedichtet kurz vorher, ehe er sich mit dem Rasirmesser in den Arm schnitt.
Sein Leichnam ward nach der Execution nach Knaresborough gebracht. Dem Urtheil gemäß ward er an der Stelle, wo der Mord vollbracht war, in dem sogenannten Knaresboroughwalde, in Ketten aufgehängt.