Willibald Alexis
Isegrimm
Willibald Alexis

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Zwölftes Kapitel.

Der Ball muß sein.

Ganz ein Paradies war Nauwalk nicht; schon um deswillen nicht, weil es immer schneite und regnete. Auch sollen im Paradies lauter Zufriedene wohnen; in Nauwalk gab es auch Unzufriedene.

Madame Rothenmeier vom Deutschen Haus und der Wirt von der Goldenen Gans lagen sich noch immer in den Haaren, wer das Traktament beim Ball ausrichten solle. Kamen sie beim Bürgermeister mit ihren Klagen, so klagte er ihnen wieder. Er wußte ja nicht, wo ihm der Kopf stand vor lauter Beschwerden und Drohungen wegen Vieh und Menschen. Mehr Quartiere, bessere Quartiere, mehr Ställe, bessere Ställe, mehr Essen, besseres Essen, besseres Bier, anderen Hafer, trockenes Heu sollte er diesen schaffen; für jene weniger Einquartierung und mehr Zufriedenheit, nämlich der Einquartierten, mit Stroh und Bett, mit Brot und Bier, mit Hafer und Streu. Zwischen der Scylla: mehr für die Einquartierung! und der Charybdis: weniger Einquartierung! schiffte der Unglückliche steuerlos umher.

Dort rasselnde Säbel, klirrende Sporentritte, hier das Geheul der Weiber, Verwünschungen auf seinen Kopf, und er sollte noch an einen Ball denken! Aber der Gedanke entging ihm nicht, er verfolgte ihn bis in sein Haus. Hatte sich endlich der geplagte Mann ins Kabinett verschlossen und auf den Sorgenstuhl geworfen, fing unter seinem Fenster die Janitscharenmusik an. Es flötete, schmetterte, dröhnte, klingelte und paukte, trotz des Schnees war der Markt gedrängt voll, sie rissen trotz der Nässe die Fenster auf, und alle waren in der Stadt glücklich, nur ihr Bürgermeister trug doppelt und dreifach ihre Sorgen.

Und wenn dann die Melodien auch um seine heiße Stirn ihren Zauber zu spielen anfingen und seine Augen sich senkten, war durch die Tapetentür die Frau Bürgermeisterin eingetreten und stand vor ihm und wischte an dem nassen Auge. »'s ist doch auch um Deiner Töchter willen,« sagte sie. »Ich habe ihnen doch gesagt, daß es wird! Willst Du Deine eigene Frau vor Deinen Kindern blamieren?«

Da schwieg er noch und holte aus der Brust einen tiefen Seufzer, der aber über die Lippen wie eine Art Pfiff kam, der bedeuten konnte: »Darum scher' ich mich auch viel!« – Wenn sie aber den anderen Ton anschlug: »Die Frau Generalin hat mich gestern abend wieder gefragt: Na, wie wird's denn mit dem Ball? Und die gnädige Komteß sind heut früh zum Herrn Receveur-General gefahren, und als sie zurückkamen und die Treppe heraufsprangen, sagten sie recht neckisch: Nun, liebe Madame Schulz, der Receveur freut sich, mit Ihnen die erste Polonaise zu tanzen. Ich sage Dir, wir blamieren uns! Wir blamieren uns in den Tod. Das gereicht der Stadt zum Schaden. So was vergessen sie nicht.«

Wenn die Frau Bürgermeisterin den Ton anschlug, sprang der Bürgermeister auf, zerknitterte das Aktenstück, das er in der Hand hielt, und warf es auf die Erde: »Die Stadt, die Stadt hat damit nichts zu schaffen; die Stadt hat mehr zu geben als Bälle.«

Dann wurde repliziert: der Kämmerer und der Syndikus und die Ratsherren haben ganz laut davon gesprochen, und man mache sich vor sich selbst zum Narren, und warum wären denn die vielen adeligen Herrschaften vom Lande in Nauwalk?

Darauf erklärte der Bürgermeister: so könnten die adligen Herrschaften den Ball selbst geben, wenn's ihnen gefällig; den Ratssaal würde der Magistrat ihnen nicht abschlagen.

»Und solche Schande will die Stadt auf sich laden?«

Der Bürgermeister erwiderte dann, die Stadt tanze nicht. – Da war man zum eigentlichen Punkt des Streites gekommen: wenn der Landadel in Nauwalk einen Ball gab, liebten es die Herrschaften, unter sich zu bleiben; die Bürgertöchter wurden nicht eingeladen. Für einen derartigen Ball führte die Frau Bürgermeisterin nicht das Wort, sondern für einen Reunionsball, einen, wo alle Stände gleich wären – natürlich nur die Honoratioren – einen Ball der Versöhnung und allgemeinen Brüderlichkeit und des Friedens.

»Und es wird kein Friede,« trumpfte heut der Bürgermeister. »Die Unterhandlungen haben sich zerschlagen, der Krieg geht fort. Deshalb, daß Du es weißt, halten die Herren es jetzt für unpatriotisch, mit den Franzosen zu tanzen –«

»Die Herren sollen ja auch nicht mit ihnen tanzen,« fiel die Bürgermeisterin ein. »Die Komteß Elwire, die fragt den Geier nach, ob's Feinde sind, wenn's gute Tänzer sind. Und was sagte neulich die Frau Generalin, die wir uns alle könnten zum Muster nehmen: wenn die Militärs Krieg führen, so müssen die Zivilisten sich vertragen, und wenn die Männer toll sind, müssen die Frauen sie beim Kopfe kriegen und zur Vernunft bringen. Artigkeit und Galanterie, die muß man auch im Kriege nicht vergessen; denn wir sind nicht bissige Tiere, sondern für die gute Sache; nämlich die Liebe und Freundschaft, die wir den Franzosen zeigen, da streuen wir feurige Kohlen auf ihr Haupt, und sie lassen es unseren Leuten auch wieder entgelten. So muß man rechnen.«

Sie ward in ihrer Berechnung durch die Anmeldung eines vornehmen Besuches unterbrochen. Vor dem Herrn Hofmarschall aus Quilitz mußte die Bürgermeisterin sich zurückziehen, was sie unter vielen Knicksen und der Erkundigung nach dem Wohlergehen der werten Familie des gnädigen Herrn tat, ohne zu ahnen, daß der vornehme Besucher in ihrem Interesse kam und es besser durch Gründe, als sie mit der Zunge durchzuführen wußte.

Nach einem längeren Diskurs schloß der Hofmarschall:

»Alle Verhältnisse sind umgestoßen, mein werter Freund, alle Begriffe haben ihre Prinzipien verloren. Wir stehen vor einer neuen Welt und wissen nicht, was da aufgeschlossen wird. Wo der Kompaß verloren ging, oder besser der Nordpol sich verrückt hat, muß der Schiffer nicht eigensinnig sein. Weiß er, ob der Hafen, nach dem er steuert, nicht schon im Erdbeben unterging? Laviert, laviert, und das lecke Fahrzeug in den ersten Nothafen getrieben!«

»Wie würde man nach dem Frieden seitens unserer Regierung dies Festin in der Stadt vermerken.«

»Wenn aber unsere Provinz in dem Frieden dem französischen Kaiser abgetreten würde, wie würde die gute Stadt einen recht hübschen Stein im Brette bei der neuen Regierung gewinnen, wenn sie die erste war, die ihr gehuldigt hat.«

Der Bürgermeister war erschrocken. Er hoffte, so arg würde es nicht kommen. Das schiene ihm ein Lotteriespiel. Der Herr von Quilitz nickte bedeutsam.

»Und ist es denn etwas anderes? Wer nicht einsetzt, gewinnt nicht. Nur setzt ein kluger Mann nicht alles auf eine Nummer.«

Der Bürgermeister warf etwas hin vom heißgeliebten Vaterlande und den blutigen Tränen der Patrioten.

»Auch ein schöner Begriff!« seufzte der Hofmarschall. »Aber wenn er nun einmal aufhörte! Sie sind ein Philosoph, Herr Bürgermeister.«

»Einem Vaterlande muß doch jeder Staatsbürger angehören.«

»Ich meine auch nicht, daß wir Zigeuner werden sollen. Aber das Vaterland kann größer werden; es kann die ganze kultivierte Welt umfassen. Wenn nun dieses Genie die Destinée hätte, sie zu erobern, aus Europa einen großen Staat, wenn Sie wollen, ein großes Vaterland zu machen!«

Der Seufzer und die abwehrende Handbewegung des Bürgermeisters schien zu sagen: »Wie soll ich geplagter Mann an eine Universalmonarchie denken, wo ich nicht Platz finde für meine Einquartierung.«

»Ce ne sont que des fantaisies! Sie haben recht! – Recht und unrecht, lieber Herr Schulze. Bei Dingen, die uns über den Kopf wachsen, müssen wir uns ans Nächste halten. Zum Exempel, was wird aus den armen Offizieren, die aufs Bettelbrot angewiesen sind? Wovon sollen sie leben, wenn der Staat sie nicht wieder anstellt?«

»Das muß und wird Seine Majestät tun. Die für ihn geblutet, kann er nicht dem Elend überlassen.«

»Muß und wird! schöne Worte! Wenn er aber nichts hat? Die Hälfte seiner Länder muß er dem Sieger abtreten. Darauf müssen wir uns gefaßt machen, wenn es noch dabei bleibt. Nun frage ich Sie, wird, kann, darf er alle Notleidenden und Brotlosen aus der verlorenen Hälfte in die gerettete nehmen, und darf er sie mit dem füttern, was kaum für die Geretteten ausreicht?«

Die Abschweifung vom Thema hatte ihre bestimmte Absicht. Nebenher geschah es, um eine gelegentliche Erkundigung über den Kornett einzuziehen, der seiner Familie so viel Sorge machte. Der Edelmann warf hin, daß der junge Mensch ja bis über die Ohren in eine junge Französin verliebt sein solle, und man spreche sogar, daß er, um sie zu gewinnen, in französische Dienste treten wolle.

»Er wird doch nicht seiner Familie die Schande machen!« rief der Bürgermeister.

»Wenn man hungert und verliebt ist, fragt man viel nach der Familie!«

»Die würdigen Herrschaften von Ilitz! Ich hielte es für ein wahres Unglück.«

»Wenn eine reiche Französin den Burschen nehmen will! Liebster, bester Bürgermeister, man muß in Nauwalk nicht antediluvianisch denken. Ich hielt es nur für ein Unglück, wenn sie ihn am Narrenseil führte.«

Dies veranlaßte den Bürgermeister, über das anstößige Betragen der jungen Leute, ihr Trinken und Singen im Ratskeller, ihre Cortegen hinter der französischen Gräfin, sich zu beklagen. Wenn er nicht den Stand und die Verwandtschaft der jungen Wüstlinge bedächte, wäre er genötigt, als Sittenwart der Stadt, dagegen einzuschreiten. So etwas muß zur Kalamität der Zeit noch hinzutreten! –

»Desperation, was will man von der Desperation!« war der einzige Trost und Rat des Edelmannes, und die einzige Frage: ob die jungen Leute Geld hätten, um ihre Tollheiten zu bezahlen?

Auf die Antwort hatte er schon nicht mehr gehört, als er anscheinend zu seinem Thema zurücksprang. »Alles das wird sich ja mit dem Ball ausgleichen und arrangieren lassen. Wie gesagt, liebster Bürgermeister, wir sind ganz d'accord, um den Ball kommen wir nicht herum, und Sie haben wieder ganz recht, es fragt sich nur über das Wie? Ich war ordentlich erschrocken über den Empfang beim Herrn Receveur. Wir glaubten doch genug eingeheizt zu haben und – wie kühl war er!«

Der Bürgermeister zuckte seufzend die Achsel. Er hatte ja schon gehört, daß der Receveur hier auf die Pferde des Hofmarschalls geblickt und sich gewundert, woher sich die schönen Exemplare in der Provinz erhalten hätten? »Der Herr Receveur steht nicht allein!«

»Aber, mein bester Freund, was ist es mit dem Intendanten? Da glaubte ich doch, hätten wir uns ganz verständigt. Einen Ehrenpokal oder so etwas von Service will er nicht. Gut! das sind die besten, die geradaus sagen, in welcher Münzsorte sie bezahlt sein wollen. Es kam nur noch darauf an, wie viel er fordere. Als ich aber bei meiner Visite als façon de parler ihm für den großen Dienst danken wollte, den sein hohes Gerechtigkeitsgefühl der Gegend erwiesen –«

»Der Oberst d'Espignac ließ die Marodeure erschießen,« unterbrach ihn der Bürgermeister.

»Das wußte ich so gut wie er; aber warum kam er meiner Intention nicht entgegen! Was pustete er sich auf wie ein Puterhahn, sprach von freundlichen Gesichtern von außen, aber im Innern stecke Verschmitztheit und Betrug. Ich fange vom Ball an, wie ich mich freute, daß dies das Mittel werde, um so manche Vorurteile und Mißverständnisse zu beseitigen, um uns ganz kennen zu lernen. Da fährt er heraus: Das halten Sie wohl für die billigste Weise, uns abzufinden! – Ich gestehe Ihnen, ich war frappiert, aber gut – so wird er doch mit seiner Forderung endlich herausrücken. Ich ergreife seine Hand, beteure, daß uns das nicht in den Sinn kommt, der Ball sei nur eine Ostentation, und nun möge er seine Bedingungen nennen. – Da fährt er auf, sieht mich an, spricht von impertinent und cholant und läuft, allerlei Tolles, Unverständliches sprechend, im Zimmer auf und ab, daß man's im Bureau nebenan hören muß. Poltert dann los, die Kreuz und Quer: der Kaiser sei viel zu gut gegen die Preußen; wir wüßten seine Güte nicht zu schätzen. In Berlin, auf dem Lande, überall konspiriere man noch immer mit der gewesenen Regierung. Ob man denn glaube daß ihre Geduld unerschöpflich sei! Er ließ mich nicht zu Worte kommen. Da erfuhr ich denn auch, daß unser Kornett wirklich davon gesprochen, in französische Dienste zu treten, daß Muhmen und Basen darüber ein Geschrei erhoben, als wenn er zur Hölle fahre. Ob das nicht Insulten wären gegen die große Nation! Aber ginge es nach ihm, würde er füselieren lassen, nicht solche armen Schlucker, die einmal in einem Hause geplündert und geküßt, sondern die Verräter an seinem Kaiser, solche versessene Bürger und Edelleute, die, süße Worte auf den Lippen, im Herzen Gift kochten. – Ich gestehe Ihnen, lieber Schulze, ich verlor die Contenance. Was er wollte, weiß ich – Geld, und viel Geld! Aber warum das auf diese Weise, und noch dazu, wenn man schon den Geldbeutel in der Tasche aufzieht.«

Man soll nie die Contenance verlieren, am wenigsten darf es ein vornehmer Mann, der seine Superiorität gegen einen niedriger Gestellten bewahren will. Was das Herz drückt, nicht auf der Zunge behalten können, ist das Patrimonien der Gemütsmenschen, und wird der Köder, womit die Klugen sie fangen.

Auf den Lippen des Bürgermeisters schwebte ein Lächeln, das empfindlichste für den Mann, der seine Superiorität zu bewahren ängstlich bestrebt ist, das Lächeln des Besserwissens.

»Wenn man es im Bureau hören konnte, so ward vom Herrn Intendanten wahrscheinlich für das Bureau gepoltert.«

»Aber ein französisches Bureau ist ja –«

»Ein Personal von Dienstboten, die für ihren Chef horchen, sprechen, schreiben und solche Geschenke empfangen, nach denen er ehrenhalber nicht selbst die Hand ausstrecken darf. Aber es können auch Horcher im Bureau sein, Spione für einen höheren Chef. Was der Intendant vor dem Bureau sprach, war wahrscheinlich für den Colonel d'Espignac gesprochen.«

»Wer ist der Colonel?«

Was der Bürgermeister dem Edelmanne mitteilen konnte, war mehr geeignet, seine Neugier zu reizen und seine Besorgnis zu steigern, als jene zu befriedigen. Seit der Colonel mit seinen Kürassieren eingerückt, waren der Receveur-General und der Intendant nicht mehr die ersten Autoritäten. Wie es zwischen Militär- und Zivilbehörden zu gehen pflegt, die sich nicht gerade subordiniert sind, es war eine unangenehme Rivalität eingetreten, jeder paßte den andern auf den Dienst, und es waren schon viele Mißhelligkeiten zu Tage gekommen.

Der Hofmarschall kniff die Lippen.

»O weh, der will auch ein Geschenk. Das wird eine teure Geschichte. Aber coute que coute, die Pferde müssen wir retten!«

Der Bürgermeister schüttelte den Kopf; es war wieder ein unangenehmes Lächeln des Besserwissens in seinem Blicke.

»Wie! Sie glauben nicht, daß er Geschenke nimmt?«

»Er soll von Familie sein.«

»Alle Franzosen nehmen Geld. Wozu wären sie hier?«

Was der Bürgermeister über den Kürassier-Obristen dem Edelmanne mitteilen konnte, schien nicht geneigt, ihn heiterer zu stimmen.

Ein stolzer Mann, der sich rar macht, abgezeichneter Kavallerist und militärischer Kommandeur, pünktlich im Dienst, streng gegen alle Exzesse, gelte er doch eben für keinen guten Zeltkameraden, hatten andere Offiziere angedeutet; er wisse sich etwas auf seine Art und sein Wissen, denn er studiere viel. In seinem Zimmer sähe man seltene Bücher; auch schwebe etwas Eigenes, um nicht Geheimnisvolles zu sagen, um seine Person. Möglich, daß dies auch der Grund sei, weshalb man ihn in der Arrieregarde belasse, da seine Verdienste in Italien und den Alpen ihm wohl einen Anspruch gäben, auch in diesem Feldzuge voran zu sein.

Seine Höflichkeit und sein verbindliches Wesen atme doch einen andere beleidigenden Stolze und das Bewußtsein: ich bin besser und feiner als Ihr, scheuche selbst die zurück, welche sich selbst für fein und gut hielten. Die Bürger könnten nicht über ihn klagen, ohne sich zu ihm hingezogen zu fühlen. Dagegen sei er chevaleresk gegen die Damen und ein Amateur schöner Pferde.

Der Receveur hatte dem Bürgermeister andeuten lassen: wenn der Colonel auf die Pferdelieferung zukomme, so möchten sich die Pferdebesitzer auf ein Skrutinium gefaßt machen, daß ihnen Hören und Sehen verginge.

Wider Erwarten sprang der Hofmarschall vergnügt auf und ergriff den Hut.

»Vortrefflich! Chevaleresk und Amateur von Damen und Pferden. Da kommen wir noch wohlfeiler fort. Der Ball wird nun eine Notwendigkeit. Keine Widerrede, liebster Schulze! Der Ball für den chevaleresken Franzosen; ein gutes Päckchen in barem Courant für Ihren Receveur, daß er uns das stecken ließ; ein Reitpferd, es muß aber leider ein gutes sein, für den Amateur Colonel; und für einen Bericht unter der Hand an unsere Behörden, der uns außer culpa stellt, lassen Sie mich sorgen.«

So scheinbar vergnügt der Hofmarschall ging, war er es doch in der Wirklichkeit so wenig als der Bürgermeister. Er hatte, was in ihm vorging, nicht zu verbergen gewußt, und je unruhiger er ward, um so mehr war von der Politur seiner vornehmen Haltung abgefallen. Unter anderen Umständen hätte der Herr von Quilitz es dem Bürgermeister nicht verziehen, daß ihm gerade vor ihm das passieren mußte. Ein Stolzer vergibt leichter dem, der ihn gekränkt hat, als dem, der Zeuge seiner Schwäche ward.

Die Tür öffnete sich, und durch die Ritze rief die Frau Bürgermeisterin:

»Aetsch, nun wird doch Ball!«

»Du lieber Gott,« rief Herr Schulze in seinem Sorgenstuhl, das Gesicht in die Hände gedrückt, »wofür leben wir denn! In der Schule, auf der Universität, was pfropfen wir uns ein von Begriffen und Ideen! Und wenn einer so glücklich oder so unglücklich ist, mit ans Ruder zu kommen, und man möchte die Ideen aufpacken! – Sorge und Not, Not und Sorge! Und was! Wenn's Vaterland nicht zu retten ging, retten wir doch vielleicht die Pferde. Und darum mit blutendem Herzen bei Pfeifen- und Beckenschallmusik in die Luft gesprungen!«


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