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Zur schönen Frühlingszeit brachte vor mehreren Jahren der Juwelier ein Ebenholzkästchen voll Kleinodien und mancherlei Geschmeide in den Palast, der jetzt nicht mehr auf dieser Erde weilenden Königin Therese. Sie betrachtete zuerst mehrere Ringe mit Smaragden, Saphiren und funkelnden Diamanten besetzt, worauf ein unscheinbarer Ring aus zwei mit einander verbundenen Goldkettchen ihre Aufmerksamkeit erregte. Dieser entlockte ihrem Auge eine stille Thräne, denn sie hatte einst einen gleichen von ihrer seligen Mutter erhalten und denselben nach langjährigem Tragen im Walde unter Haidekraut verloren, aber durch die Bemühungen eines treuen Dieners wieder erlangt. Nun wählte sie eine Vorstecknadel, welche eine kleine Weintraube von Crisopras vorstellte, um damit ihrer jüngsten Tochter eine Freude zu bereiten. Nachdem sie Alles besehen hatte, nahm sie einen vollständigen Schmuck von Johannisbeeren in Carniol, mit goldenen Blättern umringt, zur Hand und fand an demselben so großes Wohlgefallen, daß sie beschloß, ihn für sich selbst zu kaufen. Hierauf verließ sie mit ihren Töchtern den Palast, um zu Ehren der Geburtstags-Feier einer derselben eine fröhliche Spazierfahrt zu unternehmen. Sie kehrte in sehr heiterer Stimmung zurück und gewahrte eine Bittschrift, worauf das Wort »dringend« stand, die sie auch sogleich eröffnete.
Die schwer heimgesuchte Frau eines Nagelschmiedes goß vor der mildthätigen Landesmutter ihr bedrängtes Herz aus und entwarf in schlichter Weise die Schilderung ihres häuslichen Elendes. Ihr Mann war in Folge einer überstandenen Krankheit noch so schwach, daß er nicht einmal vermochte, die Speise zum Munde zu führen, geschweige sein Handwerk zu üben, und trotz des rührenden Fleißes ihres Gesellen, der ohne Lohn arbeitete, waren sie außer Stand gesetzt, den schuldigen Hauszins zu bezahlen, eine zweckmäßige Krankenkost zu bestreiten und die angeordneten Bäder in Partenkirchen zu gebrauchen.
In tiefes Nachdenken versunken, legte die Königin diese Schrift nieder, ein Seufzer über all' die Noth der Menschheit entstieg ihrer Brust und trübe Wolken legten sich auf die freundliche Stirne. Da fielen ihre Blicke auf den schönen Johannisbeerschmuck, dessen Kauf noch nicht abgeschlossen war. Sogleich erheiterte sich die Stirne, wie der von Wolken umlagerte Horizont, wenn die Sonne durchbricht und sie rief: »Mit dieser Summe ist all' dem Elend abgeholfen und diese Familie ihrer Bedrängniß entrissen.«
So versagte sich die Königin, aus Liebe zu den Armen, die Erfüllung ihres Wunsches und ließ denselben noch am selben Tage die ersehnte Hilfe zukommen. Als der König, ohne daß die Königin es ahnte, Kunde von diesem Vorfalle erhielt, kaufte er selbst den erwähnten Schmuck, um damit seine geliebte Gemahlin zu überraschen. Wie innig rührte diese zarte Aufmerksamkeit die gute Königin und zur Wonne des Wohlthuns gesellte sich nun diese neue Freude. Gott aber segnete die Liebesgabe und der Kranke genaß bei kräftiger Kost und der angewendeten Kur zu Partenkirchen, woselbst die Kurgäste eine Sammlung für den armen Mann veranstalteten, der später wieder den leichteren Theil seines Handwerks versehen konnte.
Nach einer Reihe von Jahren mußte die edle Königin beim Scheiden aus dieser Welt alle Erdenpracht und auch diesen Schmuck zurücklassen, um wohl jenseits einen unvergänglicheren, ungleich schöneren wieder zu finden.
Für ihre Tochter aber bleibt jener Schmuck ein kostbares, bedeutungsvolles Andenken. O, möge die gute Mutter im Herzen ihres Kindes lesen, wie innig sie denselben in Ehren hält, wie viel lieber sie ihre Diamanten und Smaragden hingeben würde, als sich von diesem Schmucke zu trennen, an den sich eine edle That der theuern Mutter und ein so schönes Vorbild für die hinterlassenen Kinder knüpft.