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V.
Halbblut-Königinnen

» Blood is thicker than water,« sagt ein englisches Sprichwort, dessen Wahrheit sich in mancherlei Fällen anwenden und variieren läßt. Daß Blut »ein ganz besonderer Saft« ist, hat uns auch schon Mephisto in Goethes Faust versichert, und die Geschichte aller Zeiten lehrt uns, wie das Blut fein unterschieden und in edles und gemeines Blut eingeteilt wurde, und allzeit galt der Unterschied von Vollblut, Halbblut und gewöhnlichem Blute als hochwichtig.

Wenn man nun einerseits behauptet, Blut wäre Blut und nur Erziehung und Gewohnheit wären entscheidend für die Durchführung der Rolle, die das Leben uns zu spielen aufgiebt, so kann das für bestimmte Kasten seine Richtigkeit haben und doch eine grundfalsche Annahme für andere sein. Blut ist Blut – gewiß, nur daß es verschiedene Sorten von Blut giebt, und daß es, wie Goethe sagt, eben ein so ganz besonderer Saft ist, anders als Wasser. Kein Mensch, und mag er noch so sehr das Gleichheitsprinzip verfolgen und anbeten, wird leugnen können, daß zwischen dem Vollblut, Halbblut, Blut und Nichtblut der Pferde ein Unterschied besteht, dessen Unkenntnis in der ganzen zivilisierten Welt als Ignoranz betrachtet werden würde – nun, was dem Pferde recht ist, wird doch wohl dem Menschen billig sein. Es ist nun einmal ein anderes Blut – thicker than water – – was in den Adern der Großen unserer Erde, unseren angestammten und regierenden Dynastien fließt und so oft auch – mit nur wenigen Ausnahmen – ein nicht Purpurgeborener versucht hat, den Purpur zu tragen, so hat es auch immer Momente in seiner Geschichte gegeben, die es klar bewiesen, »weß Geistes er ein Hauch war,« d.h. daß eben jenes ganz eigene Blut in seinen Adern nicht floß. Es hat mich immer gereizt, Spezialstudien zu machen; in meinen Mappen finden sich eine Reihe von Skizzen über dieses Thema, und ich habe mir zur Gruppe zusammengestellt daraus, was den Stoff zu dieser Skizze bildet, – diejenigen Königinnen, die, trotzdem sie nicht purpurgeboren waren, volle königliche Ehren genossen, durch deren immerhin stattliche Reihen es wehmütig klingt: › Blood is thicker than water.‹ – Das Wort: trotzdem sie nicht purpurgeboren – bezeichnet präzise genug, was und wen ich unter der Bezeichnung »Halbblutköniginnen« verstehe: die Gemahlinnen regierender Kaiser und Könige, die, obwohl dem Range ihres Gemahls oder dessen Stellung nicht ebenbürtig, dennoch den Thron mit ihm bestiegen und in vielen Fällen sogar gekrönt, volle königliche Ehren und königlichen Rang einnahmen. Ich bin mit meinen Studien über dieses Thema gar nicht so weit in der Geschichte zurückgegangen, um auch Beispiele anzuführen, wie die Kaiserin Theodora von Byzanz, die von der recht zweifelhaften Stellung einer öffentlichen Tänzerin zur gleichberechtigten Gemahlin Kaiser Justinians I. heraufrückte und die Beweise davon, daß ihr die erhabene Stellung als Kaiserin des oströmischen Reiches das Gehirn total verkehrte, bis auf unsere Tage frisch genug erhalten hat. In jenen Tagen waren die Begriffe über Ebenbürtigkeit noch nicht so geklärt und fixiert wie später, wo der »besondere Saft« auch seine besonderen Privilegien forderte, die sich später zur morganatischen, zur Ehe an die linke Hand zuspitzten, d. h. der nicht ebenbürtigen Ehegattin verboten, den Namen und Titel des Ehegatten zu tragen und die Kinder in den Rechten des Vaters nachfolgen zu lassen.

Diese letzteren Ehen bilden für sich eine ganze Litteratur in der Geschichte der Dynastieen, doch auch nicht ebenbürtige, aber als voll anerkannte Ehen weist die Geschichte durchaus nicht vereinzelt auf und aus eben diesen Fällen, deren Aufzählung zu weit führen würde, habe ich mir die mit der Königskrone geschmückten Frauen erwählt, welche, wenn auch meist aus dem edelsten Blut entsprossen, doch nur Unterthanen- oder Vasallentöchter waren, in deren Adern jener »ganz besondere Saft«, das Fürstenblut, nicht floß, das sich immer noch ganz eigen, ganz wunderbar unterschieden hat von dem Blute gewöhnlicher Sterblicher, das, wenn zu Unrecht vergossen, dreimal so laut zum Himmel schrie, das eben nun einmal » thicker is than water."

Aber noch etwas anderes spricht mit, was die von mir gemeinten, nicht in Purpur geborenen Königinnen zu Halbblutköniginnen macht; es ist in ihrer Geschichte immer zu finden, es zieht sich durch ihr Leben hindurch wie ein roter Faden, das ist und bleibt ein gewisses »Nichtanerkanntsein,« das sich hinter allen Wällen der von Jenen am strengsten beobachteten Etiquette verbirgt, eine Etiquette, die eine Vollblutkönigin, eine Purpurgeborene ungestraft von sich streifen darf, ohne sich und ihrem Range nur das geringste zu vergeben, dessen sich die Halbblutkönigin aber niemals entäußern darf, ohne schadenfrohe Augen auf sich gerichtet zu sehen, die mit ihrer stummen Sprache nur zu deutlich sagen: »Sie fällt aus der Rolle.« Freilich wohl, fällt sie niemals heraus, so wird die Mißgunst und der Neid auch sagen: »Sie will sich nicht bloßstellen,« aber das beweist eben auch nur wieder, daß das Halbblut auf dem Throne etwas anderes ist als das Vollblut. Die Geschichte weiß wohl von vielen Königinnen zu berichten, die ein Martyrium des Herzens, einen Kreuzweg zu gehen hatten auf ihrem hermelinverbrämten Lebenspfade, doch nur verschwindend wenig Beispiele wird sie haben, wo Königinnen, purpurgeborene Königinnen öffentlich mißhandelt wurden, ohne Ansehen ihres Ranges, aus der Machtvollkommenheit ihres eigenen Gatten, – diese Beispiele sind den Halbblutköniginnen zu liefern vorbehalten geblieben.

Der Begriff der Ebenbürtigkeit, also der Standesgleichheit ist in allen Ländern nicht der nämliche. In Deutschland und Österreich ist das Recht der Ebenbürtigkeit der deutschen, vormals reichsständischen Häuser mit den regierenden Fürstenhäuser seit 1815 durch Bundesakte geregelt – in diesem Sinne ein für allemal anerkannte Häuser giebt es in England, Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal, Italien, Holland, Rußland, Schweden und Dänemark nicht, jedoch herrscht in diesen Ländern ein den Begriff der Ebenbürtigkeit bedingender Grad von Standesvornehmheit, resp. werden die notwendigen Rechtsverhältnisse im gegebenen Falle durch besondere Gesetze reguliert. Auf dem Kaiserthron von Österreich und auf den Königsthronen von Preußen, Sachsen, Bayern und Württemberg finden wir keine Kaiserin resp. Königin, die nicht purpurgeboren gewesen wäre, in den österreichischen Erbländern jedoch, auf dem Throne von Böhmen finden wir eine Königin, der von ihrer Macht und Größe nichts an der Wiege gesungen worden war. Es ist dies die zweite Gemahlin von Georg Podiebrad, dem Hussitenkönige von Böhmen, der nach dem letzten Luxemburger, für den er schon als Reichsverweser fungiert, 1458 auf den verwaisten böhmischen Thron berufen wurde. Georg Podiebrad, Graf von Bernegg und Kunstadt, war in erster Ehe vermählt gewesen mit Kunigunde von Sternberg, die, nachdem sie ihm sechs Kinder geschenkt, am 19. November 1449 an der Schwindsucht starb, also von der dämmernden Größe ihres Gatten nichts mehr mitgenoß, sondern als die Gemahlin eines schlichten Edelmanns zu Grabe ging. 1450 vermählte sich Georg Podiebrad zum zweitenmale mit Johanna von Rosenthal, oder wie die Familie ihren Namen gern czechisierte, von Roczmital, Tochter des Szmilo von Roczmital und dessen Ehefrau Theodora, geb. von Kolowrat. Diese wurde mit ihm am 7. Mai 1458 zu Prag als Königin von Böhmen gekrönt und wie sehr das böhmische Edelfräulein bemüht war, königliche Allüren und königlichen Jargon anzunehmen, davon zeugt heut noch manches Dokument, in welchem sie wie eine Selbstherrscherin paradiert, prunkhaft und voll gespreizter Würde. Das mag nachstehende Probe bezeugen:

»Wir, Johanna, von Gottes Gnaden, Königin in Böhmen, Markgräfin in Mähren, zu Lützenburg und Schlesien Woywodin, und Markgräfin zu Lausitz ... dem durchlauchtigsten Hinconi, Herzogen zu Münster, Grafen zu Glatz, Unserem lieben Sohne, und dem wohlgeborenen Löwe von Rosenthal, unserem lieben Bruder ... 1475, unseres Königreichs im achtzehnten Jahre.«

Unseres Königreiches im achtzehnten Jahre! Nun, nach dieser Probe zu urteilen, möchte die Annahme nicht ganz ungerechtfertigt sein, daß der kriegerische Hussitenkönig Georg Podiebrad daheim weniger König war, als seine Gemahlin. Und diese hochmütige Frau, die sich kühnlich »von Gottes Gnaden« nannte, mußte es erleben, daß der polnische Prinz Wladislav die Hand ihrer eigenen Tochter Ludmilla (späteren Herzogin von Liegnitz und Brieg) ablehnte, weil sie weder väterlicher-, noch mütterlicherseits aus fürstlichem Geblüt entsprossen gewesen. Johanna von Rosenthal starb am 12. November 1475, vier Jahre nach ihrem Gemahl, als dessen Witwe sie sich noch »von Gottes Gnaden Königin von Böhmen, unseres Königreichs im achtzehnten Jahre«, genannt!

Ihre Stieftochter, Katharina Podiebrad, war die erste Gemahlin von ihres Gemahls Nachfolger auf dem böhmischen Throne, Mathias Corvinus, Königs von Ungarn, starb aber schon 1464, kaum sechzehn Jahre alt, doch erst zwölf Jahre später führte der kühne Graf von Hunyady, der es verstanden hatte, zwei Königskronen sich aufs Haupt zu setzen, eine »Vollblutkönigin« heim – Beatrix von Neapel, König Ferdinand II. Tochter. Noch eine andere Tochter Georg Podiebrads vermählte sich als böhmische Prinzessin in ein Fürstenhaus, – es war Sidonie, die als Gemahlin Markgraf Albrechts des Beherzten von Sachsen die vielgepriesene Ahnfrau der königlichen (Albertinischen) Linie des Hauses Sachsen wurde.

Wenden wir uns bei unserem Rundgang um die europäischen Königs- und Kaiserhöfe nach Rußland, so finden wir, daß es bis zu Peter dem Großen, der sich zuerst Kaiser von Rußland nannte, üblich war, daß die Zaren sich Töchter ihres Landes zu Gemahlinnen wählten, eine durchaus orientalische Sitte, in der die Frage der Ebenbürtigkeit garnicht erörtert, überhaupt nicht zur Sprache kam. Wollte der Zar sich vermählen, so sandten die russischen Großen ihre Töchter nach der Hauptstadt zur Brautschau, – die Glückliche (?), die Gnade fand vor seinen Augen, wurde ihm vermählt und bezog ihren Konak zu fast klösterlicher, an den Harem gemahnender Zurückgezogenheit, die Nichtgewählten reisten wieder ab, oft mit recht gekränktem Stolze und bitterem Haß gegen die Bevorzugte im Herzen. Doch nicht immer wählten die Zaren auf diese Art, wir finden auch manche Ausnahme, zu denen zwei oder drei byzantinische Heiraten gehören, auch holten sich die Zaren Jaroslaw und Wladimir II. ihre Gemahlinnen aus Schweden, und Wsewold I. heiratete Oda, die Schwester des Erzbischofs Burkhardt von Trier. Auch wissen wir, daß Iwan IV., der Schreckliche, sich wiederholt um die Hand der Königin Elisabeth Tudor von England bewarb, freilich ohne Erfolg. Doch diese wenigen Ausnahmen scheinen nur eine Abweichung von der Regel gewesen zu sein, – die letzte Bojarentochter, die als Zaritza den russischen Kaiserthron teilte, war Peter des Großen erste Gemahlin, Eudoxia Lapouchin und es wäre niemandem eingefallen, sie als Halbblutkaiserin zu betrachten, denn was seit Jahrhunderten Brauch gewesen, das steht über allen Rechten der Ebenbürtigkeit, und der russische Zar sah eben seine Großen bis dahin als ebenbürtig an.

Peter der Große brach auch mit diesem alten Brauch, nachdem er die stolze, kalte Eudoxia verstoßen, d. h. gezwungen hatte, ins Kloster zu gehen, – ein in Rußland damals sehr beliebtes Mittel, um seine Frau mit »guter« Manier loszuwerden. Mit diesem Bruche altrussischer Sitte brachte Peter I. aber nicht etwa eine Tochter aus regierendem Hause auf den Thron, sondern die erste Halbblutkaiserin auf dem alten Zarenthrone, Martha Skawronski, das »Mädchen von Marienburg«, die unter dem Namen Katharina I. ihren Platz in der Geschichte behauptete und zwei Jahre nach dem Tode des großen Zaren noch Selbstherrscherin aller Reußen war. Katharina hat im Leben und nach dem Tode ihr Halbblut viel büßen müssen, denn der Klatsch, die Verleumdung, der Neid und die Mißgunst waren außerordentlich thätig, sie in jeder Beziehung zu verlästern. Meist mit Unrecht. Wahr ist, daß sie von obskurer, vielleicht sogar niedriger Geburt war, Lüge ist es aber sicherlich, daß sie mit einem Trompeter vermählt gewesen, dem Mentschikoff sie abgekauft, und was dergleichen Klatschgeschichten mehr sind. Sie ist in Mentschikoffs Haus auch nicht als Magd gewesen, wie viele wissen wollen, – als solche hätte der Zar sie wohl kaum dort zu Gesicht bekommen, und wenn auch, so wäre es ihm sicher nicht in den Sinn gekommen, sie zur Zarin zu machen. Nun existiert aber thatsächlich heut noch die umfangreiche Korrespondenz Peters des Großen mit seiner zweiten Gemahlin, ausgezeichnet durch einen launigen, ungemein gemütlichen Ton, und diese Korrespondenz beweist, daß Katharina an Bildung hoch über den Russinnen jener Zeit stand, wo selbst die Zarin zur Not nur ihren eigenen Namen malen konnte und Gedrucktes schlecht, Geschriebenes garnicht lesen konnte.

Daß eine Magd und Trompetersfrau den Bojarentöchtern soweit überlegen gewesen sein sollte, ist absolut nicht anzunehmen, vielmehr darf man behaupten, daß Katharina eine sorgfältige Erziehung genossen haben und in Mentschikoffs Hause in dessen eigenem, gewählten Kreise verkehrt haben muß, wo Peter sie sah, und das geistig rege, aufgeweckte, lebhafte Mädchen lieben lernte und in ihr das Ideal einer Gehilfin für seine hochfliegenden Pläne zur Kultur seines Reiches sah. Der bekannte Genealoge des vorigen Jahrhunderts, Hübner, der heute noch als verläßliche und oft zitierte Quelle gilt, meint Katharina sei die Witwe eines Obristlieutenants von Tiesenhausen gewesen. Auch diese Angabe bedarf noch der Bestätigung, – unwahrscheinlich ist sie nicht.) Nach den vorhandenen Daten der kaiserlichen Archive war sie neunzehn Jahre alt, als Zar Peter sich am 8. November 1707 heimlich mit ihr vermählte, ihre beiden sie allein überlebenden Töchter Anna (die Herzogin von Holstein-Gottorp, Peter III. Mutter) und die spätere Zarin Elisabeth wurden geboren, ehe Zar Peter seine Ehe am 6. März 1711 veröffentlichte und damit nicht nur sein Reich, sondern auch ganz Europa in Erstaunen versetzte, stellenweis »verschnupfte« und zu Nasenrümpfen veranlaßte. Doch Excentricitäten von Peter des Großen Seite waren in ganz Europa nichts Ungewohntes mehr, und man hatte sich auch damit abzufinden. Er machte mit seiner Zaritza Besuche an europäischen Höfen und kam auch mit ihr nach Berlin, und diesen Besuch hat die Markgräfin von Bayreuth, Friedrich des Großen Schwester, mit ihrer spitzesten Feder, getaucht in die galligste Tinte in ihren Memoiren beschrieben. »Wie eine zum Sonntag geputzte Köchin«, fand sie die Zaritza aussehend. Nun, wir wissen, daß die Markgräfin die böseste Zunge ihres Jahrhunderts war und dürfen auch diesen Ausspruch und die ganze, bis ins äußerste ins Lächerliche gezogene Beschreibung dreist soviel modifizieren, wie wir wollen. Katharina war ihres Gemahls beste Gefährtin, eine Freundin und Gehilfin, bei der er stets innigstes Verständnis fand, deren heiteres, stets gleichmäßig liebenswürdiges Gemüt ihn nach schwerer Arbeit und heißen Mühen erquickte und neu belebte. Und so sehr fand er sie Eins mit seinen Plänen, so sehr wußte er, daß sie genau sein Wollen verstand, daß er sie, – ein unerhörter Fall, – 1721 zur Kaiserin krönen und zu seiner Nachfolgerin ausrufen ließ; so sehr vertraute er ihr, die er in seinen Briefen gern »Katherinuschka, mein Freund« anredete, die Fortsetzung seines Kulturwerkes in Rußland an, daß er am 8. Februar 1725 beruhigt die Augen schloß, das ganze enorme Reich mit seinem Wohl und Wehe in die Hände seiner Frau legend, die nicht purpurgeboren war, wie er, die er aber oft als »Kind meines Herzens« seinem Geiste ebenbürtig bezeugte. So steht sie heute vor den Augen der Geschichte, – aber Halbblut, zu so hoher Stellung erhoben, darf nicht ungestraft bleiben, und so werden auch die vielen Klatschgeschichten über die heitere, mutige und liebenswürdige Zarin »Katherinuschka, mein Freund«, vielleicht auch heute noch mehr Gläubige finden, als die schlichte und doch so wohlthuende Wahrheit über diese vielgeschmähte Fürstin. Seit Katharina I. hat keine Halbblutkaiserin mehr den Thron Ruriks mit einem Zaren geteilt. In bestimmten Kreisen will man sicher wissen, daß ohne das schreckliche und unzeitige Ende Kaiser Alexander II., des Zar-Befreiers, wiederum eine Bojarentochter von russischem Blute Zaritza geworden wäre, – doch das ist eine Mär geblieben, deren etwaiger Ausgang die stille erhabene Gruft der Peter-Paulskathedrale zu Petersburg für immer mit einem tiefen Schleier, dem Schleier des Todes, verhüllt.

Polen, als nächster Nachbarstaat von Rußland, hat zwei nicht purpurgeborene Königinnen zu verzeichnen, die Gemahlinnen zweier Wahlkönige: Johanns III., Sobieskis, und Stanislaus I. Lesczinskis. Als der Großmarschall von Polen, der große Kriegsheld Johann, Fürst Sobieski 1674 zum Könige von Polen erwählt wurde, war er seit neun Jahren mit der Witwe des Grafen Johann Zamoyski, Marie Casimira von Arquien vermählt, – einer schönen und eleganten Französin aus großem Hause, die ihre Königswürde leicht und wie etwas ganz natürliches auf sich nahm und ihren Platz zweiundzwanzig Jahre lang mit Würde und Grazie ausfüllte. Die Gemahlin Stanislaus I., Lesczinski, Grafen von Leczno, der 1704 auf den Thron von Polen berufen wurde, war Katharina, Gräfin Opalinska, die sich ihm 1798, achtzehn Jahre alt, vermählte. Sie war eine schöne Frau, sehr religiös, aber wie es scheint, auch sehr hochmütig und sehr durchdrungen von der Höhe ihrer Königswürde, – was ihrem Gemahl an Charakterstärke abging, das besaß sie sicher, und so schmerzlich sie auch den Verlust des Königsthrones betrauerte, und so wenig ihr das abhängige Herzogtum von Frankreichs Gnaden zu Lothringen ein Ersatz sein konnte für die verlorene Königskrone, um so süßer war es, als Ludwig XV. ihre Tochter, die sanfte, anmutige Prinzessin Maria Lesczinska zur Königin von Frankreich machte, und die Mutter so ihren kurzen Königstraum in der Tochter noch einmal aufleben sehen konnte.

Im Norden weitergehend, finden wir in der Geschichte Schwedens mehrere Halbblutköniginnen. In älteren Zeiten war die Idee der Standesgleichheit in den schwedischen Königshäusern überhaupt nicht Hausgesetz, trotzdem finden wir aber verhältnismäßig wenig Töchter von Vasallen selbst unter den Skjoldunger Königen, und unter den Folkungern gar keine. Der Wahlkönig Karl VIII., Jarl Bonde, brachte mit sich eine Königin auf den Thron, die, wie er, dem Adel Schwedens entsprossen war: Brigitta Bjelke, die oft als Tochter des älteren Reichsverwesers Sten Sture bezeichnet wird, aber des Grafen Turo Bjelke Tochter war. Ob sie den ewigen Wechsel von ihres Gemahls Absetzungen und Restituierungen mit erlebt hat, ist nicht zu ersehen.

König Gustav I. Wasa war, als er den Thron von Schweden 1523 bestieg, und endlich 1528 nach vielerlei Drangsalen gekrönt wurde, unvermählt und heiratete erst 1531 eine deutsche Fürstin, Katharina von Sachsen-Lauenburg, Herzog Magnus I. Tochter, die aber schon 1535, zweiundzwanzig Jahre alt, starb. Im folgenden Jahre erkor sich Gustav I., weil er, wie einige Schriftsteller wissen wollen, an verschiedenen Höfen um eine zweite Gemahlin vergeblich angeklopft, die Tochter eines Unterthanen zur Königin, – Margaret Leholm, die Tochter seines getreuen Freundes, der mit ihm dem Stockholmer Blutbad entronnen war, Abraham Leholms, Grafen von Lejonufvad oder Löwenhaupt. Sie war damals verlobt gewesen mit Swanto Sture, dem späteren Reichsverweser, – doch die Königskrone lockte mehr als der Rang des Geliebten, und im Triumph zog sie als Königin ein in Stockholm, das sie sonst nur als schlichtes Edelfräulein betreten. Sie starb nach fünfzehn Jahren glücklicher Ehe, ihrem Gemahl acht Kinder hinterlassend. Die Töchter vermählten sich sämtlich an regierende Fürsten, von den Söhnen bestiegen zwei den Thron von Schweden nach ihrem Halbbruder König Erich XIV. Der nun einundsechzigjährige, wiederum verwitwete König sah sich indes abermals nach einer Gemahlin um, und fand sie wiederum im Kreise seiner Vasallen, und zwar in der jungen Tochter des Gouverneurs von Westgothland, Gustavs Steenbock, Grafen von Torpa und dessen Gemahlin Britta Löwenhaupt. Karin Steenbock muß sehr schön gewesen sein, aber auch ihr Herz war nicht mehr frei, als sie dem Könige 1552 zum Altare folgte, um Königin von Schweden zu werden, nicht aus eigenem Antriebe, sondern weil ihre Sippe sie zwang, dem alternden Könige die Hand zu reichen, um durch sie mächtig zu werden. Man erzählt noch heute, daß König Gustav gehört habe, wie seine junge Gemahlin im Traume geredet habe:

»König Gustav lieb' ich gewißlich sehr,
Doch Gustav Rosen lieb' ich noch viel, viel mehr!«

Das war wohl der vernichtende Reif auf den Johannistrieb im Herzen Gustav Wasas und der Grund seiner königlichen Ungnade, unter der jener Gustav Rosen viel gelitten haben soll. –

Karin von Schweden war mit fünfundzwanzig Jahren Witwe, – ihr schlimmer Stiefsohn aus ihres Gemahls erster Ehe, Erich XIV., folgte auf dem Throne. Durch die acht Jahre seiner Regierung zieht sich wie ein reißender Strom die Masse blauen und roten Blutes, das er vergossen, – es war heller Wahnsinn, reinster Verfolgungswahn, der ihn zwang, das Blut seiner Getreuen und Ungetreuen zu vergießen. Einsam, verdüstert, menschenscheu, mißtrauisch gegen jedermann, das war das Leben Erichs XIV., – Liebe fand er nur bei Einer, – das war Karin, die Tochter eines seiner unteren Diener; die Geschichte kennt nicht einmal den Vatersnamen dieses Mädchens, mit dem Erich XIV. sich, erbittert über das Fehlschlagen seiner Heiratsprojekte mit den Königinnen Elisabeth von England und Maria Stuart von Schottland, am 4. Juli 1568 vermählte und sie, die niedriggeborene Magd, zur Königin ausrufen ließ – aus dépit, aus Rache, aus Trotz gegen die Magnaten von Schweden, mit denen der König auf sehr gespanntem Fuße stand. Die Folge dieses Schrittes, der dem Faß den Boden ausstieß, war die Absetzung und Gefangennahme des Königs und der bescheidenen Königin, die nicht einmal Halbblut mit auf den Thron brachte; – ihm folgte sein Bruder Johann III. auf dem Throne. Neun Jahre noch lebte Erich XIV. in der Gefangenschaft, – ob ihn die »Königin Karin«, die zweite ihres Namens überlebt, und was aus ihr geworden, das verliert sich im Dunkel der Zeit und im Schoße der Sage, – selbst in ihrer Rumpelkammer hat die Geschichte keinen Platz mehr gehabt für diese Königin aus dem Volke.

Mit Johann III. bestieg nun eine Königstochter den schwedischen Thron: Catharina von Polen, die Tochter König Sigismunds und der Königin Bona von Mailand schlimmen Angedenkens. Doch als diese 1583 starb, erkor sich König Johann III. nach dem Vorbilde seines Vaters abermals eine Gemahlin aus dem Kreise des schwedischen Adels, eine Nichte der Königin Margaret Leholm: Gunilla, die Tochter des Grafen Axel Bjelke von Saalstadt und der Anna Leholm. Sie war damals etwa 25 Jahre alt und hat die Krone neben ihrem Gemahl sieben Jahre lang getragen. Sie starb nach kurzem Wittum 1598. Nuu haben nach ihr über 200 Jahre lang nur Königinnen aus fürstlichem Geblüt auf dem Throne von Schweden gesessen und erst 1818 kam mit dem 1810 von dem Könige Karl XIII. adoptierten General Karl Bernadotte, Fürsten von Poutecorvo, eine schlichte Bürgertochter auf den Thron von Schweden, Eugenie Desirée Clary, Tochter des Kaufmanns François Clary aus Marseille und dessen Gattin Françoise-Rose Somis, die 1798, siebzehn Jahre alt mit Charles Bernadotte, dem Sohne eines Advokaten vermählt wurde; der glänzende Ausgang ihres bescheideuen Daseins ist der anmutigen Desirée Clary sicher nicht an der Wiege gesungen worden, denn ihr Vaterhaus wird als sehr einfach geschildert. Als ihr Gemahl dann 1818 als König Karl XIV. den Thron von Schweden bestieg, und sie damit zur Königin machte, da ist es ihr schwer geworden, sich in die neuen Verhältnisse zu finden. Aber sie war eine Frau, die Kopf und Herz auf dem rechten Fleck hatte und was sie in Schweden als Andenken hinterlassen hat, ist Segen. Als ihr Gemahl, der König, 1844 starb, trat sie die Bürde ihrer Würde gern an ihre Schwiegertochter, Josephine von Leuchtenberg ab, und erst 1860 folgte sie ihm, fast achtzigjährig in das Grab, eine stille, allzeit bereite Wohlthäterin der Armen, schlicht und einfach bis an ihr Lebensende. Und da ihr Leben thatsächlich überreich an Müh und Arbeit war, so muß es nach dem Worte des Psalmisten auch »köstlich« gewesen sein. Die Welt hat von ihr nicht geredet, sie hat meines Wissens nur einen einzigen, aber warm beredten Biographen gefunden, aber die Gutthaten, die sie in ihrem langen Leben mit seinen seltsamen Wendepunkten gethan, sind unvergessen geblieben im Herzen ihres Volkes, und so wenig Desirée Clary von Schweden auch nach außen zu fesseln verstand, was in ihrem Herzen mit wohlthuender Wärme keimte und blühte, das welkt keine Zeit.

Auch auf dem englischen Throne finden wir eine ganze Reihe von Halbblutköniginnen, sämtlich dem englischen Adel entsprossen. Mit den Normannen beginnend, finden wir indessen nicht, daß es von Wilhelm dem Eroberer an Sitte war, daß die englischen Könige sich ihre Gemahlinnen aus den Kreisen ihrer Grafen Barone und Ritter wählten, – vierzehn Könige des Normannenstammes haben ohne Unterschied Prinzessinnen aus regierenden Häusern geheiratet. Erst König Heinrich IV. vermählte sich als Herzog von Lancaster, 1384, ehe er noch Aussicht hatte, den Thron zu erben, mit Lady Mary Bohun, der steinreichen Tochter des Grafen von Hereford, dessen Mutter eine englische Prinzessin war, und seiner Gemahlin, Lady Jane Fitz-Allen, der Tochter des Grafen Richard von Arundel. Aber die Herzogin von Lancaster starb schon 1394, und Heinrich IV. vermählte sich in der Folge mit Johanna von Navarra, die wir als »Hexenkönigin« in diesem Buche kennen lernen werden. Sein Urenkel, der Sohn Heinrich VI., Eduard, Prinz von Wales, folgte seiner Neigung und der Politik, als er sich mit Lady Anna Neville, der Tochter des Grafen von Warwick, des »Königsmachers«, vermählte, und ein rührenderes Bild als diese beiden holden Kinder von sechzehn und siebzehn Jahren in ihrem reinen, keuschen Glücke hat die Geschichte kaum aufzuweisen. Aber dieses Glück blühte im Kampfe zwischen der weißen und roten Rose, der Häuser Lancaster und Plantagenet, auf, und die Dornen dieser Bruderfehde standen ihnen zu nah, als daß sie nicht verwunden und töten mußten. Eduard Laucaster, der Prinz von Wales, fiel durch die mörderische Hand des buckligen Unholdes, des Herzogs von York, der als König Richard der III. dem englischen Thron einen so blutigen Flecken hinterließ, und kaum drei Jahre später zwang dieser die junge Witwe seines Opfers durch Gewalt, mit ihm vor den Traualtar zu treten. Mit Grauen im Herzen mußte sie thun, wogegen die ganze Natur sich sträubte, mit Abscheu und Todesangst lebte sie elf Jahre an seiner Seite dahin. Der Sohn, den sie ihm geboren, starb zehn Jahre alt, und nun warf der gekrönte Mörder seine Augen auf seines Bruders Tochter, die schöne Elisabeth von York, deren Brüder er so grausam ermorden ließ. Sie dünkte ihm in jeder Beziehung begehrenswert, und da er die Macht hatte, war ihm ja der Erfolg auch sicher. Nur ein Hindernis stand ihm im Wege, Anna Neville, seine Gemahlin. Und sie begann dahinzusiechen an einer zehrenden, rätselhaften Krankheit, und man hatte den Mut, ihr zu sagen, daß sie an dem Gifte stürbe, das Richard III. ihr beigebracht, heimtückisch, wie alles was er that, in diesem Falle aber noch besonders geheim, denn die Königin Anna war beliebt im Volke und sie offen umzubringen, nicht geraten. Verhaßt wie ihr das Leben war, erschreckte doch die Nachricht, daß sie eines unnatürlichen Todes sterben sollte, die Unglückliche entsetzlich, – sie eilte zu dem Könige, warf sich ihm zu Füßen und fragte nach der Wahrheit des schrecklichen Gerüchtes. Richard III. redete ihr die Furcht mit gleißnerischen Worten aus, und – sechs Wochen später, am 16. März 1485 war sie tot. Doch die Nemesis hatte ihre Hand schon auf das Scheusal Richard gelegt, – was er durch den Tod seiner Gemahlin erreichen wollte, verhinderte sein eigenes Ende, denn er fiel in der Schlacht bei Bosworth am 22. August desselben Jahres.

Die Vorgängerin der Königin Anna Neville auf dem Throne von England war wie sie selbst, nicht purpurgeboren, wenn auch durch ihre Mutter fürstliches Blut in ihren Adern floß. Jaqueline, die verwitwete Herzogin von Bedford, Heinrichs V. Schwägerin, eine geborene Prinzessin von Luxemburg, hatte sich in zweiter Ehe mit Richard Woodville, Grafen von Rivers, vermählt und besaß aus dieser Ehe eine Tochter, die wunderschöne, lichtblonde Lady Elisabeth, die als ein armes Ehrenfräulein der Königin Margarethe von Anjou sich mit dem reichen Sir John Grey vermählte. Dieser ließ sie bald als Witwe zurück mit drei jungen Söhnen, und als solche sah sie König Eduard IV. von England unter einer Eiche im Walde von Whittlebury nach einer Jagd, wo sie auf ihn wartete, um durch einen Fußfall für ihre Söhne die Herausgabe der konfiszierten väterlichen Güter zu erwirken. Dieser Fußfall hob die schöne junge Witwe zu ungeahnter Höhe, denn Eduards IV. Herz gehörte ihr mit leidenschaftlicher Hingabe von Stunde an, und sie wurde seine Gemahlin, – zunächst im geheimen, bald aber wurde die Vermählung publiziert. Nach neunzehnjähriger, glücklicher Ehe ließ der König die Frau seines Herzens als eine Witwe zurück, deren Kreuzweg bis zu ihrer Erlösung durch den Tod der Geschichte gehört. Die Mutter der ermordeten Söhne Eduards, – unter diesem Namen hat Elisabeth Woodville, die Königin von England, das Mitleid und die Sympathie aller Zeiten sich mehr erworben, als durch die Romantik ihres Herzensbundes mit dem Könige, und wohl hat der Poet Southey recht, wenn er von ihr singt:

»Thou, Elisabeth, art here, –
Thou, to whom all griefs were known;
Who wert placed upon the bier
In happier hour than on a throne."

Doch ein Glücksstrahl hat der Unglücklichen noch vor ihrem Tode geleuchtet, – das war die glückliche Ehe ihrer schönen und guten Tochter Elisabeth von York, der Erbin der weißen Rose, mit König Heinrich VII. Tudor von England.

Die vier Ehen, die König Heinrich VIII., der Blaubart auf dem Throne, Heinrichs VII. Sohn, mit Damen der englischen Aristokratie schloß, sind zu wohl bekannt, um näher beschrieben zu werden, wenn auch hier die Überlieferung oft anders lautet, als die geschichtliche Wahrheit. Lady Anna Boleyn, des Königs zweite Gemahlin, deren schöne Augen nicht nur des Königs Ehescheidung von der edlen Königin Katharina von Aragonien bewirkten, sondern auch die kirchliche Spaltung in England zur Konsequenz hatten, ist auf dem Schaffot sicherlich unschuldig gestorben an den Verbrechen, deren man sie zieh, um sie los zu werden, – freilich wohl aber bleibt ihr die Schuld, die Werbung des Königs nicht verschmäht zu haben. Lady Jane Seymour, des Königs dritte Gemahlin, hat diese Schuld mit der gleichen an ihr gerächt, – sie lebt in der Tradition als ein sanftes Wesen von engelhafter Unschuld, während sie in Wahrheit eine intrigante Koquette war, die ihr Ziel so sicher und klar verfolgte, wie Anna Boleyn es nicht gethan. Lady Catharina Howard, König Heinrich VIII. fünfte Gemahlin, starb gleichfalls auf dem Schaffot, schuldlos an dem ihr zur Last gelegten Verbrechen, aber sie war nicht mehr schuldlos, als sie des Königs Gemahlin wurde. Als eine Waise im Hause ihrer Großmutter, der Herzogin von Norfolk, aufgewachsen, ist ihre Erziehung von der letzteren total vernachlässigt, ja direkt verwahrlost worden, und so liegen die Fehltritte, an deren Folge sie als Königin sterben sollte, auch weniger ihr selbst zur Last, als der schlechten Hüterin ihrer Jugend. Des Königs sechste und letzte Gemahlin, Lady Catharina Parr, die ihn nur wie durch ein Wunder überlebte, war sicher eine ebenso schöne wie gelehrte und kluge Frau, aber auch um ihre Person hat die Legende manches gewoben, was die Geschichte anders kennt. Als Heinrich VIII. die Dreißigjährige heiratete, war sie schon zweifach eine kinderlose Witwe und zwar von Lord Edward Borough von Gainsborough und John Neville, Lord Latimer. Es ist bekannt, wie der König die ihm sonst sehr liebe und treue Pflegerin seiner Gichttage infolge eines Religionsgespräches als Ketzerin verhaften und hinrichten lassen wollte, und es wird sehr hübsch erzählt, wie sie nur durch eine geschickte Wendung des Gespräches diesem grausen Schicksal ihrer Vorgängerin entgangen sei. Dazwischen aber liegen ein paar Tage, in denen des Königs Entschluß infolge der Hetzereien des Erzbischofs Gardiner zur That wurde, doch des Bischofs Sekretär verlor den Haftbefehl aus seiner Tasche, – er wurde von Freunden der Königin gefunden und dieser gebracht, und in ihrer Todesangst fiel die sonst so starkgeistige Catharina Parr in eine Reihe von Schreikrämpfen, die durch den Palast bis zu dem Könige drangen, der sich infolgedessen in seinem Rollstuhl zu seiner verratenen Gemahlin fahren ließ. Er fand sie in einer todesähnlichen Ohnmacht, und ihr Anblick scheint ihn doch soweit bewegt zu haben, daß eine Erneuerung des Haftbefehls nicht stattfand. Als Catharina Parr sich erholte, überlegte sie ihre gefahrvolle Lage und mit der ihr eigenen Energie sich und ihre Todesangst beherrschend, begab sie sich zu dem Könige und brachte das Gespräch wiederum auf jenes ihr so gefährlich gewordene Thema, dem sie nun die bekannte, rettende Wendung gab.

Ein Jahr nach König Heinrichs VIII. Tode vermählte sie sich zum viertenmale mit ihm, den sie lange vor ihrer ersten Ehe schon geliebt, Admiral Thomas Seymour, Lord Sudely, dem Bruder der Königin Jane Seymour. Doch nicht lange genoß sie das nicht ungetrübte Glück an seiner Seite, denn schon 1548 starb sie bei der Geburt einer Tochter, wie es offiziell verkündet wurde; aber ein Gerücht, daß Gift von ihrem Gemahl ihren Tod herbeigeführt, stieg empor und wollte sich nicht zum Schweigen bringen lassen. K[?]atharina Parr hatte ihre Stieftochter, die Prinzessin Elisabeth, zu sich in das Haus genommen und sehen müssen, wie zwischen ihr und dem Admiral, ihrem Gemahl, eine Leidenschaft emporwuchs, die ihr das eigene Herz brach. In den Fieberphantasieen ihres Sterbebettes wanderte ihr Geist durch alle Stationen dieses ihres Kreuzweges noch einmal durch, bis der Tod sie von ihren seelischen Leiden erlöste. Sie wurde mit königlichen Ehren bestattet, und am 20. März des folgenden Jahres fiel das Haupt ihres Gemahls im Tower unter der Anklage, seine Gemahlin, die Königin-Witwe Katharina Parr, vergiftet zu haben, um die Prinzessin Elisabeth heiraten zu können. Diese hat natürlich nie daran gedacht, Lord Seymour, leidenschaftlich wie sie ihn geliebt haben mag, zum Genossen ihrer künftigen Größe zu machen, einen Thron mit ihm zu teilen, den sie allein einnehmen wollte und in der That auch durch ihr ganzes Leben eingenommen hat. War er doch nicht der einzige, den sie mit gleißnerischen Worten und Hoffnungen um den Besitz ihrer Hand erfüllt und – hintergangen hat. So waren sie denn beide tot: die arme Halbblutkönigin, die dem Blocke Heinrichs VIII. zur Not entgangen und durch drei konventionelle Ehen hindurch dem Manne ihres Herzens treu geblieben war, um, nun sie endlich mit ihm vereint, angesichts des Glückes, ihr erstes Kind ans Herz drücken zu können, mit gebrochenem Herzen in ein frühes, unnatürliches Grab sinken zu müssen – gefolgt von dem Gatten, der sein Haupt unter so schwerer Anklage auf den Block legte. Kühl, siegreich, unbewegt und scheinbar ganz unbeteiligt ging nur die aus jener Tragödie hervor, die sie heraufbeschworen, die Tochter der Anna Boleyn, die später als die prächtige Königin Elisabeth, »the good Queen Bess«, unter anderen hervorragenden Eigenschaften auch die eines besonderen Tugendspiegels beanspruchte.

Und noch eine andere Halbblutkönigin nahm den Thron von England für wenige Tage ein – das war die rührende, engelgleiche Kindergestalt der Lady Jane Gray, die auf Grund des königlichen Blutes ihrer Großmutter Mary Tudor, von ihrem Schwiegervater, dem Herzog von Northumberland, auf den durch Eduard VI. Tod verwaisten Thron gezwungen wurde, um ihr kurzes Königtum von neun Tagen durch den Tod auf dem Schaffot zu büßen, siebzehn Jahre alt!

Hätte der Tod sie nicht zu früh hinweggenommen, so wäre Lady Anna Hyde, die erste Gemahlin von König Jakob II., auch Königin von Großbritannien geworden, – so aber ging sie schon als Herzogin von York zu Grabe. Daß ihre beiden Töchter, die Königinnen Maria II. und Anna I., unbeanstandet den Thron von England bestiegen, war nach der Thronbesteigung der Königin Elisabeth und Eduards VI., deren Mütter auch nur englische Edeldamen waren, ganz konsequent und beweist, wie der Begriff der Ebenbürtigkeit in besonderen Fällen geregelt und aufgefaßt werden kann.

Im benachbarten Schottland finden wir unter den alten Königen des Hauses Fergus, soweit die Nachrichten darüber noch urkundlich sind, vielfache Verbindungen mit den Töchtern ihrer Thans. Auch die Häuser Balliol und Bruce haben neben fürstlichen Verbindungen solche mit schottischen und englischen Adelshäusern geschlossen. Als das Haus Stuart 1370 auf den schottischen Thron kam, war der nunmehrige König Robert II. vermählt mit Lady Euphemia Roß, der Tochter des Grafen Hugo von Roß, die ihm zwei Söhne und eine Tochter geschenkt. Doch der Königin Euphemia von Schottland ging mit der Krone kein Stern des Heiles auf. Schon vor der Thronbesteigung ihres Gemahls hatte dieser sein Herz an Elisabeth, die Tochter des Sir Adam Muir von Rovallen, verloren, und so groß war seine Leidenschaft für diese Dame, daß er darüber alles vergaß, was er seiner Gemahlin und seinen Kindern schuldig war. Denn als die Königin Euphemia 1373 am gebrochenen Herzen, oder wie man laut flüsterte, an Gift starb, vermählte er sich sozusagen an der Bahre seiner eben erst verblichenen Gemahlin mit Elisabeth Muir, ließ sie zur Königin ausrufen und legitimierte seinen von ihr geborenen jungen Sohn Johannes unter dem Namen Robert, Prinz von Schottland. Mehr noch – er schloß seine beiden Söhne erster Ehe von der Thronfolge aus und proklamierte den Prinzen Robert zum Thronfolger, und dieser bestieg auch in der That 1390 den Thron von Schottland als König Robert III. Auch er führte keine Fürstentochter heim, sondern eine Edeldame, Lady Arabella Drummond, die indes schon 1400 starb. Seitdem haben die Stuarts – mit Ausnahme der ersten Ehe Jakobs II. von England, nur purpurgeborene Gemahlinnen gewählt.

Wenn wir uns nun nach Frankreich wenden, so finden wir im Hause Capet keine einzige Halbblutkönigin, sowohl im Stammhause als auch in den regierenden Linien Valois, Bourbon und Orleans. Zwar, überstrenge Kritiker haben finden wollen, daß die Ehe König Ludwigs XV. mit der Prinzessin Maria Lesczinska von Polen nicht der Idee von Standesgleichheit entspräche, die man im Hause Capet bisher gehegt und festgehalten, denn Stanislaus Lesczinski sei doch nur ein Wahlkönig gewesen, vermählt mit einer kleinen polnischen Gräfin, aber das sind Ausstellungen, die nicht recht stichhalten wollen gegenüber den vielen Beispielen, in denen der einmal erlangte Königsrang die Nachkommen zu unbestrittener Fürstlichkeit erhob und das Halbblut zum Vollblut machte. Freilich war Stanislaus Lesczinski nicht dazu berufen, seinem Königtum den Nachdruck zu geben und die Anerkennung zu erzwingen, wie Napoleon I., der nicht nur seine direkten Nachkommen, sondern seine und seiner ersten Gemahlin Anverwandte fürstete und Europa nötigte, das von ihm erschaffene Fürstenblut als echtes anzuerkennen. War seine eigene Herkunft kleinbürgerlichen Verhältnissen entsprossen, so war die Kaiserin Josephine, Napoleons I. erste Gemahlin, doch sicherlich das, was man eine »große Dame« nennt. Fräulein von Tascher de la Pagerie, die verwitwete Vicomtesse von Beauharnais, war in Bezug auf Rang und Erziehung ihrem Gemahl, dem großen Napoleon entschieden überlegen und sie nahm auf dem neuerrichteten Throne mit der Grazie und der Sicherheit Platz, die bei Hofe großgezogen worden war. Ihre Kinder, Hortense und Eugen, waren an Erziehung den Geschwistern Napoleons weit überlegen, wie sie ihnen in den Allüren der großen Welt als Muster dienen konnten, und wer die Geschichte der Napoleoniden verfolgt, wird leicht finden, daß die Beauharnais ein anderer Zug von Verfeinerung durchweht, als die Bonaparte. Doch, als er den Thron bestieg, fühlte sich Napoleon I. durchaus Vollblut und als die Katastrophe kam, welche die arme Kaiserin Josephine vom Throne stieß und verbannte, da war es ihr Halbblut, das da helfen mußte, die grausame Trennung aus »dynastischen Gründen« zu bewerkstelligen, denn wie hätte selbst ein Napoleon I. es gewagt, die treue Gefährtin seiner schlechten und seiner guten Tage zu verstoßen, wenn sie fürstliches Blut in ihren Adern gehabt hätte!

Hortense von Beauharnais, ihre Tochter, die Napoleon adoptiert und zur kaiserlichen Prinzessin von Frankreich gemacht hatte, wurde ihres Stiefoheims Ludwig Bonapartes Gemahlin und bestieg mit ihm den Thron von Holland – auch ein Königtum von Napoleons Gnaden, das nach vier Jahren schon wieder zusammenbrach. Die kurze glänzende Laufbahn der Königin Hortense gehört der Geschichte an, für unsere Studie ist sie auch nur, nicht ihr ferneres Leben als Herzogin von Leu von Belang. Hortense hat den Thron nicht mit soviel Glück und natürlicher Grazie beherrscht wie ihre Mutter, er war ihr ein fremder Sitz, auf dem sie nie ganz heimisch wurde. Unglücklich in ihrer Ehe mit dem mißtrauischen und misanthropischen Ludwig Bonaparte hat sich ihr Charakter nicht in der Weise gefestigt, wie es für ihre hohe Stellung gut gewesen wäre, doch was immer auch ihr künftiges Leben trüben mag, ihre Liebe zur Kunst und besonders zur Musik haben ihrem Andenken einen freundlichen Hintergrund gegeben, und wenn es vielleicht auch mehr der Patriotismus ist als sein eigener Wert, der ihrem Liede »Partant pour la Syrie« eine gewisse Unsterblichkeit verliehen hat, so klingt es aus ihrem Leben doch als ein harmonischer Akkord hinaus. Ihr Sohn Louis Napoleon, der 1852 als Kaiser Napoleon III. den Thron von Frankreich bestieg, hat sich große Mühe gegeben, eine Prinzessin aus regierendem Hause zu gewinnen, um sie zur Kaiserin der Franzosen zu machen. Allein es gelang nicht, denn der mühsam zusammengekittete Thron, aus dessen Schutt neunzehn Jahre später das deutsche Reich sich erheben sollte, schien zu unsicher, um ihm nochmals eine Fürstentochter auzuvertrauen, wie ehedem Marie Luise von Österreich.

Die oft recht unbequem indiskrete Geschichte hat in einem besonderen Fach ihres Archives die Namen der Prinzessinnen aufbewahrt, denen Kaiser Napoleon III. als Freier genaht ist, trotzdem hat er in seiner Rede vor dem Gesetzgebenden Körper am 23. Januar 1853, in welcher er seine bevorstehende Vermählung mit Eugenie Guzmann von Montijo, Gräfin von Teba, Tochter des Herzogs Manuel von Peneranda und der Herzogin Mary, geb. Miß Kirkpatrick von Closeburn, anzeigte, den Ton angeschlagen, als hätte die Idee an eine fürstliche Heirat niemals seinen Kopf gekreuzt. Da sagte er z.B.: "Les exemples du passé ont laissé dans l'esprit du peuple des croyances superstitieuses, il n'a pas oublié que depuis soixant dix ans les princesses étrangères n'ont monté les degrés du trône que pour voir leur race dispersée et proscrite par la guerre ou par la revolution. (Große Bewegung.) Une seule femme a semblé porter bonheur et vivre plus que les autres dans le souvenir du peuple, et cette femme, epouse modeste et bonne du général Bonaparte, n'était pas issue d'un sang royal."

Und gerade diese Frau wurde verstoßen, um der kaiserlichen Heirat mit der Erzherzogin Marie Louise Platz zu machen! Der Kaiser Napoleon verkannte in seiner Rede nicht, daß dieses Ereignis für Frankreich ein hochbedeutendes war, und fuhr in seiner Rede also fort: "Sous le dernier règne, au contraire, l'amour-propre du pays n'a-t-il pas eu à souffrir lorsque l'héritier de la couronne sollicitait infructueusement, pendant plusieurs années, l'alliance d'une maison souveraine, et obtenait enfin une princesse accomplie sans doute, mais seulement dans des rangs secondaires et dans une autre religion?"

Für diese taktlose Hindeutung auf die Vermählung des Kronprinzen von Frankreich, Herzogs von Orleans, mit der Herzogin Helene von Mecklenburg müßten wir Deutschen dem Kaiser Napoleon eigentlich noch einen ganz besonderen Strich auf sein Kerbholz setzen. Es wäre für die Bonaparte sicherlich eine ganz besondere Auszeichnung gewesen, wenn eine Prinzessin des uralten Hauses Mecklenburg ihnen die Ehre erwiesen hätte, sich mit ihnen zu verbinden.

In dem Verlauf seiner Rede gedenkt der Kaiser Napoleon seiner künftigen Gemahlin noch mit folgenden Worten: »Celle qui est devenue l'objet de ma préférence est d'une naissance élevée. Française par cœur, par l'éducation, par le souvenir du sang que versa son père pour la cause de l'Empire, eile a, comme Espagnole, l'avantage de ne pas avoir en France de famille à laquelle il faille donner honneurs et dignités. Douée de toutes les qualités de l'âme, elle sera l'ornement du trône comme, au jour du danger, elle deviendrait un de ses courageux appuis. Catholique et pieuse, eile adressera au Ciel les mêmes prières que moi pour le bonheur de la France; gracieuse et bonne, eile fera revivre, dans la même position, j'en ai le ferme espoir, les vertus de l'Impératrice Joséphine."

Es ist viel über, für und gegen die Kaiserin Eugenie geschrieben und gesprochen worden, und doch kann das Urteil über diese jedenfalls ungewöhnliche Frau nicht als abgeschlossen gelten. Sie hat so unerhörte Verleumder gefunden, daß dieser Umstand schon für sie sprechen müßte und im Urteil der Geschichte auch für sie gesprochen hat – viel Feind, viel Ehr. Daß sie das Vollblut der Purpurgeborenen nicht in ihren Adern hatte, hat sich in vielem während ihrer an Macht und Glanz fast überwältigend reichen Laufbahn als Kaiserin der Franzosen oftmals geltend gemacht – doch wessen Leben wäre ohne Irrtümer? Ihre Anhänger – und sie hat deren viele, betonen es nicht ohne Leidenschaft mit hochheiligen Versicherungen, sie habe an dem Kriege, aus dem uns das deutsche Reich erstand, keinen Teil gehabt – sei dem wie ihm wolle, es wird kein Unbefangener und Gebildeter ihr das Mitgefühl versagen, das ihr als der tiefgefallenen Größe, als der schwerberaubten Gattin und Mutter gebührt, die all ihr Lieben und Hoffen ins Grab sinken sah, als die weltliche Macht und Herrlichkeit für sie zusammengebrochen und zu Trümmern und Schutt geworden war. Sie lebt noch, eine siebzigjährige Greisin, ihren traurigen Erinnerungen – für uns aber ist sie die Vision einer wunderbaren Schönheit im Schmucke goldblonder Locken, in denen sie mit Vorliebe einen Veilchenkranz trug, der ihr zur Dornenkrone werden sollte. – Sic transit gloria mundi!

Zum Süden weiterziehend, finden wir unter den Königinnen von Leon, Castilien, Aragonien und endlich im vereinten Spanien kein Halbblut in dem Sinne wie z. B. in England. Der Begriff der Standesgleichheit war dort ein sehr scharf ausgesprochener, und nur Fürstentöchter oder die der zahlreichen spanischen Dynasten durften die geheiligten Stufen des Thrones emporsteigen, und gelegentlich ins Werk gesetzte Übergriffe gegen das starre Gesetz fanden blutige Ahndung, wie die Geschichte einer Maria de Padilla beweist. Das nicht purpurgeborene Blut zog zum erstenmal ein auf den Thron von Spanien in der Gemahlin des Königs Joseph Bonaparte, des großen Napoleon Bruder, der zuvor zwei Jahre lang König von Neapel sein durfte. Die Königin Julie von Spanien war eine Schwester der Königin Desirée von Schweden, eine Tochter des Kaufmanns François Clary aus Marseille, eine unbedeutende Frau, der die pomphafte Krone von Spanien zu tragen weit schwerer wurde, als ihrer Schwester der doppelte Königsreif von Schweden und Norwegen, und die es ganz zufrieden war, daß sie nach dem Zusammenbruch ihrer Königsherrlichkeit im Jahre 1813 als schlichte Gräfin von Survilliers ein zurückgezogenes Privatleben führen durfte[.] Noch eine Königin hatte Spanien, die nicht an den Stufen eines Thrones geboren war, das war die schöne, gelehrte und leider zu früh entschlafene Gemahlin des Königs Amadeo, Herzogs von Aosta. Maria Vittoria, Prinzessin del Pozzo della Cisterna, entsprossen einem alten italienischen Hause, wurde indes als dem Hause Savoyen für ebenbürtig erklärt, als der Herzog von Aosta um sie warb, die man die schönste und gelehrteste Frau Italiens nannte und die auch die schönste Spaniens war, in der kurzen Zeitspanne, in der sie den spanischen Thron schmückte.

Im benachbarten Portugal galten wohl dieselben Regeln wie in Spanien für die Wahl der Gemahlinnen der Könige, und auch hier hat sich ein Übergriff grausam gerächt, wie die Geschichte der armen Ines de Castro beweist. Auch hier wurde durch Verbindungen mit den Töchtern kleinerer Dynasten, welche Souveränetätsrechte hatten, das Königreich in sich zusammengefügt, und diese Heiraten galten für völlig ebenbürtig.

In Italien und in den italienischen Königreichen finden wir nur das blaueste Vollblut auf den Thronen mit Ausnahme – und diese Ausnahme ist wiederum natürlich Napoleons I. Werk – zweier Königinnen von Neapel. Der einen gedachten wir schon als der Gemahlin des Königs Joseph Bonaparte von Spanien, Julie Clary, der von 1806 bis 1808 König von Neapel war und diesen Thron seinem Schwager Joachim Murat gegen die Krone von Spanien abtreten mußte. Joachim Murat aber war mit Napoleons I. Lieblingsschwester, Karoline Bonaparte, vermählt und hatte mit dieser von 1806 bis 1808 den neugeschaffenen Thron eines Großherzogs von Berg geteilt. Das schreckliche Ende Joachim Murats ist bekannt: bei einem Versuch, die verlorene Krone wiederzuerobern, wurde er gefangen genommen und am 13. Oktober 1815 erschossen. Damit waren auch die Königsträume der schönen Karoline Bonaparte zerronnen, – sie, der die Königskrone auch wie eine fremdartige und ungewohnte Kopfbedeckung kleidete, lebte als Gräfin von Lipana meist in Oberösterreich und starb 1839 zu Florenz als die Stammmutter der heute noch blühenden fürstlichen Familie Murat.

Noch einer Königin muß ich hier erwähnen, die, aus Italien stammend, nicht im Purpur geboren ward, – ich meine die venetianische Patriziertochter Caterina Cornaro, Königin von Cypern. Geboren 1454 als die Tochter des Marco Cornaro aus dem alten Geschlechte der Cornaro oder Corner, das der Republik Venedig drei Dogen gegeben und der Fiorenzia Corner, einer Prinzessin von Trapezunt, blühte sie zu der seltenen Schönheit auf, die Tizians Pinsel unsterblich gemacht hat. Auf der Insel Cypern war 1458 der König Janus III. gestorben und hatte von seiner ersten Gemahlin Amadea Palaelogus, Markgräfin von Montferrat nur eine Tochter, die Prinzessin Carlotta, hinterlassen, die in zweiter Ehe mit Ludwig von Savoyen, Grafen von Genf, vermählt, Anspruch erhob auf die Thronfolge, die ihr ein natürlicher Sohn ihres Vaters, der legitimierte Prinz Jakob von Lusignan streitig machte. Unterstützt von dem Sultan von Ägypten wurden die Savoyarden aus Cypern vertrieben, die Prinzessin Charlotte suchte Hilfe bei dem Papste und den Johannitern, doch die Mamelucken des Sultans hielten kräftig stand, und Jakob von Lusignan bestieg als König Jakob II. den Thron von Cypern. Dorthin hatte sich der wegen politischer Umtriebe aus Venedig verbannte Bruder des Marco Cornaro niedergelassen und stieg alsbald von dem Banquier des Königs zu dessen Ratgeber empor, der ihm seine Nichte, die schöne und reiche Caterina Cornaro, zur Gemahlin empfahl. Jakob II. ging auf diesen Rat gern ein, weil er als Gegenleistung auf Venedigs mächtige Hilfe in seinen Angelegenheiten hoffte. Die Vermählung kam 1471 zu stande, und mit ihr behauptete sich Jakob auf dem Throne, – für Venedig aber wurde Cypern der Zentralpunkt für den Orient. Doch Jakob II. starb schon im Juni 1473 und ein natürlicher Sohn stand sogleich auf, um Caterina Cornaro die zugesicherte Thronfolge streitig zu machen. Indes ihr im Juli desselben Jahres nachgeborener Sohn wurde von der Insel als Nachfolger anerkannt und als Jakob III. zum König ausgerufen, der Königin-Regentin aber wurde die Regierung durch die cyprischen Barone entrissen. Schon zwei Jahre darauf starb der kleine, schwächliche König, Venedig unterwarf in Cypern durch Mocenigo die Regierung seinen Anordnungen und Caterina Cornaro siedelte nach Venedig über, wo sie in dem prächtigen Palazzo Corner della Regina, der Ca' Doro gegenüber am Canal Grande ihre Residenz nahm und dort bis zu ihrem Tode 1510 verblieb. Cypern aber wurde venetianisch.

Dies ist in kurzen Umrissen das Leben der schönen Venetianerin, deren Bilder von Meisterhand uns heut noch entzücken, vor allem aber Tizians herrliches Porträt in der Galerie der Uffizien in Florenz, das sie darstellt im königlichen Schmucke und im Zauber ihrer Jugend und Schönheit mit dem durchsichtigen Teint und dem roten Goldhaar ihrer Vaterstadt, gekleidet in das reich mit Edelsteinen und Perlen bestickte weinrote Atlaskleid, über das sich das Obergewand von olivgrünem Sammet in wunderbar harmonischer Farbenwirkung schmiegt. Aus der hohen, prächtigen Krone auf ihrem Haupt bauscht sich leicht ein luftiger weißer Gazeschleier. So steht sie heut noch, nach fast vier Jahrhunderten lebensvoll vor uns in unvergänglicher Schönheit, die stolze Tochter Venedigs, die prächtige Caterina Cornaro, unsterblich darum, weil Tizian sie gemalt. Denn wäre sie durch ihn nicht verewigt, wer weiß, ob wir mehr heut von ihr wüßten, als daß die kleine Insel Cypern durch ihre Person in den Besitz der Republik Venedig kam, – Halbblut, das gegen die legitime Erbin mit Gewalt vorging, das war Jakob II. von Cypern, und eine Halbblutkönigin bleibt auch die schöne Caterina Cornaro trotz ihrer alten Abstammung und trotzdem sie als »Tochter der Republik« vermählt wurde, – eine Schattenkönigin, ein Spielwerk in den Händen des Rates der Zehn, dem zu opponieren nicht ratsam gewesen wäre.

Ehe wir diese Skizze schließen, müssen wir aber noch einer anderen Königin gedenken, die, nicht fürstlichem Blute entsprossen, als letzte, als Jüngste in dieser Reihe kaum fehlen darf. Wir meinen die vielgenannte Königin-Mutter Natalie von Serbien. Sechzehnjährig wurde sie die Gemahlin des damaligen Fürsten Milan von Serbien, mit siebzehn Jahren war sie schon die Mutter des jetzigen Königs Alexander. Sorgfältig erzogen als die Tochter des russischen Obersten von Ketschko und seiner Gemahlin Pulcherie, geb. Prinzessin Stourdza, war und ist sie eine Frau von ganz eigenartiger Schönheit, deren damals so große, träumerische dunkele Augen freilich heute von ihrem weichen Ausdruck viel eingebüßt haben. Ein Wunder ist es nicht, denn was immer auch die rein menschlichen Fehler der Königin Natalie sein mögen, das Schicksal, das sie als Königin von Serbien getroffen, hat sie nicht verdient, und es wäre auch ganz unmöglich gewesen, sie der Behandlung, die sie erfahren, auszusetzen, wenn sie von fürstlichem Geblüt, aus einem regierenden Hause gewesen wäre. » Blood is thicker than water", – alle diese Königinnen, die nicht purpurgeboren waren und sind, haben es in mehr oder minder harten und bitteren Erfahrungen bestätigen helfen, dieses nur zu wahre Sprüchwort. Sie haben viele Gefährtinnen gehabt, die auf minder erhabene Throne erhoben und im fürstlichen Range anerkannt als Buße für diesen Schritt von dem ihnen vom Geschick vorgeschriebenen Wege manche Bitternisse verkosten mußten und die erworbene Krone mit mehr Dornen besetzt fanden als mit Perlen und Edelgestein, – ich erwähne nur von deutschen Fürstinnen die holde Anneliese Föhse, Fürstin von Anhalt, Esther Maria von Witzleben, Pfalzgräfin von Birkenfeld, Franziska von Hohenheim-Bernerdin, Herzogin von Württemberg, Eleonore d'Esmier d'Olbreuze, Herzogin von Braunschweig-Celle, die zwar durch ihre einzige Tochter, die unglückliche Prinzessin von Ahlden die Ahnfrau wurde mächtiger Königshäuser, aber ihre Erhebung über ihren Stand mit einem Leben voll Kränkungen, Kummer und Bitterkeit bezahlen mußte, – und, last not least, Stephanie Beauharnais, kaiserliche Prinzessin von Frankreich, Großherzogin von Baden. –

Mit diesen Namen möge diese Studie schließen, – sie wird den Beweis geliefert haben, daß auch auf diesem Felde die Geschichte ungeschriebene Kapitel hat, die des Interesses in rein menschlicher Hinsicht wert sind, und daß Goethe wieder einmal recht hat, wenn er behauptet, daß das Blut »ein ganz besondrer Saft« ist.


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