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Pelle lebt und hat es gut.

Den langen steilen Hügel hinunter, über den der Dorfweg nach Stenseth hinabführt, das damals, wie noch heute, unten auf der Anhöhe lag und auf den Fluß hinab schaute, kamen drei Männer marschiert. Sie hatten Tornister auf dem Rücken und trugen eine Art Uniformen, aber die waren so zerrissen und verstaubt, daß man kaum sehen konnte, woraus sie gemacht waren.

Die beiden, die vorneweg gingen, waren jung und hatten bartlose Gesichter und langes glattes Haar, der eine ganz weißblondes; der dritte, der hinterdrein ging, war älter und dunkler, trug kurzes Haar und großen Knebelbart, und der hatte einen langen Säbel an der Seite und eine Pistole im Leibriemen – den linken Arm trug er in der Binde.

Als sie sich dem Gehöft näherten, sprang er vor, machte das Gatter auf, zog den Säbel, stellte sich voran und marschierte stramm mitten auf den Hofplatz. Dort kommandierte er Halt, daß es zwischen den Hauswänden nur so schallte, warf einen finstern Blick rückwärts und begegnete zwei Paar verschüchterten Augen, die sich verwirrt zwischen den Gebäuden umsahen.

Es war gerade in der Mittagsrast und ganz still auf dem Hofe; in dem Sonnenrauch zwischen den vielen alten Häusern lag ein feiner Duft von frisch getrocknetem Heu.

Es mag schon sein, daß du dich damals auf dem Stensethhofe nicht ausgekannt haben würdest und auch nicht ganz unten im Tal, denn dies ereignete sich vor ungefähr hundert Jahren. Der Fluß floß damals ebenso breit und blank unten im Talgrund wie heute, aber die flache Landstraße gab es freilich noch nicht, nur einen schmalen Weg, der die Hügel hinauf und herab durch jedes Gehöft hindurch lief, mit Gattern am Aus- und Eingang. Und das alte Hauptgebäude auf Stenseth steht wohl heute noch ebenso mauerfest, aber es hat eine neue Gallerie bekommen, und weiter ist ein neues weißgestrichnes Haus hinzugekommen; und der Kuhstall, die Scheune und der Pferdestall, die damals jedes für sich standen, sind jetzt alle unter einem Dache vereinigt, und an Stelle der drei kleinen Vorratshäuschen ist ein einziges großes gekommen; und wo jetzt die schnurgerade Pappelallee vom Hauptweg über Acker und Wiese zum Gehöft hinunterführt, war damals ein unwegsamer, mit Birken bewachsner Hang.

In dem Augenblick, als die Drei Halt machten, fing ein Hund drinnen im Gang zu bellen an, und der Kopf eines Knaben kam in der offnen Tür des Holzschuppens zu Vorschein. Er fuhr jedoch schnell wieder zurück, als hätte er sich gebrannt.

Das war Per, der Sohn des Bauern auf Stenseth; er war elf Jahre alt.

Es hatte seinen guten Grund, daß Per den Kopf so rasch wieder zurückzog; er hatte nämlich diese Burschen erwartet, aber erst in einigen Tagen und freilich in ganz andrer Verfassung.

Vor einer Woche war vom Generalquartiermeister selbst – demselben, der im Herbst vorigen Jahres einmal mit seinem Gefolge auf Stenseth im Nachtquartier gelegen hatte – ein Eilbote ins Tal gekommen mit dem Befehl an den Bauern, er möge sich bereit halten, schwedische Kriegsgefangene ins Quartier zu nehmen; an andre hatte er den Befehl gebracht, Eßwaren ans Heer zu liefern. Nach Stenseth sollten Kriegsgefangene kommen, weil der Stenseth bereits früher ein Pferd gestellt, wie auch andres geliefert hatte.

Der Bote hatte auch Briefe mitgehabt von denen, die draußen im Felde lagen. Unter diesen war auch Pers Ohm. Er schrieb, es ginge ihm gut. Schweden hätte er bisher noch nicht gesehen; aber es sei knapp mit dem Essen. Vor kurzem hätten sie, zwanzig Mann stark, auf Feldwache gestanden, drei Nächte und Tage, und den letzten Tag hätten sie Essen überhaupt nicht einmal zu sehen gekriegt. Darauf hätten sie jeder ein paar Maß Hafer bekommen. Den hätten sie auf großen Steinen zerquetscht – ein feines Mahlen sei es nicht gerade geworden – und das Mehl hätten sie mit Wasser zu ein paar großen Klumpen zusammengerührt, darauf Feuer angemacht und die Mehlklumpen darübergelegt; aber sie hätten bloß den Geruch davon bekommen; denn im selben Augenblick wäre Alarm geschlagen worden, und als sie zurückgekommen, wären nur noch verkohlte Reste übrig gewesen; aber die hätten sie trotzdem gegessen.

Als Pers Vater das gelesen hatte, kratzte er sich hinter dem Ohr und ging eine Weile nachdenklich auf und ab. Dann sagte er plötzlich: Sie taugen zu nichts, wenn sie hungern müssen, und darauf gingen er und die Mutter ins Vorratshaus und nahmen allerlei Eßwaren hervor, schnürten ein tüchtiges Bündel zusammen und packten es dem Zaumpferde auf. Er wollte ostwärts nach der Grenze zu ziehen, sie sollten doch jedenfalls eine ordentliche Mahlzeit bekommen, die Leute aus ihrer Gemeinde. Den Gaul wollte er dem Generalquartiermeister geben, sagte er, denn der hatte vergangnes Jahr im Herbst gesagt, es wäre auch knapp mit Pferden.

Die folgenden Tage war viel über die Schweden geredet worden, die nach Stenseth kommen sollten, wie abscheulich und gefährlich die wären, und wie schlimm es sei, daß der Mann fort wäre. Die Mägde getrauten sich nicht mehr allein im Sommerstall zu liegen. Und trotz allen Fragens konnte Per nicht aus der Mutter herauskriegen, was sie mit ihnen anfangen sollten; ob er und Knut Schmied, der Häusler, sie in den Holzschuppen einsperren und mit Knuts Büchse niederschießen sollten, wie sie es in alten Tagen mit den Schotten gemacht hätten, oder ob sie sie draußen an der Wand festbinden und verhungern lassen sollten. Knut glaubte nämlich, sie würden mit auf den Rücken gebundenen Händen und großen eisernen Ketten an den Füßen kommen, und er gelobte sich selber, an den Holzschuppen eine Tür mit einem ordentlichen Riegel zu machen, damit sie gar nicht erst den Versuch unternahmen, durchzubrennen. Der Sicherheit halber hatte er seine eigne und Pers Axt geschliffen und ein Fuchseisen eingeölt, das er draußen vor die Tür aufstellen wollte, wenn er und Per Wache hielten.

Aber nun waren sie bereits da – und nicht in Ketten, und Per stand in dem offnen Holzschuppen und konnte nicht einmal in das Haus hineinkommen! Glücklicherweise war unter der einen Wand des Schuppens ein Loch, gerade so groß, daß er sich hindurchzwängen konnte!

Er raffte eine Axt auf, kroch heraus und schlich sich eiligst in die Scheune hinauf, wo ein Riegel innen an der Tür war. Hier blieb er stehen und guckte durch ein Loch in der Tür hinaus.

Die Drei waren da stehen geblieben, wo sie Halt gemacht hatten. Er sah, daß im Hause eine allgemeine Unruhe entstand, die Mägde guckten zu den Fenstern heraus und fuhren entsetzt wieder zurück, und dort guckten Knut Schmied und der Dienstknecht aus der Knechtekammer, und da langte ein Arm heraus und raffte eine Axt auf, die dort lag; darauf wurde die Tür zugeschmissen, und beide kamen am Guckloch zum Vorschein.

Es dauerte eine lange Weile, und Per stand, den Atem anhaltend, da und wartete der Dinge, die da kommen sollten.

Endlich sah er die Mutter auf die Treppe heraustreten – ganz allein! Und sah er recht – hatte sie nicht gar ihren Kopfputz auf, gerade als ob sie vornehme Gäste empfangen und ins Haus bitten wollte! Dort ging sie langsam auf sie zu und blieb stehen. Er hörte sie sagen:

Der Hausvater ist verreist. Ich bin die Frau auf dem Hofe.

Er, der Halt kommandiert hatte, grüßte mit dem Säbel und zog ein Papier hervor:

Befehl vom Generalquartiermeister, für zwei Kriegsgefangene Quartier zu schaffen und ihre richtige Ablieferung zu bescheinigen.

Sie nahm das Papier:

Ja, das ist sein Siegel. Ich werde mein Namenszeichen daruntersetzen.

Er drehte sich zu den beiden andern um:

Von jetzt an habt ihr der Frau hier zu gehorchen und dem, den sie über euch setzen wird. Er steckte den Säbel in die Scheide.

Die Mutter ging nun ganz zu ihnen hin und gab jedem die Hand. Ja, hörte er recht, sie sagte sogar: Willkommen auf Stenseth! und weiter: nun kommt mit herein und eßt etwas; ihr scheint mir müde und hungrig zu sein.

Die beiden jungen Leute sahen aus, als wären sie wie betäubt und könnten weder hören noch begreifen; aber er sah, daß dem einen, dem weißblonden, Tränen die Backen herunterliefen. Der mit dem Säbel mußte erst auf sie einreden, bis sie endlich begriffen, daß sie mit ins Haus kommen sollten.

* * *

Als sie drin sein mochten, kam Per von der Scheune her angeschlichen, und Knut Schmied und der Knecht kamen aus der Knechtestube. Sie trugen noch immer jeder eine Axt und gingen auf den Fußspitzen und redeten ganz leise.

Knut konnte das gar nicht verstehen! Solche Leute mit ins Haus zu bitten, als ob sie vornehme Gäste wären! Der eine war ja Norweger und außerdem Unteroffizier, das war etwas andres; aber diese Schweden! Sie mußte offenbar heute gar nicht wissen, was sie tat, die Mutter Stenseth! Das konnte gefährlich werden; sie mußten sich jedenfalls bei der Tür aufhalten, es würde wohl bald der Bescheid kommen, sie sollten einrücken, sie packen und binden.

Draußen auf dem Hofe wurde die Sache lebhaft erörtert, und das Erstaunen wurde größer und größer, je nachdem die Mägde aus und einhuschten und erzählten. Als sie bange gewesen waren und sich nicht hineingetraut hatten, um den Tisch zu decken, hatte Mutter Stenseth gesagt:

Du dumme Gans, das sind genau so gut Menschen wie wir.

Und wie die Frau ihnen aufgetischt hatte! Das Allerbeste im Hause! und wie die aßen – ja, der Unteroffizier auch – als hätten sie noch nie etwas zu essen bekommen. Und der Jüngste aß, bis er am Tische einschlief!

Als aber schließlich eine herauskam und erzählte, Mutter Stenseth hätte oben in der Schlafkammer für sie Betten herrichten lassen und ihnen frische Hemden von denen ihres Mannes gegeben und gesagt, sie könnten nun hinaufgehen und solange schlafen als sie Lust hätten, da wurde Knut Schmied so wütend, daß er seine Axt hinschmiß und geradeswegs den Hof verließ.

* * *

Das wurde ein langer Tag für Per. Von den Schweden bekam er nichts mehr zu sehen. Am Spätabend aber stand der Unteroffizier auf, redete lange mit der Mutter und zog weiter, er wollte in einigen Tagen auf dem Rückweg wieder vorsprechen. Und Per mußte sich schlafen legen, ohne mehr von ihnen gesehen zu haben; es war aber auch unfaßlich, was die schlafen konnten! Wenn sie bloß nicht darauf lauerten, Unheil anzurichten oder durchzubrennen! Aber die Mutter sagte, damit hätte es keine Gefahr; er bekam nicht einmal Erlaubnis, Knut holen zu lassen, damit sie beide die Nacht aufbleiben könnten. Der Sicherheit wegen nahm er aber die Axt mit ins Bett.

Als er am nächsten Morgen erwachte, hörte er jemand draußen trällern und in einer Sprache singen, die er nicht verstand. Er guckte hinaus:

Stand da nicht der eine Schwede, der größere von den beiden, der nicht ganz so weißblond war, in weißen Hemdsärmeln, Vaters Hemd, und holte für die Magd Wasser aus dem Brunnen? Er trällerte und sang, und sie lachte!

Per zog sich schnell an, nahm die Axt und ging auf die Treppe hinaus. Der Schwede kam zu ihm hin, grüßte sehr höflich und fragte, ob er der Sohn des Hauses wäre. Er schwatzte so viel, daß Per gar nicht wußte, was er antworten sollte. Schließlich fragte ihn der Schwede, ob er ihm nicht eine Axt verschaffen könnte, er wolle gern Holz hacken, um auch etwas für das »kolossal« gute Essen zu leisten, das ihm die Frau und der Sohn gäben.

Per wurde zwar etwas bedenklich, das hörte sich ja rein gefährlich an, aber er wollte nicht furchtsam erscheinen.

Du kannst einstweilen die hier nehmen, sagte er und gab ihm seine Axt. Der Schwede dankte, drehte sich rasch um und ging zum Holzschuppen. Per schlich ihm nach und guckte hinein: Wirklich, konnte der nicht sogar Holz hacken, so gut wie irgend ein andrer! Er kam näher und näher, und der Schwede lachte und schwatzte und erzählte, und es dauerte nicht länger als bis zur Frühstückspause, da war Per fast davon überzeugt, daß es in Schweden ebenso gute Menschen gäbe wie in Norwegen, in jedem Falle ebenso unterhaltende.

Er fing an, sich nach dem andern umzusehen, dem Weißblonden. Der saß draußen auf dem Hügel unterhalb des Hofes, die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen, und starrte zum Flusse hinunter, und so hatte er den ganzen Tag gesessen. Und so saß er auch noch weiterhin viele Tage. Er kam immer still herein, wenn sie ihn zum Essen riefen, sprach kein Wort und ging ebenso still wieder hinaus. Anfangs versuchten sie, mit ihm ins Gespräch zu kommen, aber er sah dann bloß auf, als verstände er sie nicht. Daraufhin ließen sie ihn in Ruh. Der andre, der, wie sie gleich zu wissen bekommen hatten, Kalle hieß, war bald mit allen gut Freund geworden, und es gab auch mit ihm bloß Lustigkeit und Schabernack. Aber auch er gab sich nicht weiter mit seinem Kameraden ab: Der Pelle ist halt nie bei guter Laune, sagte er.

Je weiter die Zeit fortschritt, umsomehr dachte Per über Pelle nach, oft machte er sich in seiner Nähe etwas zu tun und rückte ihm allmählich immer näher. Eines Tages kam er ihm so nahe, daß er sehen konnte, wie Pelle dasaß und weinte.

Da faßte er sich ein Herz und fragte:

Warum weinst du denn?

Pelle sah auf:

Weil ich nicht schreiben kann und auch keine Botschaft schicken.

An dem Tage blieb Per lange bei ihm sitzen und bekam eine ganze Masse zu wissen.

Pelle hatte Heimweh, so schrecklich, daß er überhaupt keinen andern Gedanken fassen konnte. Es hatte ihn auf einmal überfallen, gerade als er in den Hof hereingetreten war und den Heuduft gerochen hatte, genau wie zu Hause. So lange er im Felde gestanden und es so schlecht gehabt hatte, daß er oft hätte zusammenbrechen können, war es nicht so gewesen. Aber da hatte er auch jedesmal, wenn einer der Kameraden heimwärtsgezogen war, der Mutter ein Stück Holz senden können, in das er ein Kreuz geschnitzt hatte. Das Kreuz bedeutete: Pelle lebt und hat es gut. Aber jetzt mußte ja die Mutter, die daheim mit seinen jüngeren Geschwistern auf dem Weiler saß und Hunger litt, glauben, er sei tot und werde nie mehr zurückkommen.

Das ergriff den Per ganz wunderbar. Nie zuvor war es ihm eingefallen, daß ein Schwede auch eine Mutter und Geschwister und ein Heim hatte, genau wie er selber.

Ich kann schreiben, sagte er.

Er ging ins Haus und erzählte der Mutter die ganze Geschichte und erklärte, er wolle schreiben. Sie meinte, es könne doch nichts nützen, es wäre gegenwärtig unmöglich, einen Brief den langen Weg bis nach Schweden zu schicken, selbst wenn sie einen Boten hätten. Sie rief jedoch den Pelle zu sich in die Kammer und redete lange mit ihm allein. Per sah, daß ihre Augen glänzten, als sie endlich wieder herauskamen. Er könne immerhin versuchen, zu schreiben, sagte sie, vielleicht könnten sie den Brief doch bestellen.

Es glückte ihm da, folgende Worte zu malen:

Pelle lebt und hat es gut.

Außen drauf schrieb er so einigermaßen leserlich, wohin der Brief sollte, und Mutter Stenseth setzte ihr Namenszeichen darauf.

Als der Unteroffizier, der die Kriegsgefangenen gebracht hatte, wieder zurückkam, gab sie ihm den Brief mit und bat ihn, den an den Generalquartiermeister abzuliefern, ihm ihr Namenszeichen zu zeigen, dasselbe, das damals unter der Quittung stand, und ihn in ihrem Namen zu bitten, den Brief in die Hände eines schwedischen Offiziers gelangen zu lassen.

Von dem Tage an hörten sie Pelle bisweilen singen, und nun begann er auch an der Hofarbeit teilzunehmen.

* * *

Der Sommer ging auf Stenseth seinen gewohnten Gang. Der Mann war schon seit langer Zeit wieder heimgekommen, und Knut Schmied hatte den ganzen Sommer über herumgelungert und seinen Platz verlottern lassen.

Späterhin im Herbst kam die Botschaft, es sei Waffenstillstand geschlossen worden, und die Kriegsgefangenen sollten ausgewechselt werden. Bald könne man den Unteroffizier erwarten, der die beiden abholen sollte.

Da war es, als ob Kalle und Pelle auf einmal ihre Rollen vertauscht hätten. Pelle war so fröhlich, daß er den ganzen Tag lachte; Kalle aber wurde so mißmutig, daß er auch nicht eine einzige seiner Weisen mehr sang.

Eines Tages kam er zum Stenseth herein. Er wäre mit der Magd einig geworden, sagte er, ob er bleiben dürfe und den Häuslerplatz des Knut Schmied pachten könne?

Gern, aber er sei nun einmal Kriegsgefangener und müsse ausgeliefert werden.

Ob er da nicht Erlaubnis bekommen könne, ein paar Tage auszureißen und wiederzukommen, sobald die andern abgezogen wären?

Nein, das ginge nicht an.

Aber er könne ja gestorben sein!

Das müßte amtlich beglaubigt werden.

Das Ende vom Liede war, daß man ein Gesuch an das schwedische Kriegskommando richtete, ob Kalle nicht dableiben könne. Ob dieses Gesuch überhaupt jemals bewilligt worden ist, weiß ich nicht; aber soviel steht fest, daß Kalle den Häuslerplatz bekam und dort bis an sein Lebensende verblieb.

Pelle marschierte mit dem Unteroffizier von dannen und grüßte im Gattertor stramm militärisch, lachte aber dabei über das ganze Gesicht.

* * *

Viele Jahre später sprach eines Abends im Frühjahr ein Pferdehändler von weiter oben im Tale auf dem Stensethhof vor. Er war, so erzählte er, auf dem Grunseter Markt gewesen und hatte Pferde nach Schweden verkauft. Da er seinen ganzen Troß auf einmal losgeschlagen, mußte er mit den Pferden mitgehen und sie an einem Orte in der Nähe von Falun abliefern. Er brachte einen wunderlichen Gruß mit zurück. Eines Abends hatten sie bei einem Weiler gerastet, und von da war eine alte Frau gekommen und hatte gefragt, ob vielleicht unter ihnen ein Norweger sei. Als sie das bestätigt bekommen, hatte sie ihn mit ins Haus gebeten und ihn gefragt, ob er einen Hof namens Stenseth kenne, und ob die Bäuerin dort noch lebe. Er hatte das bejaht. Da nahm sie einen Rahmen von der Wand herunter, und in dem war ein Papier unter Glas, auf dem stand: Pelle lebt und hat es gut. Und darauf hatte sie gesagt:

Nun will ich dich bitten, die Frau von mir zu grüßen und auch den kleinen Buben und ihnen zu sagen, daß Pelle lebt und es gut hat, und daß es eine schwedische Frau ist, die das sagt; dann werden sie dich schon verstehen.

* * *

Den kleinen Buben, Per Stenseth, habe ich selber getroffen. Er war achtzig Jahre alt und saß als Auszügler in dem neuen weißen Hause auf Stenseth. Dort hat er mir es selber erzählt.

* * *


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