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Siebenunddreißigstes Kapitel.
Des Nebenbuhlers Haß

Kaum ein Wort wurde gewechselt, bis man Trents Haus erreicht hatte. Im Rauchzimmer stellte ein Diener Gläser und Zigarren auf den Tisch und verschwand auf eine ungeduldige Handbewegung seines Herrn. Francis zündete sich eine Zigarette an. Trent rauchte nicht – gegen seine Gewohnheit. Er ging zur Tür und verschloß sie leise. Dann kehrte er zum Tisch zurück und faßte seinen Besucher fest ins Auge.

»Francis! Sie waren mein Feind seit dem Tage, da ich Ihnen in Bekwando erstmals begegnete.«

»Das nun gerade nicht. Aber ich mißtraute Ihnen vom ersten Augenblick an – das gebe ich zu.«

»Nennen Sie es, wie Sie wollen! Heute abend haben Sie mir einen tückischen Streich gespielt. Sie saßen als Gast an meinem Tisch und hatten mich auf keine Weise vorbereitet – im Gegenteil: Heute mittag erst gaben Sie mir eine Woche Aufschub.«

»Die Geschichte, die ich erzählte, hatte für die anderen keine besondere Bedeutung.«

»Ich weiß nicht, ob Sie mich zu betölpeln versuchen. Aber wenn Sie es noch nicht wissen sollten, so sei Ihnen hiermit gesagt, daß Fräulein Wendermot die Tochter jenes alten Mannes ist.«

Francis' Bestürzung war echt. Daran bestand kein Zweifel. »Und weiß sie das?« stammelte er.

»Sie wußte, daß er in Afrika gelebt hat, nahm aber an, daß er dort starb. Was sie in diesem Augenblick glaubt, ist zweifelhaft. Ihre Schilderung hat sie augenscheinlich in Bestürzung versetzt. Wahrscheinlich wird sie von Ihnen Näheres zu erfahren trachten.«

Francis nickte. »Fräulein Wendermot hat mich gebeten, sie morgen zu besuchen.«

»So? Nun muß ich Sie jedoch zum beiderseitigen besseren Verständnis mit persönlichen Dingen belästigen: Ich beabsichtige, Fräulein Wendermot zu heiraten.«

Francis schnellte verwundert hoch. Ein geringschätziger Zug erschien auf seinen bleichen Zügen. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?«

»Es ist mir heiliger Ernst!« betonte Trent scharfen Tones. »Vom ersten Augenblick an, da ich sie sah, stand dieser Entschluß fest. Jeder betrachtet mich als egoistischen Spekulanten. Vielleicht war ich das früher. Jetzt aber nicht mehr. Ich muß reich sein, um ihr den Platz zu geben, der ihr gebührt. Das ist der einzige Grund, weswegen ich Geld besitzen will.«

»Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, daß die junge Dame für Ihr Betragen ihrem Vater gegenüber eine Erklärung fordern wird?«

»Wenn sich niemand einmischt, kann ich eine genügende Erklärung geben. Von Fräulein Wendermots Seite aus ist auch nicht alles klar; denn ich bot ihr durch ein Notariatsbüro eine größere Geldsumme und näheren Bericht über ihren Vater an. Sie gab einfach keine Antwort, schlug das Geld aus und weigerte sich auch, sich mit dem Kompagnon ihres Vaters in Verbindung zu setzen.«

»Das gereicht ihr nicht gerade zur Ehre,« bemerkte Francis trocken. »Monty mag sich nicht gut geführt haben, das stimmt – aber sein Verzicht und sein langer Aufenthalt in Afrika waren ein Beispiel edler Selbstverleugnung.«

»Monty hat es in vieler Hinsicht sehr schwer gehabt. Aber ich habe für ihn getan, was ich konnte.«

»Das ist Ansichtssache.«

»Ich kenne Ihre Ansicht gut genug, und sie läßt mich kalt. Wenn Sie wollen, können Sie mich in einer Woche in ganz London verleumden – aber diese eine Woche muß mir als Frist bleiben.«

»Warum sollte ich die gewähren?«

»Ich will nicht drohen – ich will Sie auch nicht bestechen. Wir beide sind Männer, die gewohnt sind, ihren Willen durchzusetzen. Unter welchen Bedingungen wollen Sie zustimmen?«

Francis tupfte die Asche von seiner Zigarette und stand langsam auf. »Unter keinen!«

»Sie scherzen!«

»Meinen Sie? Ich will offen mit Ihnen reden, Trent. Sie nannten mich vorhin Ihren Feind. Nun, in gewissem Sinne haben Sie recht. Ich habe Ihnen nie getraut. Sie waren mir von Anfang an unsympathisch, obwohl ich zugeben muß, daß Sie mir das Leben retteten. Deswegen habe ich Ihnen heute morgen eine Woche Aufschub zugebilligt – jetzt nehme ich mein Wort zurück. Morgen werde ich bekanntmachen, was ich weiß.«

»Also hat Ihr Haß gegen mich seit heute mittag zugenommen?«

»Ganz recht. Wir spielen jetzt mit offenen Karten, daher will auch ich nichts verschweigen. Was Sie mir über Ihre Heiratsabsichten erzählt haben, veranlaßt mich, sofort zu handeln.«

»So darf ich wohl annehmen, daß Sie selbst Zuneigung für die Dame empfinden?«

»Mehr als für jede Frau, der ich begegnete. Ich finde Ihr Benehmen ihr gegenüber höchst anmaßend.«

Trent stand einen Augenblick wie versteinert – dann öffnete er die Tür. »Es ist besser, Sie gehen, Herr Hauptmann! Aber beeilen Sie sich, bitte!«

Francis zögerte auf der Schwelle. »Sie haben mich verstanden?« sagte er bedeutungsvoll.

»Vollkommen.«

Eine Stunde verfloß, und noch immer saß Trent regungslos, den Kopf in die Hände vergraben, vor seinem Sehreibtisch. Später erinnerte er sich dieser Stunde als einer der bittersten seines Lebens. Sein selbständiger Charakter hatte bisher jede Freundschaft vermieden; still und in sich gekehrt, hatte er Vertraute nicht vermißt. Aber jetzt hockte das Gespenst niederdrückender Einsamkeit lähmend an seiner Seite. Sein Herz blutete, sein Stolz war empfindlich verletzt, seine ganze Zukunft und die Sehnsucht seines Herzens schwebten in ernster Gefahr.

Der Mann, der ihn soeben verlassen, war sein Nebenbuhler und hegte Vorurteile gegen ihn. Aber Trent wußte, daß er es ehrlich meinte. Er war das erste menschliche Wesen, dem er seinen einzigen Lebensehrgeiz offenbart hatte. Und seine verächtlichen Worte als Antwort klangen ihm noch in den Ohren. Wenn er recht hätte? Warum nicht?

Mitleidlos ließ Trent die Vergangenheit an seinem geistigen Auge vorüberziehen und konnte nichts entdecken, was ihm Hoffnungsfreude hätte spenden können. Er hatte sein Leben als einfacher Mann begonnen – hatte das harte Dasein eines Egoisten geführt. Es gab nichts, das ihn der Liebe einer Frau würdig machte. Und bestimmt gab es nichts, ihn für eine Frau wie Irene Wendermot anziehend erscheinen zu lassen. Alle Schätze Afrikas konnten ihn nicht anders modeln, als er war. Und während er sich all dies klarlegte, wurde er sich bewußt, daß er damit sein Dasein als einen Fehlschlag kennzeichnete. Denn außer seiner flammenden Sehnsucht nach Irenes Besitz interessierte ihn nichts mehr. Er blickte durch das elegant eingerichtete Zimmer, sah auf den Briefstapel vor sich als auf Beweise seines Erfolgs, und die Ironie dieses Gegensatzes schnitt ihm ins Herz. Tiefer und tiefer sank sein Haupt, bis es auf den Armen ruhte – und die Stunden, die nun folgten, sanken in peinvolle Bitternis.


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