Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünftes Kapitel.
Der schwarze Monarch

Das Heulen ging in Gebrüll über; blinde Erregung steigerte sich zu bewußter Wut. Wer waren die Fremden, daß sie sich derart unverschämt in die Nähe des Herrschers wagten, ohne, wie es sich gehörte, zuvor einen Abgesandten zu schicken? Denn der König von Bekwando, trunken oder nüchtern, legte großen Wert auf Etikette. Er liebte es, Weiße auf seine Huld warten zu lassen; und es gingen häßliche Gerüchte um über Reisende, die nach Bekwando gekommen waren und von denen man nie wieder etwas gesehen oder gehört hatte.

Dieser weiße Hauptmann, der nicht einmal Geschenke brachte, war an der Spitze seiner Abteilung und ohne Zeremoniell einfach ins Dorf eingedrungen, als ob er hier Herr und Gebieter sei. Er kehrte jetzt zurück mit einem von den anderen Weißen, die wenigstens vor ihm, dem König, gekniet hatten – mit Rum und anderen Gaben. Sein Volk, halb irrsinnig vom Alkoholgenuß, harrte nur eines Schreis von ihm, um die frechen Eindringlinge zu umzingeln. Der Negerherrscher fletschte die Zähne, sein Atem flackerte heiß und wild, doch er zögerte. Drüben, am Rand der Lichtung, hielt der kleine Soldatentrupp, mutig, treu, geübt und bewaffnet. Er unterdrückte seinen kochenden Zorn und reckte sich kerzengerade in seiner prunkenden Würde.

Ängstlich und zitternd nahte sich Onkel Sam.

»Was sie wollen?« herrschte Seine Majestät ihn an.

Der Dolmetscher breitete auf einem Baumstumpf das ihm von Trent übergebene Schriftstück aus und erklärte die Angelegenheit. Der schwarze Monarch nickte etwas gnädiger. Das Dokument erinnerte ihn an den erfreulichen Umstand, daß er jedes Jahr drei Fässer Rum bekommen würde. Außerdem machte es ihm Vergnügen, sein königliches Signum auf das glatte weiße Papier zu kratzen. Er war gern bereit, die Formalität zu wiederholen, und ergriff die ihm von Sam überreichte Feder.

»Er, Offizier, eben gekommen,« erklärte der Halbportugiese, »wollte Sie schreiben sehen.«

Die Majestät fühlte sich geschmeichelt und malte mit der Miene eines Diplomaten, dem das Unterzeichnen von Verträgen und Konzessionen eine Alltäglichkeit ist, ein dickes schwarzes Kreuz auf der angewiesenen Stelle.

»Das so gut?« fragte er den Dolmetscher.

Der Dicke verbeugte sich bis zur Erde. »Er wissen will, sagte er mit einer Kopfbewegung auf Hauptmann Francis, »ob Sie kennen, was bedeutet?«

Die Antwort des schwarzen Herrschers klang heiter: »Drei Fässer Rum jährlich.«

Sam erklärte weiter. »Weiße werden graben – mit Maschinen, die dampfen und Löcher in Boden machen und Bäume abhacken.«

Der König hörte interessiert zu. »Wo?« wollte er erfahren.

Onkel Sam wies nach der westlichen Seite des Busches. »Dort hinten beim Bach.«

Der König dachte nach. »Rum wird doch kommen?«

Sam zeigte auf das Dokument. »Dort es steht! Sehr deutlich.«

Der Herrscher grinste. Es war nicht königlich, aber er tat es. Wenn die Weißen sich zuweit heranwagten, mußten sie einfach niedergeschossen werden, sorgfältig und aus einem Hinterhalt. Er lehnte sich gravitätisch zurück – zum Zeichen, daß er die Audienz für beendigt hielt.

Onkel Sam wandte sich an Hauptmann Francis. »König zufrieden. Er sagen, alles schon erklärt früher – sei in Ordnung.«

Plötzlich kam wieder Leben in die Majestät. Sie umklammerte Sams Arm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Diesmal war es Sam, der grinste.

»König sagt, er zweimal Papier unterschrieben – er jetzt vier Fässer Rum will.«

Trent lachte spottend. »Er soll darin schwimmen, Sam! Er wird darin zur Hölle fahren.«

Onkel Sam bedeutete dem König, daß infolge der respektvollen und bewundernden Gefühle, die ihm die Weißen entgegenbrächten, man die drei Fässer in vier umschreiben würde, worauf seine Majestät zufrieden davonschwankte.

Die beiden Engländer schritten langsam nach der Hütte zurück. Steil stand zwischen ihnen eine instinktive Abneigung. Trents Ungehobeltheit, seine scheinbar herzlose Behandlung des schwächeren Gefährten und seine unbekümmerte Haltung störten den Hauptmann ebensosehr, wie er selbst in vieler Beziehung dem anderen auf die Nerven fiel. Sein gepflegtes Äußere, seine gelassene Manier der Überlegenheit, das sichtbare Zurschautragen des Bewußtseins, einem höheren Stand anzugehören, mußten Trent erbittern.

Monty hatte sich halb aufgerichtet, als sie die Wohnstätte erreichten, doch sobald er den Offizier gewahrte, streckte er sich wieder aus und heuchelte Schlaftrunkenheit.

Diesmal aber ließ Francis sich nicht beirren. Er trat auf den Alten zu. »Ich glaube,« sagte er leise, »daß wir uns schon früher begegnet sind.«

»Ein kleiner Irrtum,« war die Antwort. »Ich weiß nichts davon.«

Doch dem Hauptmann war nicht entgangen, daß der Mund des andern zuckte und seine Hände nervös bebten. »Sie brauchen nichts zu fürchten,« beschwichtigte er. »Ich wollte als Freund mit Ihnen sprechen.«

»Ich kenne Sie nicht – will nicht mit Ihnen sprechen!«

Francis flüsterte dem Widerstrebenden etwas ins Ohr. Trent beugte sich näher, aber er konnte nichts verstehen – er sah nur, daß Monty zusammenfuhr, und hörte den Schrei der fahlgewordenen Lippen.

Monty hatte sich jetzt aufgerichtet, das verzweifelt gestraffte Gesicht leichenblaß, die Augen blutunterlaufen. »Hören Sie,« stammelte er, »es ist möglich, daß ich derjenige bin, den Sie eben meinten, – vielleicht auch nicht. Es geht Sie nichts an, nicht wahr? Machen Sie, daß Sie fortkommen und lassen Sie mich unbehelligt! Ich bin, wie ich bin. Und will nicht belästigt werden.«

»Aber ...«

»Lassen Sie mich zufrieden!« schrie Monty mit einer Stimme, die sich zum Kreischen steigerte. »Ich habe keinen Namen, keine Vergangenheit und keine Zukunft. Lassen Sie mich in Ruhe, oder, so wahr mir Gott helfe, ich schieße Sie über den Haufen!«

Francis hob die Achseln. »Einen Augenblick, wenn ich bitten darf – draußen!« bedeutete er Trent.

Der trat mit ihm in die Nacht hinaus. Im Osten schimmerte schwacher Schein des anbrechenden Tages. Eine laue Brise raschelte durch die Zweige.

»Herr Trent,« hub Francis an, »wie ich gesehen habe, ist die Konzession Ihnen wie Ihrem Kompagnon verliehen. Falls jedoch einer von Ihnen beiden früher stirbt, geht alles an den Überlebenden über.«

»Nun – und?«

»Ich möchte nur feststellen, daß dies ein ungerechtes Übereinkommen ist. Ihr Teilhaber ist bereits durch Alkoholverseuchung halb kindisch, und Sie wissen, was das in diesem Klima heißen will. Sie selbst sind so vernünftig, um nüchtern zu bleiben. Sie haben eine eiserne Konstitution, und er ist schwächlich. Sie müssen für ihn sorgen. Und das können Sie, wenn Sie nur wollen.«

»Noch etwas?« begehrte Trent auf.

Der Offizier musterte ihn vom Kopf bis zu Füßen. »Wir befinden uns in einem unzivilisierten Land, und die Menschen, die hier wohnen, sind gewöhnt, ihren Trieben nachzugeben. Aber eines nur möchte ich Ihnen noch sagen: Wenn hier oder in Buchomari Ihrem Gefährten etwas zustößt, bekommen Sie es mit mir zu tun. Merken Sie sich das!«

In einer Aufwallung des Zorns, die ihm eine Antwort unmöglich machte, drehte Trent ihm den Rücken. Francis zündete sich eine Zigarette an und kehrte nach seinem Kamp zurück.


 << zurück weiter >>