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Viertes Buch

1.

Der Ruf von Giafars Tugend erscholl immer mehr durch die Staaten des Khalifen. Hundert wahre Züge davon gingen von Mund zu Munde, tausend wurden dazu erfunden, und die geschäftigen Hofleute sorgten dafür, daß die wahren und erfundnen dem Khalifen zu Ohren kamen. Noch verzieh Haroun ihm seine Tugenden, weil sie ihm nützten, quälte ihn, wo er konnte, und ermüdete nicht, diesen Tugenden, die er im Grunde seines Herzens anerkannte und verehrte, durch Wort und That Netze zu stellen. Giafar entging ihnen immer mit Triumph. Von Fatime vernahm er nichts. Nie sah er sie bei der Prinzessin, zu welcher ihn der Khalife nun jeden Abend einlud; nie hörte er sie dort nennen, und nie sprach er ihren Namen aus. Den einzigen Trost, den er fand, war die Theilnehmung der Prinzessin, welche sie ihm aber, da Haroun seine und ihre Bewegungen sorgfältig zu beobachten schien, nur durch Blicke zeigen durfte. Die Zärtlichkeit des Khalifen gegen seine Schwester hatte nicht abgenommen; nur bemerkte Giafar, daß oft eine plötzliche, ungestüme, leidenschaftliche Wildheit seine zärtlichen Ergießungen unterbrach. Diese Ausbrüche, die Schamröthe, die in solchen Augenblicken der Prinzessin Wangen färbte, die bedeutenden Blicke, womit sie ihren Bruder strafte, sein finstres Betragen darauf gegen sie und ihn verwirrten und ängstigten ihn so, daß ihm diese Stunden der Zusammenkunft bald zu den beschwerlichsten seines Lebens wurden. Er ahnete etwas, das er nicht zu denken wagte, das ihn mit kaltem Schauder überfiel, wenn sich ihm ein Gedanke davon wider Willen aufdrang. Auf den nächtlichen Wanderungen, die er nun zu Zeiten mit dem Khalifen machen mußte, unterhielt ihn dieser ohne Unterlaß von der Anmuth, den Reizen, den Talenten, dem Verstand der Prinzessin, und schon zitterte Giafar vor einer schrecklichen Entdeckung, als ihm Haroun, eben da er ihn an der geheimen Pforte des Palasts entließ, seine nahe Vermählung mit Fatime ankündigte, ihm für das Glück dankte, das er ihm in ihr geschenkt hätte, und darauf verschwand.

Giafar blieb lange an der Thüre stehen und sah dem Manne erstaunt nach, der so schonungslos die Wunde seines Herzens wieder aufriß. »Er spottet meiner noch und dankt mir, wie der Räuber dem waffenlosen Wanderer, den er ausgeplündert in der Wildniß der Verzweiflung überläßt. Nah bin auch ich ihr – er fühlt nicht, aus welchem Bewegungsgrund ich ihm dieses große Opfer brachte, er nimmt's für sklavischen Gehorsam, weil ich leide und schweige. – Ich seufze, und Alles schweigt um mich – doch eben in diesem geheimnißvollen, feierlichen Schweigen wirkt der unbegreifliche Verhüllte die großen Wunder, durch die Alles lebt, genießet und sich freut. Stört es ihn in seinem Wirken, weil wir ihn verkennen? Verzeih dem Sohne des Staubs, Geheimnißvoller, den kühnen Gedanken, durch den er sich dir in unendlicher Entfernung von dir nahet!« Er sah zum sternvollen Himmel, trocknete seine Augen und wanderte durch die einsamen Straßen nach seinem Palaste.

Der Tag der Vermählung des Khalifen war wirklich bestimmt. Abbassa, die ihres Bruders Festigkeit in seinen Entschlüssen kannte, befolgte seinen Befehl, ohne weiter mit ihm darüber zu reden. Sie suchte Fatimens Kummer zu lindern und sie auf Das vorzubereiten, was geschehen sollte. Der Prinzessin Vorstellungen, ihre Sanftmuth, Güte und noch mehr die glänzende Aussicht, Gemahlin des Khalifen zu werden, die tägliche Gesellschaft des freundlichen blühenden Herrschers Asiens tilgten nach und nach in dem jungen weiblichen Herzen die Liebe zu dem ernsthaften, melancholischen, gleichförmigen Geliebten. Sie hörte die Spöttereien Harouns über den Barmeciden bald ohne Widerspruch und dann lächelnd an; doch der Ernst Abbassa's verbitterte oft den kleinen Triumph. Der Prinzessin Bewunderung für den Leidenden nahm täglich zu. Sie hatte Fatime alles Vorgegangene abgefragt, und ihr Herz setzte nun den Mann, der, um das Leben eines Andern zu retten, seinen Hals darbot, der nun aus so edlem Zwecke die Geliebte ohne Murren hingab, weit über alle Sterbliche. Den Mann, der dieses unnatürliche Opfer erzwungen hatte, konnte sie nicht mehr mit ihm vergleichen.

Die Vermählung geschah mit aller Pracht. Giafar mußte der Feierlichkeit, dem Gastmahl beiwohnen; denn es ist eine weltbekannte Sache, daß die Großen der Erde wenig von bürgerlicher Delikatesse wissen; was ihnen gefällt, muß Allen gefallen, selbst Denen, auf deren Kosten es geschieht. Giafar betrug sich dabei, wie sich ein Mann beträgt, der noch etwas Erhabeneres kennt, als den Besitz eines Weibes. Die Zufriedenheit Zobaidens (unter diesem Namen spricht Harouns Geschichte viel von ihr) machte ihm den Verlust der sanften, unschuldigen Fatime erträglicher; doch bis zum Glückwunsch konnte er sich weder gegen den Khalifen, noch die Neuvermählte erniedrigen. Er verlor sich während dieser Ceremonie unter dem Haufen, und Khozaima versäumte nicht, es der Neuvermählten merkbar zu machen. Sie sah sich gerührt nach dem Barmeciden um, und Haroun, der es gehört, ihre Bewegung bemerkt hatte, erröthete.


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