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9.

Für Khozaima war die Nachricht eine Todespost; alle seine Entwürfe sah er auf einmal zerrissen, er wüthete, rasete, verfluchte sich, Haroun und Giafar. Seine Wunde, die sich kaum geschlossen hatte, drohte durch die heftige Bewegung wieder aufzubrechen. Seine Freunde bemühten sich, ihn zur Vernunft zu bringen, und es gelang ihnen nur dadurch, daß sie seine Rache reizten, indem sie ihm zu verstehen gaben, Giafar habe ihn betrogen, den Khalifen geschreckt und den Vorfall zu seinem eigenen Vortheil benutzt. Nun sah er sich von Dem als überlistet an, den er der List nicht fähig hielt: »Zu seinem Besten,« schrie er, »habe ich mich der Gefahr des Todes ausgesetzt, nun siegt er über mich – hat sie – und ich rase hier! Dem Träumer gab er sie, und ich, der ich sein Leben rettete, ihn auf den Thron setzte, muß den einzigen meiner würdigen Lohn in dem Besitze eines Andern, eines mir verhaßten Schwärmers, sehen!« – Der Streich war geschehen, die Flamme der Wuth legte sich nach und nach und machte dem gefährlichen Gefühl des Hofmanns Platz. Düstre, giftige, verschlossene Rache umschlang sein Herz; sein in Ränken geübter Kopf sann mit den Genossen auf Mittel, diese Rache zu befriedigen; aber fest stand Haroun durch seine Macht, noch fester Giafar durch seine Tugend. Es blieb Khozaima nichts übrig, als auf den verborgenen Haß des Khalifen, wozu er den ersten Grund gelegt hatte, zu rechnen. Er wußte, wie tief er Wurzel gefaßt hatte, und von diesem erwartete er spät oder früh das Verderben seines vermeinten Feindes. Die Zeit seines Urlaubs war nun vorüber; er begab sich erst heimlich zu dem Barmeciden, wünschte ihm mit feurigen Ausdrücken zu seiner Vermählung Glück und dankte ihm für seine Erhaltung, seine Verschwiegenheit. Bald darauf erschien er vor dem Khalifen; dieser nahm ihn freundlich auf, ließ sich von seinen Vergnügungen, seinen vorgenommenen Jagden erzählen und sagte ihm am Ende mit bedeutendem Ernste: »Khozaima, du hast für einen so gewandten Hofmann einen großen Fehler begangen. Wie konntest du dich zu einer Zeit von meinem Hofe entfernen, da deine Gegenwart so nöthig war. Immer dachte ich, meine Schwester an einen Helden zu vermählen, und da ich mich umsehe, dem Würdigsten den Wink zu geben, sich um sie zu bewerben, finde ich ihn nicht. Indessen kommt mir der stille Weise zuvor, setzt sich in ihrem Herzen fest, und doch hat Haroun nur Eine Schwester.

Khozaima. Der gerechte, große Haroun hat seinen Diener nach Verdienst belohnt. Keiner deines Reichs ist der Prinzessin würdiger, als Giafar. Wer, außer dem Manne, der von den alten Königen dieses Landes abstammt, könnte den Gedanken fassen und ertragen, des erhabenen Khalifen Schwager zu heißen? Das Volk segnete dich, als du ihn zum Großvizir erhobst, nun segnet es dich mit Freudenthränen, da du ihm einen so redenden Beweis gegeben hast, daß du den Mann, den es seinen Freund, Beschützer und Vater nennt, zu schätzen weißt. Nur er verherrlicht durch seine Weisheit und Gerechtigkeit deinen Thron und setzt deine erhabene, gefürchtete Tugend in ein sanftes Licht.

Haroun. Wie glücklich bin ich, von so wahrhaft großen Männern umgeben zu sein. Fern von dem Neide, der Eifersucht kleiner Geister, achtet Jeder der Tugenden des Andern, weil er der seinen sicher ist. Bald sollen die Ungläubigen die Folgen dieses seltnen Einverständnisses empfinden. Sei und bleibe des edlen Barmencien Freund, wie er der deine ist.

Khozaima. Er ist zu groß, mein Freund zu sein; er kann mir nur zum Muster dienen, dem ich schüchtern in weiter Entfernung nachzufolgen strebe.

Der Herr trennte sich von dem Diener, und jeder von beiden glaubte, seine Rolle gut gespielt zu haben.


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