Heinrich Zschokke
Das Abenteuer der Neujahrsnacht
Heinrich Zschokke

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

11.

Sobald sich Philipp im Freien befand, nahm er blitzschnell Hut und Seidenmantel ab, wickelte jenen in diesen, und so, beides unter dem Arm, sprang er die Gasse entlang, der Gregorienkirche zu.

Da stand Röschen schon in einem Winkel neben der hohen Kirchenpforte und harrte sein. »Ach, Philipp, lieber Philipp!« sagte sie zu ihm, sobald sie ihn erkannte, und drückte seine Hand: »Welche Freude hast du mir doch gemacht! O wie glücklich sind wir! Sieh, ich habe keine Ruhe mehr bei meinen Freundinnen gehabt. Gottlob, daß du da bist. Schon seit beinahe einer Viertelstunde stehe ich hier und friere. Aber ich denke vor Freuden gar nicht an die Kälte, die ich leide.«

»– Und ich, liebes Röschen, danke Gott auch, daß ich wieder bei dir bin. Hole der Geier all den Schnickschnack der großen Herren. Nun, ich erzähle dir schon ein andermal von den tollen Auftritten die ich gehabt habe. Sage mir, Herzenskind, wie geht es dir auch? Hast du mich noch ein wenig lieb?«

»Ei, du bist nun ein großer Herr geworden, Philipp, und da ist's wohl an mir zu fragen, ob du mich noch ein wenig lieb hast?«

»– Wetter, woher weißt du denn schon, daß ich ein großer Herr war?«

»Du hast es mir ja selber gesagt. Philipp, Philipp, wenn du nur nicht stolz wirst, nun du so entsetzlich reich bist. Ich bin ein armes Mädchen, und nun freilich zu schlecht für dich. Aber, Philipp, ich habe schon bei mir gedacht, wenn du mich verlassen könntest, sieh', ich wollte lieber, du wärest ein Gärtner geblieben. Ich würde mich zu Tode grämen, wenn du mich verlassen könntest.«

»– Röschen, sage mir, was schwatzest du auch da? Ich bin eine halbe Stunde Prinz gewesen, und es war doch nur Spaß – aber in meinem Leben mache ich solchen Spaß nicht wieder. Nun bin ich wieder Nachtwächter, und so arm wie vorher. Ich habe da wohl noch fünftausend Gulden bei mir, die ich von einem Mameluken bekommen – die könnten uns beiden aus der Not helfen – aber leider, sie gehören mir nicht«.

»Du sprichst wunderlich, Philipp!« sagte Röschen, und gab ihm die schwere Geldbörse, die sie vom Prinzen erhalten hatte: »Da, nimm dein Geld wieder. Es wird mir doch im Strickbeutel fast zu schwer.«

»– Was soll ich mit dem vielen Gelde? Woher hast du das, Röschen?«

»Du hast es ja in der Lotterie gewonnen, Philipp.«

»– Was? Hab' ich gewonnen? Und man hat mir doch auf dem Rathause gesagt, meine Nummern wären nicht herausgekommen! Sieh, ich habe gesetzt, und gehofft, es könnte eine Terne für uns zur Aussteuer geben. Aber der Gärtner Rothmann sagte mir, als ich den Nachmittag zu spät auf das Rathaus kam: »Armer Philipp, keine Nummer!« – Juchhe, also doch gewonnen! Jetzt kauf' ich den größten Garten, und du bist meine Frau. Wieviel ist's denn geworden?«

»Philipp, hast du dir ein Räuschchen in der Neujahrsnacht getrunken? Du mußt besser wissen, wieviel es ist. Ich habe bei meinen Freundinnen nur unter dem Tische heimlich in die Börse hineingeschielt, und bin recht erschrocken, als ich ein Goldstück neben dem andren blitzen sah. Da dachte ich: nun wundert's mich nicht, daß der Philipp so unbändig war. Ja, recht unbändig bist du gewesen. Aber es war dir ja nicht zu verargen. Ich möchte dir selber um den Hals fallen und mich recht satt weinen vor Freuden.«

»– Röschen, wenn du fallen willst, ich mag es wohl leiden. Aber hier ist ein Mißverständnis. Wer hat dir das Geld gebracht und gesagt, es sei mein Lotterielos? Ich habe ja das Los noch zu Hause im Kasten, und kein Mensch hat es mir abgefordert.«

»Philipp, treib' keine Possen. Du hast's mir vor einer halben Stunde selber gesagt und mir selber das Geld gegeben.«

»– Röschen, besinne dich. Diesen Morgen sah ich dich beim Weggehen aus der Messe, da wir miteinander unser Zusammenfinden für diese Nacht verabredeten. Seitdem sahen wir ja einander nicht.«

»Außer vor einer halben Stunde, da ich dich blasen hörte und ich dich zu Steinmanns ins Haus hereinrief. Aber was trägst du denn unter dem Arm für ein Bündelchen? Warum gehst du bei der kalten Nacht ohne Hut? – Philipp, Philipp! nimm dich wohl in acht. Das viele Geld könnte dich leichtsinnig machen. Du hast gewiß in einem Wirtshause gesessen und hast dir mehr zugute getan, als du solltest. Gelt, was hast du da für ein Bündelchen? Mein Himmel, das sind ja wohl Frauenzimmerkleider von Seiden? Philipp, Philipp, wo bist du gewesen?«

»– Gewiß vor einer halben Stunde nicht bei dir. Du willst dich, glaub' ich, über mich lustig machen? Antworte mir, woher hast du das Geld?«

»Antworte mir erst, Philip, woher hast du diese Frauenzimmerkleider? Wo bist du gewesen?«

Da beide ungeduldig waren, Antwort zu hören und keine Antwort gaben, fingen sie an, aneinander etwas mißtrauisch zu werden und zu zänkeln.


 << zurück weiter >>