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Im Tanzsaale neben dem Spielzimmer hatte Philipp, der gefürstete Nachtwächter, soeben von seiner Sackuhr vernommen, daß es Zeit sei, sich zum Finde-mich bei der Gregorienkirche einzustellen. Er selbst war froh, seinen Purpurtalar und Federhut an den Substituten zurückzugeben, denn ihm ward unter der vornehmen Maske nicht gar wohl zumute.
Wie er eben die Tür suchte, um sich davonzuschleichen, kam ihm der Neger nachgetreten und zischelte ihm zu: »Königliche Hoheit, Herzog Hermann sucht sie allenthalben!« – Philipp schüttelte ärgerlich den Kopf und ging hinaus; ihm nach der Neger. Wie sie beide in das Vorzimmer traten, flüsterte der Neger: »Bei Gott, da kommt der Herzog!« und mit den Worten machte sich der Schwarze wieder eilfertig in den Saal zurück.
Eine hohe, lange Maske trat mit schnellen Schritten gegen Philipp aus und rief: »Halten Sie einen Augenblick; ich habe mit Ihnen ein Wörtchen abzutun. Ich suche Sie schon lange.«
»Nur geschwind,« entgegnete Philipp, »denn ich habe keine Zeit zu verlieren.«
»Ich wollte, ich müßte keine mit Ihnen verlieren. Ich habe Sie lange genug gesucht. Sie sind mir Genugtuung schuldig. Sie haben mir blutige Beleidigung zugefügt.«
»Daß ich nicht wüßte.«
»Sie kennen mich nicht?« rief der Herzog und zog die Larve ab: »Nun wissen Sie, wer ich bin, und Ihr böses Gewissen muß Ihnen das übrige sagen. Ich fordere Genugtuung. Sie und der verfluchte Salmoni haben mich betrogen.«
»Davon weiß ich nichts!« antwortete Philipp.
»Sie haben die schändliche Geschichte im Keller des Bäckermädchens angestellt. Auf Ihr Anstiften hat sich der Oberst Kalt an meiner Person vergriffen.«
»Kein wahres Wort.«
»Wie, kein wahres Wort? Sie leugnen? – Die Marschallin Blankenschwerd hat mir erst vor wenigen Minuten alles entdeckt. Sie war Augenzeugin bei der Geisterkomödie, die Sie mit mir spielten.«
»Sie hat Ihrer Durchlaucht ein Märchen aufgebunden. Ich habe an Ihren Händeln keinen Teil gehabt. Wenn Sie Geisterkomödien mit sich spielen ließen, war es Ihre Schuld.«
»Ich frage Sie, ob Sie mir Genugtuung geben wollen? Wo nicht, so mache ich Lärm. Folgen Sie mir auf der Stelle zum König. Entweder Sie schlagen sich mit mir, oder – zum König«
»Ihre Durchlaucht ...«. stotterte Philipp verlegen: »Ich habe weder Lust, mich mit Ihnen zu schlagen, noch zum König zu gehen.«
Das war Philipps voller Ernst, denn er fürchtete, die Larve abziehen zu müssen und in empfindliche Strafe wegen der Rolle zu fallen, die er wider seine Absicht hatte spielen müssen. Er machte daher gegen den Herzog allerlei Ausflüchte und sah nur immer nach der Tür, um irgend einmal den Augenblick erwischen und davonspringen zu können. Der Herzog hingegen bemerkte die Aengstlichkeit des vermeintlichen Prinzen und ward dadurch mutiger. Er nahm zuletzt den armen Philipp beim Arm und wollte ihn zum Saal führen.
»Was wollen Sie von mir?« rief Philipp in Verzweiflung und schleuderte den Herzog zurück.
»Zum König!« antwortete der Herzog wütend. »Er soll hören, wie schändlich man an seinem Hofe einem fürstlichen Gast begegnet.«
»Gut!« sagte Philipp, der sich nicht mehr zu helfen wußte, als wenn er den Charakter des Prinzen wieder annähme, »so kommen Sie – ich bin bereit. Zum Glück habe ich den Zettel bei mir, auf welchem Sie dem Bäckermädchen eigenhändig die Versicherung ausstellten ...«
»Possen! Larifari!« erwiderte der Herzog. »Das war einer von den Späßen, den man wohl mit einem dummen Bürgermädchen treibt. Zeigen Sie ihn nur dem König. Ich werde mich darüber ausweisen.«
Indessen schien es doch dem Herzog mit den Ausweisen nicht gar Ernst zu sein. Er drang gar nicht weiter darauf, Philipp zum König zu führen, und das war dem Philipp schon recht – desto ungestümer bestand der Herzog darauf, daß sie beide in den Wagen sitzen und, der Himmel weiß wohin, fahren wollten, um die Ehrensache mit Pistolen und Säbeln abzutun. Das war nun dem bedrängten Philipp gar nicht gelegen. Er stellte dem Herzog alle bösen Folgen dieses Schrittes vor. Jener aber in seinem Grimme ließ sich durch nichts in seinem Verlangen abwendig machen; versicherte, er habe schon Fürsorge für alles getroffen und werde nach Beendigung ihres Geschäfts noch in der Nacht abreisen.
»Wenn Sie nicht,« fuhr der Herzog fort, »der feigste Mensch in Ihrem Lande sind, so folgen Sie mir zum Wagen, Prinz.«
»Ich bin kein Prinz!« antwortete Philipp, der sich zum Aeußersten getrieben sah.
»Sie sind es. Jeder hat Sie hier auf dem Balle erkannt. Ich kenne Sie am Hut. Sie hintergehen mich nicht.
Philipp zog die Larve ab, zeigte dem Herzog sein Gesicht und sprach: »Nun? Bin ich der Prinz?«
Herzog Hermann, wie er das wildfremde Gesicht erblickte, prallte zurück und stand wie versteinert. Seine geheimste Angelegenheit einem Unbekannten verraten zu haben, vermehrte seine Bestürzung und Verlegenheit. Ehe er sich noch aus dieser sammeln konnte, hatte Philipp schon die Tür in der Hand, und weg war er.