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Zweites Kapitel.

Der Ueberfall bei Böblingen, und der Böblinger Herren Verrath.

Gleich beim Eintritt in's Württembergische hatte der Truchseß alle Haufen des Landes aufgefordert, nach Hause zu gehen, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, und gnädigen Bescheids und eines zu haltenden Landtags zu gewarten, oder er werde mit aller Strenge und ohne Schonung verfahren. Die Regierung in Tübingen schickte Wolf v. Hirnheim nach Ostdorf zu ihm, und bat um möglichste Schonung des Landes. »Ich will Unterschied machen, sprach der Feldhauptmann, zwischen Guten und Bösen und vor Brand sein, so viel möglich; aber ein solch Kriegsvolk in solchem Zug ist nicht in ein Bockshorn zu zwingen.« In Eilmärschen erreichte er sein altes Lager am Neckar, zwischen Rottenburg und Tübingen, am Wurmlinger Berg. Es kam Botschaft von Hohen-Tübingen, wie mehrere Fähnlein Bauern im Kloster Bebenhausen liegen. War Herr Georg des Tags gleich einen weiten Weg gezogen, so war er doch in der Nacht auf, die Bauern zu überfallen; er wollte mit einer Abtheilung Reiterei die gewöhnliche Straße über Lustnau nach Bebenhausen ziehen, während das Fußvolk mit einigem Geschütz über Hagelloch und den Bebenhäuser Bergwald ging. Sobald aber die Knechte zusammen kamen, machten sie eine Meuterei, sie wollten keinen Schritt ziehen. Der Feldherr mußte den Lanzknechten nachgeben und bleiben. Die Meuterei nahm sogar den folgenden Tag überhand; man vermuthete, daß die Hauptleute des Fußvolks sie selbst angesponnen haben: es war ein ganzer Monatsold rückständig, was bei den überaus bösen Wegen, über die sie im Eilmarsch hinweg commandirt worden waren, böses Blut machte; drei Tage lag der Truchseß still am Wurmlinger Berg. Handschriften von Seidler und Hans Lutz.

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Von Degerloch war der große württembergische Haufen auf Sindelfingen vorgerückt. Von hier aus antwortete man dem Truchseß: Württembergs Landschaft sei durch ehrenhafte und redliche Ursachen und Beschwerungen gegen die Regimentsräthe des Fürstenthums zu diesem Zuge, den sie um Gottes Ehre und der Landschaft Nutzen und Nothdurft willen unternommen, genöthigt worden; wären sie zu solchem Anzug nicht verursacht, ihnen für sich, wie er wohl denken könne, wäre es lieber gewesen, in Frieden und Ruhe regiert zu werden. Sie wollen sich auch zu gebührlicher Zeit darüber vor Kaiserl. Maj. genugsam und, wie sie gewisser Hoffnung seien, in Ehren verantworten. Solches Antasten haben sie sich von Sr. Gnaden nicht versehen. Gemeine Landschaft vermeine Besseres um ihn und seine Herrschaft Waldburg verdient zu haben. Concept im Stuttgarter Staatsarchiv; zum Theil in Seidlers Handschrift, ganz abgedruckt bei Walchner, Beilage XXVI.

Dieses Schreiben wurde am 6. Mai entworfen, am 7. erst ins Reine geschrieben und abgeschickt. Hans Wunderer, der Stocksberger Hauptmann, setzte es durch. Theus Gerber und Matern Feuerbacher hatten dagegen gekämpft; es wurde die Uneinigkeit im Rath und im Haufen mit jeder Stunde größer. Dennoch brachten die Letzteren es dahin, daß der Obervogt von Göppingen, Jakob von Bernhausen, der, wie andere Edle, der Aufmahnung zum Zuzug gefolgt und jetzt im Lager der Bauern war, ins Feldlager des schwäbischen Bundes am Wurmlinger Berg geschickt wurde, um Geleit für 10 bis 12 Bauern zur Unterhandlung nachzusuchen. Der Truchseß, inmitten seines meuterischen Heeres, sagte es gerne zu. Wie Bernhausen zurückritt, hörte er schon, daß der Haufen auf Herrenberg vorgerückt sei. Matern Feuerbachers und Theus Gerbers Prozeßakten.

Um sich desto leichter mit denen vom württembergischen Schwarzwald zu vereinigen, drang Hans Wunderer auf einen Zug gegen Herrenberg, das von einem Fähnlein bündischer Knechte unter Hans Stöcklen besetzt war. Er gewann die Mehrheit dafür. Unter den Mauern des Städtchens stieß Thomas Maier von Vogelsberg mit seinen württembergischen Schwarzwäldern zu ihnen, die von der Einnahme von Sulz herkamen. Da war ein Freudengeschrei und Getös und Gelärm, 398daß Jakob von Bernhausen, als er anritt, nicht gehört wurde. Man solle Jeden todtstechen, der von Unterhandlung spreche! schrieen sie. Die Herrenberger hatten selbst an den obersten Hauptmann, Matern Feuerbacher, mit brüderlichem Erbieten zuvor geschrieben; Matern schickte Jakob von Bernhausen, Hans Müller und Hans Harter hinein, die Stadt sich übergeben zu lassen. Aber ungeachtet der Haufen vor den Thoren war, öffneten sie diese nicht. Das reizte: die Schwarzwälder schrieen Sturm. Was Matern und Theus Gerber dagegen sprachen, drang nicht durch. Matern mit seinem Haufen zog sich an der Stadt hin auf den Bergrücken hinter dem Schloß, Wunderer stellte die Seinen auf die Aecker hinter den Gärten, Thomas Maier mit seinen Schwarzwäldern nahm Graben, Mauern und Thore für sich, und bei ihm hielten die, welche aus den andern Haufen freiwillig zum Sturm sich erboten hatten: die auf der Mauer zählten unter den Stürmenden, und behielten sie wohl, die Fähnlein von Alpirsbach, Backnang, Balingen, Bebenhausen, Bottwar, Bulach, Brackenheim, Calw, Derdingen, Dornstett, Güglingen, Hirsau, Marbach, Merklingen, Nagold, Neuenbürg, Rosenfeld, Sulz, Tübingen, Tuttlingen, Vaihingen und Wildberg. Stuttgarter Staatsarchiv, Untersuchungsakten vom Jahre 1527. Die Stuttgarter hielt Theus Gerber vom Sturm ab. Um 8 Uhr Morgens des 8. Mai schrieben sie in die Stadt, Weiber und Kinder und die drei Abgeordneten der Bauerschaft hinaus zu thun. Nach 10 Uhr begann der Sturm. Die Ersten daran waren die aus den herrenbergischen Amtsflecken. Ebendaselbst. Die Besatzung und die Bürger wehrten sich männlich: zwei Stürme wurden abgeschlagen. Erst nach sechsstündigem Kampfe kapitulirte die Stadt, als durch die Feuerpfeile, der sich die Schwarzwälder wie bei Sulz bedienten, und die sie im Schloß Glatt dem von Neuneck abgenommen hatten, schon 17 Häuser und die Probstei in Brand gesteckt waren. Die Bauern verloren gegen 200 Mann beim Sturm. »Das heißt Gülten abgelöst!« rief Einer, der von der Leiter fiel, am Boden. Manche Bauern ließen die drinnen dafür büßen, es wurde viel geplündert; auch den bairischen Fußknechten darin all das Ihre genommen. Sie selbst wurden alle in die Kirche gefangen gelegt: »all Stund kamen Bauern herein, 399des Willens, sie zu erwürgen; wenn Hans Metzger von Bönnigheim, der Bauern Profos, nicht gewesen wäre als ein Kriegsmann, so wär's geschehen.«

Ein Metzger von Herrenberg hatte die erste Nachricht, daß das Städtchen bedroht sei, ins Lager des Truchseß gebracht. Aber die Knechte gaben sich noch nicht, Herr Georg sandte einige Geschwader Reiterei unter Dietrich von Homburg und Hans und Bastian von Ehingen dem Städtchen zu Hülfe; sie konnten nichts ausrichten. Erst die am Abend des 8. eintreffende Gewißheit, daß Herrenberg verloren sei, endete die Meuterei unter dem Fußvolk. Mit der Frühe des 9. war der Truchseß auf, mit dem ganzen Heere, Herrenberg zu. Er fand die Bauern in zwei Haufen im Vortheil, den einen auf dem Berg hinter dem Schloß, den andern mit dem Geschütz und der Wagenburg in der Ebene vor den Gärten. Die Bündischen wollten sogleich die in der Ebene angreifen; Michael Ott von Echterdingen, der Feldzeugmeister, sah, daß auf die Art keine Ehre zu gewinnen wäre, und suchte erst für das Geschütz eine gute Stellung, jenseits der Ammer. Auf das zogen sich die Bauern in der Ebene im Angesicht der bündischen Reiterei, die ihnen nichts anhaben konnte, dicht neben der Stadt hin zwischen einem Weiher und einem Moos auch auf den Bergrücken hinter dem Schloß, wo sich nun Alle in drei Haufen aufstellten. Herr Georg lagerte eine Viertelmeile links oberhalb Herrenberg auf einer Höhe bei dem Dörfchen Haslach, und da er den Bauern sonst nichts anzuhaben vermochte, zündete er einige der nächsten Dörfer an, und während diese zwischen Tag und Nacht verbrannten, ließ er »für's Ave-Maria-Läuten« all sein Geschütz gegen die Stadt und das Lager der Bauern in einen Bogen richten und abfeuern: die Kugeln schlugen ins Lager und in die Stadt. Bald darauf erschien der Feldschreiber des feindlichen Haufens vor dem Truchseß, mit einem Schreiben, daß sie dem Bund einen Stand thun und eine Schlacht liefern wollen am Morgen des nächsten Tages. Als Herr Georg den Brief gelesen hatte, sprach er zum Boten, wie er doch so keck und durstlich sei, ihm eine solche Botschaft zu bringen, ohne sein Geleit, wie's Kriegsrecht und Brauch sei; dabei empfahl er seinen Trabanten, selben in guter Hut und Acht zu haben, jedoch mit Essen und Trinken wohl zu halten. Wie 400nun Herr Georg mit seinen Hauptleuten, Grafen und Herren Nachts zu Tische saß, schickte er nach dem Boten und ließ ihn vor diesen seine Ausforderung zur Schlacht wiederholen. Nun, sagte der Truchseß, wenn du es mir zuwege bringst, daß mir die Bauern Stand, halten so will ich dir ein gut neu Kleid von Seide schenken. Und ich, rief Graf Ulrich von Helfenstein, ein gut seiden Wamms, das dir nicht Schmach bringen soll. Am Morgen frühe schickte man den Boten hinweg »sammt dem Michel, des Bunds Trommeter« zu den Bauern. Und da sie hinkamen, wo die Bauern in Ordnung gehalten, war keiner überall mehr da: die Botschaft war eine List gewesen zum Behuf eines ungestörten Abzugs, den sie Nachts um 2 angetreten hatten, ohne etwas zurückzulassen, als einige Wagen und Zelte, mit etwas gekochtem Fleisch darin. Handschriften von Seidler, Hans Lutz und Holzwart. Feuerbachers und Theus Gerbers Prozeßakten. Gabelkofer und Crusius. Auch eine handschriftliche Herrenbergerchronik bei Heyd, Herzog Ulrich, II. S. 259. Fleisch hatte der Haufe genug; denn Proviant ins Lager zu holen, wurden nach allen Seiten die Rottenmeister ausgesandt, und Wolf Metzger von Brackenheim hatte so allein aus dem Kloster Hirschau 73 Stück Rind und 23 gute Zugochsen geholt. Er hatte seines Obersten Befehl dem Klosterschreiber zugestellt, der sich weigerte, und er dann das Vieh selbst fortgetrieben, manches Stück in eines Bauern Stall stehen lassen, manches an Maier gegeben, die Forderungen an das Kloster hatten und nicht zur Bezahlung kommen konnten. Stuttgarter Staatsarchiv, Untersuchungsakten vom November 1526.

Während man im bündischen Lager sich wunderte und ärgerte, hatten die vereinigten Haufen, »die Enge der Wälder zur Hülfe nehmend,« bereits ihr altes Lager zwischen Sindelfingen und Böblingen erreicht, mit allem Gezeug, Geschütz und Wägen: bündische Reiter jagten zu spät nach, und das Murren des Fußvolks, das Beute und Schlachtsold gehofft hatte, zu stillen, mußte man, statt den Bauern auf der Ferse zu folgen, vorher durch Dietrich Spät mit 100 Pferden Geld in Urach holen lassen, während der Truchseß selbst mit dem Heer plündernd und brennend Schreiben Eßlingens an Hall vom 12. Mai in Hoffmanns Handschrift. nicht weiter als bis Weil im Schönbuch vorrückte und dort lagerte.

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Die Hauptleute der Bauern mußten diesmal ihren Plan sehr geheim gehalten, kurz zuvor den Aufbruch, ohne zu sagen wohin, befohlen haben: denn sonst waren die Bündischen von Allem, was in den Bauernlagern vorging und vorgehen sollte, meist gut unterrichtet: der Tuttlinger Vogt hatte seine vertrauten Kundschafter im Lager der Hegauer und derer vom württembergischen Schwarzwald, Stuttgarter Staatsarchiv, Schreiben des Vogts vom 20. April. und Rudolf von Ehingen schrieb aus dem Lager zu Weil nach Hohentübingen, wie er genau wisse, »daß etliche Edelleute, die er für gut herzogisch halte, zu Sindelfingen liegen, und daß Herzog Ulrich selbst dem Haufen durch Schwarz-Jörg, Trommeter, sagen lassen, auf diese Nacht (vom 11—12. Mai) bei ihnen zu sein zu Roß und zu Fuß; aber es seien blaue Enten.« Man sieht, in ihrer nächsten Nähe waren sie gut unterrichtet, nur etwas fernab diesmal schlecht. Sie glaubten es sogar nachher noch, daß der Herzog erst am 11. Mai Nachts zu Rottweil angekommen sei: der Herzog aber war seit den ersten Tagen des Mai in der guten altfreundlichen, freien Stadt, die seit ältesten Zeiten den Verfolgten besonders gastlich war, hatte hier mit den Hegauer-Schwarzwäldern erst noch unterhandelt, hatte von hier aus am 7. Mai an seinen Agenten im Bauernlager Rathschläge im Fall einer Schlacht gegeben. Statt geradezu, schnell, persönlich mit den ihm zu Roß und Fuß Folgenden in's Bauernlager einzutreten, hielt er zu Rottweil, ging dann langsam mit Benkler nach Rosenfeld, und wartete hier des Erfolgs seiner zweiten Botschaft an den württembergischen Haufen.

Ehe nämlich der Schwarz-Jörg, sein trauter Musikus, der der Zeuge und Eingeweihte der ersten Liebesblüthen seines jungen Herzens gewesen war, und ihm in allen Schicksalen treu blieb, in Acht und Elend, jene Botschaft nach Sindelfingen brachte, versuchte noch zuvor jener Doktor Fuchsstein die Bauern-Herzen für ihren unglücklichen Herzog zu gewinnen. Er trat damit auf schon vor dem Zug nach Herrenberg, die Hauptleute und Räthe waren darüber zwistig; Theus Gerber hatte damals dafür gestimmt, den Herzog mit seinem Kriegsvolk zuziehen zu lassen; gäbe Gott den Sieg, dann ihm so viel zuzugestehen, als sich mit ihrem Eid und ihrer Pflicht vertrage. Antwort wurde dem Gesandten keine gegeben. Nach dem Rückzug von 402Herrenberg drang dieser auf Entscheidung. Ramey Harnascher, das Haupt der Partei Ulrichs im Lager, schlug vor, zwei Fähnlein im freien Feld zu stecken: wer Herzog Ulrich annehmen wolle, solle zu dem einen, wer dawider sei, zu dem andern treten. Theus Gerber aber sagte, sie haben einen Eid gethan, den Herzog nicht aufzunehmen, sie können's ehrenhalb nicht verantworten: das müßte von Stund an eine Zwietracht unter den Brüdern geben. Man rief den Stuttgarter Hauptmann aus dem Ring, die Fähndriche mehrerer Aemter wollten sich mit ihm abseits besprechen. Indessen verschaffte sich Ulrichs Kanzler, der Fuchssteiner, das Wort. Dem Talent, dem menschengeübten Wort des gewandten Unterhändlers widerstand der gemeine Mann nicht; als Theus Gerber und der Fähndrich der Cannstatter wieder in den Ring traten, da hatten sich schon alle Hände gegen den Fuchssteiner erhoben, zum Zeichen, daß sie den Herzog annehmen. Brüder, rief Theus Gerber, wir haben geschworen, Ulrich nimmermehr zu einem Herrn anzunehmen, wir können's nicht verantworten. Es wurde abgestimmt, die Mehrheit war für den Herzog. Theus Gerber hatte 14 Fähndriche anderer Aemter bewogen, in Allem nur wie Stuttgart zu handeln: er wollte des Truchseß Anerbieten eines gemeinen Landtags angenommen wissen. Matern Feuerbacher, der oberste Hauptmann, sprach zuerst in dieser Richtung im Ring. Man schrie ihm entgegen, er sei ein Verräther, ein Edelmanns- und Pfaffenfreund; sie haben ihn mit Geld abgefangen; man müsse ihn absetzen. Matern sprach, er habe es wiederholt gesagt; er wolle nicht mehr ihr Hauptmann sein und ritt aus dem Ring hinweg. Da griffen sie nach ihm, legten ihn in's Kloster gefangen, mit Hans Metzger seinem Profosen, und setzten zwei Stockknechte über ihn zur Hut. Dennoch gewann es Theus Gerber und die zu ihm hielten, daß der Beschluß gefaßt wurde, eine Gesandtschaft an den Truchseß nach Weil im Schönbuch zu schicken, um Waffenstillstand und gütliche Unterhandlung: die Einen hofften dadurch Zeit zu gewinnen, bis der Herzog mit seinem Kriegsvolk herankäme, die Andern die Schlacht zu vermeiden. »Sieh, Alter, sagte Matern im Kloster zu seinem Profosen, man hält mich dafür, ich habe viel Geld und wolle einen großen Pracht führen; ich habe 5 Gulden entlehnt.« Da überraschte ihn die Nachricht, daß der Haufe ihn unter die 403Gesandten an Georg Truchseß erwählt habe. Unter den Gewählten waren weiter Theus Gerber, vier Bürgermeister aus den anwesenden Städteabgeordneten, je ein Bürger aus Waiblingen, Göppingen und Schorndorf, und Thomas Maier, der Schwarzwälder Hauptmann. Ihnen voraus gingen wieder Ritter Jakob von Bernhausen und der Hofrichter von Tübingen, Hans Herter von Gärtringen, als Mittelpersonen.

Im Lager zu Weil war das Geld unter die Knechte vertheilt worden, und Graf Ulrich von Helfenstein und Rudolf von Ehingen hatten alle zu Roß und zu Fuß durch Bitten und Reizungen zu der Zusage gebracht, ihnen den mörderischen Handel zu Weinsberg an den Bauern strafen zu helfen, zumal an den Weinsbergischen, die beim Haufen liegen. Schreiben Rudolfs von Ehingen vom 11. Mai. Schreiben Hans Berlins, Bundesakten Fasc. 94. Nr. 6. Jakob von Bernhausen und Hans Herter trugen gemeiner Landschaft zu lieb den Bundesräthen vor, wie die meisten Bauern an der Empörung unschuldig und nur durch Uebermacht und bedrohliche Aufforderung mitzuziehen genöthigt worden seien. Der Truchseß gab die kurze Antwort, die Bauern sollen nach Haus gehen, sich auf Gnade und Ungnade ergeben und die Weinsbergischen unter ihnen ausliefern. Vergebens stellten die Abgeordneten dar, die Auslieferung derer, die an der Weinsberger That Theil genommen, sei ihnen nicht wohl möglich; auch haben sich diese aus dem Weinsberger Thal und aus dem Odenwald ohne ihren Willen an sie, die Württembergischen, angeschlossen; sie erbieten sich aber, mit den unschuldigen Städten und Aemtern von den Weinsbergischen aus dem Feld abzuziehen, dann könne Herr Georg dieselben nach Gefallen strafen. Auch davon wollte man nichts hören, der Truchseß blieb bei der ersten Antwort. Die Abgeordneten erbaten sie sich schriftlich, um sie dem hellen Haufen mitzutheilen. Man gab sie ihnen und den bündischen Feldtrompeter Hans Rosenzweig mit. So ritten sie Abends dem bäurischen Lager zu. Vor Böblingen, wo der Schwarzwälder Haufen lag, wurden sie so angetastet, daß sie alle in Lebensgefahr kamen; man rief ihnen zu, ihre Unterhandlung im bündischen Lager sei Verrätherei, Matern Feuerbacher sei abgesetzt, und der Schenk von Winterstetten zum Hauptmann erwählt.

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Es erhellt, während die einflußreichsten Gemäßigten ferne waren, benützten diese Stunden die andern Parteien, die Anhänger Ulrichs und die Weinsbergischen, die Schreckensmänner, die wir später bei Ulrich auf Hohentwiel finden, und die wohl auch jetzt mit seiner Partei sich verbanden. Einer von Neckarweihingen sagte nachher aus, er sei zum Haufen in Sindelfingen gekommen, da der Hauptmann im krausen Haar ankam. Wer ist dieser Hauptmann im krausen Haar? Ist es der Fuchssteiner? ist es Ritter Bernhard, der Schenk von Winterstetten, der im Dienste Ulrichs zum Haufen kam? ist es der Herzog selbst, dessen Krauskopf überall sonst als das Charakteristische an ihm hervorgehoben wird, und der schon jetzt, seinem Kriegsvolk voraus, namenlos beim Haufen erschien?

Mitten unter die ungestümen Schwarzwälder hinein ritt Theus Gerber, und hielt ein freundliches Gespräch mit ihnen; suchte ihnen ihr Mißtrauen zu benehmen, und bewog die Hauptleute derselben, mit ihm zu der gemeinen Landschaft nach Sindelfingen zu reiten, die daselbst im Kloster versammelt war. Sie stellten der Letztern die Briefe der Bundesstände zu. Der Haufe war auch hier so außer sich, daß Theus Gerber nachher sagte, und wenn ein Fürst des Reiches, es sei welcher es wolle, ja wenn der römische Kaiser selbst zu diesem wüthenden Volk von Frieden oder Vertrag gesprochen hätte, es wäre keiner seines Leibs und Lebens sicher gewesen. Die Hauptleute erklärten darum dem bündischen Feldtrompeter, da es bereits 6 Uhr Abends, sei es zu spät, um für heute in dem Lager etwas Fruchtbarliches auszurichten; er solle den Bundesständen melden, daß sich die Landschaft nur bis Morgen 12 Uhr Aufschub ausbitte; bis dahin sollen Ihre Gnaden eine Antwort erhalten, an der Sie ein gnädiges Gefallen haben werden.

Wie drüben im bündischen Lager, so wurde heut auch im bäurischen mit Geld das Heer zu beschwichtigen versucht. Das von der Geistlichkeit des Fürstenthums bis jetzt eingegangene Schatzgeld, nicht weiter als 5370 Gulden 13 Batzen, wurde von Fähndrichen unter das Heer ausgetheilt, das außer den freien Knechten keinen Kopf mehr als 9534 Mann zählte, und von dem noch diesen Abend drei Fähnlein, nicht die Weinsbergischen, abzogen. Die Schwarzwälder jedoch und die frischen Aufgebote sind wohl dabei nicht mit 405eingezählt. Schon auf dem Rückzug von Herrenberg waren »ihrer viel verlaufen.« Schreiben Eßlingens an Hall am 12. Mai in Hoffmanns Handschrift. Theus Gerbers Prozeßakten. Eine Reihe Berichte im Stuttgarter Staatsarchiv. Keinenfalls zählte das vereinigte Bauernheer über 15,000 Mann, Mehr gibt selbst der Bericht des bündischen Bürgermeisters Freiburger nicht an, Walchner Beilage XXVIII. mit 22, nach andern 33 Stücken auf Rädern und viel Haken und Handrohren, fast ohne alle Reiterei. Das bündische Heer zählte nach der niedersten Angabe, ohne die Zuzüge des Adels von allen Seiten her, 1200 wohlgerüstete Pferde und 6000 zu Fuß, 18 große Hauptstücke und ein zahlreiches Feldgeschütz; nach der höchsten Angabe 15,000 zu Roß und zu Fuß, darunter dritthalbtausend Reiter. Ist auch diese letzte Zahl ohne Frage zu groß: das steht klar und fest, die bündische Macht war schon durch ihre Reiterei und ihre Artillerie dem württembergischen Bauernheer unermeßlich überlegen. Darum wünschte auch im Lager zu Sindelfingen kein Kriegsverständiger unter den jetzigen Umständen mit dem Truchseß zu schlagen, außer denen, welche bei einem Vertrag zu verlieren, für sich zu fürchten hatten. Theus Gerber und die im Kloster Versammelten beschlossen, des andern Morgens um 7 Uhr, am 12. Mai, allgemeine Versammlung der Haufen zu halten, und die Botschaft des Truchseß zu berathen. Am Morgen zogen sich die Schwarzwälder aus ihrem Lager zu Böblingen in das Feld zwischen diesem Städtchen und zwischen Sindelfingen, wo alle Fähnlein zur großen Gemeinde sich sammelten. Noch ehe sie alle im Feld beisammen waren und die Berathung über des Truchseß Schreiben beginnen konnte, erscholl Geschützdonner, Kugeln schlugen herein, die bündische Reiterei zeigte sich vor'm Walde: sie sahen, der Truchseß hatte sie vor der Berathung überfallen, »ohne das arme Volk zu einer Verantwortung kommen zu lassen.« Alles das, was doch den Schlüssel zu dem Gange der Dinge bei Böblingen gibt, verschweigen die bündischen Berichte: desto ausführlicher belehren darüber Theus Gerbers Prozeßakten.

Wie bei Wurzach, wie bei Weingarten, so that er auch hier: zuerst ließ er sich in Unterhandlungen ein, um sie sicher zu machen, dann fiel er über sie, plötzlich wie ein Gewitter hinter Berg und Wald hervor.

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Er wußte schon am 11ten, daß »die Bauern der Sachen unter sich selbst uneins und zwieträchtig« waren. Schreiben Eßlingens an Hall. Er selbst und der Adel um ihn dürsteten nach Rache für das Blut ihrer Anverwandten: Rudolf von Ehingen hatte zu Weinsberg zwei Söhne, der Truchseß selbst seinen Vetter Helfenstein, Heinrich Traysch von Butlar seinen Schwager Dietrich Weiler, mancher einen Verwandten verloren; alle wollten ihres Standes Ehre rächen. Der Truchseß ließ Heinrich Traysch mit einem Theil Reiterei geradeaus über Holzgerlingen und den Böblinger Forst auf das Lager der Bauern rücken, es recognosciren und des Feindes Aufmerksamkeit auf diese Seite ziehen, während er selbst mit dem Hauptheer links über Schloß Mauren und den Kleberberg zog. Wie er von Mauren durch den Wald hervorkam, sah er Heinrich von Butlar in Gefahr, von dem Hauptheer abgeschnitten zu werden. Da ließ er alle Trompeter Lärm blasen und alle Trommelschläger Lärm schlagen durch den ganzen Zug hinter sich, und es eilten alle Reisigen und Knechte mit allen Haufen hervor durch den Wald.

Wie die im Feld zwischen Böblingen und Sindelfingen versammelten Bauern die ersten Reiter vor dem Wald sahen, und den Geschützdonner hörten, stellten sie sich in Schlachtordnung. Das Terrain zwischen Sindelfingen und Böblingen war zuvor überaus trefflich für sie gewählt, und mit großer Geistesgegenwart und Kriegskunde ordnete der Ritter Bernhard Schenk die Schlacht. Das Hintertreffen lehnte sich an das Städtchen Sindelfingen und den Ochsenwald, und hielt für den Rückzug die Doppelstraße über den Hasenberger Wald und über Vaihingen und das Kaltenthal nach Stuttgart offen: hier stand Theus Gerber mit den Stuttgartern und den vierzehn ihm anhängigen Fähnlein. Das Mitteltreffen mit der Wagenburg war im Feld zwischen Sindelfingen und Böblingen; der Stützpunkt des Vordertreffens war die Stadt Böblingen und das Schloß oberhalb der Stadt. Hier hielten die Böblinger. Böblingen war mit seinem Vogt Leonhard Breitschwerdt in der evangelischen Brüderschaft. Die ganze Linie deckten mehrere Seeen und die Weiche eines Mooses. Bernhard Schenk warf Butlars Reiter schnell mit Uebermacht zurück, das Geschütz hatte er nahe bei dem Schloß, oberhalb der Stadt, aufs Beste aufgestellt, einen Haufen suchte er rasch an die Stadt, einen 407andern an den Berg zu bringen. Der Truchseß sah, daß vom Gewinn Böblingens das Meiste abhing; er zog den zurückgeschlagenen Butlar an sich, der, hätten die Bauern Herzog Ulrichs Reiterei bei sich gehabt, verloren gewesen wäre.

Es war 10 Uhr Morgens, als die eigentliche Schlacht begann. Parteit unter sich durch Agenten, welche fremde Interessen der Volkssache unterschoben; irre geführt und in Spannung erhalten durch Verräther aus ihrer Mitte, welche Geschenke von den Herren annahmen, für diese handelten, Bundesakten Fasc. 92. Nro. 24. und das Mißtrauen gegen die wahren Volksfreunde nährten; hin und her gerissen durch den eigenen Wankelmuth ohne die Festigkeit, welche das Gefühl einer gemeinschaftlichen Sache, ohne die Zuversicht, welche das Bewußtsein der Eintracht und treuen Zusammenhaltens Aller gibt; ohne die Kraft der Begeisterung, die unter dem Plündern und Brennen sich selbst ausgebrannt hatte; ein aus Mangel eines inneren Bandes überall auseinanderfallender Durcheinander; dazu unvermuthet, unvorbereitet angegriffen; – so mußte, er mochte wollen oder nicht, der helle christliche Haufen in die Schlacht.

Da die Weiche des Mooses (»eine Gosse«) zwischen dem Truchseß und dem Vordertreffen der Bauern war, und der Schenk inzwischen die Höhen und Vortheile am Wald eingenommen hatte, die bündische Reiterei wenig schaffen mochte, und das bäurische Geschütz und Fußvolk die Bündischens in die Flucht schoß: Handschrift des Hans Lutz, der zugegen war. Ebenso der Bericht des Augenzeugen. so dauerte die Schlacht für die Bauern günstig schon in die dritte Stunde, hauptsächlich durch beiderseitige Kanonade. Unter den Bauern sprach der Pfarrer von Digisheim den Fechtenden Muth, den Gefallenen Trost ein; er hatte beim Anfang der Schlacht das Heer eingesegnet. Aber Verrath kam dem Truchseß zu Hülfe, Verrath der Böblinger.

Der Vogt dieser Stadt, Leonhard von Breitschwerdt, war ein treuer Anhänger der österreichischen Regierung. Im Namen derselben hatte er schon am 28. April mit dem Truchseß bei Pfullendorf verhandelt, um ihn zum schnellen Zug auf Tübingen zu bewegen. Schreiben Breitschwerdts vom 28. April im Stuttg. Staatsarchiv.

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Am Tage der Schlacht war er in aller Frühe Herrn Georg Truchseß entgegen geritten, mit Wissen allein der Rathsherren der Stadt, um ihn um Schonung und Gnade für die Stadt zu bitten, Theus Gerbers Prozeßakten. Schreiben Leonhard Breitschwerdts. mit dem Versprechen, ihm die Thore zu öffnen, wenn er sie schone. So behauptet der Truchseß, Zeil. Handschrift bei Walchner, welche eine und dieselbe ist mit der als Seidlersche Handschrift von mir angeführten. Herr Georg hatte auch darauf seinen ganzen Schlachtplan gebaut. Die Bauern hatten aber 80 bündische Büchsenschützen, die er zum Thor heranschickte, in die Flucht gejagt. Nun führte der Truchseß 200 Büchsenschützen an das obere Stadtthor, das nicht von Bauern, sondern von Bürgern besetzt war. Die Bürger weigerten sie einzulassen. Der Truchseß rief zu denen auf der Mauer hinauf: »sie haben die Kapitulation gebrochen. Wenn sie nicht ohne Verzug öffnen und die Schützen aufnehmen, wolle er sie mit Weib und Kind verbrennen.« Und das Thor that sich auf. – Die Büchsenschützen mit ihren Büchsenwagen kamen hinein, und besetzten – zu spät ersahen es die nicht mehr fernen Bauern – das Schloß. Das entschied Alles schnell. Der Truchseß ließ vier Falkonette und eine Zahl Dopelhaken zuerst nachrücken mit 200 Reitern, »die schossen gewaltig hinaus in die Ordnung der Bauern, ihnen im Rücken, schossen die Bauern aus ihrem Vortheil im Moos, auch von den Bergen und Büheln herab, es ward Raum für die Bündischen, daß der reisige Zeug neben dem Städtchen hinauf in alle Bühel und Vortheile kommen mochte, mit dem Geschütz.« Denn wie das Schloß besetzt war, »hatte sich auch der verlorene Haufe der Bündischen sammt dem gewaltigen Haufen und dem Geschütz geschwenkt, auf eine Höhe eine Brücke gelegt, und darauf die Büchsenmeister und das Geschütz gelagert.« Zu gleicher Zeit hatte der Truchseß Frowen Hutten mit einem Theil der Reiterei den Galgenberg umgehen lassen. Die erste Salve vom Schloß und der Höhe traf kaum in die Ordnung der Bauern, der Schuß war zu kurz; der zweite und dritte Schuß aus allem Feldgeschütz traf um so besser. In diesem Augenblicke, da das Vordertreffen wankte und in Unordnung gerieth, faßte Hutten hinter dem Galgenberg hervor die Bauern in der einen Flanke mit seinen Reitern, während der Truchseß mit der Rennfahne, den pfalzgräfischen Reisigen und seinen 409Trabanten auf der andern Seite angriff, und das Geschütz, das auf dem Berge beim Schlosse lag, den Bauern abgewann. Hans Lutz und der Bericht des Augenzeugen verglichen mit Seidler und dem ersten Theil des aus zwei Stücken neben einander bestehenden Schlachtberichts in den Materialien S. 107. Da wurde das Vordertreffen der Bauern auf das Mitteltreffen geworfen. Aus dem Bündischen und ihrem eigenen Geschütz beschossen, auf beiden Flanken von der Reiterei, »der Bauern Tod« Anshelm VI. 287 zumal bedrängt, mußten die Verrathenen aus allem Vortheil, auch aus dem Moos weichen; »der Angriff wurde so grimm, daß sie nicht mehr stehen mochten.« Das Mitteltreffen vom Geschütz auseinandergeworfen und gelichtet, durch die Reiterei durchbrochen, hielt sich noch durch Theus Gerbers Entschlossenheit.

Dieser Hauptmann, vom Feld der Berathung, als der Schlachtlärm erscholl, nach Sindelfingen zurückgeeilt, fand seine Fähnlein zum Abzug nach Stuttgart bereit. In dem Augenblicke nämlich war von dem Stuttgarter Ausschuß durch eine Botschaft jeder Bürger vom Bauernheer abberufen. Einige sprachen, sie seien an der bäurischen Handlung ganz unschuldig und könnten sich wohl in der Hinsicht auf Gnade und Ungnade ergeben; gleichwohl sei ein mancher Biedermann unter ihnen als gut Württembergisch und als Anhänger Herzog Ulrichs im Verdacht und könne darum Gefahr laufen; lieber wollen sie darum bei einander sterben, wenn der Truchseß ihnen nicht ganz verzeihe. Brüder, rief unter sie tretend Theus Gerber, unsere Verbündeten sind in Noth, die Schlacht hat begonnen; es müßte für uns eine ewige Schande sein, wenn wir jetzt im Nothfall als die Verzagten nach Haus ziehen, und nur da uns einfinden wollten, wo es auf Kirchweihen geht. Und die Stuttgarter und alle Fähnlein stimmten ihm bei, und er führte sie hinaus in die bereits mörderisch gewordene Schlacht. Allein vom Stuttgarter Fähnlein fielen achtzig Bürger. Die Fahne des Mitteltreffens sank, die Fahne des christlichen Haufens, von der bündischen Reiterei erobert: bald war die Flucht hier allgemein, dem Böblinger Wald zu. »Der Bauern Tod« konnte ihnen in's Dickicht nicht folgen. Mir nach, rief der Truchseß, und 40 bis 50 Reiter folgten ihm. Er stellte sich da, wo die Flüchtigen 410eine Schweinhag und eine kleine Ebene passiren mußten, und erstach viele der Durchfliehenden. Um 2 Uhr Nachmittags war die Schlacht zu Ende, alle Haufen der Bauern waren in Flucht oder Rückzug, denn während ein Theil des bündischen Heeres dem flüchtigen Mitteltreffen und dem verlorenen Haufen folgte, drang der andere mit Macht auf die bei Sindelfingen haltenden Fähnlein. Theus Gerber zog sich in den Wald zurück, mit so vielen, als er zusammenhalten konnte, in gutem Rückzug bis Stuttgart; dann zerstreuten sie sich. Bei 200 Bauern kamen hinter Böblingen durch den vorderen Wald hinein auf einen finsteren Fleck des Waldes; nacheilende Reiter und viele zu Fuß fanden, erstachen und erwürgten die um Gnade Flehenden alle. Als die Hauptleute den Truchseß auf der Wahlstatt vermißten, ließen sie die Trompeter Appell blasen, um die Zerstreuten zu sammeln, da ritt der Truchseß daher, und siehe in einer Entfernung von einer halben Meile von der Wahlstatt aus, bemerkte man zwischen zwei Hölzern eine gewaltige Staubwolke, wie von einer starken im Marsch begriffenen Heerschaar. Der Truchseß hielt sie für den Zuzug Herzog Ulrichs. Er nahm einige gefangene Bauern ins Verhör, und erfuhr, daß der Herzog auf diesen Tag zu ihnen stoßen wollte. Welch eine Wendung, wenn Ulrichs Reiterei und sein Geschütz eine Stunde früher eintraf, ja auch jetzt noch, wenn er und Benkler mit den Hegauern auf das von Sieg und Plünderung ganz aufgelöste bündische Heer sich warfen, statt jetzt eiligst zurückzufliehen! Die bündischen Hauptleute wollten ihm nachjagen, der Truchseß fand die Pferde und Reiter dazu zu müde; dagegen wurde mit »etlichen großen Geschwadern vom reisigen Zeug,« namentlich Hessischen, den flüchtigen Bauern vor Sindelfingen durch den Wald hinein nachgejagt bis auf die Stuttgarter Steige, und es wurden viele noch, alle die ergriffen wurden, niedergemacht. Bericht des Augenzeugen; ganz übereinstimmend damit der Bericht in den Materialien und Holzwarts Handschrift. Durch die Wälder, durch Thäler und Klingen spürten die bündischen Knechte nach versteckten Bauern und würgten was sie fanden. Da ward mancher Flüchtling von den Bäumen herab geschossen, »daß er herabfiel, wie ein Storch aus dem Neste.«

Die Zahl der auf der Wahlstatt und in der Flucht Getödteten 411läßt sich nicht bestimmen, sie schwankt zwischen 1500 und 9000. Betz, im Leben Ulrichs, hat 1500 im Ganzen; der Schlachtbericht in den Materialien: 1000 auf der Flucht Erstochene; Seidler: über 8000; der Bericht des Augenzeugen: nach gemeiner Sag ob 9000 auf der Wahlstatt und in den Wäldern; Holzwart: bei 6700; Hans Lutz: 6600 und etliche; Niklas Thomann: 4000; Theus Gerber sagt später, es sollen über 4000 umgekommen sein. Gabelkofer und Crusius haben 4000, der Agent der Eßlinger im bündischen Lager schreibt von 3000, die österreichische Regierung an Ferdinand von nahezu 4000; die Augenzeugen, Umgelter und Freiburger, von 1600 bis 2000, Wendel Hipler spricht auch nur von 2000. Nach einer Sage soll man für das Begraben der Todten zwei Kreuzer für den Körper gegeben und in einer Rechnung 7600 (Kreuzer) verrechnet gefunden haben, also 3800 Todte, bäurische und bündische. Die Hessischen zählten unter ihren Todten und Verwundeten mehrere gute Edelmänner; Hans Lutz, Handschrift. Das mörderische Nachsuchen währte denselben Tag, zum Theil bei der Nacht, bis an den andern Tag, »denn es wurde viel Geld in den Taschen der Württembergischen gefunden.« Erbeutet wurden 5 Fahnen, 18 Stücke auf Rädern, die ganze Wagenburg. Hans Lutz. Holzwart. Der Truchseß lagerte sich neben der Wahlstatt bei Sindelfingen und Maichingen. Er erfuhr, daß sich einer der Weinsbergischen, Melchior Nonnenmacher, der Pfeffer von Ilsfeld, in Sindelfingen verborgen hatte, mit andern Flüchtlingen. Er ritt mit etlichen Pferden vor das Thor, forderte die Bürger heraus und sprach: Ihr habt der Bösewichter einen bei euch, der zu Weinsberg bei meines Vetters Mord gewesen; gebt ihr ihn nicht in einer halben Stunde heraus, so will ich das Städtchen anzünden und Weib und Kind verbrennen. Da das die Weiber hörten, suchten sie ernster als die Männer. Ein Kind und ein Weib ersahen ihn zugleich in einem Taubenschlag, und sie brachten ihn dem Truchseß. Herr Georg, der ihn wohl kannte, ließ ihn im Lager mit einer eisernen Kette an einen Apfelbaum binden, unweit Maichingen, daß er zwei Schritte weit um denselben laufen konnte; befahl gut Holz herbei zu bringen, das ließ er anderthalb Klafter vom Baume herum legen; er selbst, der Truchseß, dann Graf Ulrich von Helfenstein, Graf Friedrich von Fürstenberg, Herr Frowen von Hutten, Dietrich Späth und die andere Ritterschaft trugen jeder ein großes Scheit herzu; dann wurde es angezündet. Es war Nacht; die Sterne gingen herauf am Himmel; seitab, weithin über's Feld 412zerstreut, standen und lagen verlassene Wagen, Karren, Geschütze, Zelte, Waffen, Geräth aller Art, und dazwischen hinein lagen die Todten still, röchelten die Sterbenden und Verwundeten; im weiten Lager lärmte das Zechgelag der Sieger; um den gebundenen Pfeifer im Ring frohlockten die Edeln, und der Holzstoß schlug in Flammen auf, in dessen Feuerkreis der Unglückliche, den Herren zum Gelächter, schnell und schneller umlief »feinlangsam gebraten;« lange lebte er, schwitzend und brüllend vor Qualen; Bilder des Entsetzens, weiß wie Stein, standen die andern Gefangenen; endlich schwieg er und sank zusammen. Hans Lutz, Holzwart, der Augenzeuge, alle Drei sagen ausdrücklich, daß der Truchseß selbst und die Ritterschaft Holz herzugetragen.

Des andern Morgens am 13. Mai brach der Truchseß nach Plieningen auf: zuvor wurde von ihm Böblingen hart gebrandschatzt, den Bürgern Wehr und Harnisch abgenommen. Sattler, Topographie II. 60. Vor den Bürgern und Bauern seines Amts aber war der Vogt Leonhard Breitschwerdt seines Lebens nicht sicher. Sie, denen viele Verwandte erschlagen waren, nannten ihn laut einen Verräther und drohten ihm, seinem Weib und seinen Kindern mit dem Tode; er entfloh nach Pforzheim. Stuttg. Staatsarchiv: eigenhändige Schreiben des Vogts. Die flüchtigen Bauern eilten nach allen Seiten hin ihren Dörfern, viele den Grenzen zu. 400 kamen ins Straßburgische, viele in die Schweiz. Auf dem Wege dahin wurde Matern Feuerbacher in Rottweil gefangen. Durch ganz Württemberg sah man Bauern fliehen, manchen ohne Schuhe, mit unbedecktem Haupte, ohne Waffen. Zwei der Weinsbergischen Schreckensmänner, Jäcklein Rohrbach und ein Heilbronner, wurden in der Nähe des Schlosses Hohenasberg von dem Vogt daselbst gefangen. Herr Jäcklein hatte hier gehalten, um die Flüchtigen zu sammeln, und war so seinem Schicksal verfallen. Holzwart, Handschrift. Thomas Maier, der Hauptmann der Schwarzwälder, war in der Schlacht gefangen worden; zu Tübingen fiel unter dem Schwert sein Haupt. Theus Gerber, der alle seine Fähnlein glücklich nach Stuttgart geführt hatte, und den die Regierung »als einen der bösesten, leichtfertigsten Buben und obersten Principal,« ob er gleich verwundet 413darnieder liege, öffentlich auf dem Markt an einen Galgen oder zu einem Laden heraus hängen wollte, entkam zu rechter Zeit. Schreiben der Regierung an den Truchseß.



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