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Die Bauerschaft und die Bergknappen der fünf österreichischen Herzogthümer im christlichen Bunde.
Man weiß, daß die Landschaft der Salzach, daß das Pinzgau darin, von der Natur als ein reizender Park großartig und reich ausgestattet ist; die Thäler von Gastein, das Salzkammergut, es ist eine Gegend, verschwenderisch begabt mit Quellen, Seeen und Flüssen, 238Wiesen und Gärten, Bergen und Wäldern: und doch war hier der Bewohner, der Städter wie der Landmann, zur Selbsthülfe, zur Nothwehr getrieben, weil Ungerechtigkeit und Ueppigkeit von oben, vom Fürstenhof selbst aus, Leben, Ehre und Glauben verkümmerte, auch das sogar verkümmerte, was den Armen sonst seine Noth noch leichter tragen läßt, den Genuß und Trost des Evangeliums, das doch von Anfang an für die Armen gepredigt worden war.
Anders waren die Verhältnisse in den österreichischen Herzogthümern. Größtentheils nicht so verschwenderisch von Natur gesegnet, waren sie von ihren Fürsten meist mit Liebe behandelt und gepflegt, gedrückt aber von Adel und Geistlichkeit, auch von den Herren des Hofes, den höhern und niedern Beamten, deren Eigennutz und Gewaltthätigkeit das Vertrauen des entfernten Landesherrn und das Volk mißbrauchten.
Die fünf österreichischen Herzogthümer waren noch immer reich genug an Salzen und Erzen, an Weiden auf den Almen und in den Alpenthälern, an Ackergütern und unerschöpflichen Wäldern, um den Aermsten ihrer Bewohner seines Fleißes und seines Daseins froh werden zu lassen. Die Rechtsverhältnisse dieser Bauern hatten sich zudem bis in das erste Viertel des sechzehnten Jahrhunderts herein bei Weitem freier erhalten, als in den meisten andern Landen. Die Anwesenheit der Kaiser, welche in den letzten Jahrhunderten diese ihre Erblande meist nur auf kurze Zeit verließen, ermäßigte schon durch sich selbst die Anmaßungen und das faustrechtliche Umsichgreifen, womit anderswo die edeln Herren die armen Leute plackten. Es war vergleichungsweise eine geregeltere, strengere Gerechtigkeitspflege, und darum schon konnten hier die bäuerlichen Verhältnisse damals noch nicht in jene Knechtschaft ausarten, die den größten Theil des deutschen Bodens entweihte. Es saßen hier noch viele Bauern persönlich frei auf ihren erblichen Gütern, und auch die, welche dienend, aber auch erblich auf den Gütern des Grundherrn und seinem Gericht unterworfen, saßen, die Hörigen, lebten in beziehungsweise sehr milden Verhältnissen, Jahrhunderte lang; sie waren durch feste Rechte gesichert, die Gemeinden hatten die Wahl ihrer Richter, hatten Geschworene, hatten theilweise die Selbstverwaltung, und ihre Abgaben, wenn auch an sich beträchtlich, waren gegen andere noch immer 239gering. Man werfe nur einen Blick auf die einzelnen Verhältnisse der österreichischen Bauerschaften. Der Grundzins z. B. konnte wegen Verbesserung des Guts vom Grundherrn nicht gesteigert werden, der Nutznießer des Guts hatte diesen aber ohne rechtlichen Anspruch auf Nachlaß zu entrichten, der Jahrgang mochte ausfallen, wie er wollte. Zu Frohndiensten (Robothen) war der Unterthan, der nicht nachweisbar davon frei war, nur in so weit verpflichtet, als diese auf Hülfleistung bei der Landwirthschaft des Grundherrn sich bezogen: nur in der äußersten Noth durfte der Grundherr ungewöhnliche Dienste, wie Bewachung seines Schlosses, von dem Grundholden fordern, nie durfte er diesen an Bestellung seiner eigenen Wirthschaft hindern, und wenn er Dienste leistete, mußte der Herr ihm Brod und andern Unterhalt, auch Futter für Pferde und Ochsen geben. Die höhern Gerichte hatten die Pflicht, Mißbräuchen zu begegnen, und bei Streitigkeiten waren es die geschriebenen Verträge, welche entscheiden sollten. Keiner hatte über zwölf Tage des Jahrs Frohndienste zu leisten. Das Besthaupt, die erste Klage des armen Mannes in andern Landen, war in den österreichischen Herzogthümern, als eine »unzulässige Bedrängniß« verboten; doch war auch hier das Todfallgeld mit fünf Prozent von allem liegenden und fahrenden schuldenfreien Eigenthum des verstorbenen, nicht des überlebenden Ehegatten, zu entrichten, ausgenommen aber waren davon fromme Legate, Feld- und Ackergeräthe, Kleidung und Anderes der Art. Der Erbzinsmann durfte sein Grundstück frei verkaufen, aber nur an einen tüchtigen andern Grundholden. Bei Besitzveränderungen jedoch, bei Erbschaften, selbst wenn das Gut vom Vater auf den Sohn überging, mußte eine Veränderungsgebühr mit fünf Prozenten (Pfundgeld, Laudem) geleistet werden, nach alter Gülteneinlage. Jeder Unterthan hatte Freizügigkeit, doch stand ihm der Wegzug nur frei nach Entrichtung seiner Schuldigkeiten. Nur wenn der Grundhold muthwilliger Weise Jahrelang die Dienstleistungen unterließ, durfte der Grundherr ihn nach unparteiischer gerichtlicher Entscheidung abtreiben. Jeder Grundherr war endlich verpflichtet, ordentliche Grundbücher zu führen, und von Zeit zu Zeit auf seine Kosten Grundbuchssitzungen zu halten. In die Grundbücher mußten alle Besitzer der Erbzinsgüter, alle Veränderungen, die freiwillig anerkannten 240Pflichtigkeiten zugleich mit dem Recht und Besitz der Unterthanen in beweisender Form eingezeichnet und deutlich vorgelesen, auch die Erbverleihung jedesmal mit Bemerkung der Marken und Bestandtheile, so wie der Dienste, Zinsen und Gülten, in Schrift gestellt werden.
So bevorzugt waren durch feste Rechte die österreichischen Grundholden gegen andere Bauerschaften: aber auch die festen Rechte schützten sie nicht gegen den Mißbrauch, den sich Adel und Geistlichkeit erlaubten. Dieser Mißbrauch machte selbst die ursprünglich so milden Verhältnisse der österreichischen Bauern unleidlich. Der Druck erzeugte den Aufstand. Man vergleiche über die bäuerlichen Verhältnisse in Oesterreich die lehrreiche Abhandlung bei Bucholz, Geschichte Ferdinands I., im achten Band, S. 1—88.
Ihre Bitten, ihre Rechtsforderungen, welche sie hohen und allerhöchsten Orts anbrachten, blieben nicht nur ohne alle Beachtung, die Abweisung war noch mit Kränkung verbunden. Daher, wie wir gesehen haben, im Jahre 1515 der windische Bund, und dessen Kriegslosung: Stara Prouwa, die alte Gerechtsame! Sigismund von Dietrichstein zersprengte zwar den Bund, »die Tritschelhelden,« hing viele Gefangene an die Bäume, richtete zehn Hauptleute, fünfzehn Rädelsführer und 136 Bauern zu Gräz mit dem Schwert und ließ da und dort umher schinden, spießen, viertheilen; Aquilini Julii Caesaris Annal. Styriae III., 666. aber von allen Beschwerden, den einzigen Ursachen des Aufstandes, wurde keine, auch nicht eine, gehoben.
Im Jahre 1523 mußte die Regierung selbst zugestehen, es haben sich viele Theile des Einkommens verändert, die armen Unterthanen seien von etlichen Hauptleuten, Pflegern und Amtleuten gedrängt worden, es müsse dies abgestellt, und in Kärnthen und Krain namentlich eine gute Ordnung aufgerichtet werden. Vorschläge der neuerrichteten Raitkammer, bei Bucholz VIII., 240. Es kam auch im Jahre 1524 theilweise eine neue Ordnung aufs Papier, aber sie blieb vorerst auf dem Papier.
So waren die Verhältnisse, so die Stimmung dieser österreichischen Lande, als die Samenkörner des neuen Evangeliums auch hieher getragen wurden. Am mächtigsten wirkten in diesen gesangreichen 241Naturen der Alpen die körnigen, gewaltig melodischen Lieder Luthers, von denen die Jesuiten behaupteten, daß sie mehr Seelen getödtet haben, als seine Schriften und Predigten. Die Macht des Gesanges war schwerer zurückzuweisen und zu bannen, als die Prädikanten und die gedruckten Schriften. Mit den wandernden Handwerksburschen wanderten die neu evangelischen Lieder und der evangelische Geist schnell und unconfiscirbar durch die Welt; auf den steyrischen Alpen, in den österreichischen Ebenen hörte man singen: »Eine feste Burg ist unser Gott« und »von Gott will ich nicht lassen;« Bettler sangen vor den Thüren: »Es ist das Heil uns kommen her,« und der Erzbischof Matthäus Lang klagte, daß die Bettler und andere Leute ketzerische Lieder im Salzburgischen auf den Gassen und sonst öffentlich singen, die Leute damit verführen und großen Schaden thun. Salig, Historie der augsburgischen Confession III., 171-173.
So fanden die Emissäre der evangelischen Brüderschaft auch hier den Boden mannigfach für ihre Zwecke bereitet. Die Apostel des neuen Evangeliums lieferte hieher das benachbarte Schwaben, und durch das lebendige Wort wie durch Schriften verbreiteten sie bald den christlichen Bund durch Steyermark, Oberösterreich und Kärnthen, und die Arbeiter in den Weinbergen zwischen Wien und Neustadt, »die Weinzierlhauer und andere Weingartleute,« ließen die bedenklichste Stimmung und drohende Aeußerungen verspüren. Diese Weingartleute waren für Wien und die Umgebungen der Hauptstadt, wo der Weinbau eine Hauptquelle des bürgerlichen Wohlstandes war, »Der trefflichsten Nahrung dieses Landes eine,« Ordnung der Weinzierlhauer von 1534. ein bedeutender Bevölkerungstheil; es waren theils fremde, theils inländische Knechte, eine geregelte Genossenschaft von Arbeitern. In der Mitte Mai's 1525 glaubten die Behörden herausgespürt zu haben, daß eine Verbindung unter ihnen sei, so verzweigt, daß in acht Stunden 10 bis 12,000 Hauerknechte versammelt sein könnten. Bericht des Hofraths und der Rentkammer vom 22. Mai, Bucholz VIII. 88. Das Evangelium und der evangelische Bund hatten einen starken Anhang besonders auch unter den zahlreichen Arbeitern der mannigfachen Bergwerke auf Eisen, Silber, Quecksilber und andere Erze, und der 242Salinen. Diese Arbeiter, die Erzknappen besonders, waren kräftige, gehärtete, in Waffen geübte Leute, und ein jeder galt ganz wie ein guter Kriegsmann.
Erzherzog Ferdinand, der in Tyrol festgehalten war, versuchte auch hier die Unterhandlungen, um die Gährung vor dem Ausbruch zu beschwören, oder sie wenigstens abzuschwächen, indem er die Unterhandlungen in die Länge zöge. Er ordnete zunächst eine Berathung der Stände in den fünf Herzogthümern an, um sich gemeinsam darüber zu vereinen, »was zur Erhaltung christlichen Friedens dieser Empörung halb gedeihen möge« Der zu Linz in Oberösterreich versammelte Landrath von Herren und Ritterschaft, Landleute genannt, aber lauter Edle, drang von selbst darauf, daß in allen fünf Herzogthümern schleunig Landtage gehalten, Ausschüsse gewählt werden und diese an einem bequemen Ort zusammentreten sollen, zur Sicherstellung des Rechts und der Ordnung; zugleich sollten einige Städte im Lande befestigt und versehen werden. Schreiben des Landraths vom 11. Mai 1525 an den Hofrath in Wien, Bucholz VIII., 89. Auf diesen Landtagen hatte die Regierung manches wahre Wort zu hören, bei den Städten zeigte sich ein richtiges Gefühl für das Recht der bäurischen Sache, bei dem größern Theil der Herren wenigstens Mäßigung, die der Augenblick ihnen abnöthigte; bei manchem war es vielleicht wirklich eine vorübergehende Einsicht des Unrechts, das bisher gegen den gemeinen Mann geübt worden war. In den Städten fand sich gar viel armes Volk, das mit den Bauern fühlte und für sie war: die Herren des Adels und der Geistlichkeit fürchteten, die schwer und lange Gereizten aufs Aeußerste zu treiben. Als ein Theil der Stände darauf antrug, wenn sich die Bauern nicht wollten gütlich weisen lassen, müsse man sie mit dem Schwert angreifen, da wollten die gesammten Städte keineswegs einwilligen; sie lehnten zuerst entschieden es ab, ihr Volk zu dem aufzubringenden Heere wider die Bauern und die Bergknappen der Obersteiermark stoßen zu lassen. Die Stadt Steyer erklärte: »weil die jetzigen Zwistigkeiten nicht eine ganze Landschaft, sondern allein die Prälaten und ihre Unterthanen betreffen, so wolle sich nicht gebühren, daß sich die Stadt in einige Hülfe einlasse, oder Volk schicke; sie sei in guter Zuversicht, daß durch des 243Fürsten Räthe und Commissarien sowohl als durch gemeine Landschaft in den Beschwerden der Bauern so gehandelt werden würde, daß es keines Feldzugs bedürfe. Sollte es dazu kommen, daß dem fürstlichen Kammergute oder gemeiner Landschaft unvermuthet Schaden und Eingriff geschehe, so wären für solchen Fall sie von Steyer und eine ehrbare Gemeine willig und erbötig, sich als getreue Unterthanen mit Leib und Gut gehorsam zu halten.« Aus dem Archiv der Stadt Steyer, Valentin Preuenhuebers Annales Styrenses, 222.
Der zu Laibach versammelte Landrath erklärte der Regierung zu Wien geradezu, Sr. Durchlaucht ungewöhnliche Regierung, die neuen Mauthen und andere Maßregeln und Handlungen, womit die Landstände, einzelne Personen und der gemeine arme Mann sehr wider altes Herkommen beschwert worden, seien dieser Aufruhr und Uneinigkeit zum Theil Ursache. Schreiben der Landschaft vom 10. Juni 1525, Bucholz VIII., 90.
Daß zu der Bewegung großentheils auch die unbilligen Berückungen Anlaß gegeben haben, darauf wiesen selbst die Ausschüsse aller Landschaften, als sie zusammengetreten waren, hin. Sie beantragten die Aufstellung von 3000 oberländischen Knechten und die schleunige Ausrüstung aller Kriegspflichtigen zu Roß und zu Fuß, die Wahl zweier Kriegsräthe aus jedem der fünf Lande und die Ernennung eines obersten Feldhauptmanns durch den Erzherzog. Sie sagten aber ausdrücklich dabei, »sie haben bedacht, daß es nicht ohne sei, wenn der Eigennutz den gemeinen Nutzen nicht überwunden hätte, wenn auch der Armuth ein gleiches Recht geleistet würde, und keine unbillige Beschwerungen auf dem gemeinen Manne lasteten, so möchte es zu solchem Uebel nicht gekommen sein. Darum, wenn die Ungehorsamen zu Gehorsam und Frieden gebracht werden, so möge man Alles, worüber sie sich billig beschweren, erledigen, und keine unbillige Härte gegen die Unschuldigen und die Armen üben.« Antrag der Ausschüsse, Bucholz VIII., 89
So knüpften selbst die Landschaften, meist niederer Adel, ihre Hülfe zur bewaffneten Dämpfung des Aufstandes nur an die Bedingung der Abhülfe der einzelnen Beschwerden des gemeinen Mannes.
Erzherzog Ferdinand stimmte ihrer Ansicht bei, weil ihm nichts 244Anderes blieb, nicht weil er selbst so milde gesinnt war: im Gegentheil, daß gerade auch seine eigenen Dominialunterthanen größtentheils gährten oder aufgestanden waren, machte ihn voll Grimm und Rachsucht. Er und der Wiener Hofrath hatten zuerst das ganz gleiche Verfahren vorgezeichnet: »man müsse den Frevel mit eiserner Ruthe züchtigen –« damit der Bauern böse muthwillige Handlung gestraft werde, und Andere ein Ebenbild daran empfahen, auch die, so sich sonst noch in Aufruhr begeben möchten, damit gestillt und in Sorgfältigkeit gebracht werden: »So ist demnach unser Rath und gut Bedünken, daß ihr gegen – alle Hauptleute und Rädelsführer, wo die ankommen oder betreten werden, mit Spießen, Schinden, Viertheilen und aller grausamen Straf handeln und vorfahren lasset.« Ferdinands Instruktion und des Hofraths Gutachten.
Jener Sigmund von Dietrichstein, der vor zehn Jahren so grausam gegen den Bauernbund verfahren war, führte noch immer die Landeshauptmannschaft von Steyer. Er war ein alter Mann geworden, und litt an der Gicht. Auf dem Landtag, der in der Hauptstadt Grätz zusammengetreten war, fand er wenig Tröstliches. Es waren nur wenige Herren und Landleute erschienen, und die Bauern traten auf und erklärten den Herren ins Angesicht, wie sie von Prälaten und Obrigkeiten hart und unbillig beschwert werden, und wo ihnen keine Wendung geschehe, müssen sie sich selbst Wendung thun. Dietrichstein forderte den Rath der Hauptstadt auf, ihm zu Abstellung des Aufruhrs behülflich zu sein. Die Rathsherren gaben ihm zu verstehen, wie die Gemeinde ganz anders gesinnt sei und sie dieselbe keineswegs zum Auszug gegen die Bauern zu bewegen vermöchten; ja sie könnten keine Vertröstung haben, zur Hut des Schlosses nur einige Knechte zu bekommen. Dietrichstein mußte Allem aufbieten, um die wenigen Herren und Bauern zum Auszug zu vermögen, sie sagten es zu, als er versprach, in eigener Person mit zu ziehen; er streckte sein eigenes Geld dar, er machte Anleihen, warb damit Knechte, und zog mit diesen, seiner eigenen Ausrüstung und der von fünf Landherren aus, zunächst nach Bruck am Einfluß der Mürz in die Mur. Die Bürger dieser Stadt zeigten sich sehr abgeneigt. Die Fußknechte, die ihm von Wien aus zu Hülfe geschickt wurden, und die bereits in dem nahen Leoben angekommen 245waren, zeigten keine bessere Gesinnung. Gegen die Erzknappen und die Bauern wollen sie in keine Wege ziehen, erklärten sie. Dietrichstein ritt zu ihnen und sprach ihnen gütlich zu. Sie wollten ihn nicht hören; in die sechzig Knechte zogen sogar geradezu ab und zu den Bauern. Mit Geld hielt Dietrichstein die übrigen, sie schwuren ihm aufs Neue zu, und zu gleicher Zeit trafen 300 böhmische Stückknechte ein, ein bedeutender Zuwachs, da die Böhmen zu der Zeit für die geschicktesten Artilleristen galten.
Die Bauern des christlichen Bundes, »die Bündischen,« wie sie sich nannten, hatten indessen Schlösser und Flecken eingenommen, darunter namentlich Murau mit seinen Eisenhämmern und seinem Bergschloß. Dietrichstein wollte gegen Judenburg ziehen, um die verlorenen Plätze wieder zu nehmen. Seine Kundschafter berichteten ihm, alle Bauern um Leoben, das ganze Eisenerz und die anstoßenden Thäler warten nur auf seinen Abzug, um sich zum christlichen Bunde zu schlagen. Dietrichstein ritt selbst zu der Gemeinde in Trafeyach; zu den Eisenarbeitern von Vordernberg, dem berühmten, schon seit tausend Jahren auf Erz bebauten Eisenberge, schickte er den Grafen Georg von Montfort, und Leonhard Steinbeck. Die Vordernberger zeigten leidlich guten Willen, ebenso die um Leoben, sie sagten zu, sie wollen gehorsam bleiben, sofern die des Markts Eisenerz, des Hauptsitzes der Gewerke, und ihre andern Nachbarn nicht umfielen. Die andern Gemeinden aber waren ganz aufwägig; im Innernberg wurden die Abgeordneten Dietrichsteins angefallen, sie retteten nur mit Mühe das Leben, die Bergleute erbrachen das Amtshaus, nahmen die Büchsen und Spieße darin heraus und waffneten sich damit. Der Amtmann von Vordernberg, Zöllner, gewann es über die Vordernberger, daß sie die vom Innernberg vermochten, die Abgeordneten Dietrichsteins, welche sie noch immer gefangen hielten, frei zu geben. Doch mußte Dietrichstein zuvor versprechen, nichts Thätliches wider sie und ihre Nachbarn vorzunehmen, und von seiner Drohung, daß er die Flecken verbrennen wolle, abzustehen.
Dietrichstein sah sich von dem Aufstand immer mehr umzogen. Durchs Ennsthal heran zog der bündische Haufen, schon hatte er die ummauerte kleine Stadt Rottenmann besetzt, und vom 246Kammerthal kam die Botschaft, auch die dortigen Bauern haben sich für den christlichen Bund erklärt. Des Haufens oberster Hauptmann war jetzt Reustl, der fürstliche Bergrichter zu Schladming. Dietrichstein ließ sich von einigen gefangenen Bauern sagen, an 1200 von Schladming und die Bauern von Goyssen stehen zu Goyß, dem Benediktinernonnenkloster, zwei Stunden weiter zurück sollen in die 10,000 Bauern und Knechte zusammenkommen, der oberste Hauptmann sei mit 300 zu Admont an der Enns, in dem schönen Benediktinerstift, dem reichsten der ganzen Steyermark. Dietrichstein glaubte dem Bericht, er hatte 5000 Mann beisammen, er beschloß, die Bauern anzugreifen. Seitwärts auf einem Berge fand er rechts von Goyß eine Bauernschaar gelagert, er entsandte dahin eine starke Abtheilung, und dieser gelang es, die Bauern von dem Berg zu vertreiben. Er selbst griff den Haupthaufen gerade vor sich an. Diese schlugen den Angriff schneller zurück, als er geschehen war: sobald die Bauern ihr Geschütz in die deutschen Fußknechte abgehen ließen, warfen sich diese zu Boden, und wandten sich zur Flucht, sie waren nicht aufzuhalten, ihr Fähndrich warf sogar das Fähnlein von sich. Als der Hauptmann der Böhmen schwer verwundet darnieder sank, flohen auch diese unaufhaltsam davon, sie rissen Alles sich nach, Ritter und Herren. Der Feldhauptmann bemühte sich umsonst, die Flüchtigen zum Stehen zu bringen, doch gelang es ihm, sein Geschütz zu retten. Der Rückzug der Flüchtigen ging durch ein enges Felsthal. Ueber demselben hatten Bauern ein Staudach besetzt und warfen Steine auf die Rückziehenden herab. Dietrichstein selbst wurde an Schulter und Seiten hart getroffen. Mit einem Verlust von gewiß vielen hundert Knechten – hundert gestand er selbst – gelangte er nach Ehrenau, mit Quetschungen und vermehrtem Gichtübel. Dazu hörte er hier, wie die Knechte nicht weiter dienen wollen und der größere Theil Miene mache, zu den Bauern überzugehen. Er schwur, jeden, der den Dienst weigere, todtschlagen zu lassen, da sie noch einen halben Monat zu dienen haben. Die Knechte aber machten eine Meuterei; sie forderten einen Schlachtsold, nur unter dieser Bedingung wollten sie weiter dienen. Die böhmischen Stückknechte waren mit ihnen im Einverständniß, auch sie meuterten. »Was? rief Dietrichstein, ihr habt mich als Bösewichte im Stich gelassen, 247und ihr wollt einen Schlachtsold haben?« Aber es blieb ihm nichts, er mußte den Deutschen den Schlachtsold und auch den Böhmen Geld geben, um sie zu stillen. Denn die Hülfe, welche die Landherren von Krain und Kärnthen ihm zuführten, war erst im Anzug.
Aus Kärnthen kamen ihm zwei Fähnlein Knechte und etliche hundert Reiter. Sie führte als oberster Hauptmann Hans von Greifeneck. Sie zogen aus von Klagenfurt und kamen gen Neumarkt. In diesem Städtlein lagen 700 Bauern. Greifeneck führte das Geschütz mit den Landsknechten zu dem Schloß hinauf, und befahl dem Geschützmeister, Martin Fleug, etliche Stücke abgehen zu lassen. Die Bürger des Städtchens entzweiten sich mit den Bauern, die darin aushalten wollten, gingen vor das Thor heraus und überantworteten dem von Greifeneck die Schlüssel. Auf das begehrten die Bauern Gnade. Greifeneck bewilligte sie ihnen. Bei sich hatte er viele Edelleute des Landes, namentlich die Herren Hans Ungnad, Christoph Weltzer den ältern, Ruprecht Weltzer, Andrä von Silberberg, Hans und Christoph die Mordaxen, Ernauer, Himmelberger und Rauber. Es scheint, die edeln Herren haben trotz der Capitulation ihren Muthwillen an den Bauern auslassen wollen. Während nämlich diese aus dem Städtchen zogen, zwischen den Spalieren der Reisigen, entstand eine Verwirrung und ein Lärmen, viele der Hintern gaben die Flucht, die Vordern vermeinten, die Ritter schlügen hinten in den Haufen; so stellten auch sie sich zur Wehre. Es kam zum Handgemenge, die Reiter und Husaren setzten in die Bauern, und es wurden bei fünfzig erschlagen. Aber als die Herren nach Goyssen kamen, unweit Rottenmann, da fanden sie die Todten, welche die bündischen Bauern daselbst erschlagen hatten, besonders viele auf einer Wiese bei dem Dorf; es lag darunter auch Leonhard Steinbeck, der Freund Dietrichsteins, ein tapferer Herr; er wurde mit einem andern Edeln, dem Herrn von Süsbeck, in ein Grab gelegt, die Andern begruben sie alle in eine Grube bei der Kirche. Alte Handschrift, bei Megiser, Annales Carinthiae, S. 1343.
Sobald Dietrichstein diese Landherren von Krain und Kärnthen an sich gezogen hatte, machte er wieder eine Bewegung vorwärts gegen die Bauern. Reustl zog sich vor der Uebermacht der Landherren in eine feste Stellung oberhalb Rottenmanns zurück, er hatte 248nur 6000 Mann um sich. So war es für Dietrichstein leicht, Rottenmann wieder zu besetzen und die umliegenden Flecken dem Erzherzog neu huldigen zu lassen. Reustl in seinem Lager mit den Waffen anzugreifen, wagte er nicht, ein Erfolg wäre unmöglich gewesen: er griff ihn mit List an, durch Unterhandlungen. Seine gütlichen Erbietungen brachten Zwiespalt in den Haufen. Reustl und der eine Theil, welche Dietrichstein durchschauten und ihm nicht trauten, wiesen seine Vergleichungsvorschläge zurück. Die Mehrzahl des Haufens war für die Annahme. Dietrichstein, der nicht wußte, was im Innern des Bauernlagers vorging und von seiner Krankheit hart geplagt war, verzweifelte an einem glücklichen Erfolg, und schickte Schreiben auf Schreiben an die Regierung ab, Niklas von Salm solle eilen, an seiner Statt den Oberbefehl zu übernehmen, und zugleich ließ er in seinem Heer in der Person des Niklas von Thurn einen Stellvertreter für sich erwählen. Da kam Botschaft aus dem Bauernlager mit dem Erbieten, den Vertrag anzunehmen; und sich zu unterwerfen. Die Bauern hatten sich wirklich getrennt; während die Mehrheit sich unterwarf, zog Reustl mit den Bergknappen und dem entschlosseneren Theil der Bauern sich über die Tauern durch das Lungau und Pongau zurück zu dem großen salzburgischen Haufen.