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Fünftes Kapitel.

Der vergebliche Landtag zu Würzburg.

In Würzburg, der Hauptstadt des Herzogthums Franken, wuchs die Stimmung mit jeder Stunde bedrohlicher. Am 27. April versammelten sich 300 Bürger, um das Kloster zu Maienbronn zu überfallen. Sie waren meist aus den Vierteln Haug und Pleichach: Rath und Viertelsmeister wußten es zwar noch zu hintertreiben; und auch den Plünderungen, womit Hans Bermeter in den geistlichen 332Weinkellern und Kornböden fortzufahren gedachte, wurde dadurch eine Schranke gesetzt, daß der Viertelsmeister Balthaser Wirzburger, der Wirth zu der Schleyen, dem die Freizechen in den Klosterkellern offenbaren Abbruch in seiner Wirthschaft thaten, den Rath bewog, bewaffnetes Volk in das Baarfüßerkloster zu legen, die jeden Auslauf wehrten. Da alle Viertel der Stadt diese Maßregel billigten, mußten sich die Vorstädte Haug, Pleichach und Sand auch fügen. Wirzburger und Hans Glück wurden Hauptleute der Sicherheitswache; anfangs wurde manche Ausschweifung verhindert; aber in Kurzem fingen die Hüter selbst an, in den Kellern zu schwelgen, die sie hüten sollten. Und am 28. April plünderten die Häcker jenseits des Mains unter Anführung Jörg Grünewalds ungehindert das Kloster Himmelpforten, und führten die Beute öffentlich nach Würzburg herein.

Diese Gestalt der Stadt schien den Räthen des Bischofs nicht einladend für ihren Herrn, den Landtag darin zu halten. Sie riethen ihm, ihn auf den Frauenberg oder an einen andern Ort zu verlegen, oder ihn wenigstens nur durch einen Gesandten zu beschicken. Schon aber waren großentheils die Abgeordneten in der Stadt angelangt und ein Ausschuß des Raths und der Landschaft kam auf den Frauenberg und bat den Fürsten, in Person den Landtag in der Stadt zu eröffnen. Der Bischof sprach zu seinen Räthen: »Ich bin mir nicht bewußt, meinen Unterthanen Anlaß zu diesem Vornehmen gegeben zu haben. Ich zweifle selbst nicht, daß meine Unterthanen alle Eines Sinnes und Vorhabens sind, daß, was Einer ist, bald Alle sein werden. Aber noch wollen nicht Alle für das gehalten werden, was sie vielleicht im Herzen sind. Käme ich nun nicht persönlich, um mit ihnen zu handeln, so werden sie von mir sagen, ich traue ihnen nicht; sagen doch jetzt Viele, käme ich selbst als ihr rechter, natürlicher Herr, so würde sich Jeder halten wie ein frommer Unterthan.« Da schon Bensen S. 209—211 die ganze lange Rede abgedruckt hat, so wurde hier nur der Hauptgedanke wörtlich gegeben.

Er verlangte und erhielt sicheres Geleit, und ritt dann am 2. Mai mit einigen vom Kapitel, von der Ritterschaft und den Räthen in die Stadt hinab, nachdem er zuvor in einer feierlichen Urkunde dem Domprobst, dem Kapitel und den Räthen den Frauenberg und 333das ganze Stift dahin übergeben hatte, daß sie weder das Schloß noch irgend ein bischöfliches Recht aufgeben sollten, für den Fall, daß er gefangen und ihm in der Gefangenschaft ein Befehl dazu abgenöthigt würde. Sie gaben ihm alle das Handgelübde darauf. Er konnte bereits leichtern Herzens hinab reiten, denn an diesem selben Morgen hatte ihm der Pfalzgraf auf Befehl des schwäbischen Bundes die erfreuliche Nachricht mitgetheilt, wie der Aufstand in Oberschwaben theils gestraft, theils vertragen worden, und wie der Truchseß im Anzug auf Württemberg sei, und dann auch der Pfalz, Mainz und Würzburg zu Hülfe kommen wolle.

Es waren Abgeordnete der meisten Aemter zum Landtag erschienen; nur dreizehn waren nicht vertreten. Die oberländischen Städte waren alle da; die Bauern des Bildhäuser Bundes, zu dem diese Städte gehörten, hatten ihnen nach kurzem Widerstreben den Besuch des Landtags gestattet, doch so, daß sie ohne die Bauern auf demselben nichts beschlößen. Von denjenigen Städten, die sich dem Tauberhaufen verbrüdert hatten, war gar kein Abgeordneter da; sie wurden von diesem zurückgehalten oder dachten sie selbst wie die Bauern, ihre Brüder. Der Fürst soll ein christlicher Bruder werden, sagte die Stadt Bütthart, und dem göttlichen Wort einen Beistand thun.

Schon vor dem Landtag bekam es der Bischof zu hören, wie sehr er Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben; wie »das gemeine Volk wider göttliche Satzung hochbedrängt und beschwert worden, vornämlich von Klöstern und Prälaturen, die nicht zu sättigen gewesen seien« und wie sie das Wort Gottes, das vor ein paar Jahren wieder ans Licht gekommen sei, zu verdunkeln und zu verfolgen geeifert haben. Auf dem Landtag übergaben sie eine von John Martell, dem Stadtschreiber zu Königshofen, verfaßte Adresse, welche im Allgemeinen von den unerträglichen Bedrängnissen durch die bischöflichen Verwalter handelte, die meist vom Adel und der Geistlichkeit seien; diese seien auch Ursache, warum die oberländischen Städte zu den Bauern gefallen seien. Ohne die Bauern können sie Nichts handeln und beschließen. Der Bischof solle also auch diese erfordern.

Dem Bischof blieb nichts, als das Unerhörte zu thun, Bauern zu einem Landtag einzuladen; und während Abgeordnete an sie abgingen, mußte er die Beschwerden der einzelnen Landschaftsglieder 334hören. Da zeigte sich dann, welche himmelschreienden Gewaltthätigkeiten bei Besteurung, Zehnterhebung, Gerechtigkeitspflege und in andern Stücken herrschend waren, welche Geduld die Unterthanen bisher getragen, welche Mäßigung sie jetzt noch bewiesen, und welche Stirn oder Gewissenlosigkeit dazu gehörte, um, wie Bischof Conrad gethan, aufzutreten und zu sprechen, er sei sich bewußt, keinen Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben zu haben.

Der Tauberhaufe gab denen, die mit der Einladung zum Landtag vom Bischof kamen, zur Antwort: »Sie können diesmal nicht viel tagleisten, und wollen die Sachen sparen, bis sie gen Würzburg kommen, dahin sie kürzlich zu kommen sich versehen.« Diese Antwort kam von den Hauptleuten aus dem Taubergrund. Andere im Bauernrath zeigten sich geneigt, auf die Abgeordneten des Bischofs zu hören und ihnen zu folgen. Da brachten die von der Tauber ein Schreiben des bischöflichen Kanzlers an den Bischof zu Constanz, das sie eben aufgefangen hatten, und das die Absichten und Hoffnungen des Hofs aufdeckte, vor die Gemeinde. »Vorwärts! erscholl es von Mund zu Mund; keine Luft gelassen den Feinden des Evangeliums! Sie wollen nur Zeit gewinnen.« Zugleich schrieben sie in das Lager von Bildhausen die Mahnung, sich zu erheben, nach Würzburg zu kommen, und ihre Sache vollenden zu helfen.

Auf das, was die Abgeordneten der Landschaft berichteten, zerschlug sich der Landtag. Zwischen der Stadt Würzburg und den Abgeordneten der Landschaft war ein so gutes Verständniß, daß die erstere für diese in den Herbergen bezahlte, und alle Städte mit Würzburg sich verbanden, brüderlich mit Gut und Blut zusammen zu halten, und ihre Sache als eine gemeinschaftliche anzusehen. Dann ritt Jeder in seine Stadt.

Der Bischof hatte schnell bei der wachsenden Gefahr aus mehreren Schlössern die Besatzungen heraus und auf den Frauenberg gezogen; noch einmal bat er die Stadt Würzburg, ihm treu zu bleiben. Die Augen der meisten Bürger sahen das evangelische Heer vom Odenwald her, das ihrer Landsleute von der andern Seite her schon vor ihren Thoren gelagert, die einen mit Furcht, die andern mit Wünschen; sie gaben eine zögernde Antwort. Der Fürst sah darin die Absicht, ihn so lange aufzuhalten, bis die Bauern in Würzburg 335eingerückt wären. Sie hatten ihm das Geleite treulich gehalten und ihn unbeschwert auf den Frauenberg zurückreiten lassen: aber die Weiber in der Stadt ließen sich voll Zorns verlauten, hätten sie gewußt, daß ihre Männer so einfältig wären, den Bischof wieder auf's Schloß zu lassen, so hätten sie sich selbst rottirt und ihn gefangen genommen.

Sebastian von Rotenhan hatte für den Frauenberg mit eben so viel Thätigkeit als Klugheit gesorgt. Er hatte die Bäume im Lustgarten umhauen, das Schloß verpallisadiren, die Thore besetzen, Schießlöcher durchbrechen, Büchsen austheilen, Wasser, Wein, Holz, Korn, Mehl, Speck, Eier, Butter, dürr Fleisch, Betten und Anderes herbeischaffen lassen, Zimmerleute und Ballierer hereinbekommen und eine Zug- und Pulvermühle gebaut. Dennoch riethen Adel und Stiftsherren ihrem Bischof einmüthig, die Umlagerung durch die Bauern nicht abzuwarten, sondern für diesen Fall beim Churfürsten von der Pfalz Hülfe zu suchen, und sie zu entsetzen; und er ritt am 5. Mai Abends von der Veste hinweg, mit bekümmertem Herzen, ob er die Treuen, die er auf dem Berg zurück ließ, wieder finden, ob er diesen ihm im ganzen Stift noch einzig übrig gebliebenen Platz behalten, ob er selbst mit dem Leben davon kommen werde. Ueber Boxberg und Lorbach kam er am 7. Mai mit seinem Gefolge nach Heidelberg. Auf dem Frauenberg blieben 244 Mann als Besatzung zurück, Domherren, Ritter und Knechte. Das Schloß war dem Domprobst, Markgrafen Friedrich von Brandenburg als obersten Hauptmann übergeben, und Alle schwuren, bei ihm zu leben und zu sterben.



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