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Kyrus blieb nun mit dem Heer eine ziemliche Weile auf der Stelle, um zu zeigen daß sie zum Kampf bereit seien, wenn man ausrücke: als aber Niemand sich zeigte zog er sich so weit zurück als er für gut fand und lagerte sich. Nachdem er Wachen ausgestellt und Kundschafter vorausgeschickt hatte, berief er seine Krieger zusammen, stellte sich in ihre Mitte und hielt folgende Rede: »Perser, vor Allem danke ich aus vollem Herzen den Göttern, und gewiß ihr Alle, denn Sieg und Heil ist uns zu Theil geworden. Dafür müssen wir den Göttern Gaben des Dankes von Allem was wir haben darbringen. Einstweilen belobe ich euch Alle; denn das was geschehen, ist rühmlich für euch Alle vollbracht: und wenn ich das Verdienst der Einzelnen von den zuständigen Männern erfahren habe, so will ich Jedem nach Gebür mit Wort und That zu lohnen suchen. Was aber den mir am nächsten stehenden Taxiarchen Chrysantas betrifft, so brauche ich nichts von Andern zu erfahren, sondern weiß selbst wie er sich gehalten hat. Das Uebrige hat er wohl ebenso wie ihr Alle gethan: als ich ihn aber namentlich aufrief und ihm befahl sich zurückzuziehen, so hatte er gerade 113 sein Schwert aufgehoben um einen Feind zu erschlagen: dennoch gehorchte er mir sogleich, stand von seinem Beginnen ab, und befolgte den Befehl. Denn er zog sich nicht nur selbst zurück, sondern ertheilte den Befehl auch schleunigst an die Andern: so daß er seine Abtheilung außer Schußweite gebracht hatte, ehe die Feinde unsern Rückzug bemerkten, die Bogen spannten und die Wurfspieße abschoßen. Die Folge davon ist daß er selbst unversehrt ist und seine Leute durch seinen Gehorsam unversehrt zurückgebracht hat. Andere aber sehe ich verwundet, über die ich meine Meinung erst aussprechen will wenn ich erforscht habe wann sie verwundet worden sind. Den Chrysantas aber beehre ich, als einen im Kriege thätigen, dabei verständigen, zum Gehorchen und Befehlen tauglichen Mann, mit einer Chiliarchie. Gewährt uns die Gottheit noch weitere Vortheile, so werde ich ihn auch dann nicht vergessen. Auch euch Allen will ich eine Erinnerung geben: Denket euer Leben lang an Das was ihr in dieser Schlacht erlebt habt, um bei euch selbst zu urtheilen, ob Tapferkeit oder Flucht das Leben sicherer rettet: und ob Diejenigen welche Lust zum Kampfe haben leichter davon kommen als Die welche keine haben, und welche Wonne der Sieg gewährt? Denn Das könnt ihr nun am besten beurtheilen, da ihr eine Probe davon habt und die Sache erst kürzlich geschehen ist. Der beständige Gedanke daran wird euch tüchtiger machen; nun aber, als fromme, brave und geordnete Männer, machet Mahlzeit, bringet den Göttern Trankopfer, stimmet den Päan an, und haltet euch gefaßt die Befehle zu vollziehen.«
Nachdem er Dieß gesprochen bestieg er sein Pferd und riet zu Kyaxares: sie wünschten sich, wie natürlich, gegenseitig Glück. Kyrus besichtigte dort Alles, fragte ihn, ob er Etwas wünsche, und riet zu seinem Heere zurück.
Die Leute des Kyrus hielten nun das Abendessen, stellten die gehörigen Wachen aus, und legten sich sodann zur Ruhe. Bei den Assyriern aber war, da ihr König und mit ihm beinahe die besten Leute gefallen waren, allgemeine Muthlosigkeit: ja Mehrere entflohen bei Nacht aus dem Lager. Als Krösus und ihre übrigen Bundesgenossen 114 Dieß sahen, so verloren sie den Muth; denn Alles war niederschlagend, am entmuthigendsten aber war für Alle der Umstand daß der Tonangebende Stamm im Heere die Besinnung völlig verloren zu haben schien. Sie verließen daher das Lager und zogen bei Nacht ab.
Als bei Anbruch des Tages das feindliche Lager menschenleer erschien, so führte Kyrus sogleich die Perser zuerst hinein. Die Feinde hatten viele Schaafe, Ochsen und viele mit verschiedenen Gütern bepackte Wagen zurückgelassen. Hierauf zogen auch alle Meder mit Kyaxares hinein und hielten daselbst Frühstück. Nach dem Frühstück versammelte Kyrus seine Taxiarchen und redete sie also an: »Männer, welch herrliche und große Vortheile haben wir doch aus den Händen gelassen, während die Götter sie uns angeboten haben. Denn daß die Feinde aus Furcht vor uns geflohen sind seht ihr nun selbst; wie kann man aber glauben daß Diejenigen welche ihre Verschanzung verlassen haben und fliehen Stand gehalten haben würden, wenn sie uns auf freiem Felde gesehen hätten? Und wie würden Die welche nicht Stand halten, ohne sich mit uns gemessen zu haben, jetzt Stand halten, nachdem sie besiegt sind und viel Uebles von uns erlitten haben? Wie würden da wo die Besten gefallen sind die Schlechtern noch Lust haben mit uns zu kämpfen?« Da sagte Einer: »warum setzen wir ihnen nicht möglichst schnell nach, da der Vortheil so augenscheinlich ist?« Kyrus erwiderte: »es fehlt uns an Pferden; denn die Besten der Feinde, welche zu bekommen oder zu tödten von Wichtigkeit wäre, sind zu Pferde: Diese können wir zwar mit Hülfe der Götter schlagen, nicht aber durch Verfolgung einholen.« – »Nun, warum sagst du Das nicht dem Kyaxares?« sagten sie. Kyrus erwiderte: »so folget mir denn Alle, damit er wisse daß wir Alle dieser Meinung sind.« Hierauf folgten Alle, und sagten welche Anstalten ihnen in Betreff ihres Gesuches zweckmäßig erschienen.
Kyaxares war theils darüber daß Jene zuerst diesen Vorschlag machten etwas eifersüchtig, theils fand er auch vielleicht für gut sich nicht noch einmal in Gefahr zu begeben (denn er überließ sich selbst der Fröhlichkeit und sah daß Viele der übrigen Meder das Gleiche thaten); 115 soviel aber ist gewiß daß er folgendermaßen sprach: »Kyrus, daß ihr Perser mehr als die andern Menschen darauf haltet in keinem sinnlichen Genuß unersättlich zu sein, das weiß ich aus eigener Anschauung und vom Hörensagen, und ich bin der Ansicht daß Enthaltsamkeit viel zuträglicher ist als die größte Lust. Was gewährt aber dem Menschen größere Wonne als das Glück das uns jetzt geworden ist? Denn wenn wir es nun, da wir glücklich sind, mit Besonnenheit bewahren, so könnten wir vielleicht gefahrlos ein glückliches Alter verleben. Suchen wir aber, nicht gesättigt von diesem Glücke, eines um das andere zu erjagen, so seht zu daß es uns nicht ergehe wie es schon Vielen auf dem Meer ergangen sein soll, welche, haschend nach Glück sich nicht entschließen konnten der Schifffahrt zu entsagen, bis sie umkamen: und vielen Anderen, welche nach errungenem Sieg nach einem weiteren strebten, und so auch die Früchte von früheren wieder verloren. Wären die Feinde die geflohen sind schwächer als wir, so möchte es vielleicht sicher sein die Schwächern auch zu verfolgen; aber nun bedenke, mit dem wie vieltsten Theil von ihnen wir mit unserer ganzen Macht gekämpft haben, als wir siegten: die Uebrigen kamen gar nicht in's Gefecht. Wenn wir Diese nicht zum Kampfe nöthigen, so werden sie, ohne uns und sich selbst zu kennen, aus Unwissenheit und Feigheit abziehen; wissen sie aber daß sie die gleiche Gefahr zu fürchten haben, sie mögen bleiben oder nicht, so müssen wir uns hüten sie nicht zu nöthigen auch wider ihren Willen tapfer zu werden. Denn du magst wissen daß dein Verlangen ihre Weiber und Kinder zu bekommen nicht größer ist als das ihrige sie zu retten. Bedenke ferner daß auch die (wilden) Schweine, wenn sie gesehen werden, mögen sie auch in großer Anzahl sein, mit ihren Jungen fliehen: wenn aber Jemand auf eines ihrer Jungen losgeht, so flieht die Mutter, selbst wenn sie allein ist, nicht weiter, sondern geht auf Den der es nehmen will los. Dießmal schloßen sich die Feinde in ihre Verschanzung ein und stellten es unserer Verfügung anheim, mit wie Vielen von ihnen wir kämpfen wollten; wenn wir uns ihnen aber auf offnem Felde nähern und sie lernen, in mehrere Heerhaufen getheilt, uns mit dem einen vorn, wie dießmal, mit dem 116 andern auf der Seite, mit einem dritten auf dem Rücken anzugreifen, so sieh zu daß nicht Jeder von uns viele Augen und Hände nöthig habe. Zudem möchte ich jetzt, da ich die Meder guter Dinge sehe, sie nicht aufjagen und zwingen sich in Gefahr zu begeben.«
Kyrus nahm das Wort und sprach: »Zwinge Keinen, sondern gib mir nur die welche freiwillig folgen. Vielleicht können wir dir und Jedem dieser deiner Freunde Etwas mitbringen das euch Alle erfreuen wird. Denn die Hauptmasse der Feinde werden wir nicht einmal verfolgen (wie könnten wir diese auch einholen?); bekommen wir aber einige Versprengte oder Zurückgebliebene des Heeres in unsre Gewalt, so wollen wir sie zu dir führen. Du mußt auch bedenken daß wir auf deine Bitte, dir zu Gefallen, einen weiten Weg hergekommen sind: es ist also billig daß du uns auch einen Gefallen erweisest, damit wir auch Etwas nach Hause mitbringen und nicht unsere Blicke alle auf deinen Schatz richten.« Darauf erwiderte Kyaxares: »wenn Jemand freiwillig mit dir zieht, so werde ich dir sogar noch Dank wissen.« – »Nun so gib mir,« sprach Kyrus, »Einen von Diesen auf welchen du dich verlassen kannst mit, der mir deine Aufträge sagen kann.« – »Nimm welchen von Diesen du willst.« – Da war gerade Jener welcher sich einst für seinen Verwandten ausgegeben hatte und von ihm geküßt worden war anwesend. Sogleich sagte daher Kyrus: »Dieser hier ist mir recht.« – »Der möge denn mit dir ziehen,« erwiderte Kyaxares. »Du aber mache bekannt daß mit Kyrus ziehen könne wer Lust habe.« Kyrus gieng nun mit dem Manne hinaus, und sobald er draußen war sagte er: »nun kannst du zeigen, ob du die Wahrheit gesprochen hast, als du sagtest du habest eine Freude an meinem Anblick.« – »Wenn du das sagst,« erwiderte der Meder, »so werde ich dich wohl nie verlassen.« – »Wirst du also wohl auch gerne Andere mitführen?« Da schwur er und sprach: »ja beim Zeus, bis ich es dahin bringe daß auch du mich gerne siehst.« Nachdem er nun vollends von Kyaxares mit dieser Sendung betraut war, so verkündete er den Medern nicht nur alles Uebrige voll Freude, sondern er setzte 117 auch hinzu daß er den besten, schönsten und, was das Größte sei, den von den Göttern abstammenden Mann nie verlassen werde.
Während Kyrus damit beschäftigt war kamen, wie von den Göttern gesendet, Boten der Hyrkanier. Die Hyrkanier sind Grenznachbarn der Assyrier, ein nicht zahlreiches Volk, weßwegen sie auch den Assyriern unterworfen waren: sie galten damals, wie noch heut zu Tage, für gute Reiter; daher gebrauchten sie auch die Assyrier, wie die Lakedämonier die Skiriten,Die Skiriten waren eine auserwählte Truppenabtheilung aus Skirus, in den nordöstlichen Grenzgebirgen Lakoniens, welcher im Lakedämonischen Heere immer der gefährlichste Posten angewiesen wurde. ohne Schonung in Strapazen und Gefahren. Auch dießmal hatten sie ihnen, da sie tausend Reiter waren, die Deckung des Nachzuges übergeben, um, wenn sie auf dem Rücken bedrängt würden, die Gefahr auf sie zu wälzen. Dem zu Folge waren die Hyrkanier, welche den Zug beschließen sollten, mit ihren Wagen und Familien die Letzten im Zuge; denn die Asiatischen Völker ziehen großentheils mit ihrer ganzen Haushaltung in's Feld: und so machten es damals auch die Hyrkanier. Da sie nun überlegten wie sie von den Assyriern behandelt werden, daß ihr König nun gefallen, sie besiegt, das Heer in der größten Bestürzung, die Bundesgenossen muthlos seien und sie verlassen; da sie dieß Alles erwogen, hielten sie den gegenwärtigen Zeitpunkt für günstig abzufallen, wenn Kyrus mit ihnen vereinigt den Feinden nachsetzen wollte. Sie schickten daher Boten an Kyrus; denn von der Schlacht her war sein Name sehr groß geworden.
Die Boten erklärten dem Kyrus daß sie alles Recht haben die Assyrier zu hassen; und wenn er gegen sie anrücken wolle, so wollen auch sie Bundesgenossen und Wegweiser sein. Zugleich setzten sie ihm noch die Lage der Feinde auseinander, um seine Lust zum Zuge zu erhöhen. Kyrus fragte sie: »Glaubt ihr, wir können sie noch einholen, ehe sie in die Verschanzungen kommen? Denn wir halten es für ein großes Unglück daß sie uns unbemerkt entkommen sind.« Dieß sagte er, um ihnen einen recht hohen Begriff von den Persern 118 beizubringen. Sie antworteten »daß sie sie, wenn sie erst morgen mit Tagesanbruch wohlgegürtet auszögen, noch einholen könnten; denn wegen der Volksmasse und der Wagen zögen sie langsam: zugleich haben sie sich, sagten sie, weil sie die vorige Nacht gewacht haben, jetzt nach einem kleinen Zuge gelagert.« Kyrus erwiderte: »Könnt ihr uns irgend eine Beglaubigung eurer Aussagen beibringen?« – »Auf der Stelle,« sagten sie, »wollen wir in dieser Nacht Geißeln herbei bringen: nur gib auch du uns, im Angesicht der Götter, dein Wort und reiche uns deine Rechte, damit wir auch den Andern dasselbe was wir von dir erhalten überbringen können.« Hierauf gab er ihnen sein Wort: wenn sie ihre Aussagen wahr machten, so wolle er sie als Freunde und Getreue behandeln und den Persern und den Medern gleich halten. Und noch heut zu Tage sieht man daß die Hyrkanier Vertrauen genießen und in Würden stehen, so gut als die geachtetsten Perser und Meder.
Nachdem sie das Abendessen gehalten hatten rückte er mit dem Heer noch vor Sonnenuntergang aus, und hieß die Hyrkanier warten, um mit ihnen zu ziehen. Die Perser nun waren, wie man sich denken kann, insgesammt schnell aus dem Lager, so wie auch Tigranes mit seinem Heer. Von den Medern aber zogen Einige mit, weil sie dem Kyrus noch von ihrer Kindheit her befreundet waren, Andere, weil sie von der Jagdgesellschaft her seinen Charakter bewunderten: Andere aus Dankbarkeit, weil er eine große Gefahr von ihnen entfernt zu haben schien: Andere auch in der Hoffnung, weil er sich als wackeren Mann gezeigt, so werde er dereinst noch sehr glücklich und groß werden: Andere, weil sie ihm für Wohlthaten die er ihnen während seines Aufenthalts in Medien erwiesen hatte einen Gegendienst leisten wollten. Denn aus Menschenfreundlichkeit hatte er Manchem bei seinem Großvater eine Wohlthat ausgewirkt. Viele aber, da sie die Hyrkanier sahen und die Sage sich verbreitet hatte daß sie zu reicher Beute führen, zogen auch mit, um Etwas zu erhaschen. So giengen auch die Meder beinahe sämmtlich mit, außer Denen welche bei Kyaxares tafelten. Diese, sammt ihren Untergebenen, blieben zurück. Alle Andern zogen 119 heiter und froh aus, weil es nicht aus Zwang, sondern freiwillig und aus Dankbarkeit geschah. Vor dem Lager gieng Kyrus zuerst zu den Medern, lobte sie und flehte daß vor Allem die Götter sie und die Perser gnädig leiten, sodann daß er in den Stand gesetzt werden möge ihnen für diese Dienstwilligkeit Dank zu erstatten. Zuletzt sagte er, das Fußvolk werde voranziehen; sie mit ihrer Reiterei möchten nachfolgen, und wo sie ausruhen oder Halt machen würden sollten immer Einige zu ihm reiten, damit sie das in jedem Augenblick Zweckmäßige erfahren.
Hierauf befahl er den Hyrkaniern den Weg zu zeigen. Da fragten sie: »wie? wartest du denn nicht bis wir die Geißeln herbringen, damit auch du von uns ein Unterpfand habest?« Kyrus antwortete: »ich weiß ja daß wir Alle in unsern Seelen und in unsern Händen das Unterpfand haben. Denn wir glauben in einer Lage zu sein daß wir, wenn ihr die Wahrheit sprechet, im Stande sind euch wohl zu thun: täuschet ihr uns aber, so glauben wir in der Verfassung zu sein daß nicht wir in eurer, sondern vielmehr, wenn die Götter wollen, ihr in unserer Gewalt seid. Und da ihr saget, Hyrkanier, eure Leute seien die Letzten im Zuge, so gebt uns, wenn ihr sie sehet, ein Zeichen, daß es eure Leute sind, damit wir sie schonen.« Nachdem die Hyrkanier Dieses gehört hatten zeigten sie seinem Befehl gemäß den Weg und bewunderten seine Seelenstärke: und sofort fürchteten sie weder Assyrier noch Lydier noch deren Bundesgenossen, sondern nur Das daß Kyrus es nicht für eine Sache von ganz geringem Gewichte ansehen möchte ob sie da seien oder nicht.
Auf dem Zuge, beim Anbruch der Nacht, soll dem Kyrus und dem Heere ein Licht vom Himmel erschienen sein, wodurch Allen ein heiliger Schauer und Muth gegen die Feinde eingeflößt wurde. Da sie leicht gerüstet und schnell sich bewegten, so legten sie natürlich eine große Strecke Wegs zurück und kamen mit der Morgendämmerung in die Nähe des Hyrkanischen Heeres. Als die Boten sich davon überzeugt hatten sagten sie auch dem Kyrus, das seien ihre Leute: sie kennen sie daran daß sie die Letzten seien und an der Menge der Feuer. Darauf 120 schickte er Einen von ihnen an sie ab, und ließ ihnen sagen, wenn sie Freunde seien, so sollten sie schleunigst ihm entgegen ziehen und die rechte Hand aufheben. Auch Einen seiner Leute schickte er mit und ließ den Hyrkaniern sagen, ebenso wie sie ihnen entgegenkommen werden sollen sie auch empfangen werden. So blieb denn Einer der Boten bei Kyrus, der Andere gieng zu den Hyrkaniern.
Während nun Kyrus beobachtete was die Hyrkanier thun würden machte er Halt. Da sprengten die Medischen Befehlshaber und Tigranes zu ihm und fragten ihn, was zu thun sei? Er sagte ihnen: »das nahe stehende Heer ist das Hyrkanische; Einer der Boten und mit ihm Einer unserer Leute ist hingegangen, um zu sagen, wenn sie Freunde seien, so sollten sie uns entgegenkommen und die Hände in die Höhe halten. Kommen sie nun so, so bietet ihnen die Rechte, Jeder denen welchen er gegenüber steht, und machet ihnen Muth: erheben sie aber die Waffen oder versuchen sie zu fliehen, so müssen wir gleich bei diesen Ersten den Versuch machen Keinen übrig zu lassen.«
Diesen Befehl gab er. Die Hyrkanier aber, nachdem sie die Boten gehört hatten, freuten sich, sprangen auf ihre Pferde und erschienen, die rechten Hände der Verabredung gemäß ausstreckend. Die Meder und Perser aber antworteten ihnen mit demselben Zeichen und sprachen ihnen Muth ein. Darauf sagte Kyrus: »Jetzt, Hyrkanier, trauen wir euch: und auch ihr müßt gegen uns so gesinnt sein. Das aber sagt uns vor Allem, wie weit die Befehlshaber der Feinde und ihre Hauptmacht von hier entfernt sind? Sie antworteten: »nicht viel weiter als eine Parasange.«
Da sprach Kyrus: »Wohlan denn, ihr Perser und Meder und ihr Hyrkanier (denn nun rede ich auch euch als Mitkämpfer und Genossen an): ihr müßt wohl bedenken daß wir in einer Lage sind wo wir durch Feigheit in die größte Bedrängniß kommen könnten (denn die Feinde wissen unsere Absicht): wenn wir aber kräftig angreifend mit Stärke und Muth auf die Feinde losgehen, so werdet ihr bald sehen wie sie, gleich entflohenen und wieder aufgegriffenen Sklaven, die Einen stehen, die Andern fliehen, die Andern nicht einmal mehr diesen 121 Gedanken zu fassen vermögen. Sie werden schon besiegt sein, wenn sie uns zu Gesicht bekommen und werden überfallen sein zu einer Zeit wo sie weder glauben daß wir kommen, noch in Ordnung gestellt, noch zum Kampfe gerüstet sind. Wünschen wir also von nun an angenehm zu speisen und zu schlafen und uns des Lebens zu freuen, so wollen wir ihnen keine Zeit lassen ihr Bestes zu berathen und Zurüstungen dafür zu treffen oder überhaupt nur zu bemerken daß wir Menschen sind; sondern sie müssen glauben, es kommen nichts als Schilde, Schwerter, Streitäxte und Hiebe. Und ihr, Hyrkanier, breitet euch vor uns aus und ziehet voraus, damit wir, wenn eure Waffen gesehen werden, so lang als möglich verborgen bleiben. Wenn ich aber dem feindlichen Heere nahe bin, so lasse jedes Volk mir eine Abtheilung Reiter zurück, damit ich im Fall der Noth Gebrauch davon machen kann, indem ich im Lager bleibe. Eure Befehlshaber und die ältern Soldaten sollen, wenn sie vernünftig sind, geschlossen in Reihe und Glied reiten, damit ihr nicht, wenn ihr auf einen geschlossenen Haufen stoßet, mit Gewalt zurückgedrängt werdet; die Jüngern lasset nachsetzen. Diese sollen niederhauen; denn das ist jetzt das Sicherste, so wenig als möglich Feinde übrig zu lassen. Wenn wir aber siegen, so müßt ihr euch hüten zu plündern; denn Dieß hat schon so vielen Siegern das Glück wieder gewendet. Denn wer Dieß thut ist kein Mann mehr, sondern ein Troßknecht; und wer da will darf einen Solchen als Sklaven behandeln. Aber Das muß man wissen daß Nichts gewinnreicher ist als der Sieg; denn der Sieger nimmt Alles zusammen: Männer, Weiber, Güter und das ganze Land. Darum sehet nur darauf daß wir den Sieg behaupten: denn wenn der auf Beute Ausgehende besiegt wird, so ist er auch selbst in des Siegers Gewalt. Auch Dieß vergesset nicht beim Nachsetzen, so lange es noch Tag ist zu mir zurückzukommen; denn wenn es finster geworden ist werden wir Keinen mehr aufnehmen.« Hierauf entließ er die Anführer zu ihren Abtheilungen, mit dem Befehl, auf dem Zuge solle Jeder seinen Dekadarchen die gleiche Weisung ertheilen (denn die Dekadarchen standen in der Fronte, so daß sie es hören konnten); die Dekadarchen aber sollten es ihrer Dekade bekannt 122 machen. Die Hyrkanier marschierten sodann voraus, er selbst zog in der Mitte des Zuges mit den Persern: die Reiter stellte er auf beide Seiten, wie es sich gehörte.
Bei den Feinden aber waren, als der Tag anbrach, die Einen über das was sie sahen erstaunt, Andere wußten es bereits, Andere verkündigten es, Andere schrieen, Andere banden die Pferde los, Andere packten auf, Andere rießen die Waffen von den Lastthieren herab, Andere bewaffneten sich, Andere sprangen auf die Pferde, Andere zäumten sie auf, Andere hoben die Weiber auf Wagen, Andere nahmen das Kostbarste, um es zu retten, Andere wurden gefangen, während sie Derartiges vergruben; die Meisten warfen sich auf die Flucht. Man kann sich einbilden daß sie auch noch verschiedenes Andere thaten; nur kämpfte Keiner, sondern sie kamen ohne Schwertstreich um.
Krösus aber, der König von Lydien, hatte, weil es Sommer war, seine Weiber bei Nacht auf Wagen vorausgeschickt, damit sie in der Kühle bequemer reisen möchten: er selbst folgte mit den Reitern nach. Der König von Phrygien soll es ebenso gemacht haben. Als sie aber die Flüchtlinge, welche sie einholten, gewahr wurden und erfuhren was geschehen war, so flohen auch sie mit Macht. Den König der Kappadokier und den der Araber, die noch in der Nähe waren und unbepanzert sich zum Widerstand stellten, tödteten die Hyrkanier. Der größte Verlust an Todten war auf Seiten der Assyrier und Araber: denn da sie in ihrem eigenen Lande waren hatten sie sich auf dem Zuge am wenigsten beeilt. Während die Meder und Hyrkanier bei dem Verfolgen nach dem Recht der Sieger verfuhren ließ Kyrus die bei ihm zurückgebliebenen Reiter das Lager umreiten und Jeden den sie bewaffnet hinausgehen sahen niederhauen: den Zurückgebliebenen aber ließ er bekannt machen, alle Reiter oder Peltasten oder Pfeilschützen von den feindlichen Soldaten sollten ihre Waffen zusammengebunden abliefern, die Pferde aber sollten sie bei den Zelten lassen: wer Dieß nicht thue, der werde auf der Stelle den Kopf verlieren. Die Reiter nun bildeten mit gezogenen Schwertern einen Kreis um das Lager, und dann lieferten diejenigen welche Waffen hatten dieselben ab und 123 warfen sie auf Einen angegebenen Ort, wo sie von Leuten die dazu bestellt waren verbrannt wurden.
Inzwischen fiel dem Kyrus bei daß sie ohne Vorrath an Speise und Getränk hieher gekommen seien, ohne Dieß aber weder ein Feldzug noch irgend sonst eine Unternehmung möglich sei. Da er nun nachsann, wie Dieß am schnellsten und besten herbeigeschafft werden könne, kam ihm in den Sinn daß nothwendig Alle welche in's Feld ziehen Einen haben müssen der für das Zelt sorgt und die einrückenden Soldaten mit Lebensmitteln versieht. Er schloß weiter daß aller Wahrscheinlichkeit nach Diese am ehesten unter den im Lager jetzt Erwischten sein müssen, weil sie mit Einpacken beschäftigt waren. Er ließ daher ausrufen, alle Proviantmeister, und wo keiner sei, der Aelteste von jedem Zelte sollen sich stellen: den Ungehorsamen kündigte er die härtesten Strafen an. Diese, da sie sahen daß auch ihre Herren gehorchten, gehorchten schnell. Nachdem sie erschienen waren befahl er zuerst Denen welche auf mehr als zwei Monate Lebensmittel im Zelte hatten sich zu setzen; als er Diese sah gab er den nämlichen Befehl auch Denen die nur auf Einen Monat hatten: da setzten sich beinahe Alle. Nachdem er sich nun hievon unterrichtet hatte redete er sie folgendermaßen an: »wohlan, ihr Männer, wenn ihr harte Behandlung scheuet und unsere Gunst gewinnen wollet, so laßt euch angelegen sein in jedem Zelte an Speise und Getränke das Doppelte von Dem was ihr sonst täglich für euere Herren und ihre Angehörigen bereitet habt parat zu halten; auch haltet Alles was sonst noch zu einem guten Mahle gehört in Bereitschaft; denn welche Partie auch siegen mag, jedenfalls werden die Sieger bäldestens eintreffen und alle Lebensmittel im Vollauf ansprechen. Ich sage euch daher, es wird euer Nutzen sein wenn die Männer an eurer Aufnahme nichts zu tadeln haben.«
Nachdem sie Dieß vernommen vollbrachten sie mit großem Eifer die Befehle; Kyrus aber berief die Taxiarchen wieder zusammen, und sprach also: »Liebe Männer, zwar weiß ich daß wir in Abwesenheit der Bundesgenossen uns zuerst zum Frühstück setzen und die am sorgfältigsten bereiteten Speisen und Getränke genießen können: aber ich 124 glaube nicht daß dieses Frühstück uns mehr nützen würde als wenn wir Sorge für die Bundesgenossen an den Tag legen; ebensowenig glaube ich daß dieser Schmaus unsere Kraft mehr stärken würde als wenn wir die Ergebenheit der Bundesgenossen gewinnen könnten. Wenn es aber den Anschein bekommt daß wir Die welche jetzt unsere Feinde verfolgen und niederhauen, und mit Jedem der sich ihnen entgegensetzt kämpfen, so vernachläßigen daß wir uns, ehe wir nur wissen wie es ihnen ergeht, zum Frühstück setzen, so haben wir zu fürchten daß wir mit Schmach dastehen und, von Bundesgenossen entblößt, schwach werden. Wenn wir dagegen dafür sorgen daß Die welche Gefahr und Anstrengung erdulden bei ihrem Einzug in's Lager die nöthigen Lebensmittel bekommen, so dürfte uns dieser Schmaus, wie ich meine, wohl mehr erfreuen als die augenblickliche Befriedigung der Eßlust. Bedenket ferner daß es sich für uns, selbst dann wenn wir auch Diese nicht zu scheuen hätten, im jetzigen Augenblick noch nicht geziemt weder im Essen noch im Trinken das Maß zu überschreiten; denn wir haben noch nicht vollbracht was wir wollen, im Gegentheil bedarf jetzt Alles der Vorsicht im höchsten Grade. Denn wir haben in dem Lager viel mehr Feinde als wir selbst sind, und Diese frei von Banden, vor denen wir zum Theil vielleicht noch auf der Hut sein müssen, zum Theil sie hüten, damit wir auch solche Leute haben die uns unsere Bedürfnisse besorgen. Zudem sind unsere Reiter abwesend, und flößen uns Besorgniß ein, wo sie sein mögen, und, wenn sie kommen, ob sie bleiben werden. Daher, ihr Männer, glaube ich, dürfen wir jetzt nur so viel Speise und Trank zu uns nehmen als zuträglich ist um wach und nüchtern zu bleiben. Ferner sind auch viele Schätze im Lager, und ich weiß gar wohl daß wir (obwohl sie Denen welche sie miterobert haben gemeinschaftlich gehören) davon für uns nehmen könnten so viel wir wollten: aber ich glaube nicht daß das Nehmen gewinnreicher wäre als wenn wir, dadurch daß wir uns ihnen gewissenhaft zeigen, ihre Liebe in noch höherem Grade als wir sie schon besitzen erkaufen. Ich bin auch der Meinung, wir sollten die Vertheilung der Schätze den Medern, Hyrkaniern und dem Tigranes nach ihrer Rückkehr überlassen, 125 und wenn sie uns Etwas weniger zutheilen, es für Gewinn achten: denn wenn sie Etwas gewinnen werden sie lieber bei uns bleiben. Sie jetzt zu übervortheilen würde uns einen kurz dauernden Reichthum verschaffen: hingegen diesem zu entsagen und uns die Quellen des Reichthums zu erwerben, Das, glaube ich, könnte uns und allen den Unsrigen einen unvergänglicheren Reichthum verschaffen. Ich glaube, wir üben uns darum auch zu Hause über den Bauch und über unzeitige Gewinnsucht Meister zu werden, damit wir, wenn wir in den Fall kommen, diese Neigungen zu unserem Vortheil leiten können. Wie wir aber bei einer wichtigern Gelegenheit als bei der gegenwärtigen unsere Zucht erproben können sehe ich nicht ein.«
So sprach Kyrus. In gleichem Sinne sprach sodann Hystaspes, einer der edlen Perser: »Es wäre doch sonderbar, Kyrus, wenn wir auf der Jagd oft ohne zu speisen ausdauern, um ein Thier in unsere Hände zu bekommen das vielleicht sehr wenig werth ist: wenn wir aber da wo wir das Glück des ganzen Lebens zu erjagen suchen uns durch eine der Leidenschaften hindern ließen welche über die schlechten Menschen herrschen, den Guten unterwürfig sind, so würden wir wohl etwas unserer Unwürdiges thun.« So sprach Hystaspes, und alle Uebrigen stimmten ihm bei. Kyrus aber sagte: »Wohlan denn, da wir hier einverstanden sind, so schicke Jeder fünf der wackersten Männer von jedem Lochos: Diese sollen herumgehen und Die welche sie mit Bereitung der Lebensmittel beschäftigt sehen loben, die Nachläßigen aber schonungsloser als die Herren thun, strafen.« Und diese thaten also.
Inzwischen kamen bereits einige Abtheilungen der Meder zurück: die Einen brachten die vorausgeeilten Wagen, welche sie eingeholt und umgewendet hatten, beladen mit den Bedürfnissen des Heers, herbei: Andere brachten Wagen mit den schönsten Weibern, theils ehlichen, theils Kebsweibern, die wegen ihrer Schönheit mitgeführt wurden. Denn noch heut zu Tage nehmen alle Asiatischen Völker, wenn sie in's Feld ziehen, ihr Kostbarstes mit: sie sagen, sie kämpfen muthiger, wenn sie Das was ihnen das Theuerste sei bei sich haben; 126 denn sie seien genöthigt Diese entschlossen zu vertheidigen. Vielleicht ist Dieß wirklich so: vielleicht thun sie es aber auch aus Wollust.
Als Kyrus die Thaten der Meder und Hyrkanier sah machte er sich selbst und seinen Leuten gleichsam Vorwürfe daß die Andern in dieser Zeit sich selbst zu übertreffen schienen und Etwas erworben haben, sie selbst aber unthätig auf der Stelle geblieben seien. Denn Diejenigen welche die Beute ablieferten und dem Kyrus vorzeigten sprengten wieder zurück, um die Andern zu verfolgen; denn sie sagten, diesen Befehl hätten sie von ihren Obern erhalten. Dieß nun bereitete dem Kyrus ein unangenehmes Gefühl: dennoch ließ er die Sachen an Ort und Stelle bringen. Dann berief er wiederum die Taxiarchen, stellte sich an einen Ort wo seine Worte verstanden werden konnten, und hielt folgende Rede:
»Liebe Männer, daß allen Persern großes, uns aber, die wir es erringen, das größte Glück zu Theil werden würde, wenn wir Das was sich uns jetzt darbot festhalten könnten, das wissen wir wohl Alle: wie wir aber Herren desselben bleiben können, da wir für uns allein nicht im Stande sind es zu erwerben, das kann ich nimmermehr einsehen, wenn die Perser keine eigene Reiterei haben. Bedenket doch, wir Perser haben Waffen mit denen wir die Feinde im Handgemenge schlagen können; und gesetzt daß wir sie schlagen, wie können wir Reiter oder Pfeilschützen oder Peltasten oder Wurfspießwerfer ohne Pferde auf der Flucht einholen oder erschlagen? Und wie werden sich Reiter oder Pfeilschützen oder Peltasten scheuen uns anzugreifen und Schaden zuzufügen, da sie wohl wissen daß sie von uns nicht mehr zu befürchten haben als von festgewachsenen Bäumen? Und wenn sich Dieß so verhält, ist es nicht offenbar daß die jetzt uns zugegebenen Reiter glauben, Alles was sie erobern gehöre ihnen eben so gut als uns, ja, beim Zeus, vielleicht noch mehr? Für jetzt nun ist uns dieses Verhältniß durch die Noth auferlegt; würden wir uns aber selbst eine Reiterei bilden, welche dieser nicht nachsteht, ist es nicht uns Allen augenscheinlich daß wir ohne Diese hier dasselbe gegen den Feind unternehmen könnten wie jetzt mit ihnen, ihre Ansprüche aber gegenüber von uns 127 in die Schranken zurückweisen würden? Denn ob sie bei uns bleiben oder uns verlassen wollten, daran könnte uns weniger gelegen sein, wenn wir ohne sie uns selbst genügten. Gut! das nun wird mir wohl gewiß Niemand widersprechen daß es von der größten Wichtigkeit für die Perser sei eine eigene Reiterei zu haben. Aber vielleicht habt ihr darüber Bedenken, wie dieß möglich wäre. Laßt uns daher überlegen, welche Mittel wir haben und welche uns fehlen, wenn wir eine Reiterei errichten wollten. Wir haben also diese vielen Pferde, die uns im Lager in die Hände fielen, Zäume denen sie gehorchen, und alles Andere womit Pferde ausgerüstet sein müssen, um sie gebrauchen zu können. Ja auch das was ein Reitersmann nöthig hat haben wir: Panzer zur Schutzwehr für den Körper, und Spieße die wir zum Wurf und aus der Hand gebrauchen können. Was ist nun noch übrig? Offenbar fehlt es an Männern. Nun – Das haben wir ja am meisten in unserer Gewalt; denn Nichts ist so sehr unser wie wir selbst. Vielleicht aber sagt Einer: wir verstehen es nicht. Beim Zeus, auch von Denen welche jetzt es verstehen verstand es Keiner ehe er es lernte. Aber vielleicht sagt Einer: »sie haben es in ihrer Kindheit gelernt.« Ich frage nun: sind Knaben verständiger, um zu lernen was man ihnen sagt und zeigt, oder Männer? Und welche von Beiden können Das was sie gelernt haben besser mit ihrem Körper üben, Knaben oder Männer? Ja wir haben auch Muße es zu lernen, wie weder Knaben noch andere Männer; denn wir brauchen weder Bogenschießen zu lernen, wie die Knaben, Das können wir schon vorher: noch Wurfspießwerfen, Das können wir auch. Ja es ist sogar nicht einmal wie bei andern Männern, daß Einige der Landbau beschäftigt, Andere die Künste, Andere sonstige häusliche Geschäfte: uns aber ist der Kriegsdienst nicht nur Beschäftigung in der Muße, sondern sogar Nothwendigkeit. Es ist auch nicht, wie bei vielen andern kriegerischen Uebungen, jener Dienst zwar nützlich, aber beschwerlich: ist das Reiten nicht vielmehr auf dem Marsch angenehmer als selbst zu Fuß zu gehen? Und wo es der Eile bedarf, ist es nicht angenehm im Fall der Noth einem Freund schnell beizuspringen, einen Mann oder ein Thier die man verfolgt schnell 128 einzuholen? Ist es nicht bequem daß das Pferd die ganze Rüstung, die man tragen muß, mitträgt? (Bei der Rüstung) ist ja Haben und Tragen Dasselbe. Was man jedoch am meisten fürchten könnte wäre daß wir, wenn wir zu Pferde kämpfen müssen, bevor wir es gründlich verstehen, am Ende weder als Fußgänger noch als Reiter etwas taugen. Auch Das ist nicht unmöglich, denn wo wir wollen können wir sogleich zu Fuße kämpfen; wir werden ja keine von den Uebungen des Fußgängers verlernen, wenn wir reiten gelernt haben.«
Nachdem Kyrus seine Rede geendet hatte sprach Chrysantas ihm beistimmend also: »Ich habe eine solche Begierde reiten zu lernen daß ich glaube, wenn ich ein Reiter werde, ein geflügelter Mensch zu werden. Denn gegenwärtig bin ich, wenn ich mit einem Menschen von demselben Punkte aus in die Wette laufe, zufrieden nur mit dem Haupt vorzuragen, und wenn ich ein Thier vorbeirennen sehe, noch vorher den Wurfspieß oder Bogen spannen und es damit erlegen zu können, bevor es in alle Weite entflohen ist. Werde ich aber ein Reiter, so kann ich einen Mann auf Gesichtsweite einholen, und wenn ich Thiere verfolge, so kann ich die einen einholen und mit der Hand erlegen, die andern mit dem Wurfspieß schießen, als ob sie fest ständen. Denn wenn beide (Pferd und Wild) schnell sind, aber doch einander nahe kommen, so ist es als ob sie stehen blieben (sich gar nicht bewegten). Und wenn ich irgend ein lebendiges Wesen beneide, so sind es die Hippokentauren wegen ihrer Befähigung mit menschlichem Verstande vorher zu berathschlagen, mit den Händen das Gehörige zu vollbringen und mit des Pferdes Geschwindigkeit und Stärke das Fliehende zu fangen, das Standhaltende nieder zu werfen; wenn nun aber auch ich ein Reiter werde, so vereinige ich das Alles in mir: mit menschlicher Einsicht kann ich Alles voraus überlegen, mit den Händen trage ich die Waffen, mit dem Pferde verfolge ich, und den Gegner werfe ich durch die Kraft des Pferdes zu Boden; aber ich werde nicht zusammengewachsen und gebunden sein, wie die Hippokentauren; daher ist es so besser als wenn ich zusammengewachsen wäre. Denn ich glaube, die Hippokentauren wissen vieles für die Menschen erfundene Gute nicht zu gebrauchen, 129 und wie sollen sie viele den Pferden angemessene Annehmlichkeiten genießen? Ich aber werde, wenn ich reiten gelernt habe, sobald ich auf dem Pferde bin, wie ein Hippokentaur verfahren; wenn ich aber abgestiegen bin, werde ich essen, mich kleiden und schlafen wie andere Menschen; ich werde daher eigentlich ein zerlegbarer und wieder zusammengesetzter Hippokentaur werden. Ferner werde ich noch den Vorzug vor dem Hippokentaur haben: er sah mit zwei Augen und hörte mit zwei Ohren, ich aber werde mit vier Augen wahrnehmen und mit vier Ohren hören. Denn man sagt, das Pferd sehe und höre mit seinen Augen und Ohren Vieles vor dem Menschen und zeige es dem Menschen an. Mich nun schreibe unter Diejenigen welche einen ungemeinen Drang zum Reiten haben.« – »Bei'm Zeus!« riefen alle Andern, »auch uns.« Darauf sagte Kyrus: »nun – wie wäre es, da uns einmal Dieß sehr einleuchtet, wenn wir es uns selbst zum Gesetz machten es solle für Schande gelten wenn unser Einer, dem ich ein Pferd gegeben habe, sich zu Fuß blicken läßt, mag er eine große oder eine kleine Strecke Wegs zurückzulegen haben, damit uns die Leute für ausgemachte Hippokentauren halten?« Alle stimmten dieser Frage bei; daher haben die Perser von dieser Zeit an bis auf den heutigen Tag die Sitte daß sich kein edler Perser ohne besondere Veranlassung irgendwo zu Fuß blicken läßt.
Solche Gespräche führten sie. Als aber Mittag vorüber war sprengten die Medischen und Hyrkanischen Reiter herbei und brachten gefangene Pferde und Männer. Denn die welche die Waffen auslieferten tödteten sie nicht. Kyrus' erste Frage an sie war, ob ihm Alle wohlbehalten seien? Als sie Das bejahten fragte er, was sie gethan hätten? Da erzählten sie ihre Thaten und machten viel Rühmens von ihrer Tapferkeit. Gern hörte er Alles was sie erzählen wollten bis zu Ende; darauf lobte er sie mit den Worten: »man sieht es euch auch an daß ihr euch brav gehalten habt; denn ihr erscheinet dem Aussehen nach größer, schöner und furchtbarer als zuvor.« Dann fragte er sie, wie viel Wegs sie zurückgelegt hätten und ob das Land bewohnt sei? 130 Sie erwiderten, sie hätten eine große Strecke durchstreift: das ganze Land sei bewohnt, und voll von Schaafen, Ziegen, Ochsen, Pferden, Getreide und allerlei Gütern. »So haben wir also,« sagte Kyrus, »für zwei Dinge zu sorgen, daß wir Die welche Dieses besitzen in unsere Gewalt bekommen, und daß sie bleiben. Denn ein bewohntes Land ist ein kostbares Besitzthum; ist es aber menschenleer, so wird es auch von Gütern leer. Daß ihr nun Die welche sich zur Wehr stellten getödtet habt weiß ich, und daran habt ihr recht gethan (denn Das erhält den Sieg am meisten); Die aber welche sich ergaben habt ihr gefangen hergeführt. Diese nun loszulassen würde uns, glaube ich, zuträglich sein. Denn erstens brauchen wir jetzt uns weder vor ihnen noch sie selbst zu hüten, noch ihnen Speise zu reichen (denn wir können sie doch nicht Hunger sterben lassen). Sodann werden wir, wenn wir Diese loslassen, mehrere Gefangene haben; denn wenn wir Herrn des Landes sind, so sind alle Bewohner desselben unsere Gefangene; und wenn die Uebrigen Diese lebendig und freigelassen sehen, so werden auch sie eher bleiben und sich lieber unterwerfen als kämpfen. Ich nun bin dieser Meinung; hat ein Anderer eine bessere Einsicht, so möge er es sagen.«
Der Vorschlag fand einstimmigen Beifall; Kyrus rief daher die Gefangenen zu sich und redete sie also an: »Männer, durch Ergebung habt ihr dießmal euer Leben gerettet, und auch in Zukunft wird euch bei diesem Verfahren nicht das mindeste Leid geschehen; nur eure Gebieter werden wechseln: ihr werdet dieselben Häuser bewohnen, dasselbe Land bauen, mit denselben Weibern zusammenleben, über eure Kinder gebieten wie jetzt; nur werdet ihr weder mit uns, noch mit sonst Jemand zu kämpfen haben; und wenn euch ein Anderer angreift, so werden wir für euch kämpfen. Damit man euch aber auch nicht einmal anmuthe Kriegsdienste zu thun, so bringt die Waffen zu uns; Die welche sie überliefern sollen des Friedens und der genannten Güter unverkümmert genießen, gegen Diejenigen aber welche die Waffen des Kriegs nicht abliefern werden wir alsbald zu Felde ziehen. Wenn Einer von euch sich an uns anschließt und durch wohlgesinnten Dienst und Rath uns nützt, den werden wir als Wohlthäter und Freund, nicht als Sklaven behandeln. 131 Dieß merket nun euch und verkündiget es den Andern. Wenn aber ihr dazu geneigt seid und nur Einzelne sich [nicht] unterwerfen wollen, so führt uns gegen Diese – damit ihr über sie, nicht sie über euch herrschen.« So nun sprach er; sie aber warfen sich auf den Boden und versprachen Dieses zu thun.
Nachdem Diese hinweggegangen waren sagte Kyrus: »Es ist nun Zeit, ihr Meder und Armenier, daß wir Alle speisen; die Kost ist euch zugerichtet, so gut es uns möglich war. Gehet nun hin und schicket uns von dem zubereiteten Essen die Hälfte: es ist genug für Beide bereitet. Zugemüse und Getränke aber dürft ihr nicht schicken; denn wir haben selbst genug im Vorrath. Ihr Hyrkanier aber führet sie in den Zelten herum, die Befehlshaber in die größten (die kennt ihr ja), die Uebrigen, wie ihr es für gut findet. Ihr selbst speiset wo es am angenehmsten für euch ist; denn eure Zelte sind wohl erhalten und unversehrt; es ist aber auch hier, wie für Diese, für euch angerichtet. Das aber wisset Beide: die Nachtwache außerhalb eures Lagers werden wir besorgen; in den Zelten haltet ihr selbst Wache und leget die Waffen zurecht; denn Die in den Zelten sind noch nicht unsere Freunde.« Nun wuschen sich die Meder und die Leute des Tigranes, wechselten die Kleider (denn sie waren ihnen hingerüstet) und speisten sodann. Auch ihre Pferde waren mit dem Nothwendigen versehen; den Persern schickten sie die Hälfte der Brode; Zugemüse und Wein schickten sie nicht, in der Voraussetzung die Leute des Kyrus seien damit versehen, weil er gesagt hatte sie hätten dieß im Ueberfluß. Kyrus aber verstand es so, das Zugemüse sei der Hunger, Trank bekommen sie aus dem vorbeifließenden Fluß. Nachdem Kyrus die Perser gespeist hatte schickte er mit Anbruch der Nacht mehrere Abtheilungen in Pempaden und Dekaden aus, mit dem Befehl sich rings um das Lager zu verstecken, theils um als Wache zu dienen wenn Jemand von außen sich näherte, theils um Die welche Schätze hinaustragen und entfliehen wollten einzufangen. So geschah es auch wirklich; denn Viele entflohen, Viele wurden aber auch gefangen. Die Schätze ließ Kyrus Denen welche sie eingefangen hatten; die Leute aber befahl er 132 niederzumachen: so daß man in der Folge, selbst wenn man Einen haben wollte, nicht leicht Einen fand der bei Nacht gieng. So brachten die Perser die Nacht zu; die Meder aber tranken, schmausten, spielten Flöten und ließen sich auf alle Art wohl sein; denn man hatte auch Manches der Art erbeutet, so daß Die welche wach blieben um Unterhaltung nicht verlegen waren.
Kyaxares aber, der König der Meder, hatte sich in der Nacht in welcher Kyrus ausgegangen war mit seinen Zeltgenossen in der Freude über sein Glück berauscht, und glaubte die übrigen Meder seien, Wenige ausgenommen, im Lager anwesend, weil er ein starkes Getümmel hörte. Denn da die Herren fortgezogen waren, so tranken und lärmten die Diener zügellos, besonders da sie von dem Assyrischen Heer Wein und vieles Andere der Art erhalten hatten. Nachdem es aber Tag geworden war und Niemand außer den gestrigen Tischgenossen vor seiner Thüre erschien, und er hörte daß das Lager von Medern, namentlich von Reitern leer sei, und er sich, als er ausgieng, durch den Augenschein davon überzeugte, da ergrimmte er über Kyrus und die Meder, daß sie ihn allein gelassen und fortgegangen seien. Auf der Stelle, wie er wild und rücksichtslos gewesen sein soll, gab er Einem der Anwesenden den Befehl sich mit den bei ihm befindlichen Reitern schleunig zu dem Heer des Kyrus zu begeben und zu sagen: »ich hätte geglaubt, Kyrus, du würdest nicht so unüberlegt mit mir verfahren: und wenn auch Kyrus es so haben wollte, daß wenigstens ihr, Meder, mich nicht so allein lassen würdet. Und nun, wenn Kyrus will, – – – wo nicht, so stellet wenigstens ihr euch schleunigst.« Diese Ordre gab er. Der Abgeordnete fragte: »wie soll ich sie aber finden, Gebieter?« – »Ebenso,« erwiderte er, »wie Kyrus und seine Leute Diejenigen gefunden haben gegen welche sie auszogen.« – »Ja bei Gott,« sagte der Bote, »ich höre daß gewisse Hyrkanier von den Feinden abgefallen, hieher gekommen sind und ihm den Weg gezeigt haben.« Als Kyaxares dieß vernahm zürnte er dem Kyrus noch viel mehr, daß er ihm davon nicht einmal ein Wort gesagt habe; er machte daher die Botschaft an die Meder noch viel dringender, um den Kyrus zu 133 schwächen, und rief die Meder unter noch viel heftigeren Drohungen als zuvor zurück. Auch dem Abgeordneten drohte er, wenn er Dieß nicht mit aller Derbheit ausrichte. Der Abgeordnete gieng nun mit seinen sich auf ungefähr hundert Mann belaufenden Reitern ab, und ärgerte sich daß er nicht auch mit Kyrus gezogen war. Unterwegs ließen sie sich durch einen Fußsteig von der rechten Straße ableiten und verirrten, so daß sie nicht eher zu dem befreundeten Heere kamen als bis sie auf einige entwichene Assyrier stießen, welche sie zwangen ihnen den Weg zu zeigen; und so kamen sie, nachdem sie die Feuer gesehen, etwa um Mitternacht an. Als sie aber dem Lager sich näherten wurden sie von den Wachen, wie Kyrus gesagt hatte, vor Tag nicht eingelassen. Nachdem aber der Tag angebrochen war berief Kyrus zuerst die Magier und ließ durch sie den Göttern zum Dank für so glückliche Ereignisse die gebürenden Gaben auswählen. Diese nun waren damit beschäftigt; er aber rief die Edlen zusammen und sprach:
»Männer, die Gottheit verkündigt uns hohes Glück: wir aber, ihr Perser, sind im gegenwärtigen Augenblick zu wenige um es behaupten zu können. Denn wenn wir Das was wir erworben nicht bewahren, so geht es wieder in andere Hände über; lassen wir aber Einige aus unserer Mitte zur Bewahrung Dessen was wir uns unterworfen haben zurück, so wird man es uns im Augenblick ansehen daß wir nicht mehr mit Nachdruck auftreten können. Ich bin daher der Meinung, so schnell als möglich einen Abgeordneten nach Persien zu schicken, ihnen das was ich eben sagte vorzustellen und zu sagen, wenn die Perser die Herrschaft und Nutznießung Asiens an sich bringen wollen, so sollen sie schleunigst ein Heer nachsenden. Gehe nun du, der du der Aelteste bist, und melde Dieß und zugleich daß ich die Sorge für den Unterhalt der Soldaten die sie schicken werden, sobald sie zu mir gestoßen sein werden, übernehmen werde. Was für Schätze wir besitzen siehst du selbst, verbirg davon Nichts; was ich davon nach Anstand und Sitte nach Persien schicken soll, da frage in Betreff der Götter meinen Vater, in Betreff des Staates die obrigkeitlichen Personen. Sie sollen auch Leute schicken welche Einsicht nehmen von dem was wir thun, und Antwort bringen auf 134 unsere Fragen. Du nun mache dich reisefertig und nimm deinen Lochos zur Begleitung mit.«
Darauf berief er auch die Meder; zugleich trat der Abgeordnete von Kyaxares auf, meldete in Gegenwart Aller dessen Ingrimm über Kyrus und die Drohungen gegen die Meder und schloß mit der Erklärung, die Meder berufe er zurück, wenn auch Kyrus bleiben wolle. Nachdem nun die Meder den Boten gehört hatten schwiegen sie: sie wußten kein Mittel wie sie sich dem Gehorsam gegen die Aufforderung entziehen sollten, fürchteten sich aber, wie sie es anfangen wollen bei solchen Drohungen zu gehorchen, besonders weil sie seinen wilden Sinn kannten. Kyrus aber sprach: »Ich wundere mich gar nicht, du Abgeordneter und ihr übrigen Meder, wenn Kyaxares, der damals einen mächtigen Feind vor sich sah und nicht wußte wie es uns ergehe, für uns und für sich zittert. Wenn er aber erfährt daß viele Feinde gefallen und Alle geschlagen sind, so wird er vor Allem aufhören zu fürchten; dann wird er erfahren daß er nicht jetzt, wo seine Freunde seine Feinde vernichten, verlassen ist. Aber wie verdienen wir gar Tadel, da wir ihm ja wohl thun, und auch Das nicht eigenmächtig? Ich thue ja das auf vorher von ihm eingeholte Erlaubniß euch auf den Zug mitzunehmen; bei euch aber ist es nicht als ob ihr aus Begierde nach dem Zuge gefragt hättet, ob ihr ausziehen dürfet, und so jetzt hieher gekommen wäret, sondern weil er den Befehl gab, wer von euch gern wolle der solle mitziehen. Daher wird auch dieser Ingrimm, wie ich überzeugt bin, durch die errungenen Vortheile gemildert werden und mit dem Aufhören der Furcht verschwinden. So ruhe denn du, Abgeordneter, jetzt aus, denn du hast eine Anstrengung gehabt; und wir Perser wollen, da wir erwarten der Feind werde anrücken, entweder gar um zu kämpfen oder um sich zu unterwerfen, uns in die schönste Ordnung stellen; denn so gesehen werden wir unsern Zweck gewiß eher erreichen. Du aber, Anführer der Hyrkanier, übernimm es deinen Unterbefehlshabern den Befehl zu geben ihre Soldaten zu bewaffnen.«
Nachdem der Hyrkanier Dieß gethan hatte und vor ihn trat sprach Kyrus: »Mit Vergnügen bemerke ich, Hyrkanier, nicht nur daß du mir 135 Beweise deiner Freundschaft gibst, sondern du scheinst mir Einsicht zu haben. Daß jetzt unser Interesse das gleiche ist, leuchtet ein: denn meine Feinde, die Assyrier, sind jetzt noch feindseliger gegen dich als gegen mich. Unter diesen Umständen müssen daher wir Beide solche Vorkehrungen treffen daß von den Bundesgenossen welche wir jetzt haben keiner von uns abfalle und wir wo möglich noch andere gewinnen. Wie der Meder seine Reiter zurückgerufen hat hast du vernommen: verlassen uns Diese, so bleiben wir mit unserem Fußvolk allein. Wir müssen es also gemeinschaftlich darauf anlegen den Abgeordneten zu gewinnen selbst bei uns zu bleiben. Finde du ein Zelt aus und weise es ihm an, wo er, mit allen Bedürfnissen versehen, angenehm leben kann; ich hingegen will ihm ein Geschäft anzuweisen suchen das er lieber vornehmen als gehen wird; sprich du auch mit ihm von den Vortheilen welche alle Freunde zu hoffen haben, wenn diese Unternehmung gelingt. Wenn du Dieß gethan hast, so komm wieder zu mir.«
Der Hyrkanier gieng nun hin und führte den Meder in's Zelt. Als aber der Bote an die Perser reisefertig erschien trug ihm Kyrus auf, den Persern zu sagen was schon früher in der Rede erwähnt worden ist, und an Kyaxares solle er den Brief abgeben. »Ich will dir aber auch vorlesen,« sprach er, »was ich schreibe, damit du, bekannt mit dem Inhalt, ihn bestätigen kannst, wenn er dich Etwas in Beziehung hierauf fragt.« Der Brief lautete:
»Kyrus entbietet dem Kyaxares seinen Gruß.
Wir haben dich weder allein gelassen (denn Niemand ist von Freunden verlassen, wenn er über die Feinde siegt), noch glauben wir dich dadurch daß wir uns von dir entfernten gar in Gefahr gesetzt zu haben; vielmehr je weiter wir von dir entfernt sind, desto größere Sicherheit glauben wir dir zu verschaffen. Denn nicht Diejenigen welche den Freunden am nächsten unthätig sitzen gewähren ihnen am meisten Sicherheit; sondern vielmehr Die welche die Feinde am weitesten zurücktreiben setzen die Freunde außer Gefahr. Bedenke auch, wie du meine Gesinnung gegen dich erwiderst und mir noch Vorwürfe machst. Ich habe dir Bundesgenossen zugeführt, nicht so viele als du dazu überredet hast, 136 sondern so viele als ich aufbringen konnte: du aber hast mir, als ich in Freundesland war, so viele gegeben als ich überreden konnte; nun aber, da ich in Feindesland bin, rufst du nicht die Freiwilligen, sondern Alle ab. Darum glaubte ich damals euch Beiden Dank schuldig zu sein; nun aber nöthigst du mich deiner zu vergessen und zu versuchen Denen die mir nachgefolgt sind allen Dank zu erstatten. Doch will ich dir nicht Gleiches mit Gleichem vergelten; vielmehr sende ich sogar gegenwärtig nach Persien um ein Heer, mit dem Befehl, die ganze Mannschaft die zu mir stößt solle, falls du ihrer bedarfst ehe wir zurückgekehrt sind, zu deinem Gebrauche, nicht nach ihrem Willen, sondern nach deinem Gutdünken bereit stehen. Ich rathe dir aber, unerachtet ich der Jüngere bin, Das was du gegeben hast nicht wieder zu nehmen, damit der Dank den man dir schuldig ist nicht in Feindschaft übergehe; auch mußst du nicht, wenn du willst daß Jemand schnell zu dir komme, ihn mit Drohungen bestellen, und während du sagst du seiest verlassen, nicht zugleich Vielen drohen, damit du sie nicht veranlassest sich nichts um dich zu bekümmern. Wir aber werden uns bemühen zu erscheinen, sobald wir Das vollbracht haben was wir für deinen und unsern gemeinschaftlichen Vortheil halten. Lebe wohl.«
»Diesen Brief übergib ihm, und wenn er dich Etwas fragt, so antworte im Sinne des Briefes; denn auch die Botschaft welche ich dir in Beziehung auf die Perser übertragen habe stimmt mit dem Inhalt des Briefes überein.«
Nachdem er ihm Dieß gesagt und den Brief übergeben hatte entließ er ihn, mit dem Befehl sich gemäß der ihm bekannten Wichtigkeit seiner baldigen Rückkehr zu beeilen.
Hierauf besah Kyrus die sämmtlichen Meder, Hyrkanier und die Leute des Tigranes in ihrer Rüstung; auch die Perser standen unter den Waffen; bereits lieferten auch Einige der Grenznachbarn Pferde und Waffen ab. Die Wurfspieße ließ er auf denselben Haufen wie die frühern werfen und durch die dazu bestellten Leute verbrennen, so weit sie sie nicht selbst brauchen konnten. Die Pferde aber mußten Diejenigen welche sie gebracht hatten bis auf weitern Befehl halten. 137 Hierauf berief er die Anführer der Reiter und Hyrkanier, und sprach also:
»Liebe Männer und Bundesgenossen, wundert euch nicht daß ich euch oft zusammenrufe. Denn da unsere gegenwärtige Lage neu ist, so ist noch Vieles dabei noch nicht geordnet: was aber noch nicht geordnet ist, das muß nothwendig beständige Störung verursachen, bis es seinen Ort und Stelle gefunden hat. Wir haben jetzt viele erbeutete Schätze, und obendrein Gefangene. Weil aber weder wir wissen wie viel davon Jedem von uns gehört, noch diese Leute, wer der Gebieter eines Jeden ist, so sieht man nicht Viele von ihnen die ihre Schuldigkeit thun, sondern beinahe Alle sind ungewiß was sie thun sollen. Um Diesem nun vorzubeugen, vertheilet Alles; und wer ein Zelt bekommen hat welches mit hinreichenden Speisen und Getränken, Bedienten, Lagerstätten, Kleidern und Allem was sonst zu einem wohl eingerichteten Soldatenzelt gehört versehen ist, der braucht nichts weiter, als zu wissen daß er dafür als für sein Eigenthum zu sorgen hat; wem aber ein mangelhaft ausgerüstetes Zelt zugefallen ist, nach Dem sehet ihr und ergänzet das Mangelnde. Es wird sich auch, wie ich überzeugt bin, vieles Ueberflüssige vorfinden; denn die Feinde hatten einen größern Vorrath von Allem als wir für unser Heer brauchen. Es kamen auch Schatzmeister des Königs von Assyrien und anderer Herrscher zu mir, welche sagten daß sie gemünztes Gold bei sich haben, womit sie gewisse Tribute meinten. Lasset nun ausrufen daß sie auch dieß Alles da wo ihr gerade sitzet an euch abliefern sollen, und schrecket Die welche diesem Befehl nicht nachkommen würden durch Strafdrohung. Und wenn ihr es bekommen werdet, so vertheilet es, dem Reiter eine doppelte, dem Fußgänger eine einfache Portion, damit ihr, wenn ihr Bedürfnisse habt, im Besitz der Mittel seiet sie zu kaufen. Ferner muß jetzt ausgerufen werden, Niemand solle den im Lager bestehenden Markt stören, und Trödler und Kaufleute sollen verkaufen was Jeder Verkäufliches hat – und wenn sie Dieses abgesetzt haben, so sollen sie Anderes herbeiführen, damit das Lager verproviantirt seie.«
Sogleich wurde Dieß ausgerufen; die Meder und Hyrkanier aber 138 sprachen: »wie können aber wir ohne dich und deine Leute dieß austheilen?« Darauf erwiderte Kyrus: »meint ihr denn, ihr Männer, daß bei Allem was geschehen muß wir Alle anwesend sein müssen, und daß weder ich für euch, noch ihr für uns das Nöthige zu thun im Stande seiet? Gäbe es wohl einen anderen Weg sich mehr zu thun zu machen und weniger auszurichten als diesen? Nun sehet: wir haben euch dieß aufbewahrt, und ihr trauet uns zu daß es redlich aufbewahrt worden sei; so theilet denn ihr es aus, und wir wollen euch zutrauen daß ihr es recht ausgetheilt habet; inzwischen wollen wir etwas Anderes zum allgemeinen Besten zu thun versuchen. Vor Allem sehet nun, wie viele Pferde wir haben, und wie viele uns zugeführt worden. Lassen wir diese ohne Reiter, so nützen sie uns nichts und machen uns noch Mühe mit ihrer Besorgung; setzen wir aber Reiter darauf, so entheben wir uns nicht nur der Mühe, sondern gewinnen noch Verstärkung unserer Macht. Wenn ihr nun andere Leute habt denen ihr sie geben möchtet, an deren Seite ihr lieber als an der unsrigen kämpfen würdet (wenn es dazu käme), so gebt sie Jenen; wollt ihr aber uns am liebsten zu euren Nebenmännern haben, so gebt sie uns. Denn neulich, als ihr ohne uns gegen die Feinde angerückt seid und euch in die Gefahr gewagt habt, habt ihr uns in große Furcht gesetzt, es möchte euch ein Unglück zustoßen, und ihr beschämtet uns sehr daß wir nicht bei euch waren. Haben wir aber erst Pferde bekommen, so wollen wir euch folgen. Und wenn sich's zeigt daß wir mehr nützen wenn wir zu Pferde mitkämpfen, so werden wir's bei diesem Dienste an Muth nicht fehlen lassen; sollten wir aber zu Fuß mehr an unserem Platze zu sein scheinen, so steht es uns frei wieder abzusteigen, und wir werden euch sogleich zu Fuß beistehen; wir werden aber Leute ausmitteln denen wir die Pferde übergeben können.« So sprach er; sie aber antworteten: »Wir, Kyrus, haben keine Männer die wir auf diese Pferde setzen könnten; und wenn wir auch welche hätten, so würden wir doch, da dieß dein Wunsch ist, diesem Vorschlage den Vorzug vor allen andern geben. Nimm also die Pferde und mache damit was dir am besten scheint.« – »Ich nehme sie an,« sprach Kyrus; »möge es zum Glück ausschlagen, 139 wenn wir Reiter werden und ihr die gemeinschaftliche Beute vertheilet. Zuerst nun scheidet für die Götter aus was die Magier angeben; dann wählet auch für Kyaxares aus was ihr glaubet daß ihm am angenehmsten sei.« Lachend sagten sie: »da müßte man Weiber auswählen.« – »So wählet denn Weiber aus,« erwiderte Kyrus, »und was ihr sonst für passend haltet. Wenn ihr aber ihm ausgewählt habt, Hyrkanier, so seid nach Kräften dafür besorgt daß diese Alle, die mir freiwillig nachgefolgt sind, keinen Grund zur Unzufriedenheit haben. Ihr aber, Meder, ehret diese ersten Bundesgenossen die uns geworden sind, damit sie ihren Entschluß unsere Freunde zu werden nicht bereuen. Theilet auch dem Abgeordneten von Kyaxares einen Theil von Allem zu, sowohl ihm als seinem Gefolge, und sprechet ihm zu zu bleiben, unter dem Bedeuten daß auch ich damit einverstanden sei, damit er dem Kyaxares, nach genommener Einsicht vom Einzelnen, genauern Bericht über den Stand der Dinge erstatten könne. Meinen Persern wird an Dem was übrig bleibt wenn ihr wohl versehen seid genügen; denn wir sind eben nicht im Wohlleben, sondern ländlich erzogen; daher würdet ihr uns wohl verlachen wenn wir etwas Kostbares an uns trügen; so wie ich weiß daß wir euch viel zu lachen geben werden, sowohl wenn wir zu Pferde sitzen als auf dem Boden, wenn wir herabfallen.«
Hierauf schritten sie zur Vertheilung, herzlich lachend über die Reiterei. Kyrus aber berief die Taxiarchen und befahl ihnen die Pferde sammt Zeug in Empfang zu nehmen, und die Reitknechte sollten sie abzählen und nach dem Loose für jede Taxis eine der Mannschaft gleiche Anzahl nehmen. Ferner ließ Kyrus ausrufen, wenn in dem Assyrischen, Syrischen oder Arabischen Heere ein Sklave sei der aus Medien, Persien, Baktrien, Karien, Kilikien, Griechenland oder sonst woher mit Gewalt abgeführt worden sei, der solle sich melden. Auf diesen Aufruf stellten sich Viele voll Freude; er wählte Die welche am besten aussahen aus und sagte, sie sollten frei werden und den Reitern die Waffen nachtragen, die sie ihnen geben würden; daß sie mit dem Nöthigen versehen werden, dafür werde er besorgt sein. Sogleich führte er sie zu den Taxiarchen, stellte sie vor und ließ ihnen die kleinen Schilde und die 140 Schwerter ohne Wehrgehenk geben, um in dieser Bewaffnung den Pferden nachzufolgen und die Lebensmittel für diese, so wie für die ihn umgebenden Perser, in Empfang zu nehmen; die Perser aber sollten, mit Panzern und Speeren bewaffnet [immer] zu Pferde sitzen, und er selbst machte damit den Anfang; über das aus Homotimen bestehende Fußvolk aber sollte Jeder an seiner Stelle einen andern Befehlshaber aus der Classe der Homotimen setzen.
Während sie damit beschäftigt waren kam der Assyrier Gobryas, ein alter Mann, zu Pferde, mit einer berittenen Begleitung; alle hatten ihre Reiterwaffen. Die welche dazu bestellt waren die Waffen in Empfang zu nehmen forderten ihm die Speere ab, um sie gleich den übrigen zu verbrennen. Gobryas aber sagte, er wolle zuerst den Kyrus sehen. Da ließen die Diener seine übrigen Reiter zurück und führten den Gobryas zu Kyrus. Als er den Kyrus erblickte sprach er also: »Herr, ich bin von Geburt ein Assyrier, ich habe eine starke Festung und beherrsche einen großen Landstrich: ich habe eine zweitausend dreihundert Mann starke Reiterei, welche ich dem König von Assyrien stellte, und war ihm innig befreundet. Da aber dieser edle Mann durch eure Hand gefallen und sein Sohn, ein erklärter Feind von mir, zur Regierung gekommen ist, so komme ich zu dir und werfe mich dir schutzflehend zu Füßen: ich gebe mich dir zum Knecht und Bundesgenossen hin; nur bitte ich dich mein Rächer zu werden; ich will dich dafür, so weit es möglich ist, zu meinem Sohne machen; denn ich habe keine männliche Nachkommenschaft. Den einzigen Sohn den ich hatte, einen edlen Jüngling, der mich liebte und ehrte wie nur immer ein Sohn den Vater durch Ehrerbietung glücklich machen kann, berief der damalige König, der Vater des gegenwärtigen, um ihm seine Tochter zu geben. Ich schickte ihn, stolz darauf daß ich meinen Sohn mit der Königstochter vermählt sehen sollte. Der jetzige König lud ihn zu einer Jagd ein, und weil er sich für einen weit bessern Reiter hielt, gestattete er ihm nach Leibeskräften zu jagen; sie jagten nun zusammen als Freunde; als aber ein Bär sich zeigte, setzten ihm Beide nach, und dieser gegenwärtige Herrscher verfehlte ihn mit dem Wurfspieß (ach! daß es nie 141 geschehen wäre!); mein Sohn aber schoß (was freilich nicht nöthig war) und erlegte den Bären: dadurch nun wurde er gekränkt, hielt jedoch seinen Groll geheim. Als aber darauf ein Löwe aufstieß und er abermals fehlte (was wohl nichts Außerordentliches ist), da traf mein Sohn wieder, erlegte den Löwen und rief: »Habe ich nicht zweimal hintereinander geschossen und jedesmal auf den ersten Wurf das Wild erlegt?« Da konnte der Frevler seinen Neid nicht mehr unterdrücken: er entrieß Einem aus seinem Gefolge die Lanze, stieß sie meinem Sohn in die Brust, und nahm so meinem einzigen, geliebten Sohne das Leben. Und ich Unglücklicher bekam eine Leiche statt eines Bräutigams wieder, und begrub in meinen alten Tagen den besten, den geliebten Sohn, als er gerade in das Mannesalter eintrat. Der Mörder aber, gerade als hätte er einen Feind getödtet, zeigte weder jemals Reue noch würdigte er Den der unter der Erde ruht für seine böse That irgend einer Ehre. Sein Vater bemitleidete mich wenigstens und zeigte sichtbare Theilnahme an meinem Unglück. Lebte Der noch, ich würde nie zu dir gekommen sein um zu seinem Fall beizutragen; denn viele Freundschaft habe ich von ihm genossen und ihm viele Dienste geleistet. Da aber die Herrschaft an den Mörder meines Sohnes übergegangen ist, so kann ich Diesem nimmermehr gut werden, und ich bin überzeugt daß auch er mich nie für seinen Freund halten würde; denn er weiß wie ich gegen ihn gesinnt bin und wie ich, früher froh des Lebens, nun verlassen bin und mein Alter in Trauer hinbringe. Nimmst nun du mich auf und gewährst mir einige Hoffnung in Verbindung mit dir meinen Sohn zu rächen, so hoffe ich wieder aufzuleben; ich würde mich des Lebens nicht mehr schämen, und wenn's an Sterben geht glaube ich ohne Gram sterben zu können.«
So sprach Gobryas; Kyrus aber antwortete: »wenn, Gobryas, Das was du sagst deine wirkliche Ueberzeugung ist, so nehme ich dich in meinen Schutz auf und verspreche dich mit Hülfe der Götter an dem Mörder deines Sohnes zu rächen. Aber sage einmal, wenn wir dir Dieß thun und dich im Besitz deiner Festungen, des Landes, der Waffen und der Macht die du bisher hattest belassen, welchen Dienst wirst du 142 uns dafür leisten?« Gobryas erwiderte: »die Festungen will ich dir zur Wohnung geben wenn du kommst; die Steuern von meinem Lande, die ich Jenem entrichtete, will ich dir entrichten, und will dich auf allen Feldzügen mit der Mannschaft meines Landes begleiten. Ich habe auch eine geliebte Tochter, eine Jungfrau, reif zur Ehe, die ich früher dem jetzt regierenden König zur Gemahlin zu erziehen glaubte; jetzt aber hat mich meine Tochter selbst unter vielen Thränen flehentlich gebeten sie nicht dem Mörder ihres Bruders zu übergeben, und ich bin derselben Meinung: jetzt überlasse ich es dir, auch gegen sie dieselben Gesinnungen zu haben die ich gegen dich an den Tag lege.« Da sprach Kyrus: »Unter der Bedingung daß Dieß wahr ist gebe ich dir meine Rechte und nehme die deine: die Götter mögen unsere Zeugen sein.« Darauf ließ er den Gobryas abtreten, ohne die Waffen abzugeben, und fragte ihn wie weit es zu ihm sei: er werde zu ihm kommen. Gobryas erwiderte: »wenn du morgen früh ausziehst, so kannst du den andern Tag bei uns übernachten.« So gieng er ab, und ließ einen Wegweiser zurück.
Nun kamen die Meder und überlieferten den Magiern Das was dieselben für die Götter auszuscheiden befohlen hatten. Dem Kyrus hatten sie das schönste Zelt, die Susierin, die für das schönste Weib in Asien galt, und die zwei besten Tonkünstlerinnen ausgewählt; die Gaben vom zweiten Rang für Kyaxares; sonst versahen sie sich selbst mit Allem was sie bedurften um auf dem Feldzug an Nichts Mangel zu leiden – denn Alles war im Ueberfluß vorhanden. Auch die Hyrkanier nahmen was sie bedurften; dem Abgeordneten des Kyaxares gaben sie ebenfalls einen gleichen Theil. Die überflüssigen Zelte übergaben sie dem Kyrus für die Perser. Das Geld, sagten sie, wollten sie austheilen, wenn es ganz zusammengebracht sei; was auch geschah. 143