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VIII.
Der Ausgang

Allmählich lichtete sich der Kreis. Die wehmütigen Empfindungen des Alters, der Vereinsamung stiegen in ihr auf. Im Jahre 1816 starb die Prinzessin Karoline. Der 80jährigen Mutter drückte Charlotte 1823 die müden Augen zu; ein großes Stück ihres Lebens ging mit der trefflichen Frau dahin, und rührend sind die Äußerungen ihres Schmerzes. Die Schwester Karoline, die im Jahre 1809 ihren zweiten Gemahl Wilhelm von Wolzogen verloren hatte, war seitdem kränklich, hochgradig nervös, von einer beständigen Unruhe gequält; das einstige schöne Verhältnis war dadurch etwas getrübt, und die Schwestern waren sich nicht mehr das, was sie einander gewesen waren.

Auch Krankheit trübte ihre Lebensfreude. Ein Leberleiden zwang sie zu langwierigen Kuren. Dazwischen entflieht sie wohl einmal auf längere Zeit dem weimarischen Gesellschaftsleben und nimmt in Jena Aufenthalt oder geht nach Süddeutschland zu ihrem Sohn Karl, zuletzt zu dessen Hochzeit im Jahre 1825. Am schmerzlichsten war für sie und alle die ihr nahestanden, das Abnehmen des Augenlichtes; sie konnte schon seit dem Jahre 1824 nur noch mit Mühe schreiben und so gut wie gar nicht mehr lesen. Sie faßte daher den Entschluß, zu ihrem Sohne Ernst zu reisen und sich in Bonn von einem berühmten Augenarzt operieren zu lassen. Dies geschah. Die Operation glückte vollständig. Aber am Abend desselben Tages wurde sie von heftigen Schmerzen im Kopfe ergriffen. Fieber und Ohnmachten traten dazu. In Phantasien sah sie Wälder und Blumen, die schöne Natur, die ihr im Leben so lieb gewesen war, in den lichten Augenblicken erkannte sie den Sohn und die Seinen, die am Krankenbette wachten. Am 9. Juli 1826 setzte ein sanfter Tod diesem hoffnungslosen Zustande ein Ende.

Ihre Leiche wurde auf dem alten Friedhof zu Bonn beigesetzt. In demselben Grabe ruht seit 1841 auch ihr Sohn Ernst. Über ihrem Namen – »die Witwe Friedrichs von Schiller, geborene Charlotte von Lengefeld« – stehen die Verse aus Schillers »Genius«:

Muß ich ihn wandeln, den nächtlichen Weg? Mir
graut, ich bekenn' es!
Wandeln will ich ihn doch, führt er zu Wahrheit und
Recht!

Charlotte von Lengefeld hat gutes Anrecht auf ein ehrenvolles Gedächtnis bei ihrem Volke, denn sie hat eine hohe Ansicht von dem geistigen und sittlichen Berufe der Frau in sich verkörpert; und sie ist die würdige Weggenossin unseres großen Dichters gewesen.

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