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Wenn Oda bisher noch ein bald stärkerer, bald schwächerer Strahl von Hoffnung auf Albrechts Liebe aus seinem freundlichen Benehmen gegen sie geleuchtet hatte, so war ihr heute, nachdem er für Siegfried bei ihr geworben, auch der letzte Schimmer davon erloschen. Sie hätte ihm jeden Wunsch erfüllt; aber auch den, mit der Liebe zu ihm selber im Herzen, die Frau seines Bruders zu werden? Sie empfand eine innige Neigung zu Siegfried, weil er liebenswert und weil er Albrechts Bruder und diesem in vielen Stücken, auch äußerlich, ähnlich war. Sollte sie nun dem einzig Geliebten zu Liebe das Opfer bringen und sich mit seinem Spiegelbilde begnügen, weil sie ihn selbst nicht besitzen konnte? So frug sie sich, als sie nach dem Gespräch mit Albrecht in ihrem Gemach allein war und den ersten, heftigsten Schmerz niedergekämpft hatte. Graf Siegfried, der mannhaft schöne, edelmütige Jüngling liebte sie – sie wußte es – mit der ganzen Glut seines ritterlichen Herzens und dabei mit einer Zurückhaltung und Bescheidenheit, die bei seiner sonst überall hervortretenden Lebhaftigkeit um so beredtere Zeugnisse für die Kraft seiner Liebe waren. Um ihr jede Verlegenheit ihm gegenüber zu ersparen – so sagte sie sich – hatte er nicht einmal selber um sie geworben, sondern hatte durch seinen Bruder um ihre Hand, die Hand einer Enterbten, bitten lassen. Sollte Albrecht sie vergeblich um etwas bitten? Nein! und wenn er um ihr Herzblut bäte! Aber sie wollte den Mann, mit dem sie Hand in Hand durchs Leben gehen sollte, nicht betrügen und ihm nicht Gefühle heucheln, die sie nicht hatte. Sie wollte, wenn es zum Gelöbnis kam, weil Albrecht es wünschte, offen zu Siegfried sagen: willst du mit meiner herzinnigen Neigung fürliebnehmen, so will ich dein treues Weib sein, leidenschaftliche Liebe habe ich nicht zu vergeben. Vordem sie jedoch diese Worte spräche, wollte sie versuchen, was Zeit und guter Wille über ihr Herz vermöchten. Sie wollte fortan in Siegfried ihren besten Freund sehen, wollte ihr Herz ihm näher und näher bringen, daß es sich an ihn gewöhnte, ihn lieber und lieber gewänne, bis sie es ihm vielleicht ganz zu eigen geben könnte. Wie lange Zeit sie dazu nötig haben würde, schon um auch den letzten, zitternden Faden, mit dem es noch an Albrecht hing, zu lösen, konnte sie nicht voraussehen, aber heute noch wollte sie damit den Anfang machen.
Albrecht war nach der Unterredung von Odas Liebe zu Siegfried fester überzeugt als zuvor und konnte deshalb nicht begreifen, warum sie seine Werbung nicht auf der Stelle mit Freuden angenommen hatte. Der tapfere Kriegsheld war ebensowenig wie sein jüngster Bruder im Leben und Weben des weiblichen Gemütes bewandert und erwartete daher mit Bestimmtheit ein baldiges Nachgeben Odas. Damit war die Sache für ihn selber entschieden; er mußte nun sehen, wie er sich mit seinem Herzen abfand, ob er es durch Kriegslärm betäuben oder durch Juttas Liebe beschwichtigen und einigermaßen entschädigen sollte.
Darüber hatte er schon oben auf der Felsbank einsam nachgedacht, und darüber sann er immer noch, als er jetzt, eine Stunde vor Mittag, in öfter stockendem Gespräch mit Oda im Baumgarten auf und nieder wandelte.
Plötzlich erscholl vom Torturm ein in Ton und Takt ungewöhnliches, lang andauerndes Hornsignal. Albrecht und Oda sahen sich verwundert an.
»Ein Gast von fürstlichem Range!« sprach Albrecht, – »wer kann das sein?«
Sie gingen zu einer buschigen Stelle des Gartens, wo sie den Weg vom Tore zum oberen Burghof übersehen konnten, ohne selbst gesehen zu werden, und erblickten nun zwei Damen zu Pferde mit einem höfischen Begleiter und zwei reisigen Knechten.
Albrechts Lippen entfuhr ein Ausruf höchsten Erstaunens, und Oda, als hätte es ihr jemand gesagt, wußte sofort, wer die Damen waren. Doch frug sie: »Die Äbtissin, Herr Graf?«
»Ja, die Äbtissin von Quedlinburg, Gräfin Jutta von Kranichfeld, und zur Linken die Kanonissin, Gräfin Adelheid von Hallermund,« lautete die Antwort.
Oda überlief es eiskalt. »Sie wollen mich holen,« sagte sie bebend.
Albrecht hörte die Worte nicht. Ihm erschien es wie ein Wink des Schicksals, daß ihn Jutta gerade an dem heutigen Tage, an dem sich seine Gedanken auch mit ihr schon so lebhaft beschäftigt hatten, zum erstenmal auf seiner Burg besuchte. Er eilte, sie zu begrüßen und vor dem Palas vom Pferde zu heben, was sie sich leicht errötend mit einem zufriedenen Lächeln gefallen ließ.
Oda, die ein wenig zurückgeblieben war, weil sie dem Grafen nicht so schnell folgen konnte oder wollte, sah es, wie er den stolzen Leib der Äbtissin behend umfaßte und sie in seinen Armen haltend sanft zur Erde setzte. Es war ihr wie ein Stich ins Herz.
Der schönen Kanonissin leistete denselben Ritterdienst der vertraute Begleiter der Damen, der lustige Stiftsschreiber Florencius.
Als die Äbtissin die zögernden Schrittes näher kommende Oda bemerkte, warf sie einen musternden Blick auf dieselbe und sagte leise zu Albrecht: »Ist das Eure Lilie? So schön und stattlich hätte ich sie mir nicht gedacht.« Dann ging sie ihr entgegen und bot ihr die Hand.
Bei aller Höflichkeit und Freundlichkeit der Begrüßung witterte doch jede der beiden in der anderen etwas ihr Feindliches, mit dem sie im Leben vielleicht noch einmal hart zusammenstoßen könnte. Juttas selbstbewußtes und gewandtes Wesen half indessen ihr sowohl wie Oda schnell über die Verlegenheit der ersten Begegnung hinweg. Sie schlug sofort gegen ihre ausgebliebene Kapitularin, wie sie Oda scherzweise nannte, einen heiter vertraulichen Ton an, auf welchen diese, soviel sie es über sich vermochte, auch bereitwillig einging.
Alle fünf begaben sich nun auf Albrechts Einladung in den Saal, wo die Äbtissin, die sich draußen schon einige Male wie suchend umgesehen hatte, Albrecht mit scharfem Blicke frug: »Wo ist Graf Siegfried?«
Albrecht, den Sinn der Frage wohl verstehend, antwortete mit einer merklichen Verstimmung darüber: »Er ist schon früh nach Gersdorf geritten, doch erwarte ich ihn zu Mittag zurück.«
»Schade!« bemerkte Jutta einlenkend und sichtlich erleichtert, »ich hätte ihn gern zum Zeugen gehabt bei dem, was ich Euch zunächst zu sagen haben, Herr Graf. Florencius, mein kunstfertiger Freund, gebt her!« wandte sie sich an den Stiftsschreiber und nahm aus seinen Händen ein zusammengefaltenes Pergament, das dieser bis jetzt verborgen gehalten hatte. »Herr Graf,« fuhr die zu Albrecht, ihm das Schriftstück überreichend, fort, »hier bringe ich Euch den von mir unterschriebenen und besiegelten Lehensbrief über die Lauenburg als Dank und Lohn Eurer fürsorglichen Mühe, sie Eurer Euch wohlgewogenen Fürstin vor den Gelüsten der Blankenburger und Quedlinburger großmütig gerettet zu haben. Nehmt, mein edler Schirmvogt, und schützt sie mir gut gegen Leute, die sie etwa vor Tau und Tag beschleichen und sich mit Gewalt darin festsetzen wollen!« schloß sie mit einem schelmischen Lächeln.
»Allen freundlichen und dienstlichen Dank, gnädigste Domina!« erwiderte Albrecht, hoch erfreut, daß diese erst so stürmisch verlaufene Angelegenheit nun einen so friedlichen und für ihn günstigen Abschluß fand. »Hat denn Florencius auch hineinschreiben müssen, daß kein Graf Regenstein Vogt auf der Lauenburg sein darf?« Diesen kleinen Spott konnte er ihr als Antwort auf den ihrigen nicht ersparen.
Die Äbtissin errötete bis an das Stirnhaar, aber die Kanonissin kam ihr zu Hilfe. »Es steht nicht im Lehensbrief,« sprach Gräfin Adelheid, »aber unsere Domina hat es den Quedlinburgern versprechen müssen; sie waren es, die das von Anfang an verlangten, sonst niemand.«
Albrecht lächelte dazu und sagte: »Ist das das Einzige, was sie verlangten?«
»O nein!« entgegnete die Äbtissin, »und ich habe Euch manches darüber zu sagen.«
Sie setzten sich auf die Holzbank, die an den Wänden des Saales entlang lief, während die anderen drei plaudernd in einen der tiefen Fensterbogen traten, und die Äbtissin berichtete nun dem Grafen: »Vor allen Dingen begehren sie die Befreiung von Eurer Schutzvogtei und eigenes Gericht über Hals und Hand. Mehr als einmal kamen Abgesandte des Rates zu mir mit immer neuen Vorschlägen und Anerbieten. Mir wollten sie hold und untertänig sein, sagten sie, aber nicht Euch, und wollten mir beinah das Doppelte an jährlichem Schoß und Zöllen geben, wenn ich ihnen zu ihrer städtischen Freiheit verhülfe, und als das bei mir nicht verfing, wagten sie sogar zu drohen und ließen durchblicken, daß sie mächtige Bundesgenossen hätten, unter deren Beistand sie sich mit Gewalt nehmen würden, was sie nicht in gutem Frieden erreichen könnten.«
Dem Grafen schwoll die Zornader bei diesen Mitteilungen. Unwirsch frug er: »Und was habt Ihr ihnen darauf erwidert?«
»Ich haben ihnen meinen Unwillen über ihren Hochmut wahrlich nicht verschwiegen,« sagte Jutta mit stolzem Zurückwerfen des Kopfes, als säße ihr nicht der Graf von Regenstein, sondern der rebellische Rat von Quedlinburg gegenüber, »habe sie gebührendermaßen an ihr beschworenes Weichbildsrecht erinnert und sie letztlich mit ihren Forderungen an Euch verwiesen, Ihr würdet Ihnen schon die rechte Antwort darauf geben.«
»Bei allen Heiligen und Verdammten! das will ich!« brauste der Graf, »es scheint, sie haben meine Hand lange nicht gefühlt, ich muß mich einmal wieder bei ihnen blicken lassen.«
»Aber nicht ohne eine erkleckliche Zahl Gepanzerter!« warnte die Äbtissin, »denn Ihr habt Euch von unseren Lieben und Getreuen in Quedlinburg nichts Gutes zu versehen.«
»Von diesen Pfeffersäcken und Trinkstubenhelden?« erwiderte Graf Albrecht mit verächtlichem Lachen.
»Schreibt es nicht in den Sand!« sagte die Äbtissin. »Glaubt mir, sie führen etwas gegen Euch im Schilde und würden das Haupt nicht so frech erheben, wenn sie nur auf eigene Faust handelten und nicht einen im Rücken hätten, der sie aufstachelt und Euch zu schaden sucht, wo er weiß und kann.«
»Ihr meint den mit dem langen Krummstabe?« lachte Albrecht aufs neue.
»Lachet nicht!« mahnte Jutta noch einmal, »der scheut kein Mittel, keines, sag' ich Euch!«
»Ich glaub' es schon und behalte ihn in gutem Andenken,« versetzte der Graf sorglos. »Ihr waret ja bei ihm in Halberstadt.«
»Ja, das war ich,« sprach sie verlegen, »ich bedurfte seines Rates in stiftischen Dingen, und –«
»Genug, Domina! genug!« unterbrach er sie vertrauensvoll. »Und was unsere lieben Quedlinburger angeht, so weiß ich doch nun, wie ich mit ihnen dran bin.«
»Deshalb kam ich her, Graf Albrecht«, erwiderte sie. »Den Lehensbrief konnte Euch Florencius bringen, aber ich wollte Euch selber sprechen, denn mir bangt um Euch, und ich habe schwere Träume.«
Voll und freudig glitt sein Blick über ihre schöne Gestalt, und lächelnd sprach er: »Ihr habt böse Träume, Domina? – ich habe dafür desto schönere und hoffe, daß sie in Erfüllung gehen.«
Sie sah überrascht und fragend auf, wo er denn damit hinaus wollte, und sagte: »Das kommt auf ihre Deutung an.«
»Deutung wie Erfüllung liegen bei Euch«, erwiderte er leise. Da funkelten und blitzten ihre Augen und hingen erwartungsvoll an seinen Lippen, was er weiter sprechen würde.
Aber sehr zur ungelegenen Zeit rief die Kanonissin in diesem Augenblick: »Wenn du den unvergleichlichen Ritter Bock von Schlanstedt sehen willst, Jutta, so komm schnell her!«
»Den könnt Ihr nachher sehen, gnädige Frau,« sprach Albrecht, »ich werde ihn zu Tisch entbieten.«
Die Äbtissin war aber schon aufgesprungen und ans Fenster geeilt, weniger um den Ritter Bock zu sehen, als um die Wallung ihres Herzens zu verbergen, das ihr in fliegender Hoffnung schlug.
Oda hatte von Albrechts Gespräch mit Jutta wenig oder nichts gehört, wohl aber die Blicke erhascht, die er zuletzt mit ihr wechselte, und so viel Lust sie der einen erregten, so viel Leid fügten sie der anderen zu. –
Die alte Schaffnerin Ursula hatte große Sorge in der Herrenküche, ein würdiges Mahl für den vornehmen Besuch herzurichten, und als die Tafel gedeckt war, so gut es der einfache, fast dürftige Haushalt des Burgherrn ermöglichte, mußten die verwöhnten Damen doch sehr fürlieb nehmen. Der Graf entschuldigte sich deshalb, als sich die kleine Gesellschaft zu Tisch setzte, und fügte, zu Oda gewandt, hinzu: »Das hättet Ihr bei unserer gnädigen Frau von Quedlinburg besser gehabt, liebe Oda.«
»Nun, Eure schöne Gefangene sieht nicht danach aus, als hättet Ihr sie darben lassen,« sprach die Äbtissin.
»Hungern lasse ich meine Gefangenen nie,« erwiderte er gut gelaunt.
»Ihr müßt uns nachher Euer Gefängnis zeigen, Gräfin Oda,» sagte die Kanonissin.
»Und die Ketten, mit denen Ihr nachts an Händen und Füßen gefesselt werdet,« fügte Florencius den Scherz weiter treibend hinzu.
»An Händen und Füßen wohl nicht,« neckte die Äbtissin. »Auch sind die Ketten, mit denen Gräfin Oda hier gehalten wird, wenn auch unzerreißbar, so doch von so feiner Art, daß man sie weder sieht noch klirren hört.«
Oda fühlte den Stich und suchte sich mit den Worten zu wehren: »Ihr habt ganz recht, gnädige Frau, die Dankbarkeit schmiedet starke Fesseln, und ich werde sie niemals abstreifen.«
Juttas Lippen kräuselten sich zu einem spöttischen Lächeln, das Oda nicht entging. Aber die Äbtissin erwiderte nichts, um in Albrechts Gegenwart jeden Mißklang zu vermeiden.
Der Platz zu Odas Linken war leer, denn Albrecht hatte ihn für Siegfried bestimmt, und der war noch immer nicht zurück. Zwischen ihr und der Gräfin Adelheid saß der Ritter Bock von Schlanstedt.
Bock führte gewöhnlich an der langen Tafel der Dienstmannen den Vorsitz und das große Wort und war dabei durch Beispiel und Winke bemüht, den Knechten Anstand und höfliche Sitte beizubringen, mit welchen Bestrebungen er leider keine großen Erfolge aufzuweisen hatte. Von Zeit zu Zeit aber durfte er im Palas mit den Herren speisen, und das war dann immer ein Festtag für ihn, nicht der besseren Kost, sondern der Auszeichnung wegen, auf die sich der also Bevozugte den anderen gegenüber nicht wenig zugute tat. Für solche Gelegenheiten hielt er sich ein besonderes, etwas fremd aussehendes Gewand aus zimmetbraunem Tuch, das sogar bestickt und mit gestepptem Leder besetzt war, ein altes, aber noch gut erhaltenes Beutestück, das auf seinen langen, hageren Leib vortrefflich paßte und in dem er sich dann und wann sehr gern sehen ließ. Niemals auch erschien er ohne Schwert und ohne seinen höchsten Stolz, den Rittergurt. Übrigens wußte er sich bei Tische stets tadellos zu benehmen, saß mit einer feierlichen, gezierten Würde stocksteif auf seinem Stuhle, befleißigte sich der gemessensten Bewegungen und bediente sich beim Sprechen der gewähltesten Ausdrücke. Auch heute schlug er die Ehre, mit so vornehmen und schönen Frauen der Tischgast seines Herrn zu sein, hoch an, zumal sie ihm seiner Meinung nach auch in Eilikas Augen einen besonderen Glanz verleihen mußte.
Die liebenswürdige, rosig blühende Kanonissin, die ihrer jugendlichen Domina, wie sie ihr an Jahren ziemlich gleichstand, auch an sprudelnder Lebhaftigkeit nichts nachgab, hatte ihren Spaß an der angenommenen Wichtigkeit ihres drollig ernsten Nachbars zur Linken, und Bock, durch die ihm erwiesene Huld der Übermütigen geschmeichelt, ging auf ihre Fragen und Scherze mit geflissentlicher Gründlichkeit ein und suchte eine angenehme und belehrende Unterhaltung mir ihr zu führen, was sie ungemein belustigte. Sie füllte ihm fleißig den Becher mit dem würzigen und schweren Weine, der in hohen Kannen auf der Tafel stand, und dem alle, außer Oda, wacker zusprachen. Auch die Äbtissin, die den Grafen mit verführerischer Gunst überhäufte, und Albrecht, der wie bezaubert davon war, kamen in eine immer gehobenere Stimmung und ergötzten sich an Florencius' sinnreichen Bemerkungen, die er oft keck und vorwitzig in das munter schwirrende Gespräch hineinwarf. Nur Oda nahm, Albrecht und Jutta heimlich beobachtend, an der lauten Fröhlichkeit geringen Anteil. Die anderen reizten sie auch nicht dazu, denn sie dachten, Siegfried fehle ihr nur, und wenn der käme, würde sie schon auftauen. Albrecht warf auch zu ihr manchmal einen Blick hinüber; aber wenn er dann zufällig dem tief bekümmerten ihrigen begegnete, so mußte er schnell wegsehen, als hätte er kein reines Gewissen gegen sie.
Endlich kam Siegfried. Ein stummer Dankesblick auf Oda und Albrecht bei seinem Eintritt in den Saal deutete ihnen an, daß er mit der ihm nachgesandten Botschaft, hoffen zu dürfen, zufrieden war und nicht mehr erwartet hatte. Nach höflicher Begrüßung der Gäste nahm er an Odas Seite Platz, und wirklich schien der Frohsinn, der die anderen belebte, nun auch bei ihr einzukehren; hatte sie nun doch einen in dem Kreise, von dem sie wußte, daß er sie von Herzen liebte.
»Nun, wie sieht es draußen aus, Siegfried?« frug Albrecht leichthin.
»Ein Gewitter ist im Anzuge; es kommt von Halberstadt,« erwiderte er, seinen Bruder bedeutungsvoll ansehend und auch die Äbtissin mit einem forschenden Blicke streifend.
Aber Albrecht, von Juttas berückender Nähe in Anspruch genommen, gab nicht acht auf den Doppelsinn der Auskunft und verstand nur wörtlich, was Siegfried sagte.
Der Himmel hatte sich in der Tat mit schweren Wolken bezogen, was die im Saale nun erst gewahrten.
»Von Halberstadt!« lachte Graf Albrecht, »natürlich! von da kommt alles, was Schaden stiften kann, selbst ein Gewitter.«
»Es sei willkommen mit seiner Blitze Saat und Segen!« sprach die Äbtissin, »aber wenn es losbricht, Herr Graf, und bis in die Nacht währt – habt Ihr Losament für uns?«
»Platz haben wir schon,« erwiderte Albrecht, »aber ob Ihr hier so sanft ruhen werdet wie auf Eurem prächtigen Schlosse –?«
»Herr Graf! bei unserem edlen Schirmvogte?« versetzte sie schalkhaft.
»Aber was würde unsere geliebte Pröpstin Kunigunde denken, wenn wir nicht heimkehrten?« meinte Adelheid.
»Daß man uns hier gefangen hielte,« lachte Florencius.
»Oh, es lebt sich gewiß auch als Gefangene recht lustig hier,« sagte Jutta, »nicht wahr, Gräfin Oda?«
»Das kommt auf die Ketten an, mit denen man hier gefesselt wird,« entgegnete die Gefragte.
Alle, außer Siegfried, der diese Anspielung auf eine früher gefallene Äußerung nicht verstehen konnte, lachten über Odas schlagfertige Antwort; selbst die Äbtissin, auf die sie gemünzt war, stimmte gezwungen mit ein; aber sie wollte sich's merken.
Da flammte der blendende Schein eines Blitzes durch den etwas dämmrig gewordenen Saal. Adelheid schrie erschrocken auf; das Lachen war plötzlich verstummt.
Das Gesicht der Äbtissin aber nahm den Ausdruck einer freudigen Verzückung an, und mit stolz erhobenem Haupte frug sie: »Was ist, Adelheid? bangt dir vor dem Blitze? Mir war so dumpf, so heiß, jetzt naht die Befreiung und quillt über alle Schranken. Wie ein Feuerkuß des Ewigen auf Augen, auf Mund und Herz fährt die zuckende Lohe über mich hin, und von Kopf zu Fuß durchrieselt mich ein süßer Schauer, aus Furcht und Wonne gemischt!«
Der Donner hub an und wuchs und schwoll und dröhnte, die Luft erschütternd.
»Hört doch!« rief Jutta, »zittert euch nicht das Herz in der Brust, wie das knattert und rollt und um die Felsen hallt, als schlüg' es mit ehernen Schwingen dagegen? Das ist Grimm und Lust in einem mit wilder, unerschöpflicher Kraft!«
Die anderen schauten sie verwundert an, als sie so aufgeregt sprach.
Graf Albrecht sagte: »Domina, noch nie sah ich ein Weib, dem bei Donner und Blitz wohlig zumute war.«
»Es steckt einmal in mir,« erwiderte sie rasch, »daß ich jauchzen muß in Sturm und Gewitter. Und wißt Ihr, was ich möchte? – – donnern können!«
»Das könnt Ihr! das könnt Ihr, Domina!« lachte der Graf. »Ich hab' es schon öfter gehört.«
Adelheid und Florencius nickten lächelnd einander zu: »Ach ja! wir auch!«
Wieder zuckte ein Blitz, und der Donner war stärker als vorhin.
»Es kommt auf den Wolken geschritten,« sprach Jutta, »der Himmel kracht und die Erde bebt; ich fühle, wie sich der Boden unter meinen Füßen bewegt. Oder bin ich es, die von wirbelnden Fluten umbraust bis in des Lebens Grund an allen Fasern gepackt wird? Denn Euer Regenstein steht fest, Graf Albrecht, der wankt nicht in allen Wettern, so wenig wie Ihr selbst. Seid Ihr ein Prometheus hier auf dem starrenden Felsen, Graf Albrecht? angeschmiedet, ewig einsam hier oben zu hausen? Womit habt Ihr den Zorn der Götter verschuldet? Sie grollen Euch und rütteln am Berge und donnern und drohen Euch Rache. Rache, wofür? Für ein gebrochenes Wort? ein zerschmettertes Glück? Redet, Graf Albrecht! die Blitze leuchten ins Herz.«
»Ich brach niemals mein Wort und fürchte keine Rache,« erwiderte Albrecht. »Seid ruhig Gräfin Jutta! um den Regenstein hat schon manches Gewitter getobt und ihn nicht zum Wanken gebracht.«
Aber je näher das Gewitter heranzog, je häufiger die Blitze, je heftiger der Donner wurde, desto aufgeregter wurde die Äbtissin. Das gewaltige Naturereignis übte eine wundersame, unbegreifliche Wirkung auf sie aus, der sie nicht widerstehen und von der sie sich auch keine Rechenschaft geben konnte; es war, als bestände zwischen ihr und den wettergeladenen Wolken eine geheimnisvolle Verwandtschaft. Wenn Adelheid und Oda sich bei den Blitzen mit der Hand die Augen bedeckten und bei den Donnerschlägen zusammenfuhren, und während auch die Männer unter dem großen Schauspiel ernst dasaßen und nur kurze Bemerkungen darüber austauschten, war Jutta von einer tiefen Unruhe und einer tollkühnen Lust ergriffen, die sich in Blicken und Bewegungen und in überschwenglichen Worten kundgab.
Oda war diese grenzenlose Erregung der Äbtissin unheimlich, und sie sagte in ihrem Grausen davor: »Gnädige Domina, fordert den Himmel nicht heraus!«
»Tu ich das, Kind?« erwiderte sie trotzig. »Komm heraus, komm auf die oberste Höhe mit mir, du bleiche Lilie, ob du dem Sturme standhältst wie ich, wo uns die Blitze umtanzen und die Donner um die Felsen kriechen wie heulende, brüllende Drachen in Rauch und Nebeldampf!« Sie sprang auf, als wollte sie wirklich hinaus mitten zwischen Blitz und Donner.
Auch die anderen erhoben sich. Adelheid hing sich an den Arm der Überreizten und sprach auf sie ein: »Jutta! wohin? du rasest! Da oben schlagen die Blitze ein.«
»Laß mich!« rief sie, »was zündet und brennt, trag' ich in mir!«
Sie stand hochaufgerichtet und blickte herausfordernd auf Albrecht, als erwarte sie ein Wort von ihm. Der aber schwieg und sah nach Oda, die halb von Unmut, halb von Entsetzen erfaßt war. Siegfried stellte sich wie schützend vor sie; auch ihm war es schwer in Haupt und Gliedern. Florencius näherte sich der Kanonissin und raunte ihr zu: »Laßt die Domina sich nur aussprechen, Gräfin Adelheid; mit dem da draußen geht auch das Donnerwetter bei ihr vorüber.« Der Ritter Bock schien zur Bildsäule erstarrt; regungslos hielt er seinen Herrn im Auge, die Entwicklung der Dinge ruhig abwartend.
So war die fröhliche Gesellschaft durch den ungestümen Drang der einen aufgescheucht und auseinandergesprengt. Aber es dauerte nur wenige Minuten, da öffneten sich die Wolken, und stürzender Regen ergoß sich.
»Ach!« sagte Jutta tief Atem schöpfend, »da kommt's, da strömt das erquickende Bad. Macht auf! laßt Luft herein und den sprühenden Tau! ich lechze danach. Jetzt möcht' ich erst recht hinaus und mit fliegenden Haaren über die Berge stürmen, mir das heiße Blut im Herzen zu kühlen.«
Sie riß selber ein Fenster auf und lehnte sich hinaus, daß ihr die am Gesims aufschlagenden Tropfen die erhitzten Wangen benetzten. Der Regen verursachte auf dem harten Gestein ein lautes Plätschern und Rauschen, und der volle weiche Ton hatte etwas unendlich Wohltuendes und Erlösendes. In zahllosen kleinen Rinnsalen floß das Wasser von den Felsen herab. Das Laub der Bäume und Sträucher, die lange Zeit gedürstet hatten, belebte sich mit einem farbensatten Grün, und Blumen und Kräuter begannen zu duften.
Jutta winkte Albrecht zu sich in das schmale Fenster. »Kommt, Graf Albrecht!« sagte sie mit einem Blick voll Glut und Leidenschaft, »kommt doch und fühlt, wie köstlich das ist! o süß, süß wie gestillte Sehnsucht!«
Er stemmte über ihrer Schulter den Arm gegen die Mauer des Fensterbogens und blickte mit ihr hinaus. Sie mußte sich fügen, weil sie nicht anders Platz hatte; er fühlte ihren Körper an seiner Seite und erwiderte wie von ungefähr den sanften Druck der unvermeidlichen Berührung. Sie wich nicht zurück; Ihr Haupt war dicht an dem seinen, er fühlte ihr Haar an seiner Schläfe, fühlte ihren Atem, und ihm selber klopfte das Herz laut und stürmisch.
Ferner und matter grollte es in den abziehenden Wolken, der Regen ließ nach, und hier und da kam wieder blauer Himmel zum Vorschein.
»Jetzt laßt uns hinaufgehen,« sprach Siegfried, »es muß jetzt herrlich sein oben im Freien.«
Albrecht und Jutta wandten sich um. Nun war sie ruhig geworden. Auf ihrem noch geröteten Antlitz lag ein seliges Lächeln, und aus ihren Augen glänzte ein inniges Glück. Eine sanfte Ermattung überkam sie nach dem heftigen Aufruhr, den das Gewitter in ihr erzeugt hatte; sie war bald still gedankenvoll, bald heiter gesprächig, als hätte sie gern jeden so froh gesehen, wie sie selber war.
Florencius besuchte mit Bock den Marstall, den Hundezwinger und das Vogelhaus, denn der Stiftsschreiber war ein Freund von klugen Tieren.
Die anderen erstiegen die Felsenhöhe und labten sich an der erfrischenden Kühle der Luft, die nach dem Gewitter außerordentlich rein und durchsichtig war. Die Äbtissin freute sich, als sie in der Ferne ihr Schloß erblickte; sinnend schaute sie ringsum in das Land und dann wieder hinab auf Palas und Burghof des Regensteins.
Da trat Gräfin Adelheid zu ihr und flüsterte: »Hältst du Umschau über dein Reich und deinen künftigen Felsenthron, du glückliche Braut?«
Jutta schüttelte das Haupt und erwiderte: »Er hat mir kein Wort gesagt.«
»Aber dein Herz sagt dir's?« sprach die Kanonissin.
Jutta nickte der Freundin lächelnd zu.
Albrecht kam zu Ihnen und erklärte ihnen dieses und jenes im Bilde der Landschaft. Auch er war stiller und ernster geworden, als wäre ihm ein Rausch verflogen, nachdem er aus der dumpfen Schwüle des Saales heraus war.
Während er beim Sprechen mit der Hand deutend in die Ferne zeigte, schweiften seine Augen hinüber zu Oda, die mit Siegfried seitab auf einer anderen Erhöhung und jetzt dicht am Rande des Felsens stand. Das Gestein war noch naß und daher glatt und schlüpfrig. Oda stützte sich auf Siegfrieds Schulter, und er hielt sie am Arme, während sie sich vornüber beugte, um in die Tiefe hinabzuschauen.
Dem Grafen stockte das Wort im Munde, als er das sah, und Jutta, der seine plötzliche Zerstreutheit auffiel, folgte der Richtung seiner Blickes. Da war es mit ihrer harmlosen Fröhlichkeit wieder vorbei; der Argwohn regte sich wieder, und spöttisch sagte sie: »Es ist rührend, Herr Graf, mit welcher liebevollen Sorge Ihr Eure keusche Lilie behütet. Aber Graf Siegfried hält sie ja fest genug, um sie nicht fallen zu lassen, und sie muß da unten sehr Wichtiges zu sehen haben, daß sie sich so lange von ihm halten läßt.«
Albrecht antwortete nicht, und zu ihrem Glücke sah die Äbtissin den finsteren Blick nicht, den er ihr zuwarf.
»Endlich! jetzt treten sie zurück,« sprach sie weiter, »sie hat gewiß Eure Angst um sie ahnungsvoll gefühlt. Und wie verschämt sie ihrem Ritter zulächelt! mich dünkt, sie wird rot; was mag er ihr gesagt haben? O diese Empfindsamkeit schmachtender Liebe!«
Albrecht erwiderte ihr auch jetzt nichts; er fühlte sich von ihrem herzlosen Spotte verletzt und verstimmt, und als bald nachher die Kanonissin zum Aufbruch mahnte, erhob er keine ernstliche Einsprache dagegen.
Ihr gebt uns doch ein Stück Weges Geleit, Herr Graf?« sagte Jutta.
»Das ist die Pflicht Eures Schirmvogtes, gnädige Frau,« erwiderte er.
Man ließ satteln, und die beiden Damen verabschiedeten sich von Oda in einer durchaus freundlichen Weise.
»Ihr habt zwar eine Kemenate in unserem Schlosse bisher verschmäht, Gräfin Oda,« sprach die Äbtissin, »aber sie ist immer noch offen und bereit für Euch, und Ihr seid jederzeit willkommen in unserem Kapitel.«
»Und wenn Ihr uns auf Tage oder Wochen nur besuchen wolltet, so würdet Ihr uns und unseren Schwestern im Stifte eine große Freude machen,« fügte die Kanonissin ebenso freundlich hinzu.
Oda dankte ihnen aufs wärmste und sagte, es wäre leicht möglich, daß sie die so huldvoll angebotene Gastfreundschaft annähme, wenn Graf Albrecht ihr die Freiheit zurückgäbe.
»Das tu ich aber nicht,« lachte der Graf.
Dann stiegen sie zu Pferde und die Brüder gaben ihren Gästen das Geleit bis halbwegs Westerhausen.
Aus den scherzhaften Andeutungen, die sie unterwegs gegen Siegfried machten, ließ die Äbtissin erkennen, daß sie Oda wirklich schon als dessen heimlich Verlobte betrachtete, und der Liebende ließ sich ihre launigen Neckereien gern gefallen, weil sie seiner Hoffnung schmeichelten. Aber auch Albrecht bekam dabei von Jutta, so fest sie ihn auch jetzt in ihren Banden verstrickt glaubte, manchen kleinen Seitenhieb, der mit noch nicht überwundener Eifersucht auf versteckte zärtliche Gefühle seinerseits für die künftige Schwägerin zielte.
Man schied in bester Freundschaft. Die Damen ritten mit Florencius und den Knechten gen Quedlinburg weiter, die Grafen wandten sich nach dem Regenstein zurück. Der Ältere erzählte nun dem Jüngeren von seiner Werbung für ihn bei Oda und gab der Überzeugung Ausdruck, daß ihr Herz schon ihm, dem Jüngeren gehörte, woran dieser auch nicht zweifelte.
Darauf begann Siegfried: »Nun höre auch mich an, Albrecht, was ich zu melden habe. Wenn ich heute nicht zu Günther gekommen wäre, so wäre er morgen zu uns gekommen mit einer Nachricht, die ganz seltsam lautet. Als ich dir auf deine Frage heute Mittag antwortete, es wäre ein Gewitter im Anzuge, meinte ich nicht bloß das, welches gleich darauf mit Donner und Blitz niedergegangen ist, sondern noch ein anderes, schwereres, das uns von Halberstadt her aufsteigt.« Albrecht horchte hoch auf, und Siegfried fuhr fort: »Fürst Bernhard von Ballenstedt, der dem Bischof wegen der Stadt Aschersleben bitter grollt, hat gestern unserem Bruder Günther eine heimliche Botschaft gesandt, wir sollten uns vorsehen, der Bischof mache einen Anschlag gegen uns. Er wäre vor einigen Tagen in weltlicher, ritterlicher Kleidung und in Begleitung des Grafen Konrad von Wernigerode und einiger anderen auf dem Falkenstein beim Grafen Hoyer gewesen. Was sie dort verhandelt hätten, wüßte Fürst Bernhard nicht, aber der Graf von Wernigerode wäre darauf auch zu ihm nach Ballenstedt gekommen und hätte ihn gefragt, ob er gegen Belehnung mit der Stadt Aschersleben wohl dem Bischof in einer Fehde gegen uns helfen würde.«
»Siegfried! die Nachricht ist freilich einen Ritt nach Gersdorf wert!« sprach Albrecht. »Was hat denn Bernhard dem Wernigeröder geantwortet?«
»Er hat ihn abgewiesen,« erwiderte Siegfried, »und hat ihm gesagt, er nehme von keinem Menschen zum Lehen, was ihm redlich und rechtlich einmal als Eigentum zufallen müßte und was er sich seiner Zeit schon zu nehmen wissen würde. Sie nennten ihn jetzt spottweise Bernhard den Beraubten, der sein Lehen verschlafen hätte, statt es zur rechten Zeit zu fordern und zu empfahen, damit es nicht verwirkt werde. Das verdankte er dem Bischof, mit dem er niemals in Krieg oder Frieden eine Straße ziehen würde.«
»Die Antwort des Fürsten gefällt mir,« sprach Albrecht, »wir wollen morgen ein wenig auf Kundschaft reiten.«
»Erst ist die Äbtissin beim Bischof gewesen und dann der Bischof beim Grafen Hoyer,« versetzte Siegfried. »Ist das nicht seltsam?«
Graf Albrecht sah ihn betroffen an. »Du meinst –«
»Ich meine, das sind zwei Fäden, die sich vielleicht aneinander anknüpfen lassen.«
»Siegfried!« sprach Albrecht erstaunt, »Du hast Verdacht gegen unsere lobesame Frau, die Domina? Warum hast du mir das nicht früher gesagt, damit ich sie fragen konnte?«
»Ich wollte es,« entgegnete Siegfried, »aber als ich sah, wie sie mit dir so vertraut verkehrte, da schwand mir der Verdacht, aber jetzt taucht er wieder auf, und ich werden den Gedanken nicht los, daß sie bei den Absichten des Bischofs die Hand im Spiele hat. Und ich glaube, Albrecht, der Anschlag geht auf Oda.«
»Ach so! darum!« lachte der Ältere, »ja, freilich, für dich dreht sich die ganze Welt um Oda!«
Siegfried errötete und schwieg, denn Albrechts Lachen hatte bitter, fast höhnisch geklungen.
Sie waren am Burgtor angekommen, und als sie vom Pferde stiegen, ging jeder still seines Weges, Siegfried in den Palas und Albrecht hinauf zur Felsbank. Siegfrieds Nachrichten und besonders die geheime Botschaft des Fürsten Bernhard an Günther lag Albrecht schwer im Sinn, und er wollte ungestört darüber nachdenken.
Als er oben auf der Abplattung des Felsens anlangte, fuhr Oda erschrocken von der Bank empor, wo sie in Gedanken verloren gesessen und daher Albrechts Kommen nicht gehört hatte. Sie war durch sein plötzliches Erscheinen verwirrt und hatte verweinte Augen.
»Oda! was ist geschehen? Ihr habt geweint!» sprach Albrecht, selber erschrocken und verwundert.
Sie sah ihn erst einen Augenblick tieftraurig an, führte dann ihr Tuch vor das Gesicht und sagte mit schluchzender Stimme herb und unfreundlich: »Ach! – laßt mich! was kümmert's Euch!«
Damit huschte sie ohne weiter Rede zu stehen an ihm vorüber und eilte die Stufen hinab.
Was war das? So war sie noch niemals gegen ihn gewesen. Was hatte er ihr denn getan? Graf Albrecht stand vor einem Rätsel.