Julius Wolff
Der Raubgraf
Julius Wolff

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Zehntes Kapitel.

Einer der nächsten Morgen brachte dem Grafen Albrecht eine neue Überraschung. Es kam ein Schreiben der Grafen Berthold und Rudolf von Blankenburg, worin sie Einspruch gegen Albrechts Belehnung mit Burg und Gericht Gersdorf erhoben unter dem Vorgeben, dieselbe sei schon vor mehreren Monden vom Fürsten von Ballenstedt ihnen zugesagt worden. Sie seien jedoch bereit, darauf zu verzichten, wenn Graf Albrecht bei Ehr' und Eid gelobte, ihnen zur Lauenburg zu verhelfen, über die sie bereits seit längerer Zeit mit der Äbtissin von Quedlinburg in Unterhandlung stünden. Andernfalls wollten sie dem Grafen Albrecht feind werden und ihm die Fehde ansagen. Außer den Unterschriften der beiden Grafen von Blankenburg trug der Brief zum größeren Nachdruck noch die Namen der Grafen Walther und Konrad von Wernigerode und der Ritter und Herren Johann von Romersleben, Heinrich von Hakeborn, Hans von Kreiendorf, Werner von Hadmersleben und Gerhard von Zilly.

»Aha!« sagte Graf Albrecht, als er gelesen, zu Siegfried, »die Jagd wird angeblasen, der Bischof hetzt seine Meute schon. Reite hinüber zu Bernhard und bringe ihm den Brief. Sage ihm, doch so, daß es niemand sonst hört, ich wüßte nur eine Antwort darauf: in acht Tagen müßte die Lauenburg unser sein; er solle sich darauf einrichten. Ich will heute nach Quedlinburg und reite von dort nach Gersdorf, um Günther Bescheid zu sagen. Du gibst wohl acht, was Bernhard meint und rät.«

»Oh, der wird nicht abraten,« erwiderte der Jüngere, freudig erregt in der Aussicht auf bald bevorstehenden Kampf.

»Nimm Gräfin Oda mit hinüber zu Reginhild,« sprach Albrecht weiter. »Beruhige sie, so gut du kannst, heitere sie auf, suche ihre Gunst zu erwerben; ich habe jetzt nicht Zeit, mich um sie zu kümmern. Du mußt ihr Freund und Vertrauter werden, Siegfried! ich wünsche das.«

Siegfried stand bei dieser Mahnung gesenkten Hauptes vor dem Bruder, als bekäme er eine Strafpredigt. »Ich will mein Bestes tun,« sagte er, und es klang, als hätte er gesagt: Ich will mich bessern.

»Gut!« sprach Albrecht. »Jetzt bestelle Schatte, daß er für mich und sich sattelt, er soll mit mir reiten. Dann schicke mir Bock, ich muß ihn sprechen.«

Siegfried entfernte sich mit dem Blankenburger Briefe, und Albrecht legte den Panzer an.

Bald erschien Bock von Schlanstedt im Gemach.

»Freue dich, Bock!« rief ihm Albrecht entgegen, »es gibt bald wieder zu hauen und zu stechen.«

»Schön! schön, Herr Graf!« sagte Bock vergnügt mit funkelnden Augen, »wann? wo? gegen wen?«

»Der Bischof will uns an den Kragen, und die Blankenburger und die Wernigeröder und noch ein halb Dutzend andere wollen gegen uns zu Felde.«

»Stechen wir alle unter die Gäule, Herr Graf!« erwiderte Bock kampflustig und strich sich den langen Schnurrbart.

»Das hoff' ich auch,« erwiderte der Graf, »aber jetzt höre genau zu, was ich dir sage.«

Bock bog den langen Oberleib etwas vor und blickte seinen Herrn so scharf an, als wollte er ihn mit den Augen aufspießen. So glich er mit seiner großen Hakennase einem lauernden Raubvogel, der sich eben vom Baume herab auf die erspähte Beute stürzen will.

»Laß deine sechs Spürhunde los,« unterwies nun der Graf seinen Dienstmann, »daß sie den alten Fuchs, den Schabernack erjagen und ihn ausforschen, was der Bischof im Schilde führt. Wenn er nichts weiß, so soll er auskundschaften, ob die Bischöflichen rüsten etwa zu einem Zuge in den Schwabengau, und was es sonst Neues gibt in Halberstadt, das soll er uns schleunig melden.«

»Ja, Herr! aber der will gesalbt sein, denn all sein Datum steht auf blankes Geld und währende Kehlenfeuchte.«

»Versprecht ihm ein reiches Botenbrot, denn diesmal gilt es, Bock, daß wir zur rechten Zeit sichere Kundschaft haben.«

»So will ich lieber selber mit dem alten Teufelssamen reden,« entgegnete der Ritter. »Mir soll er kein Storchnest für eine Pferdekrippe zeigen.«

»Meinetwegen,« sagte der Graf, »aber nicht heute, weil ich fort muß und Siegfried auch; da mußt du hierbleiben. Laß sich ein paar von deinen Spießgesellen an die Straße zwischen Blankenburg und Wernigerode legen und scharf auslugen, ob ihnen nichts in die Scheren fällt. Die übrigen sollen um Halberstadt und Wegeleben schweifen, sollen denen in Schwanebeck, Harsleben und Derenburg Bescheid sagen, daß sie alles anhalten, was nicht Regenstein'sch ist, und nach Briefen durchsuchen. Wer sich widersetzt, –«

»Dem schmieren wir eins über den Kopf.«

»Tut, was in solchen Fällen dienlich ist, aber schont mir das arme Landvolk. Das soll Ihr nicht placken und schinden. Bock, du verstehst mich.«

»Alles, Herr Graf!«

»Bock, es weht Fehdewind, wir müssen früh auf sein, immer den Pfeil auf dem Stege, immer den Spieß auf dem Beine haben und unsrer Schanz selber warten. Bind es allen in ihr Gelübd und Pflicht, daß sie sich wieder ehrliche Kriegsleut halten.«

»Soll nicht fehlen, Herr Graf! will ihnen schon die Saiten spannen.«

»Es rühren sich viel Feind gegen uns; wir werden aus einem Krieg in den andern wachsen, bis unsere Macht so groß ist, daß sich keiner mehr an uns heranwagt. Und ich will dir vertrauen, Bock! fürs erste müssen wir die Lauenburg haben.«

»Ha! die Lauenburg! um die Braut wird schon lange getanzt.«

»Freilich; drum dürfen wir nicht lang Sattelhenkens machen, müssen sie eines Nachts ersteigen.«

»Ja, ja! aber, Herr Graf, da reit' ich mit!«

»Sollst du. Aber jetzt weißt du genug, nun laß dein Rößlein laufen und mach', daß du deine saubere Kumpanei in Stapf und Trab bringst.«

»Herr, verlaßt Euch auf mich! die Kerls sollen ihre Schuldigkeit tun.«

Danach eilte der Ritter mit langen Schritten hinaus. Vor der Tür des Palas hielt Schatte zwei gesattelte Pferde. »Der Graf kommt gleich,« rief ihm Bock zu. Schatte nickte bloß. Denn dieser Brave sprach nur im dringendsten Falle und dann nur mit den knappsten Worten. Bald konnte er seinem Herrn den Bügel halten, und die beiden ritten davon.

Dem Ritter Bock von Schlanstedt schien die hellstrahlende Sonne heut ein etwas langweiliges Gesicht zu haben. Er setzte sich, nachdem er seinen sechs Stallbrüdern die Befehle des Grafen gehörig eingebläut und sie auf den Trab gebracht hatte, auf eine Steinbank im Schatten des Marstalls dem Palas gegenüber, schlug die langen dünnen Beine übereinander und dachte über das nach, was ihm der Graf anvertraut hatte. Aber sonderbar! so sehr sich der eingefleischte Raufbold und Schnapphahn auf Kampf und Fehde freute, weil er nun einmal sein Leben auf die Faust gesetzt hatte, so zügellos schweiften ihm doch die Gedanken jetzt von ritterlichen Dingen ab und gerieten auf eine ganz andere Fährte.

Es war eine seiner kleinen Schwächen, daß er sich einbildete, die Frauen von außen und innen gründlich zu kennen und jedem weiblichen Herzen gefährlich werden zu können, wenn er nur wollte. Daher konnte er es nicht verwinden, daß er sich bei der Einbringung der Gräfin von Falkenstein so arg hatte täuschen lassen und Herrin und Dienerin miteinander verwechselt hatte. Er begriff jetzt gar nicht, wie ihm, dem gewiegten Kenner, so etwas begegnen konnte, und hatte, wenigstens seiner Meinung nach, in seinem schmachbedeckten Bewußtsein, den beiden Frauen gegenüber einen schweren Stand. Vor der Gräfin schämte er sich über die ihr durch die Verwechslung zugefügte Beleidigung, ging ihr so viel wie möglich aus dem Wege und suchte, wenn er ihr nicht ausweichen konnte, den unverzeihlichen Irrtum durch untertänige Haltung und feierliche Redeweise wett zu machen, ohne zu ahnen, daß Oda sowohl wie Eilika darüber lachten.

Nicht minder schämte er sich der Zofe gegenüber, aber in einem ganz anderen Sinne. Es wurmte ihn, ihr Höflichkeiten wie einem Fräulein erwiesen zu haben, als hätte sie einen Wunder wie vornehmen und überlegenen Eindruck auf ihn gemacht, sie, die Zofe, das schnippische Ding von Ehrenwadel, das den Handel eingerührt, sich auf dem ganzen Wege von Quedlinburg nach dem Regenstein als Herrin aufgespielt und ihn durch sein argloses Eingehen in die gestellte Falle in seinen eigenen Augen schimpfiert hatte! Er beschloß, sich für diesen Schelmenstreich, der des allbekannten Landfahrers Till Eulenspiegel würdig war, an ihr zu rächen und ihr durch ein teil strenges, teil gönnerhaft herablassendes Wesen zu zeigen, wer er war und wer sie wäre.

Eilika durchschaute ihn aber, und da sie ebensogut den Mund wie das Herz auf dem rechten Flecke hatte, so machte es ihr großen Spaß, sich in allerlei Neckereien und Plänkeleien mit dem erbosten Ritter einzulassen, die auf beiden Seiten mit den geschmeidigsten, oft auch mit den schärfsten Wortwaffen geführt wurden. Bock ließ sich aber dabei selbst gegen die empfindlichsten Stiche von Eilikas spitzer Zunge nie zu einer derben oder plumpen Erwiderung hinreißen, so heiß es auch manchmal in ihm kochte. Sehr oft, ja meistens zog er den kürzeren und mußte mit Spott abweichen.

Aber diese kleinen Scharmützel blieben nicht ohne Folge. Des Ritters leicht entzündbares Herz fing Feuer, u eines Morgens erwachte Bock in das hübsche, muntere Ehrenwadel bis über die Ohren verliebt. Als er sich dessen bewußt wurde, ärgerte er sich über sich selbst, und statt nach Drang und Brauch der Verliebten seine Neigung dem lebendigen Gegenstande derselben zu erkennen zu geben, bemühte er sich vielmehr, seiner Angebeteten wider Willen den Zustand seines Herzens sorglich zu verhehlen, ohne dazu das einfachste und wirksamste Mittel zu wählen, nämlich ihre Nähe zu fliehen. Er tat das Gegenteil, verfolgte und reizte sie noch heftiger mit seinen Neckereien und erreichte damit natürlich auch das Gegenteil. Eilika merkte seine Vernarrtheit in sie, und da das durchtriebene, nicht mehr junge, aber etwas verwöhnte Mädchen, dem die alte Schaffnerin zu gesetzt und die Burgmägde nicht gut genug zu vertrautem Umgang waren, viel müßige Stunden auf dem Regenstein hatte, so stach sie der Übermut, den liebeswunden Ritter mit dem Raubvogelgesicht und den langen Storchbeinen zum Zeitvertreib ein wenig an der Nase zu führen.

Jetzt sah sie ihn da sitzen, kam herab und ging auf ihn zu. Er erhob sich mit sittigem Gruß, und auf seine geschraubt höfliche Einladung nahm sie an seiner Seite auf der Steinbank Platz.

»Es ist heute recht einsam hier«, begann sie. »Wenn ich mich nicht unter Eurem Schutze, Herr Ritter, der Ihr nun die ganze Burg unter Eurem Befehl habt, so wohl und sicher fühlte, so müßte ich mich fürchten; es wäre ohne Euch schier zum Davonlaufen.«

Bock fühlte sich durch diese Anrede sehr geschmeichelt. Er richtete sich im Sitzen kerzengerade hoch und sprach mit blinzelnden Augen und einem selbstgefälligen Lächeln: »Fürchtet nichts, liebe Jungfrau! unter meinem Schilde naht Euch keine Gefahr, und wenn Ihr davonliefet, so liefe ich Euch hundert Meilen nach, um Euch zu dienen.«

»Ach, Herr Ritter, sprecht doch nicht so!« seufzte Eilika. »Mir ist es fast schwer ums Herz, wenn ich an die Zukunft denke. Was soll denn aus uns beiden, meiner Gräfin und mir, werden? wir können doch nicht ewig auf dem Regenstein bleiben?«

»Ei warum denn nicht?« erwiderte Bock lebhaft, »was fehlt Euch denn hier? Ihr habt jede einen Ritter zu Euren Füßen, der mit Freuden bereit wäre, sein Blut für Euch zu verspritzen.«

Eilika biß sich auf die Zunge, um nicht herauszulachen. »Das verhüte der Himmel, Herr Ritter!« sprach sie wie erschrocken, »ich kann kein Blut sehen.«

»Zu sehen braucht Ihr es ja auch nicht, sagte Bock, »ein echter Ritter ruft seine Dame nicht dazu, wenn er eine Lanze für sie bricht.«

»Ich habe gehört,« entgegnete Eilika, »der Bischof hat von Eurem Herrn verlangt, uns an ihn auszuliefern. Dann werden wir in ein Kloster gesteckt und müssen unser Leben als Nonnen vertrauern. O Gott! o Gott! und wir haben die Welt und die Menschen so lieb! ach, so lieb, Herr Ritter!« girrte die Schelmin mit einem Blick, der die Eisenringe an Bocks Kettenhemd hätte schmelzen können.

»Holdselige Jungfrau!« rief Bock schwärmerisch, »wie könnt Ihr Euch mit solchen schrecklichen Gedanken quälen! Wir liefern Euch an niemand aus; Bock von Schlanstedt wird nie leiden, daß Ihr Nonne werdet!«

»Wie wollt Ihr's denn hindern?« frug Eilika zur Seite schielend und auf Bocks Antwort lauernd.

Es war allerdings eine sehr verfängliche Frage, so nahe auch die natürlichste Antwort darauf lag. Aber bis zu Heiratsgedanken und der Absicht, das schlaue Ehrenwadel zu seinem Ehegespons zu machen, hatten sich Bocks verliebte Mucken doch noch nicht verstiegen. Er erschrak fast vor der Vorstellung, die Eilikas Frage plötzlich vor ihm heraufbeschwor, und sah schon sein fröhlich schweifendes, sorglos ungebundenes Reiterleben in ein hausväterliches Stillsitzen umgewandelt, das selbst in Eilikas Armen wenig Verlockendes für ihn hatte.

»Hindern?« wiederholte er in sichtlicher Verlegenheit, indem er die Spitzen seines langen Schnurrbarts drehte. »O da gäbe es ja mancherlei Mittel und Wege. Ist es Euch noch nicht aufgefallen, werte Jungfrau, daß mein junger Herr, Graf Siegfried, sehr um Euer gnädiges Fräulein bemüht ist? Ich glaube, er hat sie sehr lieb und sie ihn gewiß auch, und wenn die beiden Mann und Frau würden, – nun so bliebe ich bei meinem jungen Herrn als sein Marschalk, und Ihr bliebet bei der jungen Frau, und – und dann brauchtet Ihr nicht Nonne zu werden.«

»Ach so! ein feines Mittel!« lachte Eilika.

»Nicht wahr?« sagte Bock, ganz stolz auf seinen pfiffigen Gedanken. »Aber ich glaube, die beiden sind zu schüchtern, trauen sich gegenseitig nicht recht mit der Sprache heraus. Wie wäre es, wenn wir da ein bißchen nachhülfen, ihnen Mut machten, den einen von der Liebe des anderen zu überzeugen suchten, damit sie bald eins miteinander werden?«

»Hm!« machte Eilika, »aber wie wollt Ihr das anfangen?«

»O da laß ich Euch den Vortanz,« erwiderte er, »unter einem Schapel sitzt zehnmal mehr Witz als unter einer Stahlhaube. Ihr gönnt Eurer Herrin doch gewiß alles Liebe und Gute ebenso von Herzen wie ich meinem jungen Grafen Siegfried; also besinnt Euch, wie wir das Glück der beiden fördern können.«

Eilika nickte und sah schweigend vor sich hin.

Bock wollte sie in ihrem Grübeln nicht stören und erwartete ihre Vorschläge zur Förderung des Glückes von Siegfried und Oda. Allein er irrte sich; Eilikas Gedanken gingen andere Wege.

Sie hatte sich auf eine feurige Liebeserklärung des Ritters gespitzt und sich schon darauf gefreut, wie sie ihn auslachen und gründlich damit durch den Korb fallen lassen wollte. Oder wer weiß! vielleicht hätte sie auch nicht gleich ein entschiedenes Nein als letztes Wort gesprochen, hätte vielleicht Bedenkzeit verlangt, ihn bei seiner Erklärung festgehalten und damit eine gute Weile hin und her gezogen. Und nun hatte er unmittelbar davorstehend vorsichtig zurückgehakt, hatte ihre Frage, wie er ihr Nonnewerden verhindern wolle, wohl gar für eine entgegenkommende Aufforderung angesehen, mit der sie ihm die Antwort sozusagen in den Mund gelegt hatte. War dies der Fall, so hatte sie sich ihm gegenüber bloßgestellt und fühlte sich nun als eine Verschmähte beleidigt. Aber noch mehr! Sein Plan, zwischen Siegfried und Oda einen Ehebund stiften zu helfen, hatte ihr eingeleuchtet und war ihr in aufrichtiger Liebe zu ihrer Herrin so willkommen, daß sie zur Mitwirkung dabei gern bereit war. Auch daß dann sie beide im Dienste des jungen Paares bleiben sollten, schien ihr sehr gut ausgedacht. Als er aber sagte: »Dann werde ich dem jungen Grafen sein Marschalk,« da hätte er doch sofort hinzusetzen müssen: »und dann heirate ich dich«; aber Gott bewahre! kein Wort davon! Was bildete sich dieser Bock denn eigentlich ein? Wollte er immer nur so um sie herumscharwenzeln ohne ernste Absichten? oder gar etwa Rosen bei ihr pflücken, die ihm nicht gebührten? O das wollte sie ihm eintränken!

»Herr Ritter,« sprach sie, nachdem ihr das alles durch den Kopf geflogen war, »Euer Vorschlag ist nicht uneben; ich will mir die Sache überlegen und mittlerweile einen Strauß Waldblumen für mein gnädiges Fräulein pflücken, denn ich weiß, die liebt sie.«

»Schön!« sagte Bock, »und beim Binden des Sträußleins helfe ich Euch.«

»Dazu brauche ich Eure Hilfe nicht,« erwiderte sie abweisend. »Ihr mögt als künftiger Marschalk mit den Rossen um Stall umzugehen wissen, aber Blumenbrechen fordert einen feineren Sinn.«

»Nu, nu, trabt gemacht!« sagte Bock, von Eilikas spitzem Ton nicht angenehm berührt, »es wäre nicht das erste Sträußchen, das ich pflückte.«

»Es kommt doch sehr darauf an, für wen man's pflückt,« versetzte sie, das Näschen rümpfend.

»Wenn Ihr mir erlauben wolltet, eins für Euch zu binden, so wollte ich Euch wohl zeigen –«

»Spart die Mühe,« unterbrach sie patzig, »Ihr würdet nicht viel Dank damit erlangen.«

»Ich meine, jede Mühe ist ihres Dankes wert,« sprach er, immer verwunderter über ihre plötzlich veränderte Stimmung.

»Meint Ihr? möglich! ich meines es nicht. Aufgedrungenes ist keines Dankes wert.«

»Früh brennt, was eine Nessel werden will,« sagte er nun gereizt.

»Dann kommt der Nessel nur ja nicht zu nahe,« spottete sie und rückte etwas von ihm weg.

»Ihr antwortet nicht ungeschwind,« erwiderte er. »Was kommt Euch denn in den Sinn, daß Ihr mit einem Male so abgünstig mit mir sprecht?«

»Abgünstig? mit einem Male?« sprach sie ihm nach. »Ich wüßte doch nicht, daß ich Euch schon Gunst erwiesen hätte, Herr Ritter! Ich will Euch nur vor der Torheit bewahren, für mich Blumen zu brechen und Euch dabei an Nesseln zu verbrennen.«

»Zuviel Witz und Fürsorge mag zuzeiten mehr Unfall bringen als Torheit,« erwiderte er.

»Desto besser für Euch!« lachte sie, »denn von ersteren beiden habt Ihr ja nicht allzuviel.«

»Habt Ihr das schon gemerkt, weiseste Jungfrau?« frug er beleidigt.

»O ja!« erwiderte sie keck, »schon am ersten Tage unserer Bekanntschaft, als Ihr an meiner Seite rittet und mich immerzu ›mein gnädiges Fräulein‹ nannten. Ihr wißt wohl, was ich meine.«

Freilich wußte er, was sie meinte, und darüber ärgerlich sagte er: »Ihr stecktet ja beide von Kopf zu Fuß in gleichen Reisekappen und hattet Schleier vor dem Gesicht; wie soll man denn da Herrin und Magd unterscheiden?«

»Magd bin ich nicht,« schnarrte sie ihn an.

»Magd nicht? was denn sonst?« frug er beißend.

»Das ist es ja eben, daß Euch ein feineres Unterscheidungsvermögen völlig abgeht,« entgegnete sie hochmütig. »Ihr habt nur mit den Bauerdirnen Eures Dorfes verkehrt, nie mit einer Jungfer von besserem Stande.«

Damit hatte sie seine wunde Stelle getroffen, und das vergab er ihr nicht. Er stand auf, und ein unheimliches Zucken ging durch sein scharfkantiges Gesicht.

»Ihr habt mich vorhin daran erinnert,« sprach er höhnisch, »daß ich heute den Befehl hier habe. So will ich Euch denn meine Fürsorg um Euch beweisen. Die Frühlingssonne brennt und bräunt, mich dauert Eure weiße Haut; geht gleich hinauf in Euer Kämmerlein, zartfühlende Jungfer, und haltet Euch dort den Tag über still, bis Eure Herrin wiederkommt und Eurer Dienste bedarf.«

Was? hatte sie recht gehört? er wollte sie einsperren? »Herr Bock von Schlanstedt!« sagte sie, sich gleichfalls erhebend, »ich will nicht hoffen –«

Aber er schnitt ihr das Wort ab und setzte mit einem stechenden Blicke seinem Befehle hinzu: »Sollte es Euch in Eurem Kämmerlein so lange nicht gefallen, so weiß ich noch manchen kühleren Ort.« Dabei zeigte er mit der Hand nach den Felsengrotten hinauf. »Guten Morgen, sanfter Tag!«

War es denn möglich? das wagte er? Aber sie war ja Gefangene auf der Burg des Raubgrafen und in seines großspurigen Dienstmannes Gewalt. Bleich und zitternd vor Wut und ohne noch ein Wort zu verlieren ging sie trotzig ab in den Palas.

Bock sah ihr grimmig nach und murmelte: »Warte, du hochnäsiges Ehrenwadel! dich will ich schon kirre machen!«


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