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Dritter Akt

Ein breiter Gang im Palast des Herzogs. Links ein Fenster mit dem Ausblick auf Padua im Mondschein. Rechts führt eine Treppe zu einer Tür, davor eine Portiere von karmesinrotem Samt, auf der das herzogliche Wappen in Gold eingestickt ist. Auf der untersten Treppenstufe sitzt eine schwarz gekleidete Gestalt. Die Halle wird von einer Eisenpfanne, auf der Werg brennt, erhellt. Blitz und Donner. Nacht.

(Guido steigt durch das Fenster herein.)

Guido.

Der Sturm schwillt an: wie meine Leiter bebte!
Bei jedem Stoß, dacht' ich, die Stricke rissen!

( Blickt nach der Stadt zurück.)

Allmächtiger, welch eine Nacht!
Am Himmel Donnerlärm und wilde Blitze,
die durch die Stadt von Zinn' zu Zinne sprühn,
so daß die fahlen Häuser schüttern und
zu schaudern scheinen, wenn aufs neu ein Strahl
entlang die Straßen fährt.

( Er geht über die Bühne bis zum Fuß der Treppe.)

Ha! wer bist du,
der auf den Stufen lauert wie der Tod
auf eine schuldige Seele?

( Pause.)

Bist du stumm?
Hat dieser Sturm die Zunge dir gelähmt
und deine Red' erstarrt? Heb' dich hinweg,
denn dort im Zimmer hab' ich etwas vor,
was keiner für mich tut.

( Die Gestalt erhebt sich und nimmt die Maske ab.)

Moranzone.

Guido Ferranti!
Dein toter Vater jauchzt vor Lust heut' nacht.

Guido

( verwirrt).

Was, Ihr seid hier?

Moranzone.

Ich harrte deiner Ankunft.

Guido

( von ihm fortblickend).

Ich hab' Euch nicht erwartet, doch bin ich froh,
daß ich Euch sagen kann, was meine Absicht.

Moranzone.

Sei erst von meinen Plänen unterrichtet!
Vernimm! die Pferde stehn bereit am Tor
nach Parma: hast du deines Amts gewaltet,
so reiten wir von hinnen. Morgen nacht,
wofern sich unsre Pferde wohl bewähren,
soll Parma uns erschaun. Dort sind verständigt
die alten Freunde deines großen Vaters,
die längst den Bürgeraufruhr angefacht.
Durch Geld und nichtige Versprechungen
hab' ich schon manchen, der jetzt noch zum Herzog,
dem Usurpator, hält, für uns gewonnen.
Ist erst der Herzog tot, sind die Soldaten
gar bald zur Meuterei gebracht, und du
besteigst dann deines Vaters Thron als Parmas
rechtmäß'ger Herr.

Guido.

Es kann, es kann nicht sein.

Moranzone.

Es soll!

Guido.

So hört mir zu, Graf Moranzone:
ich bin gewillt, den Herzog nicht zu töten.

Moranzone.

Sag's noch einmal! Mein Ohr hat mich genarrt,
das Alter meine Kräfte abgestumpft.
Ich bin nun bald ein Greis: was sagtest du?
Du wolltest mit dem Dolch in deinem Gurte
des Vaters blutige Ermordung ahnden.
Das sagtest du doch?

Guido.

Nein, ich sagte, Herr,
ich sei gewillt, den Herzog nicht zu töten.

Moranzone.

Unmöglich; meine Sinne trügen, oder
die mitternächtlich sturmesschwangre Luft
kehrt deine Zeitung noch im Sprechen um.

Guido.

Ihr hörtet recht: ich will den Mann nicht töten.

Moranzone.

Und wie, Verräter, steht's um deinen Eid?

Guido.

Ich bin entschlossen, diesen Eid zu brechen!

Moranzone.

Und wie um deines Vaters Mord?

Guido.

Denkt Ihr,
mein Vater freute sich, an meinen Händen
des alten Mannes dampfend Blut zu sehn?

Moranzone.

Ja, lachen würde er vor Lust.

Guido.

Nicht doch –
die andre Welt beut bessere Erkenntnis:
denn Gottes ist die Rache, laß sie Gott.

Moranzone.

Du bist das Rachewerkzeug Gottes.

Guido.

Nein!
Gott hat kein Werkzeug außer seiner Hand.
Ich will den Mann nicht töten.

Moranzone.

Willst du nicht,
warum bist du dann hier?

Guido.

Graf Moranzone,
ich will ins Schlafgemach des Herzogs dringen,
dem Schlummernden den Dolch hier auf die Brust
zu legen und dies Blatt; wenn er erwacht,
wird er erfahren, in wessen Hand er war,
wer ihn geschont: das ist die schönste Rache
für mich.

Moranzone.

Du willst ihn nicht erschlagen?

Guido.

Nein!

Moranzone.

Unedler Sproß des edelsten der Väter,
der du noch eine Stunde gönnst dem Mann,
der ihn verkauft.

Guido.

Ihr habt mich dran gehindert.
Sonst hätt' ich ihn auf offnem Markt getötet,
am Tag, als ich ihn sah.

Moranzone.

Da war's nicht Zeit;
jetzt ist es Zeit, und wie ein Jüngferchen
schwatzt du von Gnade.

Guido.

Nein, von rechter Rache,
wie meines Vaters Sohne sie geziemt.

Moranzone.

Unseliger Vater, abermals verraten,
dazu vom eignen Sohn! Du bist ein Feigling,
sonst zieh den Stahl, dring in des Herzogs Zimmer
und bring mir auf dem Schwert sein Herz zurück.
Ist er erst tot, dann magst du mit mir reden
von edler Rache.

Guido.

Hört! bei Eurer Ehr',
bei Eurer Lieb' zu meines Vaters Namen,
glaubt Ihr, mein Vater, dieser große Herr,
der tapfre Held, der ritterliche Krieger,
wär' wie ein Dieb zur Nachtzeit eingeschlichen
und hätt' im Bette einen Greis erdolcht,
wär's auch sein ärgster Feind gewesen? Sprecht?

Moranzone

( nach einigem Zaudern).

Du tatest einen Schwur, du sollst ihn halten!
Meinst du, ich kenne dein Geheimnis nicht,
den Handel mit der Herzogin?

Guido.

Halt ein,
du Lügner! Selbst der Mond ist nicht so keusch,
die Sterne nicht so rein.

Moranzone.

Und doch, du liebst sie.
Du schwacher Narr, der anders Liebe nützt
denn als ein Spielzeug!

Guido.

Ja, du hast gut reden:
in deinen Adern, Greis, wallt Jugend nicht
mit Ungestüm. Dein triefend Auge hat
der Schönheit sein umflortes Tor gesperrt,
dein Ohr, verstopft und seiner einstigen Schärfe
beraubt, ist dieser Welt Musik verschlossen.
Du sprichst von Lieb' und weißt nicht, was sie ist.

Moranzone.

Auch ich, mein Junge, bin im Mond gewandelt,
schwur, sehnsuchtskrank zu sterben, und starb nicht,
auch ich hab' Liebe keck gereimt auf Triebe
in schlechten Versen zur verstimmten Zither,
wie's die Verliebten tun: die Kniffe kenn' ich,
des Mahles und des Lagers tolle Lust …
Im Grunde sind wir alle Tiere – Liebe
ist bloße Sinnenglut mit heil'gem Namen.

Guido.

Nun weiß ich, daß Ihr nichts von Liebe wißt.
Die Liebe ist des Lebens Sakrament;
sie zaubert Tugend aus dem Nichts und reinigt
von all dem ekeln Unrat dieser Welt.
Sie ist das Feu'r, das Gold von Schlacken läutert,
die Schaufel, welche Spreu und Weizen sichtet,
der Lenz, der auf der hart gefrornen Erde
die Unschuld Rosenknospen treiben läßt.
Gott wandelt fürder mit den Menschen nicht –
Sein Abbild, Liebe, geht an Seiner Statt.
Dem Manne, der ein Weib liebt, ist bekannt
sowohl des Schöpfers wie der Welt Geheimnis.
Es gibt kein noch so niedrig, elend Haus,
das, sind die Herzen der Bewohner rein,
die Liebe meidet; doch klopft blut'ger Mord
an des Palastes Tor und findet Einlaß,
dann kriecht verwundet Liebe fort und stirbt.
Das ist die Strafe Gottes für die Sünde.
Der Böse kann nicht lieben.

( Man hört Stöhnen aus dem Schlafgemach des Herzogs.)

Was ist das?
Hört Ihr es nicht?

Moranzone.

s' war nichts.

Guido.

Ich halte dies
für Weibes Sendung: durch der Liebe Macht
des Mannes Seele zu erretten; Liebe
zu meiner Beatrice lehrte mich,
die Rache hehrer, heiliger zu sehn,
darin, daß ich den Herzog schone, als
in blut'ger Tat bei Nacht, in finsterm Mord,
wenn junge Fäuste einen Greis erdrosseln.
War's um der Liebe willen nicht, daß Christus,
der selbst die Fleisch gewordne Liebe war,
dem Feinde zu verzeihn, die Menschen mahnte?

Moranzone

( höhnend).

In Palästina war es, nicht in Padua –
auf Heilige gemünzt – ich halt's mit Menschen.

Guido.

Für alle Zeiten gilt's.

Moranzone.

Worin besteht
der Dank der Herzogin? Wird ihre Wange
sie an die deine schmiegen und dich hätscheln,
weil sie ihr Gatte weiter quälen kann?

Guido.

Weh mir, ich will ihr Antlitz nie mehr schaun.
Kaum vor zwölf Stunden nahm ich von ihr Abschied
so jäh, mit solch unbändiger Leidenschaft,
daß sie ihr Herz mir nun verschlossen hat.
Nein, nie seh, ich sie mehr.

Moranzone.

Was willst du tun?

Guido.

Hab' ich den Dolch an seinen Platz gelegt,
verlaß ich Padua heut' nacht.

Moranzone.

Und dann?

Guido.

– meld' ich mich bei dem Dogen in Venedig,
daß er mich schleunig in den Krieg entsende
wider die Heiden in das heil'ge Land;
dort will ich, da das Leben mir zur Last,
mich tollkühn einem Speer entgegenwerfen.
( Erneutes Stöhnen aus dem Schlafgemach des Herzogs.)

Hört Ihr nicht jemand schrein?

Moranzone.

Ich höre stets
aus eines Grabes dämmrigem Bereich
nach Rache schreien. Wir verschwenden Zeit,
der Morgen steigt herauf; bist du gewillt,
den Herzog nicht zu töten?

Guido.

So beschloß ich.

Moranzone.

Guido Ferranti, dort im Zimmer liegt
der Mann, der deinen Vater einst verkauft
und ihn des Henkers Händen ausgeliefert.
Dort schläft er: du hast deines Vaters Dolch;
willst du ihn nicht ermorden?

Guido.

Ich will nicht.

Moranzone.

Unseliger Vater, du bleibst ungerochen.

Guido.

Unseliger wäre noch dein Sohn als Mörder.

Moranzone.

Pah, was ist Leben?

Guido.

Herr, ich weiß es nicht,
ich gab es nicht, ich wag' es nicht zu nehmen.

Moranzone.

Ich habe Gott nicht oft gedankt wie jetzt,
dafür, daß er mir keinen Sohn beschert!
Welch Bastardblut fließt doch in deinen Adern,
daß, hast du deinen Feind in der Gewalt,
du ihn entwischen läßt! Ich wünscht', du wärst
geblieben, wo du warst.

Guido.

Vielleicht wär's besser,
das wär' geschehn. Vielleicht am allerbesten,
ich hätte nie die Jammerwelt erblickt.

Moranzone.

Lebwohl!

Guido.

Lebt wohl, Graf Moranzone! Einst
wird meiner Rache Sinn Euch klar sein.

Moranzone.

Nie.

( Ab durch das Fenster die Strickleiter hinunter.)

Guido.

Du, Vater, weißt um meinen Vorsatz und
bescheidest dich mit dieser edlern Rache.
Indem ich diesem Mann das Leben schenke,
denk' ich zu tun, wie du gehandelt hättest.
Ich weiß es nicht, ob Menschenstimme, Vater,
der Toten eisernes Gehege sprengt,
ob nicht die Toten ohne Kunde bleiben,
was wir um ihretwillen tun und lassen.
Und doch, ich fühl' ein Wesen gegenwärtig,
wie wenn ein Schatten neben mir, und scheinbar
berühren Geisterküsse meine Lippen
und lassen sie geweiht zurück.

( Kniet nieder.)

O Vater,
kannst du des Todes Satzungen nicht brechen
und dich in körperlichem Abbild zeigen,
daß deine Hand ich fasse?
Nein, 's ist nichts.

( Steht auf.)

Es sind der Nacht Gespenste, die uns hänseln,
sie täuscht uns wie ein Puppenspieler vor,
daß wesenhaft, was nicht ist. Schon wird's spät.
Ich muß jetzt an mein Werk.

( Zieht einen Brief aus seinem Wams und liest darin.)

Wenn er erwacht
und diesen Brief steht und den Dolch dabei,
wird ihn ob seines Lebens Ekel packen?
Wird er vielleicht bereun und in sich gehn?
Oder wird er spotten, weil ein junger Wicht
ihn, seinen Feind, geschont? Mir gilt es gleich.
Dein Auftrag, Vater, ist's, den ich erfülle,
dein Auftrag und der Auftrag meiner Liebe,
die mich dich kennen lehrt, so wie du bist.

( Schleicht die Stufen hinan; als er eben die Hand ausstreckt, um den Vorhang zurückzuziehen, tritt ihm die Herzogin ganz in Weiß entgegen. Guido prallt zurück.)

Beatrice?

Beatrice.

Guido, du bist's – noch so spät?

Guido.

Du makelloser Engel meines Lebens,
du kommst gewiß von Gott mit einer Botschaft,
daß Gnade üben edler ist als Rache.

Beatrice.

Um Gnade fleh' ich dich inbrünstig an.

Guido.

O Vater, jetzt erkenn' ich deinen Auftrag,
denn mit der Gnade Hand in Hand erschien
die Liebe, wie ein Gott, auf meinem Pfad.

Beatrice.

Ich ahnte, daß du wiederkommen würdest,
wenn du mich grausam auch verlassen hast.
Warum hast du's getan? Ich hadre nicht,
denn jetzt kann ich dich halten, fühl' dein Herz
mit zagem Liebespuls an meinem schlagen.
Wir sind ein Vogelpaar im Käfig, das sich
durch seine Stäbe küßt. – Die Zeit verstreicht,
in einer Stunde ist der Morgen da;
schaff Pferde her zur Reise nach Venedig,
denn dort werd' ich von ihnen nicht vermutet.

Guido.

Ich folge dir, Liebste, bis ans Weltende.

Beatrice.

Doch liebst du mich auch wirklich?

Guido.

Liebt die Lerche
das Morgengraun, das ihre Kehle weckt?

Beatrice.

Kann nichts dich wandeln?

Guido.

Nichts auf dieser Welt.
So sicher weist des Schiffers Nadel nicht,
wie ich nach dem Magnetberg deiner Liebe.

Beatrice.

Ragt keine Schranke jetzt mehr zwischen uns?

Guido.

Nicht jetzt, in Zukunft nicht.

Beatrice.

Mein Werk ist das.

Guido.

Hier harre meiner.

Beatrice.

Willst du von mir gehn?
Mich wiederum verlassen wie zuvor?

Guido.

In einem Augenblick kehr ich dir wieder.
Erst muß ich in des Herzogs Zimmer eilen
und diesen Brief nebst diesem Dolch dort lassen,
daß, wenn er aufwacht –

Beatrice.

Wer wacht auf?

Guido.

Der Herzog.

Beatrice.

Er wird nicht mehr erwachen.

Guido.

Ist er tot?

Beatrice.

Ja, er ist tot.

Guido.

O Gott, wie wunderbar
sind deine Wege! Hätt' ich je gedacht,
du könntest noch heut' nacht, da ich die Rache,
die dein ist, deinen Händen anvertraut,
mit deinem Finger diesen Mann berühren
und ihn vor deinen Richterstuhl befehlen?

Beatrice.

Erdolcht hab' ich ihn eben –

Guido

( entsetzt).

Oh!

Beatrice.

– im Schlaf.
Komm näher. Liebster, daß ich's dir erzähle.
Eh' ich beginne, küß mich auf den Mund.
Du willst mich jetzt nicht küssen? Nun, du wirst,
wenn du erfahren, wie ich ihn gemordet.
Mir war, nachdem du mich im Groll verlassen,
das Leben ohne deine Liebe schal.
Entschlossen war ich, mich heut' nacht zu töten.
Etwa vor einer Stunde wacht' ich auf,
holt unterm Kissen meinen Dolch hervor,
wo ich mit dieser Absicht ihn verborgen,
entblößt ihn und erprobte seine Schärfe,
und dacht' an dich, wie sehr ich dich geliebt.
Auf mich war er gezückt schon, da gewahrt' ich
den Greis, an Jahren wie an Sünden reich,
da lag er, noch im Schlafe Flüche brummend.
Beim Anblick des abscheulichen Gesichts
durchzuckte mich ein Blitz mit einem Mal:
dies ist die Schranke, von der Guido sprach –
wen könnt er sonst mit dieser Schranke meinen,
als ihn? –

Was dann geschah, ich weiß es kaum.
Das eine nur, daß zwischen ihm und mir
ein dampfend blut'ger Nebel aufstieg.

Guido.

Gräßlich!

Beatrice.

So hättest du den Anblick nennen können;
es regnete dann Blut, er stöhnte dann,
und dann verstummte das Gestöhn. Ich hörte
nur noch das Blut herab zum Estrich träufeln.

Guido.

Genug, genug.

Beatrice.

Willst du mich jetzt nicht küssen?
Fällt dir dein Wort nicht ein: der Frauen Liebe
macht Engel aus euch Männern – nun, die Liebe
des Mannes macht aus Frauen Dulderinnen,
die seinetwillen alles tragen.

Guido.

Gott!

Beatrice.

Du sagst kein Wort?

Guido.

Das Wort erstirbt im Munde.

Beatrice.

Der Herzog ward mit diesem Stahl getötet,
ich dachte nicht, er würde so sehr bluten.
In Wasser lassen sich die Hände waschen,
die Hände, ist's nicht so? Doch meine Seele?
Genug davon! Laß uns von hinnen gehn!
Ist nicht die Schranke zwischen uns gefallen?
Was willst du mehr? Komm jetzt, der Morgen naht.

( Legt ihre Hand auf Guidos.)

Guido

( vor ihr zurückweichend).

Verdammte Heil'ge! Engel aus der Hölle!
Welch blut'ger Teufel hat dich angestiftet! –
Daß du den Gatten mordetest, ist nichts:
die Hölle klaffte schon für seine Seele –
allein die Liebe hast du mitgemordet,
und wo sie war, ist nun ein blut'ger Fleck,
des Brodem Pestilenz und Seuche dünstet
und Liebe würgt.

Beatrice

( vor Staunen wie benommen).

Ich tat es ja für dich.
Hättst du's gewollt, ich hätt' es nicht gelitten.
Du solltest sonder Fleck und Makel bleiben,
unangerührt, untadlig, unbeschmutzt.
Der Mann weiß nicht, was Fraun um Liebe tun.
Hab' ich nicht meine Seel' um dich zernichtet
in alle Ewigkeit?

Sei gut zu mir,
ich tat es ja für dich.

Guido.

Rühr mich nicht an,
hier fließt ein dünner Blutstrom zwischen uns,
unüberbrückbar. Da du deinen Gatten
erstachst, trafst du die Liebe mit ins Herz.
Wir sehen uns nie mehr.

Beatrice

( die Hände ringend).

Für dich! Für dich!
Ich tat es ja für dich: vergißt du das?
Du sprachst von einer Schranke zwischen uns,
die Schranke liegt jetzt oben in dem Zimmer
gestürzt, zerstört, zertrümmert und zerschmettert –
sie trennt uns fürder nicht.

Guido.

Du mißverstandst mich,
die Sünde war die Schranke, und du hast
sie aufgepflanzt, Verbrechen war die Schranke,
die Schranke war der Mord, und deine Hand
hat sie so hoch gebaut, daß sie den Himmel
und Gott ausschließt.

Beatrice.

Ich tat es ja für dich,
du darfst mich nicht verlassen. Guido, höre!
Für Pferde sorge, laß uns fliehn heut' nacht.
Was war, ist wie ein böser Traum – vergessen,
die Zukunft winkt uns: gehn wir nicht entgegen
der Liebe süßen Tagen auf den Matten? –
Wir wollen lachen, nein, doch wenn wir weinen,
so weinen wir selbander; dienen will ich
dir wie ein armes Weib, wie eine Magd.
Bescheiden will ich sein und voller Demut,
du kennst mich nicht.

Guido.

Doch, doch, jetzt kenn' ich dich.
Geh, sag ich, geh mir aus den Augen!

Beatrice

( auf und ab schreitend).

Gott,
wie hab' ich diesen Mann geliebt!

Guido.

Niemals!
Die Liebe hätte deinem Arme sonst
gewehrt, da du ihr Heiligtum besudelt,
das nur der Unschuld zu betreten ziemt.

Beatrice.

Dies sind bloß Worte, Worte, Worte.

Guido.

Geh!
Wie könnten wir das Mahl der Liebe teilen?
Du gossest Gift in den geweihten Wein,
der Mord taucht seinen Finger in die Schüssel.
Ich hätte tausend Tode eh'r erlitten.

Beatrice.

Da ich's getan, erlitt ich tausend Tode.

Guido.

Das Leben, nicht den Tod hast du zu fürchten.

Beatrice

( sich auf die Knie werfend).

Dann schlag mich tot! Ich habe Blut vergossen,
vergieße mehr, und Himmel oder Hölle
wird uns vereinigt grüßen. Zieh dein Schwert
und mache rasch die Rechnung mit dem Tod,
der schon die Lefzen leckt nach dieser Speise.
Schnell, laß dein Schwert in meinem Herzen rasten,
es findet dort nur seines Herren Bild.
Doch willst du mich mit deinem Schwert nicht töten,
so heiß mich in dies rauchend Messer stürzen,
ich will es tun.

Guido

( ihr das Messer entwindend).

Mir gib es her, gib's her!
O Gott, selbst deine Hand ist naß von Blut,
die Höll' ist hier, ich kann nicht länger weilen.

Beatrice.

Willst du mich nicht emporziehn oder muß
ich wie ein Bettler auf den Knien rutschen?

Guido.

Laß mich dein Angesicht nie wiedersehn!

Beatrice.

Wie wohl wär mir, hätt' ich dich nie gesehn!
Bedenke doch, für dich hab' ich's getan.
( Guido weicht zurück; kniend ergreift sie seine Hände.)
Nein, Guido, schenk mir kurze Frist Gehör!
Bis du nach Padua kamst, lebt ich dahin
beklagenswert, doch ohne Mordgedanken,
der Grausamkeit des Gatten untertan,
gehorsam seinen ungerechten Wünschen,
so rein als irgendeine Maid von Adel,
die jetzt sich schaudernd von mir wenden würde.
Da kamst du, Guido, und von deinen Lippen
hört' ich, seitdem mein Frankreich ich verlassen,
die ersten güt'gen Worte. Was verschlägt's?
Du kamst, in deiner Augen Inbrunst las ich
den Sinn der Liebe, jedes Wort von dir
klang meiner dumpfen Seele wie Musik.
Du strahltest wie der heil'ge Michael
in Santa Croce, wo ich beten gehe.
Werd' ich je wieder dorthin beten gehn?
In deinem jugendlichen Antlitz blinkte
der Morgen hell – so hab' ich dich geliebt
und meine Liebe dennoch dir verhehlt.
Du warbst um mich, du knietest vor mir nieder,
wie ich zu deinen Füßen jetzo kniee.
Mit süßem Schwur – noch tönt er mir im Ohr –
gelobtest du mir Lieb, ich traute dir.
Ich dächte, viele Frauen auf der Welt,
wär'n diesem Unhold sie vermählt gewesen,
an ihn gefesselt, wie Galeerensklaven
an einen Aussatzkranken, – viele Fraun
wär'n als Versucherinnen dir genaht.
Ich tat es nicht. Ich weiß, hätt' ich's getan,
so hätt' ich nicht im Staub vor dir gelegen,
du hättest mich unwandelbar geliebt.
( Nähert sich ihm zaghaft nach einer Pause.)
Ob du mich jetzt verstehst – ich weiß nicht, Guido;
für dich hab' ich die Freveltat begangen,
die mir das junge Blut zu Eis erstarrt,
für dich allein.
( Die Arme ausstreckend.)
Willst du nicht mit mir sprechen?
Ein wenig liebe mich: ach! meine Jugend
hat so der Lieb' entbehrt und Freundlichkeit
ersehnt.

Guido.

Ich wage nicht, dich anzuschaun:
was du begehrst, ist allzu offenkundig.
Scher dich zu deinen Kammerfrau'n!

Beatrice.

Haha!
So spricht ein Mann! – Wärst du zu mir gekommen
mit schuldbeladner Seele, einem Mord,
den du um Liebe, nicht um Lohn begangen,
ich hätt' an deinem Bett gesessen und
die ganze Nacht gewacht, damit die Reue
dir nicht ihr Gift ins Ohr geträufelt hätt'
und dir den Schlaf verwehrt. Gewiß, der Schuld'ge
verdient in seiner Qual am meisten Liebe.

Guido.

Wo Schuld ist, hat die Liebe nichts zu suchen.

Beatrice.

Wo Schuld ist, soll nicht Liebe sein? O Gott!
Wie anders lieben wir doch als der Mann,
Gar manches Weib lebt hier in Padua,
das sich in harter Arbeit plagt und plackt –
der Mann vertut den kargen Wochenlohn
bei wüstem Zechgelage, im Lärm der Schenke,
dann wankt er spät nach Hause Samstag nacht
und findet sein Weib am feuerlosen Herde,
wie sie in Schlaf ihr greinend Kindchen lullt.
Da hebt er an, sein Weib zu schlagen, weil
das Kind vor Hunger schreit und schwarz das Feuer.
Die Frau liebt ihn, steht auf am nächsten Morgen,
von Gram und Beulen ihr Gesicht verschwollen,
und fegt das Haus, verrichtet ihre Arbeit,
zwingt sich zum Lächeln und ist nur zu froh,
wenn er sie nicht vor ihrem Kinde schlägt
ein andermal! – Das ist der Frauen Liebe.
( Pause.)
Du schweigest? Oh, sei gütig gegen mich,
solang noch meines Lebens Sommer leuchtet.
Du kannst mich nicht von deiner Seite stoßen:
wohin soll ich, weist du mich von dir, gehn?
Für dich hat Leben diese Hand gemordet,
für dich hat meine Seele sich zerschellt
unwiderruflich.

Guido.

Geh mir aus den Augen!
Der Tote ist ein Geist, und unsre Liebe
umschwirrt gleich einem Geist ihr ödes Grab
und wandert durch dies Leichenhaus und weint,
daß sie gemordet ward beim Gattenmord.
Siehst du das nicht?

Beatrice.

Ich seh, wenn Männer lieben,
so geben sie den Frauen winzig wenig,
doch Frauen geben alles, wenn sie lieben.
Das, Guido, seh ich jetzt.

Guido.

Hinweg! Hinweg!
Weck deine Toten, eh du wiederkommst.

Beatrice.

Ach, wollte Gott, ich könnte Tote wecken,
dem glas'gen Auge seine Sehkraft leihn,
der Zunge ihren alten Redefluß,
dem Herzen seinen Schlag – es kann nicht sein.
Geschehnes ist geschehn; wer einmal tot,
ist allzeit tot: ihn wärmt nicht mehr das Feuer,
ihm tut der Winter nichts mit seinem Schnee;
ein Etwas ist entwichen – rufst du ihn,
schallt keine Antwort wider – spottest du,
er lacht nicht mehr – und wenn du nach ihm stichst,
er blutet nimmer.
Könnt' ich ihn doch wecken!
O Gott, dreh' deine Sonne kurze Frist
zurück, streich diese Nacht im Buch der Zeiten
und lösch sie aus. Stell' um die Sonn' und laß
mich sein, was ich vor einer Stunde war.
Nein, nein, die Zeit steht nicht um alles still,
die Sonne hemmt nicht ihren Lauf, mag Reue
sich noch heiser schrein. Doch du, Geliebter,
hast du kein Wort des Mitleids mehr für mich?
O Guido, Guido, küß mich noch einmal!
Treib mich nicht zu verzweifeltem Entschluß!
Ein Weib wird toll, wenn man es so behandelt.
Willst du mich nicht noch einmal küssen?

Guido

( das Messer hochhaltend).
Nein,
nicht bis das Blut an diesem Stahl getrocknet,
nicht einmal dann.

Beatrice.

Wie wenig Mitleid, Heiland,
wird doch uns Fraun in dieser rauhen Welt!
Der Mann verlockt uns zum Abgrund und verläßt
uns, wenn wir fallen.

Guido

( wild).
Geh zu deinem Toten!

Beatrice

( die Stufen hinaufschreitend).
Wohlan, ich gehe! Werde dir einst mehr
Erbarmen, als du mir heut' nacht gewährt.

Guido.

Laß mich Erbarmen finden, wenn bei Nacht
ich ekeln Mord begeh'.

Beatrice

( einige Stufen herabkommend).
Du sagtest Mord?
Der Mord ist hungrig und verlangt nach mehr –
der Tod, sein Bruder, gibt sich nicht zufrieden,
er schreitet durch das Haus und will nicht weichen,
bis ihm Begleitung wird. Verweile, Tod,
ich will dir einen treuen Diener geben,
der mit dir reist. Hör' auf zu schreien, Mord,
du sollst genießen, bis du satt.
Ein Sturm
wird noch vor Morgen dieses Haus bedräun,
so furchtbar, daß der weiße Mond bereits
vor Angst sich grau verfärbt; ein leiser Wind
fährt ächzend um das Haus, die hohen Sterne
durcheilen rasend ihre Himmelsbahn,
als ob die Nacht in Feuerzähren schmölze
um das, was sich dem Tage beut. O weine,
bejammernswerter Himmel! Wein' dich aus!
Ob Leid wie Sintflut auch das All ertränke,
daß es ein See von bittern Tränen werde:
es wär' dir nicht genug.
( Ein Donnerschlag.)
Vernimmst du's nicht,
der Himmel hat Haubitzen aufgefahren.
Die Rache ist erwacht, und ihre Hunde
sind auf die Welt gehetzt. Wer von uns beiden
den Donner auf sein Haupt beschwört, der hüte
sich vor dem Unheil, das der zack'ge Blitz
in seiner Flamme birgt.

( Ein Blitzstrahl, von einem Donnerschlag gefolgt.)

Guido.

Hinweg! hinweg!

( Herzogin ab. Als sie den Purpurvorhang aufhebt, sieht sie sich noch einen Augenblick nach Guido um, ohne daß dieser ein Zeichen von sich gäbe. Es donnert weiter.)

In Asche liegt das Leben mir zu Füßen,
die Liebe selbst entleibt. An ihren Platz
schlich sich der Mord auf leisen, blutigen Sohlen.
Und sie, die ihn vollführt – sie liebte mich
gleichwohl und tat den Frevel meinetwegen.
Wie war ich grausam gegen sie! Beatrice,
Beatrice, komm zurück!

( Als er eben die Treppe hinaufsteigt, hört man den Lärm von Soldaten.)

Ha, was ist das?
Der Fackeln Glanz und eiliger Füße Schritt.
Gott geb, daß man sie nicht ergreift.
( Der Lärm wird lauter.)
Beatrice!
Noch ist es Zeit zur Flucht. Komm, komm herab!
( Man hört draußen die Stimme der Herzogin.)

Beatrice.

Dorthin entfloh der Mörder meines Gatten.

( Die Treppe herab hastet ein Haufe Soldaten. Sie sehen Guido zuerst nicht, bis die Herzogin, von ihrer fackeltragenden Dienerschaft umgeben, oben auf der Treppe erscheint und auf Guido deutet. Er wird sofort verhaftet. Einer der Soldaten reißt ihm das Messer aus der Hand und zeigt es dem Hauptmann der Wache.)


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