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Prunkgemach im Schlosse des Herzogs. Die Wandteppiche stellen den Festzug der Venus dar. Eine breite Tür in der Mitte führt auf einen Gang mit roten Marmorsäulen, durch den man eine Aussicht auf Padua hat. Rechts ein großer Baldachin mit drei Thronsesseln, von denen einer etwas tiefer steht als die beiden andern. Die Decke wird von langen vergoldeten Strahlen gebildet. Ausstattung im Stil der Zeit: die Stühle sind mit vergoldetem Leder bezogen, die Büfette mit Gold- und Silbergeschirr vollgestellt und die Truhen mit Szenen aus der Mythologie bemalt. Eine Anzahl Höflinge steht draußen auf dem Gang und blickt auf die Straße hinunter. Von dort dringt das Gebrüll eines Pöbelhaufens herauf und Rufe: »Nieder mit dem Herzog«; nach einer kleinen Pause tritt der Herzog auf, sehr ruhig; er stützt sich auf den Arm Guido Ferrantis. Mit ihm tritt auch der Kardinal herein. Das Geschrei dauert zunächst noch fort.
Herzog.
Nein, Kardinal, ich hab' sie mählich satt,
denn sie ist schlimmer noch als häßlich: – – gut.
Maffio
(
erregt).
Zweitausend Leute, Hoheit, sind versammelt,
die frecher schreien jeden Augenblick.
Herzog.
Pah, sie vergeuden ihre Lungenkraft!
Wer so laut brüllt, ihr Herren, tut uns nichts;
die einzigen, die ich fürchte, sind die Stillen.
(
Geheul des Volkes.)
Da seht, wie mich mein Volk liebt, Kardinal,
sie bringen mir ein Ständchen, ich hör's lieber
als schwärmerisch Gesäusel auf der Laute.
Ist's Wonne nicht, dem zuzuhören?
(
Erneutes Geschrei.)
Schade,
sie sind ein wenig aus dem Takt geraten,
drum sollen meine Leute auf sie schießen.
Katzenmusik vertrag' ich nicht. Petrucci,
dem Hauptmann unsrer Garde, sag', er soll
den Platz jetzt räumen. Hast du schlechte Ohren?
Tu, was ich wünsch.
( Petrucci ab.)
Kardinal..
Ich fleh Eu'r Gnaden an,
schenkt ihrer Not Gehör!
Herzog.
(
auf dem Thron Platz nehmend).
Jawohl, die Birnen
sind heuer lange nicht so dick wie sonst.
Ich bitt' Euch um Verzeihung, Kardinal,
ich dacht', Ihr sprächt von Birnen.
(
Freudengeschrei des Volkes.)
Was ist das?
Guido.
(
stürzt zum Fenster).
Die Herzogin ist unten auf dem Platz, –
tritt zwischen die Soldaten und das Volk,
das Schießen zu verhindern.
Herzog.
Guido.
(
noch immer am Fenster).
Jetzt eben – hinter ihr ein Dutzend Bürger –
betrat sie den Palast.
Herzog.
(
aufspringend).
Die Herzogin,
beim Himmel! nimmt sich viel heraus.
Bardi..
Sie kommt.
Herzog.
Schließt jene Tür; die Morgenluft ist kalt.
(
Die Tür nach dem Gang wird geschlossen.)
( Die Herzogin tritt auf, mit ihr eine Schar schäbig gekleideter Bürger.)
Beatrice.
(
sich auf die Knie werfend).
Ich fleh Eu'r Gnaden an: schenkt uns Gehör!
Herzog.
Bin ich ein Schneider, hohe Frau, daß Ihr
mit so zerlumptem Pack vor mir erscheint?
Beatrice.
Die Lumpen künden, dächt' ich, ihre Not
beredter als ich selber es vermag.
Herzog.
Worin besteht die Not?
Beatrice.
Ach, mein Gemahl,
Alltägliches, woran nicht Ihr, nicht ich,
noch irgendeiner dieser edeln Herrn
jemals auch nur entfernt zu denken braucht.
Sogar das Brot, das sie genießen, ist
aus halb verfaulter Spreu gebacken.
Erster Bürger.
Ja, aus nichts als Spreu.
Herzog.
Ein trefflich Nahrungsmittel,
ich geb es meinen Gäulen.
Beatrice.
( an sich haltend).
Und das Wasser,
das in die Stadtzisternen eingefüllt,
ist durch den Bruch des Aquädukts verfault
zu sumpfigen Tümpeln und zu schlammigen Pfützen.
Herzog.
Trinkt Wein; denn Wasser ist gar ungesund.
Zweiter Bürger.
Ach, Euer Gnade', so hoch sind die Zölle,
die man am Stadttor abverlangt, geworden,
daß Wein für uns nicht ist.
Herzog.
Dann preist die Zölle,
durch die ihr nüchtern bleibt.
Beatrice.
Bedenkt, wir prangen
in Prunk und Pracht hier und entbehren nichts,
was Schwelgerei und Reichtum bieten kann,
samt Dienerheer, das jedes Winks gewärtig,
derweil durch ihre sonnenlosen Gassen
die hagre Armut schleicht und scharfen Messers
den Kindern durch die warmen Hälschen heimlich
und lautlos schneidet.
Dritter Bürger.
Ja fürwahr, so ist's,
mein kleiner Bub starb gestern nacht vor Hunger,
er war sechs Jahr erst alt; ich bin so arm,
ich kann ihn nicht begraben.
Herzog.
Bist du arm,
bist du nicht selig drob zu preisen? Ei,
Armut ist eine Christenzier,
(
zum Kardinal)
nicht wahr?
Ihr, Kardinal, ich weiß, habt große Güter,
habt fette Pfründen, Zehnten, Ländereien,
dafür daß Ihr freiwillige Armut predigt.
Beatrice.
Mein hoher Herzog, mein Gemahl, seid milde!
Derweil wir hier in stolzen Hallen sitzen
mit Säulengängen, die der Sonne wehren,
mit Mauern, Dächern, die den Winter bannen,
gibt's viele Bürger hier in Padua,
die in so widerlichen Löchern hausen,
daß Regenschauer, Schnee und rauhe Winde
zu Gaste sind bei ihnen. Andre schlafen
im Herbst die Nächte unter dem Gewölbe
der städtischen Brücken, bis der feuchte Nebel
die Glieder steift und Fieber kommt und dann –
Herzog.
– in Arams Schoß sie wohl geborgen sind.
Die hier so elend sind, schick ich zum Himmel.
Wo bleibt ihr Dank dafür?
(
Zum Kardinal.)
Steht nicht geschrieben
an einer Stelle in der Heiligen Schrift,
ein jeder sei zufrieden mit dem Los
von Gott gesandt? Was soll ich daran ändern,
der weisen Vorsehung ins Handwerk pfuschen?
Daß ein'ge darben, während andre prassen,
sie hat's bestimmt. Die Welt ist nicht mein Werk.
Erster Bürger.
Er hat ein hartes Herz.
Zweiter Bürger.
Sei ruhig, Nachbar,
ich hoff', der Kardinal wird für uns sprechen.
Kardinal.
Armut ertragen ist zwar Christenpflicht,
[denn reichen Lohn läßt Gott der Armut werden;]
doch ist's nicht minder christlich, gütig sein,
den Hunger stillen und die Schmerzen heilen.
Es scheint, hier in der Stadt gibt's viele Schäden,
die Eure Klugheit reformieren sollte.
Erster Bürger.
Was heißt das: reformieren! Was bedeutet's?
Zweiter Bürger.
Traun, es heißt: alles so lassen, wie es ist. Das ist nicht
mein Fall.
Herzog.
Reform – Ihr, Kardinal, spracht von Reform?
In Deutschland lebt ein Mann mit Namen Luther,
der eure römische Kirche reformiert.
Habt ihr den nicht als Ketzer ausgerufen
und Acht und Bannfluch über ihn verhängt?
Kardinal.
(
sich erhebend).
Er hat die Herde aus dem Pferch geführt –
Wir heischen nur, daß
Ihr die Schafe füttert.
Herzog.
Hab' ich ihr Vlies geschor'n, so fütt'r ich sie.
Doch die Rebellen –
( Die Herzogin beschwört ihn.)
Erster Bürger.
Horch! ein gütig Wort,
er will uns etwas schenken.
Zweiter Bürger.
Herzog.
Dies Lumpenpack, das hier vor mir erscheint –
ihr Mund strotzt von Verrat –
Dritter Bürger.
Schön, hoher Herr,
stopft ihn mit Brot; dann halten wir den Mund.
Herzog.
Den sollst du halten, hungrig oder satt.
Ihr Herrn, die Zeit ist so kommun geworden,
der Bauernlümmel zieht kaum noch den Hut,
kriegt er nicht Schläge, und der Tagelöhner
rempelt auf offner Straß' den Adel an.
Doch dieser Rotte hat mich Gott als Geißel
bestellt, für ihre Sünden sie zu peitschen.
Beatrice.
Mit welchem Recht? Bist du so sündenfrei?
Herzog.
Wenn Tugend Sünde züchtigt, das ist nichts;
doch peitscht die Sünde Sünde, freut sich Gott.
Beatrice.
Wo bleibt die Scheu?
Herzog.
Hab' ich etwas zu fürchten?
Der Menschen Feind, bin ich nicht Gottes Freund?
(
Zu den Bürgern.)
Nun, meine guten, treuen Paduaner,
mit Rücksicht auf das Flehn der Herzogin –
so schönem Fürsprech ein Gesuch zu weigern,
das hieße Lieb' und Höflichkeit verletzen –
versprech ich dies, um eure Not zu steuern:
Erster Bürger.
Nun wird er die Zölle herabsetzen!
Zweiter Bürger.
Oder jedem 'nen Laib Brot geben lassen!
Herzog.
Am nächsten Sonntag wähl' der Kardinal
für seine Predigt nach der heil'gen Messe
den Text: wie schön es ist, gehorsam sein!
(
Die Bürger murren.)
Erster Bürger.
Davon wird unser Magen auch nicht voll.
Zweiter Bürger.
'ne Predigt ist doch nur 'ne magre Tunke,
wenn man nichts weiter hat.
Beatrice.
Ihr armen Leute,
ihr seht, ich hab' nicht Einfluß auf den Herzog;
doch wollt ihr in den Schloßhof gehn, so soll
der Säckelmeister dort aus meiner Kasse,
in der das Gold nicht immer überreich,
hundert Dukaten unter euch verteilen.
Almosenier.
Hundert Dukaten sind die ganze Barschaft.
Beatrice.
Gebt, was ich hab.
Erster Bürger.
Gott schütz' die Herzogin!
Zweiter Bürger.
Gott schütze sie!
Beatrice.
Und jeden Montag Morgen soll man Brot
an die Bedürft'gen spenden.
(
Unter Beifallsbezeigungen gehn die Bürger ab.)
Erster Bürger.
(
als er hinausgeht).
Gott schütz' die Herzogin zum andern Mal!
Herzog.
(
ihn zurückrufend).
Komm hierher, Kerl! Wie heißt du?
Erster Bürger.
Dominick, Herr.
Herzog.
Ein schöner Nam'! Wieso just Dominick?
Erster Bürger.
(
sich den Kopf kratzend).
Weil ich am Tag des heiligen Georg geboren bin.
Herzog.
Ein guter Grund! Da hast du 'nen Dukaten!
Nun schreie aber auch: Gott schütz' den Herzog!
Erster Bürger.
(
schwach).
Gott schütz' den Herzog!
Herzog.
Lauter, Bursche, lauter!
Erster Bürger.
(
etwas lauter).
Gott schütz' den Herzog!
Herzog.
Vergnügter, Kerl, leg mehr Gefühl hinein!
Hier hast du einen anderen Dukaten.
Erster Bürger.
(
begeistert).
Gott schütz' den Herzog!
Herzog.
(
spottend).
Ihr Herren, die Liebe dieses schlichten Manns
bewegt mich sehr.
(
Den Bürger barsch anfahrend.)
Hinaus!
(
Bürger mit Verbeugung ab.)
Auf diese Weise
erkauft man sich die Volksgunst heutzutag.
Ja, wir sind nichts, sind wir nicht demokratisch.
(
Zur Herzogin.)
Nun, gnäd'ge Frau,
Ihr schürt den Aufruhr unter unsern Bürgern
[und habt durch Eure täglichen Almosen
die Liebe des gemeinen Manns ergattert.
Das duld' ich nicht.
Beatrice.
(
mit einem Blick auf Guido).
Ihr irrt Euch, mein Gemahl,
man liebt mich nicht.
Herzog.
Ich will nicht, daß Ihr Brot
den Armen gebt, nur weil sie hungrig sind.]
Beatrice.
Die Armen haben Rechte unantastbar,
das Recht auf Mitleid und das Recht auf Gnade.
Herzog.
Du rechtest wohl mit mir? Das also ist
die Frau, um derentwillen ich auf drei
der schönsten Städt' Italiens verzichtet,
auf Pisa, Genua und Orvieto.
Beatrice.
Versprochen, Herr, allein nicht ausgeführt:
Ihr bracht Eu'r Wort wie stets.
Herzog.
Ihr tut mir Unrecht,
Staatsgründe gab es …
Beatrice.
Was für Gründe gibt's,
um einen Staat das heilige Wort zu brechen?
Herzog.
In einem Wald bei Pisa hausen Eber,
dicht bei der Stadt – da Pisa ich versprach
an Euren Vater, den vertrauensvollen,
hatt' ich vergessen, daß dort gute Jagd.
Beatrice.
[Wer ehrvergessen ist, mein Gatte, der
denkt an nichts mehr.]
Herzog.
In Genua, so heißt es –
ich zweifle nicht dran – sollen rote Barben
sich vollgezählter in dem Hafen tummeln,
als sonst in diesem Lande.
(
Zu einem des Gefolges.)
Ihr, mein Herr,
der Ihr im Schlemmen Euren Baal erblickt,
Ihr könnt's unsrer Herzogin bezeugen.
Beatrice.
Und Orvieto?
Herzog.
(
gähnend).
Mir ist jetzt entfallen,
warum ich ihm nicht Orvieto gab –
gemäß dem Wortlaut unseres Vertrags.
Vielleicht war ich dazu nicht aufgelegt.
(
Geht zur Herzogin hin.)
Ja, blickt nur um Euch: hier seid Ihr allein.
Nach Frankreich ist es manche staub'ge Meile;
und da selbst unterhält an seinem Hofe
bloß hundert lump'ge Ritter Euer Vater.
Hoffst du noch immer? Wer von diesen Herrn,
den edlen Kavalieren Paduas,
steht treu zu dir?
Beatrice.
Nicht einer.
(
Guido fährt auf, beherrscht sich aber.)
Herzog.
Wird auch nicht,
solang ich Herzog bin in Padua.
Vernimm: dein huldreich Wesen hab' ich satt,
du bist mein Eigen, tu drum, was
ich will;
wenn's mir beliebt, im Hause dich zu halten,
soll der Palast hier dein Gefängnis sein;
und wenn ich will, daß du spazieren gehst,
sollst du von früh bis spät im Freien sein.
Beatrice.
Mit welchem Recht? –
Herzog.
Die zweite Herzogin
tat einst dieselbe Frag' an mich: ihr Grabmal
siehst du in der Bartholomäuskirche
in rotem Marmor ausgehaun – bildschön!
Reich, Guido, mir den Arm! Ihr Herren, laßt
die Falken uns zur Mittagsbeize werfen.
Bedenkt, Ihr seid allein hier, hohe Frau.
(
Herzog, auf Guido gelehnt, mit Gefolge ab.)
Beatrice.
(
ihnen nachblickend).
[Seltsam, daß jemand, scheinbar ohne Fehl,
den Herzog liebt, an seinen Lippen hängt,
die grausam jedes Wort vergiften, und
nicht von ihm weicht, als wär er ihm verfallen!
Was tut's? Es ist mir nichts daran gelegen.
Ich steh allein, der Liebe unerreichbar.]
Der Herzog sagt mit Recht, ich sei allein,
verlassen und verunehrt und verleumdet –
stand je ein Weib so ganz allein wie ich?
Der Freier nennt uns hübsche Kinder, sagt,
wir taugen nicht, das Leben uns zu baun,
deshalb zerstört er's uns. Was sagt ich »Freier«?
Wir sind ihr Hab und Gut, sind ihre Sklaven,
sind weniger gehätschelt als der Hund,
der sie beleckt, der Falk' auf ihrer Hand.
Ich sagte »Freier«? Nein, erkauft, erhandelt,
denn unser Körper selbst ist ihnen Ware.
Ich weiß, es ist der Frauen üblich Los:
ihr Leben, einem ungeliebten Manne
gepaart, zerschellt an seinem Eigennutz,
und daß es üblich, macht's nicht weniger bitter.
Mir ist, als hört ich nie ein Weib noch lachen,
aus reinem Frohsinn lachen – bis auf eine,
das war zur Nacht auf öffentlicher Straße –
die arme Seel'! Sie trug gemalte Lippen,
der Freude Maske über ihrem Gram,
und lachte: so wie sie möcht ich nicht lachen,
der Tod wär besser.
(
Guido tritt unbemerkt im Hintergrunde auf; die Herzogin wirft sich vor
einem Madonnenbild nieder.)
Maria mit dem süßen, bleichen Antlitz,
von kleinen Engelsköpfchen eingerahmt,
die dich umschweben, weißt du mir nicht Hilfe?
O Mutter Gottes, weißt du mir nicht Hilfe?
Guido.
Nein, ich ertrag's nicht mehr.
Ich will mit ihr, mit meiner Liebe, sprechen.
Bin, Frau, ich in Eu'r Gebet geschlossen?
Beatrice.
(
sich erhebend).
Nur Elende bedürfen meines Flehens.
Guido.
Alsdann bedarf ich sein fürwahr!
Beatrice.
Weshalb?
Erweist der Herzog dir nicht Ehr' genug,
entbehrst du der Beförderung bei Hofe?
In meiner Macht liegt's nicht, sie dir zu geben,
mein eignes Selbst gilt hier so gut wie nichts.
Guido.
An Huld, Eu'r Gnaden, fehlt mir's nicht vom Herzog,
den meine Seele haßt wie das Verderben –
auf meinen Knien komm ich, Euch getreu-
ergebne Dienste bis zum Tod zu bieten.
Beatrice.
Weh mir! ich bin so tief im Rang gesunken,
ich kann dir nur mit kargem Danke lohnen.
Guido.
(
ihre Hand ergreifend).
Mit Liebe nicht?
(
Die Herzogin fährt zurück, Guido fällt ihr zu Füßen.)
O teure Heilige!
Verzeih mir, ich bin allzu kühn gewesen.
Dein Liebreiz läßt mein junges Blut erglühn.
Berührt mein Mund in Demut deine Hand,
bebt jeder Nerv so wild vor Leidenschaft,
daß ich, um deine Liebe zu gewinnen,
nichts fürchte.
(
Springt auf.)
Befiehl mir, auszuziehn
und aus des Löwen Rachen Ruhm zu holen;
ich ring mit dem nemeischen Ungeheuer
im Wüstensand! Wirf in den Schlund des Kriegs
ein Band, ein Blümchen, Flitter, irgend etwas,
das dich einmal gestreift, ich will es bringen
dir unversehrt im Kampf mit allen Heeren
der Christenheit zurück! Ja mehr als das,
heiß mich des mächtigen England bleiche Klippen
erklettern, und von seinem frechen Schild
will ich die Lilien deines Frankreich tilgen,
die England, dieser Leu des Meeres, ihm
entwendet hat.
O liebe Beatrice!
Treib mich nicht fort, denn die Minuten schleichen
bleischweren Fußes ohne dich dahin;
doch schau ich deine Lieblichkeit, dann fliehn
die Stunden wie geflügelte Merkure,
und golden strahlt die Welt.
Beatrice.
Ich dachte nicht,
ich würde je geliebt. Liebst du mich wahrhaft
so unermeßlich, wie du's jetzt beteuerst?
Guido.
Die Möwe frag, ob sie die Wellen liebt,
die Rosen frag, ob sie den Regen lieben,
die Lerche frage, die nicht singen will
vor Tagesanbruch, ob den Tag sie liebt –
und dennoch, dieses sind nur leere Bilder,
nur Schatten meiner Liebe, die ein Feuer,
das alle Wasser aus dem Ozean
zu löschen nicht genügen. – Sprich ein Wort!
Beatrice.
Ich weiß es kaum, was ich dir sagen soll.
Guido.
So sag, daß du mich liebst!
Beatrice.
Ist das die Vorschrift?
Und muß es gleich geschehn? Sie wäre gut,
wenn ich dich wirklich liebte; doch wenn nicht,
was sag ich dir alsdann?
Guido.
Liebst du mich nicht,
sag' doch, du liebst mich, denn die Lüge würd'
auf deiner Zunge sich zur Wahrheit schämen.
Beatrice.
Und bleib' ich vollends stumm? Verliebte sind
am glücklichsten, so heißt es, wenn sie zweifeln.
Guido.
Nein, Zweifel tötet mich, und muß ich sterben,
laß mich vor Freude, nicht vor Zweifel sterben,
O sag mir: darf ich bleiben? muß ich gehn?
Beatrice.
Ich möchte, daß du weder bleibst noch gehst.
Denn bleibst du, stiehlst du meine Liebe mir,
und gehst du, nimmst du sie mit dir hinweg.
Wenn alle Morgensterne singen könnten,
sie könnten meiner Liebe Maß nicht künden.
Guido, ich liebe dich.
Guido.
(
mit ausgestreckten Armen).
O hör' nicht auf,
bei Nacht nur, wähnt ich, säng die Nachtigall –
doch wenn du schweigen mußt, laß meine Lippen
die deinen finden, die so süß erklingen.
Beatrice.
Die Lippen geben dir noch nicht mein Herz.
Guido.
Verschließt du mir das?
Beatrice.
Ach, mein Gebieter,
ich hab's nicht mehr: am ersten Tag, da ich
dich sah, ließ ich mein Herz von dir entwenden;
Dieb wider Willen, der du unbedacht
in mein umfriedigt Schatzgehäuse brachst
und mir mein Kleinod stahlst! Seltsamer Raub,
der dich bereichert, ohne daß du's wußtest,
und ärmer mich, doch freudig hinterließ.
Guido.
(
sie in seine Arme schließend).
O Liebe, Liebe! Birg dein Haupt nicht so!
Laß mich die kleinen Scharlachtore öffnen,
die in Musik sich schlossen, nach Korallen
mich tauchen, und ich bringe reichre Beute
als alles Gold, das in Armeniens Wildnis
der Greif bewacht.
Beatrice.
Du, Guido, bist mein Herr,
was ich besitze, eignet dir; was nicht,
leiht mir verschwendrisch deine Phantasie,
die ihre Schätze so für Tand vergeudet.
( Küßt ihn.)
Guido.
Wie schein' ich kühn mir, blick ich so auf dich:
das holde Veilchen birgt sich unterm Blatt
und bangt, die große Sonne anzuschaun
aus Scheu für so viel Glanz; doch meine Augen,
verwegne Augen! sind so keck geworden,
daß fixsternhaft sie unverwandt dich ansehn,
in Schönheit schwelgend.
Beatrice.
Liebster, könntest du
mich immerdar betrachten! Deine Augen
sind blanke Spiegel; wenn ich in sie blicke,
so kann ich selber mich darin erkennen
und weiß daraus, mein Bildnis lebt in dir.
Guido.
(
sie in seine Arme nehmend).
Steh still da droben, flüchtiger Himmelskörper,
verewige diese Stunde!
( Pause.)
Beatrice.
Setze dich
ein wenig niedriger, ja, grade so,
daß meine Finger durch das Haar dir gleiten,
daß dein Gesicht sich wie ein Kelch erhebe
dem Kuß entgegen.
Hast du schon bemerkt,
wenn man ein lang gemiednes Zimmer aufschließt, –
ganz schwer von Staub und voller Schimmelflecken,
das Menschenfuß seit Jahren nicht betrat –
die rostige Stange von den Fenstern nimmt
und die zerbrochnen Laden weit hinausstößt,
daß Sonnenschein hereinströmt: wie die Sonne
ein jedes rußige Teilchen Staub verwandelt
in eine Winzigkeit tanzenden Golds?
Mein Herz gleicht jenem lange leeren Raum,
bis ihn die Lieb' erhellt und allem Leben
ihr Gold geliehen. Dünkt dich nicht, daß Liebe
des Lebens Inbegriff?
Guido.
Ja, ohne Lieb' ist
das Leben bloß ein unbehauner Block,
der in dem Steinbruch liegt, bevor der Künstler
den Gott in ihm erwecket. Ohne Lieb'
ist stumm das Leben wie gemeines Schilf,
das in den Marschen und an Flüssen wächst
und nicht Musik umschließt.
Beatrice.
Doch daraus wird
der Sänger Liebe eine Pfeife schneiden,
der er Musik entlockt; so zaubert Liebe
aus jedem Leben Melodie hervor.
Ist das nicht wahr?
Guido.
Die Frauen machen's wahr.
Mit Pinsel und mit Meißel werken Männer,
des Färbers Sohn, der Veroneser Paolo,
ihr großer Nebenbuhler zu Venedig,
der Gottes Mägdlein lilienschlank und -weiß
empor die Tempelstufen schreiten ließ,
und Raffael, der göttliche Madonnen
gemalt, weil sie ganz Mutter sind, – und doch,
die Fraun sind dieser Erde größte Künstler:
des Mannes Alltagsleben modeln sie,
das unsrer Zeiten Gelderwerb befleckt,
und machen es durch Liebe schön.
Beatrice.
Ach, Guido,
ich wünschte, du und ich, wir wären arm –
die Armen, die sich lieben, sind so reich.
Guido.
Sag noch einmal, daß du mich liebst, Beatrice.
Beatrice
(
die Finger durch seinen Kragen gleiten lassend).
Wie sich der Kragen deinem Halse schmiegt!
( Graf Moranzone blickt durch die Tür von dem äußeren Gang herein.)
Guido.
Nein, sage mir, daß du mich liebst.
Beatrice.
Ich weiß noch,
da ich als Kind in meinem teuren Frankreich
am Hof zu Fontainebleau, trug solchen Kragen
der König.
Guido.
Sag' mir doch, daß du mich liebst!
Beatrice.
(
schäkernd).
Der König Franz war ein erlauchter Held,
doch war er nicht so königlich wie du.
Warum soll ich dir meine Lieb' gestehn?
(
Sie nimmt seinen Kopf in die Hände und hebt sein Gesicht zu sich empor.)
Du weißt, daß ich dir ewig zugehöre
mit Seel' und Leib?
(
Sie küßt ihn, gewahrt plötzlich Moranzone und springt auf.)
Ha, was ist das?
(
Moranzone verschwindet.)
Guido.
Beatrice.
Mir war, als säh' ich Flammenaugen durch
die Türe nach uns spähn.
Guido.
Nein, es war nichts:
der Wache Schatten huschte nur vorüber.
(
Die Herzogin starrt noch immer nach dem Fenster.)
's war nichts, mein Lieb.
Beatrice.
Was ficht uns jetzt noch an,
die wir im Schutz der Liebe? Mir wär's gleich,
wenn auch die Welt und ihr Lakai Geläster
mein Leben jetzt zerträten und zerstampften.
Man sagt, des Felds gemeine Blumen spenden,
wenn sie zertreten werden, süßern Duft,
als wenn für sich sie blühn, und manche Kräuter,
geruchlos sonst, verbreiten erst im Tode,
zerreibt man sie, Arabien um sich her.
So geht es jungen Leben, die der Alltag
zerdrücken will: er preßt all ihre Süße
hervor und steigert oft noch ihren Reiz.
Solang man liebt, hat man des Lebens Krone.
Ist dem nicht so?
Guido.
Komm, laß uns spielen, singen!
Mir ist, als könnt' ich jetzo singen.
Beatrice.
Schweig –
zu Zeiten scheint es, als wär' alles Dasein
zu einem einzigen Freudenrausch verengt,
und Inbrunst prägt' ein Siegel auf die Lippen.
Guido.
Laß meine Lippen dieses Siegel brechen!
Du liebst mich, Beatrice?
Beatrice.
Ist's nicht seltsam,
daß meinen Feind ich also liebe?
Guido.
Wen?
Beatrice.
Dich, der mit seinem Schaft mein Herz durchbohrt!
Das arme Herz, das einsam für sich lebte,
bis es dein Pfeil erreicht.
Guido.
Ach, Beatrice,
mich selbst hat diese Sehne so verwundet,
daß ungepflegt ich auf den Tod hier liege,
wofern nicht du, geliebter Arzt, mich heilst.
Beatrice.
Du sollst mir nicht gesunden, denn ich leide
an gleicher Krankheit.
Guido.
Oh, wie ich dich liebe!
Ich muß dem Kuckuck seine Stimme stehlen
und sing stets einen Ton.
Beatrice.
Sing keinen andern!
Ist dies des Kuckucks Lied, die Nachtigall
ist heiser dann, und ihren Klang verlor
die schrille Lerche.
Guido.
Küß mich, Beatrice!
( Sie nimmt sein Gesicht in die Hände, beugt sich herab und küßt ihn; da wird laut an die Tür gepocht – Guido springt auf. Ein Diener tritt herein.)
Diener.
Ein Päckchen, Herr, für Euch!
Guido.
(
leichthin).
Ah, gib es her!
( Der Diener überreicht ihm das in zinnoberrote Seide gehüllte Päckchen und geht darauf ab; als Guido im Begriff ist, es zu öffnen, schleicht sich die Herzogin hinter ihn und nimmt es ihm im Scherz ab.)
Beatrice.
(
lachend).
Was gilt die Wett', es kommt von einem Fräulein –
sie möchte dich in ihren Farben sehn;
ich gönn' ihr nicht den kleinsten Teil von dir,
nein, wie ein Filz will ich dich ganz besitzen,
mag ich dich auch dadurch verziehn.
Guido.
's ist nichts.
Beatrice.
Guido.
Du weißt, 's ist nichts.
Beatrice.
(
wendet sich ab und öffnet es).
Verräter, sag' mir jetzt, was dies bedeutet:
ein Dolch – zwei Leoparden drauf aus Stahl.
Guido.
(
nimmt ihr den Dolch weg).
O Gott!
Beatrice.
Ich will doch aus dem Fenster schaun,
vielleicht erkenn am Wappen ich den Boten,
der es dem Pförtner gab. Ich will nicht ruhn,
bis daß ich dein Geheimnis weiß.
(
Läuft lachend auf den Gang hinaus.)
Guido.
Entsetzlich!
Hab' ich so schnell des Vaters Tod vergessen,
ließ ich die Liebe so schnell in mein Herz,
daß ich sie jetzt verbannen und den Mord
einlassen muß, der wild am Tore rüttelt?
Ich muß! Hab' ich nicht einen Schwur getan?
Doch nicht heut nacht; nein, heute muß es sein.
Fahr wohl denn, Lebenslust und Lebenslicht,
fahr wohl, Erinnerung an alles Holde,
fahr wohl, Geliebte! Kann mit blut'gen Händen
ich ihre Unschuldshände streicheln, kosen?
Mit Lippen, die noch naß vom Blutbad, spielen
mit ihren Lippen? Können Mörderaugen
in ihre Veilchenaugen sehn, die mich
mit Blindheit schlügen, daß in ew'ger Nacht
ich fürder schmachtete? Nein, eine Schranke
hat zwischen uns der Mord gesetzt – zu hoch
zum Küssetauschen.
Beatrice.
Guido!
Guido.
Beatrice,
vergiß, vergiß den Namen, streich ihn aus
auf immerdar aus deinem Leben!
Beatrice.
(
sich ihm nähernd).
Liebster!
Guido.
(
zurückweichend).
Es türmt sich eine Schranke zwischen uns,
die wir nicht überschreiten dürfen.
Beatrice.
Alles
darf ich, bist du nur bei mir.
Guido.
Ah, das ist's,
ich kann nicht bei dir sein, kann nicht mit dir
dieselbe Luft mehr atmen noch die Schönheit
von Aug' zu Auge grüßen; sie entnervt
mein wankend Herz und läßt die schlaffe Hand
ihr Ziel verfehlen. Laß mich gehn, ich bitte;
vergiß, daß du mich je gesehen!
Beatrice.
Wie,
mit deinen heißen Küssen auf den Lippen
die Liebesschwüre, die du tatst, vergessen?
Guido.
Ich nehme sie zurück.
Beatrice.
Du kannst nicht, Guido,
sie sind ein Teil des Elements; die Luft
erbebt von ihrer Harmonie, und süßer
erklingt der Vöglein Sang durch diese Schwüre.
Guido.
Jetzt türmt sich eine Schranke zwischen uns,
vordem vergessen oder nicht gekannt.
Beatrice.
Nein, keine Schranke, Guido; ich will dir
in ärmlicher Gewandung folgen bis
ans End' der Welt.
Guido.
(
wild).
Sie ist nicht groß genug,
uns beide zu umfahn. Lebwohl auf ewig!
Beatrice.
(
ruhig, mit gebändigter Leidenschaft).
Was drängtest du dich in mein Leben ein?
Was sätest du in meines Herzens Wildnis
die weiße Blume Liebe?
Guido.
Beatrice!
Beatrice.
Jetzt willst du sie mit Stumpf und Stiel ausroden,
doch jede Faser hält mein Herz so fest,
daß, wenn du eine brichst, das Herz mir bricht.
Was kamst du in mein Leben? Warum decktest
du die geheimen Bronnen meiner Liebe,
die längst verschüttet, auf? Warum?
Guido.
O Gott!
Beatrice.
(
die Hände ringend).
Was ließest du der Inbrunst Schleusen bersten,
bis, wie des Flusses Wogen überschwellend
die Wiesen und die Wälder mit sich fegen,
die Lieb' in jauchzender Lawinenkraft
mein Leben mit sich riß? Muß Tropfen ich
um Tropfen jene Wasser wieder sammeln?
Ach! Eine Träne wird aus jedem Tropfen,
mit ihrem Salz das Leben mir verbitternd.
Guido.
Sag nichts mehr, ich beschwör dich, denn ich muß
dein Leben lassen, einen Weg zu suchen,
der dir verweigert ist.
Beatrice.
Ich hörte schon,
daß Schiffer, die auf einem Floß verdursten, –
elend gestrandet auf dem weiten Meer –
von grünen Auen, sanften Bächen träumen
und dann, die Kehlen durstversengt, erwachen
und kläglicher zugrunde gehn, weil Schlaf
sie trog; so sterben sie, dem Schlafe fluchend,
der sie im Traum gewiegt. Dir fluch ich nicht,
litt ich auch Schiffbruch auf dem Meere, das
die Menschen Schwermut nennen.
Guido.
Gott, o Gott!
Beatrice.
Ach bleibe, Guido: hör', ich liebe dich.
(
Kleine Pause.)
Hallt mir, wenn ich dir sag', ich liebe dich,
kein Echo wider? Ist es tot?
Guido.
Alles
ist tot – nur eins nicht, und das stirbt heut nacht.
Beatrice.
Die Lippen muß ich dann zum Abschied schulen,
und doch, mich dünkt, als wollten sie's nicht lernen,
denn wenn ich sie, Lebwohl zu sagen, runde,
tönt's nur: ich liebe dich – muß ich sie schelten?
Kann eine Lippe denn die andre schelten?
Ach, sie sind beide schuldig und verweigern
mir dieses Wort.
Guido.
Für sie muß ich's dann sagen.
Lebwohl, wir können uns nie wiedersehn.
( Stürmt auf sie zu.)
Beatrice.
Gehst du, rühr' mich nicht an – geh, sag' ich, geh!
(
Guido ab.)
Nie wieder – war es so: nie Wiedersehn? –
Ich kenne meine Pflicht. Verwandeln will ich
der Liebe Fackel zur Begräbnisfackel,
der Liebe Kranz auf meine Bahre senken,
der Liebe Sang zu einem Grablied machen
und singend sterben wie der Schwan.
O Leid,
bist du von meinem Leben so entzückt,
was wähltest du nicht andere Gestalt?
Des Schmerzes Maske, nicht der Liebe Lächeln,
des Raben Stimme, nicht der Nachtigall,
des Maulwurfs blinde Augen, nicht achatne,
die, gleich dem Sommerhimmel, so tiefblau,
daß man in ihnen Gott zu sehen wähnte, –
dann, Leid, dann hätt' ich dich erkannt.
Warum
in aller Welt sprach er von einer Schranke?
Nein, keine Schranke türmt sich zwischen uns,
er log, und darum sollt ich fortan meiden,
was ich geliebt, was ich vergöttert, hassen?
Wir Frauen lieben nicht auf solche Art.
Denn schnitt ich auch sein Bild aus meinem Herzen,
mein Herz, gleich einem Pilgrim, folgte blutend
dem Bilde durch die Welt und rief's zurück
mit leisem Liebesruf.
( Der Herzog tritt zur Jagd gerüstet mit Falkenieren und Hunden auf.)
Herzog.
Ihr laßt uns warten
und unsre Hunde.
Beatrice.
Heute reit' ich nicht.
Herzog.
Wie das?
Beatrice.
Ich kann nicht gehen, mein Gemahl.
Herzog.
Was, Milchgesicht, du wagst es, mir zu trotzen?
Ich könnte dich auf eine Mähre binden
und durch die Gassen hetzen, daß der Pöbel –
du fütterst ihn! – dich hüteschwenkend höhnt.
Beatrice.
Hast du denn nie ein gütig Wort für mich?
Herzog.
Mit güt'gen Worten fängt man seine Feinde.
Ich halte dich in meiner hohlen Hand,
was brauch ich Schmeichelworte zu verschwenden?
Beatrice.
So komm ich mit.
Herzog.
mit der Reitpeitsche gegen seinen Stiefel schlagend).
Ich hab's jetzt anders vor.
Du bleibst zu Hause, wie ein treues Weib
magst du vom Fenster unsrer Rückkunft harren.
Wär's nicht entsetzlich, wenn ein Mißgeschick
zufällig deinen teuern Gatten träfe?
Ihr Herren, kommt, die Hunde werden hitzig,
ich auch – bei einem so geduldigen Weib.
Wo ist Jung-Guido?
Maffio.
Herr, ich sah ihn nicht
seit einer vollen Stunde.
Herzog.
Einerlei,
noch früh genug bekomm' ich ihn zu sehn.
Ihr, gnädige Frau, bleibt schön daheim und spinnt.
Mein Wort zum Pfand: häusliche Tugenden
sind oft sehr rühmenswert – an anderen.
( Herzog mit Gefolge ab.)
Beatrice.
Die Sterne sind mir feind, das ist das Ganze.
Drum will ich heute nacht, schläft mein Gemahl,
mich meines Dolchs bedienen und so enden.
Mein Herz gleicht einem Stein, den nichts mehr ritzt,
als wie des Dolches Schneide. Dort mag er
den Namen finden, den es birgt. Heut' nacht
soll mich der Tod vom Herzog scheiden – doch
auch er, der alte Mann, kann heute sterben.
Warum nicht? gestern wurde seine Hand
von einem Schlag gerührt: schon öfter sind Männer
dem Schlag erlegen. Warum nicht auch er?
Gibt's Fieber nicht und Schüttelfrost und Schauer,
wie sie dem Greisenalter meistens eigen?
Nein, nein, er stirbt nicht, denn er ist zu sündhaft.
Die Ehrenwerten sterben vor der Zeit.
Die Guten sterben – neben denen er
in seines Lebens greulicher Befleckung
ein Aussätziger. Fraun und Kinder sterben,
der Herzog stirbt nicht, denn er ist zu sündhaft. –
Wär's möglich:
hat Sünde eine Art Unsterblichkeit,
der Tugend fremd? Kann der verruchte Mensch
gedeihn in dem, was andrer Menschen Tod,
wie giftige Pflanzen, die von Fäulnis leben?
Nein, nein, Gott duldete das nimmermehr.
Doch mein Gemahl stirbt nicht, er ist zu sündhaft.
So werd' allein ich heute nacht noch sterben.
Der grimme Tod wird dann mein Bräutigam sein,
das Grab mein heimliches Gemach der Freude.
Ein Kirchhof ist die Welt, und wie ein Sarg
trägt jeder ein Geripp' in sich.
( Graf Moranzone tritt ganz in Schwarz auf; er geht im Hintergrunde der Bühne vorüber und blickt sich ängstlich um.)
Moranzone.
Guido?
Wo ist er? Nirgends find' ich ihn.
Beatrice.
(
ihn gewahrend).
O Gott!
Du warst es, der mir meinen Liebsten nahm.
Moranzone.
(
strahlenden Auges).
Wie, hat er Euch verlassen?
Beatrice.
Weißt du's doch!
Gib ihn mir wieder, o gib ihn mir wieder,
sonst laß ich gliedweis deinen Leib zerreißen
und deinen Schädel an den Pranger nageln,
bis daß ihn die Aasgeier abgeschunden.
Der Löwin Weg hättst besser du gekreuzt,
statt zwischen meine Lieb' und mich zu treten.
(
Mit zunehmender Leidenschaft.)
Gib ihn zurück, du weißt nicht, wie ich liebe.
Noch eben kniete er an diesem Stuhl,
hier stand er, dort hat er mich angeschaut
und diese Hand geküßt und diese Lippen
verheert mit seinen und in dieser Ohren
weit offene Portale mir geträufelt
ein Liebeslied, so sehnsuchtsbang, daß rings
die Vögel schwiegen. Gib ihn mir zurück!
Moranzone.
Er liebt Euch nicht.
Beatrice.
Daß dir die Pest die Zunge
verdorre, die so spricht! Gib ihn mir wieder!
Moranzone.
Ihr werdet, gnädige Frau, ihn nicht mehr sehn,
nicht heute nacht, nicht irgendeine Nacht.
Beatrice.
Wie heißt Ihr?
Moranzone.
Wie ich heiße? – Rache!
Beatrice.
Rache!
Ich habe nie ein kleines Kind gekränkt,
was sucht die Rache da vor meiner Tür?
Gleichviel, schon steht der Tod und lauert dort,
mit seiner trüben Fackel mir zu leuchten.
Zwar hassen dich die Menschen, Tod, indes
wirst du mir holder sein als mein Geliebter.
Entsende deine Boten drum sogleich,
treib an des säum'gen Tages träge Rosse
und laß die Nacht heraufziehn, deine Schwester.
Hüll' ein die Welt in Schwarz und deinen Pfarrer,
den Uhu, laß von seinem Turme krächzen,
die Kröte heulen und die Fledermaus,
der düsteren Persephoneia Sklavin,
auf schwanken Schwingen durch das Dunkel schwirren.
Wühl' auf die kreischenden Alraunen, daß
sie uns zum Tanze spielen, und den Maulwurf
heiß tief dein kaltes, enges Bette graben.
Denn heute nacht lieg' ich in deinem Arm.