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Sidney. Lady Johanna.
Sidney. Heil dir, Johanna, du, in welcher Edward
In engelähnlicher Gestalt vom Himmel
Zurückgekommen scheint, sein Volk zu retten.
Die Tugend selbst besteigt mit dir den Thron
Und würdigt uns, für unser Glück zu sorgen.
Dein Anblick heitert jede trübe Stirne
Mit Hoffnung auf und trocknet unsre Thränen.
Lady Johanna. O! meine Schwester (diesen süßen Namen
Wird stets mein unverändert Herz dir geben)!
O! hoffe nicht zu früh: noch ist es dunkel
Rings um uns her; das Schicksal hat den Ausspruch
Noch nicht gethan! Noch darf ich es nicht wagen,
Der süßen Hoffnung mich zu überlassen,
Die mehr als tausend Königskronen glücklich
Mich machen würde, dieser theuren Hoffnung,
Britannien befreit, glücklich zu sehn –
Ach! dürft' ich's! Schreckten nicht geheime Schauer
Und bange Zweifel mein beklemmtes Herz –
Wie glücklich! –
Sidney. Fürchte nichts, du schöne Unschuld!
Dein bloßer Anblick könnt' in Tigerseelen
Des Lammes zahme Sanftmuth hauchen!
Dein Nam' erhitzt die muthigen Beschützer
Der guten Sach', entnervet deine Feinde!
Und könnte ja die Ungerechtigkeit
Der Menschen dich verlassen – o, so wird
Der Himmel sich zu deinem Schutz eröffnen!
So werden Seraphim, zu Tausenden
Von Gott gesandt, sich sichtbar um dich lagern,
Mit jenen Waffen, die den ersten Aufruhr
Im Himmel dämpften, mit dem Donner Gottes
Die Häupter der Rebellen zu zerschmettern.
Lady Johanna. O, dürft' ich mich mit dieser Freudigkeit,
Mit dieser Kühnheit, welche das Bewußtseyn
Der Unschuld gibt – Und doch – was that ich denn,
Daß mir mein Herz von unbekannten Schrecken
So ängstlich bebt? – Mein innerster Gedanke
Gibt meinem unbefleckten Willen Zeugniß!
Kein Stolz, kein eitler Wunsch, mich über Alle
Erhöht zu sehn, kein thörichtes Gefallen
Am Flittergold der falschen Ehre,
Am leeren Schaum der Freuden dieser Welt,
Besiegte mich! Was ich gethan, das that ich,
Den Untergang von diesem Volk zu wenden! –
Warum erbebst du denn, zu schwaches Herz?
Was zagest du, wie ein Verbrecher zagt,
Den das Bewußtseyn seiner Thaten martert?
O süße Ruh', o heitre, sorgenfreie,
Zufriedne Zeit der unschuldsvollen Kindheit!
O Tag', in stillen unbereuten Freuden,
Im Schooß der blühenden Natur, mit dir,
Mein Edward, in der heiligen Gesellschaft
Der Weisen Gräciens gelebt, o goldne Tage!
O sanfte Nächt', in ungekränkter Ruh'
Und leichten Träumen unbemerkt verschlummert,
Wo seyd ihr hingeflohn? ach, niemals, niemals
Mich wieder zu besuchen! – Welch ein Tand
Sind diese Kronen! Ach, wie wenig scheut
Der bleiche Gram den königlichen Purpur!
Wie spottet dieses schimmernde Gepränge
Der Sorgen, die in meinem Busen klopfen!
Die Vorigen. Lord Guilford.
Lord Guilford. Ich komme, meine theurste Königin,
Dir die Versichrung von der festen Treue
Der Stadt zu bringen! Muth und frommer Eifer
Für ihre Königin erhitzt die Bürger,
Beseelt den Rath. Die nie verschloss'nen Tempel
Ertönen stets von Seufzern und Gelübden
Für dich und für den Sieg der guten Sache.
In dieser Stunde, zweifle nicht, Geliebte!
Wird sich, im Angesicht der ganzen Erde,
Der Himmel selbst für dich erklären –
Bald wird Northumberland im Siegsgepränge
Durch unsre Thore ziehn und deine Feinde
Zu deinen Füßen legen!
Lady Johanna. Meine Feinde!
Ach, das ist euer Werk! Ich Unglückselige,
Ich hatte keinen Feind! Mein sanftes Herz
Hat nie des Hasses Regungen empfunden.
Es athmet Huld und allgemeine Güte.
Ich liebt' in jedem Menschen einen Bruder!
Ich hatte keine Feinde, bis ihr mich
Zu dieser That verführtet, die euch Allen
Vielleicht verderblich ist, die wider mich
Die halbe Welt empört und meinen Namen
Der späten Nachwelt noch zum Abscheu macht.
O, wie bethörte mich mein eignes Herz!
Mich selbst, mich klag' ich an. Ich sah die Folgen
Vorher, sie schwebten fürchterlich verbreitet
Vor meiner Stirn', ich fühlt' ein warnend Lispeln
In meiner Brust – und dennoch gab ich nach!
Lord Guilford. Großmüthig gabst du unserm Flehen nach,
Dein Vaterland vom Untergang zu retten.
Lady Johanna. O! schone meiner, Guilford, nenne mir
Dieß Wort nicht mehr, das meines Unvermögens
So schmerzlich spottet! Ach! wen kann ich retten?
Was hab' ich meinem Vaterland zu geben,
Als Thränen? – Thränen, in das Blut zu mischen,
Das jetzt – o Gott! um meinetwillen fließt!
Ich Unglücksel'ge bin's, die über England
Den Jammer häuft! Ich waffne Brüder gegen Brüder
Und färbe dieses Land mit seiner Kinder Blut –
Und wenn Maria siegt, wenn ihre Rachsucht,
Gereizt von meinem Frevel, sie zu Wuth
Und grenzenloser Grausamkeit entflammt;
Wenn Ströme Bluts den Zorn versöhnen müssen,
Den ich allein verdien' – o liebster Guilford!
Wie kann ich sie ertragen, diese schwarzen
Entsetzlichen Gedanken? –
Lord Guilford. Meine Königin!
Was quälest du dein Herz, dieß Paradies,
Wo Ruhe nur und Wonne lächeln sollten,
Mit diesen schreckenvollen Träumen?
Nein, nein, du schöne Unschuld! Nein! die Vorsicht
Verläßt dich nicht! Sie kann dich nicht verlassen,
Dich, deren Geist das Bild der Gottheit strahlt!
Ist sie mit dir, wen fürchtest du, Johanna?
Das Glück? – Es ist der Vorsicht unterthan!
Kein blinder Zufall stört den Plan der Weisheit,
Die Alles lenkt, die Harmonie der Dinge!
Ist dir Mariens Anhang fürchterlich?
Verachte diese lasterhafte Rotte
Von Mißvergnügten, welche nur der Umsturz
Des Vaterlandes glücklich machen kann,
Von Schwärmern und von Mönchen, deren Waffen
Nur Flüche sind, die in der Luft zerflattern,
Verschmäht vom Himmel oder auf die Häupter
Der wilden Eifrer selbst zurückgeschleudert!
O fürchte nichts, solange noch die Tugend
Bewundrer hat, solange Suffolk lebt,
Solange Pembrok, Mason, Arondel,
Des Adels Häupter, deinen Scepter ehren!
Du sahst ja selbst den kühnen Muth der Männer,
An deren Stirne dein Northumberland
Der kleinen Rotte bebender Rebellen
Entgegen zog, die Sussex aufgewiegelt!
Der Sieg ist dein, wenn anders noch die Tugend,
Wie einst, den Busen ihrer Söhn' erhitzt.
Er wird nicht blutig seyn. Der bloße Anblick
Der Helden wird die feige Schaar entwaffnen.
Die frohe Zeitung kann nicht mehr verziehn.
Lady Johanna. Du hoffst zu freudig, Guilford! weil du liebst.
Die Liebe macht dich kühn! Mich macht sie zittern.
Lord Guilford. Hat denn die Traurigkeit dein zärtlich Herz
So ganz erfüllt, daß für die süße Hoffnung
Kein Raum mehr ist? – O, fühltest du, was ich!
Wie würden schnell des Kummers düstre Wolken
Vom reinen Himmel deiner Seel' entfliehn!
O! dein Besitz hat mir mein ganzes Wesen
Zur Lust gestimmt! Was ich empfind' und denke,
O! jeder Pulsschlag, jeder Athemzug
Ist Freud' und Wonne – Dich, in deren Bildung,
Was nur das Auge liebenswürdig sehen,
Die Seele denken kann, vereinigt ist;
Dich, deren Geist im Sonnenschein der Weisheit
So früh zur schönsten Blüthe reifte,
In deren Brust die Tugend alle Triebe
Zu schwesterlicher Harmonie gestimmt,
Die jeder liebt, der dich erblickt, bewundert,
Wenn er dich hört, verehrt, wenn er dein Leben sieht;
Dich mein zu nennen, ganz für mich geschaffen,
Und mich für dich! In deinen holden Armen
Ein Leben, gleich dem schönsten Frühlingstag,
In ungestörter Heiterkeit zu leben –
Wie sollte solch ein Glück mich nicht entzücken?
Und, o! wie ist die Vorsicht meinen Wünschen selbst
Zuvorgekommen! Sie, die dich
Auf einen Thron gesetzt, erklärt dadurch,
Daß nur die höchste Stufe deiner würdig sey.
Die göttliche Johanna wird nicht nur
Die Wonne ihres treuen Guilfords seyn!
Sie wird der Stolz, die Freude eines Volkes,
Sie wird ein Wunder allen Völkern seyn.
Sie wird die himmlische Religion
Zu ihren Rechten setzen, wird den Frieden
Und sein Gefolge, Fleiß und Ueberfluß und Künste
Im milden Schatten ihres Thrones lagern!
Sie wird –
Lady Johanna. O! theurer Guilford! reize nicht
Mein allzuwillig Herz, in süße Träume
Sich einzuwiegen! – Was du hoffst, Geliebter,
Ist allzuviel für dieses Prüfungsleben.
Doch, was mein Schicksal sey, in deinen Armen
Soll auch das Elend, soll der Tod mir selbst
Willkommen seyn! – Ach Guilford, diese Höhen
Des Glücks sind schlüpfrig, sind mit jähen Klippen
Und Tiefen rings umzäunt! O, lebten wir
Fern von des Hofes ungetreuen Freuden,
In unbekannter Einsamkeit! Verbärg'
Ein schlechtes Strohdach unser Glück dem Neide
Der großen Welt! O, lebt' ich da mit dir
Von Sorgen frei und frei von eiteln Wünschen,
Vergnügt mit dem, was die Natur begehrt
Und willig schenkt, durch unsre Liebe glücklich!
Wie freudig wollte ich an den Schäferstab
Den Scepter tauschen und, statt dieser Perlen,
Mit frischen Rosen meine Locken schmücken.
Lord Guilford. Du Engelsseele, wie entzückst du mich!
Wie würdig zeigt dich diese große Denkart
Des Thrones, den du zieren wirst!
Die Hütte würde, wenn sie deinen seltnen Werth
Verbärge, glänzender als diese Wohnung
Der Könige! Durch deine seltne Tugend
Wird dieser Königssitz ein heil'ger Tempel
Des allgemeinen Glückes werden!
Lady Johanna. Vor wenig Stunden war mein höchster Wunsch,
Von Unschuld und von Weisheit stets geleitet,
Mich unbemerkt durch diese Welt zu schleichen;
Mein größter Stolz, dich, mein Geliebter, glücklich
Zu machen! Niemals ahnte meinem Herzen,
Auch nur im Traum, was mir begegnet ist.
Der König stirbt; die gleiche Unglücksstunde
Setzt mich auf seinen Thron; ich widersteh' umsonst;
Erschüttert von den Bitten unsrer Väter
Und des Senates, überlass' ich mich
Der fremden Führung; und nun ist ein Schlachtfeld
Der Richter zwischen mir und Edwards Schwester.
Northumberland ficht nun mein Schicksal aus!
Ich falle, wenn er fällt, und siege, wenn er siegt.
O Guilford, welch ein Räthsel ist dieß Alles
Für meinen Geist! Was wird noch aus uns werden? –
Der Himmel weiß es! – In gelass'ner Demuth
Ergeb' ich mich in seinen heil'gen Willen!
Lord Guilford. Wenn mich nicht Alles trügt, so wird der Ausgang
Dein Räthsel – Still! Wer nähert sich? – Es ist
Dein Vater – Himmel! was verkündigt uns
Sein kummervoller Blick.
Die Vorigen. Suffolk.
Suffolk. Ach meine Kinder!
Lord Guilford. Was ist's, mein Vater?
Suffolk (indem er gen Himmel sieht). Stärke mich! – Mein Sohn!
O Tochter, eines bessern Glückes würdig!
O meine Kinder! Ach, wie soll ich's sagen?
Mein Anblick spricht für mich! O bange Stunde!
Lady Johanna. Das Schrecklichste, was dieser Tag uns brachte,
War Edwards Tod! – Der Schlag hat mich auf Alles
Schon vorbereitet.
Lord Guilford. Redet, theurer Lord!
Die Ungewißheit foltert meine Seele.
Suffolk. Dein großer Vater, er, auf dessen Macht
Und Muth und Klugheit alle unsre Hoffnung
Sich stützt', er ist –
Lady Johanna. Wie? ist er todt? erschlagen?
Suffolk. Er ist verrathen! ganz zu Grund gerichtet,
Und wir mit ihm. Das Heer, an dessen Stirne
Wir ihn gesehen, war ein Schwarm Verräther.
Schon auf dem Wege schmolzen sie zusehens
Von seiner Seite weg. Mit einem kleinen Haufen
Stößt er auf Sussex. Plötzlich fliehen auch
Die Wenigen, die ihm geblieben waren,
Mariens Anhang zu. Die Luft erschallt vom Namen
Der neuen Königin, und jauchzend rufen Alle:
Maria leb', es stürze der Tyrann!
Er sucht umsonst zu fliehn. Der ungetreue,
Verrätherische Graf von Arondel
Umringt ihn, macht ihn in Mariens Namen
Zum Staatsgefangnen und ist jetzt begriffen,
Ihn im Triumph durch London aufzuführen.
Lady Johanna. Dieß, Guilford, war's, was mir mein schaudernd Herz
Vorhergesagt.
Lord Guilford. Ha! Welch ein Donner schleudert mich vom Himmel
Zum Acheron herab! Bestürzung und Entsetzen
Versteinert mich! Wie? – Alles umgestürzt –
Northumberland verrathen und in Fesseln –
Maria Siegerin! – Und du, Johanna –
O schrecklicher Gedanke –
Lady Johanna. Fasse dich, mein Guilford,
Und bete schweigend an!
Lord Guilford. Und kannst du diesen Donnerschlag des Schicksals
So ruhig dulden?
Lady Johanna. Soll ich klagen, Guilford,
Daß ich aus einem Morgentraum erwache?
Daß diese Kronen, diese Wolkenbilder
Von Majestät und königlichem Pomp,
Ins Nichts, das sie gebar, zerflossen sind?
Nein, theurer Guilford, nein! Ich klage nicht!
Ihr irrtet euch. Der Himmel hatte mich
Zu dieser glänzenden Bestimmung nicht berufen,
Wozu ihr mich erhobt!
Lord Guilford. O, lege nicht, Johanna,
Dem Schluß der Vorsicht zu, was nur die Wirkung
Der Niederträchtigkeit der Menschen ist!
Gerechter Himmel! Welche Welt ist das?
Ist's möglich? Sind denn Alle, die ich redlich,
Sind Alle, die ich unsre Freunde glaubte,
Verräther worden? Ist es Pembrok auch?
Ist's Mason auch? Nein! nein! – Die gute Sache
Liegt noch nicht ganz! Es sind noch Tugendhafte!
Ich eile, sie zu suchen! – Alles ist
Noch nicht verloren! Nein! Ein Streich des Unglücks
Soll tapfre Seelen nicht zu Boden schlagen.
Lady Johanna. O Guilford, bleibe! Zeige deine Größe
Durch männliche Geduld! Dem Himmel widerstreben,
Ist falscher Heldenmuth!
Lord Guilford. Die Tugend, Königin,
Prallt nicht vor jedem Widerstand zurücke.
Gefahren sind für sie nur stärkre Reize,
Die Kräfte zu verdoppeln. Halte mich
Nicht auf, Johanna! Alles kann sich noch
Zu deinem Vortheil ändern! (Er geht ab.)
Suffolk. Wohin, zu edler Jüngling, willst du eilen?
Vergeblich suchst du Helden, die dir gleichen,
Vergeblich Freunde! – Ach! der Unglücksel'ge
Hat keinen Freund! Er mag sich selig preisen,
Wofern er noch statt Hülfe Mitleid findet!
Doch er ist weg.
Lady Johanna. O Gott, verlaß ihn nicht!
Suffolk. Lady Johanna.
Suffolk. Ach! mein geliebtes Kind, wie darf's dein Vater wagen,
Sein Aug' auf dich zu richten? dich, vor Kurzem
Den Gegenstand, auf dem es mit so süßer
Befriedigung und stiller Wonne ruhte!
Ach, selbst dein stummer Anblick klagt mich an!
Ich half dich elend machen!
Lady Johanna. Theurer Vater!
Verschonet mich! Nur Euer Leiden kann
Mich elend machen! dieser Wechsel nicht!
Suffolk. Wo war mein Geist? Wo waren meine Sinne,
Als ich den eiteln Anschlag fassen half,
Von dem jetzt du und wir das Opfer werden?
O mein zu schwaches Herz! Wie konnten mir
Northumberlands ehrgeizige Entwürfe
Verborgen bleiben! Wie bezauberten
Mich seine Künste! – Ach! sein Stolz allein,
Sein Stolz, jetzt seh' ich's, ist die Quelle unsers Jammers!
Zu spät sieht mein entnebelt Auge hell!
Es öffnet sich, doch nur des Abgrunds Tiefen
Zu sehn, in welche wir gestürzet sind.
Lady Johanna. Ich, theurer Lord, ich seh' in unserm Schicksal
Auf die geheime Hand der Vorsicht nur.
Sie, sie regiert mit unbegrenzter Weisheit
Die Sphäre unsrer Thaten, lenket Alles
Nach ihrem Plan und schafft aus Bösem Gutes.
Mein Herz ist ruhiger, es klopft mit sanftern Schlägen.
Ich athme wieder frei, seitdem mein Schicksal
Entschieden ist – Die Vorsicht sey gelobet,
Auch wenn sie uns durch rauhe Wege führt!
Sie sind die kürzesten in eine bessre Welt.
Suffolk. O! diese Tugend, die in solchem Glanze
Sich in der Prüfung zeigt, durchbohrt nur tiefer
Mein väterliches Herz! – O, wärst du nicht
Mein treuer Zeuge, der du die Gedanken
Der Geister siehst, daß meine Absicht rein war;
Daß nur der fromme Eifer, deine Kirche
Den Flammen zu entziehn, dieß arme Land
Dem Untergang – mein wankend Herz besiegte:
O! stützte dieses tröstende Bewußtseyn
Nicht meinen Muth – Doch hier kommt deine Mutter,
Johanna! – Wie viel Unglückselige
Hat dieser Tag gemacht! – (Er geht ab.)
Lady Johanna. Lady Suffolk.
Lady Suffolk. Verwünscht sey mein fataler Rath! verwünscht
Die Zunge, die zu deinem Untergang
So wortreich war! – Johanna! – Ach! mein Kind!
Mir bricht mein Herz –
Lady Johanna. Geliebte, theure Mutter –
Lady Suffolk. O! nenne mich mit diesem süßen Namen,
Der einst mein Stolz war, nicht! Ich bin's nicht würdig –
Lady Johanna. Nur dieß, nur, was ihr leidet, ängstigt mich!
Wenn ihr nicht elend seyd, so bin ich ruhig.
O! quält mich nicht, die Vorwürf' anzuhören,
Die ihr euch selber macht. Ihr waret schuldlos!
Aus Mitleid gegen mich besänftigt euren Schmerz,
Der mir das Herz zerreißt –
Lady Suffolk. O Himmel, fielen alle deine Blitze
Auf mich allein! – Könnt' ich mit meinem Leben
Den holden Liebling meines Herzens retten!
Dann, dann, Johanna, würde deine Mutter
Sich glücklich halten. –
Lady Johanna. Mutter! mildre deine Zärtlichkeit;
Sie tödtet mich! So ist denn gar kein Weg
Zu unsrer Rettung übrig?
Lady Suffolk. Keiner!
Ach! Keiner! Alles, Alles ist verloren.
Ich sah Northumberland in Fesseln, hörte
Des Volkes Hohngelächter, ihn so niedrig,
So klein zu sehn. Sie nannten ihn mit Flüchen
Verräther, Feind des Vaterlandes, Mörder
Des ehrfurchtswerthen Vormunds unsers Edwards,
Des frommen Sommersets. – Indeß hat Sussex schon
Mit seinen Kriegern sich der Stadt bemeistert.
Maria hat den alten Gardiner,
Den Wütherich, der von außen ein Johannes,
Von innen wilder als Herodes ist,
Vorausgeschickt; er führt das große Siegel
Des Reichs und donnert allenthalben schon
Befehle, die nur Jammer prophezeien.
Lady Johanna. So fahret wohl, ihr goldnen Hoffnungen
Von Glück und Seligkeit auf dieser Erde!
Mein Vaterland und du, du kleine Schaar
Der Redlichen, der Lehrer und Bekenner
Des Evangeliums! – euch wird der Himmel retten!
Ja, unsichtbare Macht, die du allgegenwärtig
Die Sphären lenkst und Alles siehst und ordnest,
Du sahst, was meinen tiefen Abscheu brach,
Den aufgedrungnen Scepter anzunehmen.
Schau jetzt, ich beuge dankvoll meine Knie,
Daß du dein Amt aus meinen schwachen Händen
Zurücke nimmst! Dein ist's, die Menschen, die du schufst,
Die Kirche, die du pflanztest, zu erhalten! –
Du wirst es thun! – An mir gescheh' dein Wille!
Die Vorigen. Lord Guilford.
Lord Guilford. Verwünscht sey diese ungeheure Welt
Und das Gezücht von Schlangen und Harpyen,
Das sie bewohnt! – Wie? – Sind dieß Menschen? – Nein!
Des Abgrunds Rachen hat euch ausgespien,
Verräther! Euer schwarzer Hauch vergiftet
Die milde Luft! – O Sonne, kannst du noch
Dein heilig Licht zu solchen Gräueln leihen!
Wie tobt mein feurig Blut! –
Lady Johanna. Mein Guilford!
Was ist's?
Lady Suffolk. Was kann noch Aergers auf uns warten,
Als was wir wissen?
Lord Guilford. Alle diese Freunde,
Johanna, die mit falscher Zunge dir
Vor wenigen Stunden noch ihr Leben weihten,
Die schmeichlerische Brut der Höflinge,
Die kaum vor uns ihr schändlich Knie noch beugten,
Und selbst – o Scheusal! – deine Räthe selbst,
Die kaum mit aufgehobnen Händen schwuren,
Dir, dem Gesetz und unserm heil'gen Glauben
Getreu zu bleiben, Alle sind Verräther,
Verdammte Heuchler! – Pembrok, ach! mein Freund,
Mein Pembrok selbst – von Gardiner betrogen,
Fiel zu Marien ab!
Lady Johanna. Und kannst du, Guilford,
Mir einen Zeitlauf nennen, da die Menschen
Nicht so geartet waren? Glaube mir,
Die schöne Tugend hat zwar viele Schmeichler,
Doch wenig treue Freunde! Glück und Macht
Und Pomp und Glanz, wenn diese das Gefolge
Der Tugend sind, dann findet sie Verehrer;
Doch, fallen diese von ihr ab,
So flieht der Heuchler Schwarm, vergöttert jetzt
Mit gleicher Falschheit das gekrönte Laster,
Und du, o nackte Tugend, bleibst allein.
Lady Suffolk. Den Schmerz, der meine Brust zerreißt,
Hat keine Mutter noch gefühlt! – Mein Mund
Versagt mir Klagen, meine Qual zu lindern,
Mein Auge Thränen.
Lady Johanna. Warum kann ich doch
Die Einzige nicht seyn, die leidet? – Ach! mein Schicksal
Liegt hart auf mir! – Ich bin dazu verurtheilt,
Die Freude Aller, die Natur und Freundschaft
Mir theuer macht, in Jammer zu verkehren.
Doch murre nicht mein Herz! – Die Leiden, die der Himmel
Uns schickt, sind heilsamer als selbstgewählte Freuden.
Lord Guilford. Gott! welche schreckliche Verwandlung!
Wo bin ich? – Bin ich Guilford? – Bin ich der,
Der noch vor wenig Stunden kaum die Engel
Beglückter hielt als sich? – War's nur ein Traum,
Als lauter Wonne, lauter Hoffnung mich
Umlächelte? – Wozu erwach' ich jetzt?
Zu welcher dunkeln, grauenvollen Aussicht
In Jammer ohne Maß! – Ein Augenblick
Hat rings um mich die Welt in eine Hölle
Verwandelt! Die ich Menschen glaubte,
Sind Furien und Schreckgespenster worden!
O! dieses blaue himmlische Gewölbe,
Der Thron des Tages, ist ein schwarzer Kerker
In meinen Augen! Diese Frühlingsluft,
Der Blumen reinster Athem, haucht mir Gift!
Mich dünkt, ich steh' allein, auf den Ruinen
Der eingesunknen Welt, von todten Schatten
Und Schrecknissen umringt. –
Lady Suffolk. Welch ein Getümmel!
Wer kommt? – O weh' uns! Gardiner!
Er ist es selbst. –
Die Vorigen. Bischof Gardiner.
Gardiner. Mit Recht erschreckt euch meine Gegenwart,
Ihr doppelten Verräther, gegen Gott
Und eure Königin! Empfindet jetzt
Der Rache schweren Arm! Die Häupter der Verschwörung,
Northumberland und Suffolk, sind in Fesseln!
Maria herrscht. Ihr heiliger Befehl
Spricht jetzt durch meinen Mund! – Man führe schleunig
Dem Tower sie zu! – (Zum Offizier.)
Mein Herr! Euch ist die Sorge
Für die Gefangnen von der Königin
Vertrauet. Euer Leben wird für sie
Die Bürgschaft seyn. (Zu den Soldaten.)
Thut eure Pflicht! was zaudert ihr?
Lady Suffolk. Unmenschlicher! – Ach, warum nimmt mein Elend
Mir nicht die Sinne ganz?
Lord Guilford. Zurück, Verruchte!
Erkühnt euch nicht – Ha! Tod und Hölle sey
Dem Ungeheuer, dessen wilde Faust –
Gardiner. Sinnloser Jüngling! diese eitle Wuth
Wird weder sie noch dich erretten.
Ergreifet ihn und dieß bethörte Mädchen,
Das, von Geburt bestimmt, die Schleppe
Des königlichen Schmucks Marien nachzutragen,
Sich würdig glaubte, ihren Thron zu füllen.
Lord Guilford. Zertheilt euch, Wolken – Schau' empor, Tyrann,
Und sieh die Engel über diesen Anblick weinen!