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Ihr nickt schon, wie ich seh' – Ihr wollt, (und das mit Recht)
Der Dichter soll, statt zu moralisiren,
(Dieß könnt ihr selbst, gut oder schlecht)
Euch, wie Homer, frisch in die Sache führen.
So hört denn an! – In einer engen Schlucht
Im Pyrnerwald lebt' einst (wofern' es leben
Zu nennen ist) ein Mann, der auf der Flucht
Aus einer Welt, wo Alles, vor und neben
Und hinter ihm, zum Bösen ihn versucht,
In diese Wildniß sich begeben,
Um seinen thier'schen Theil durch strenge Klausnerzucht,
Durch Fasten und Kasteien und übern Wolken Schweben
Zur geistigen Natur, wo möglich, zu erheben.
Schneewasser war sein Trank, sein Brod der Eiche Frucht,
Und Wurzeln seine Leckerbissen;
Ein glatter Stein lag, wenn er schlief, als Kissen
Ihm unterm Haupt – Kurz, Bruder Lutz
(So hieß der Biedermann) bringt über dreißig Jahre
Bereits, dem Höllenwurm' und seinem Fleisch zu Trutz,
In dieser Felsenkluft, als wie in seiner Bahre,
Ein traurig Leben hin, das (wie er glaubensvoll
Versichert ist) ihn einst zum Halbgott machen soll.
Natürlich schlummerten in seinem öden Winkel
In solcher Zeit und bei so magerer Diät
Die bösen Lüste ein: doch desto ärger bläht
Den guten Mann der leid'ge Eigendünkel,
Der in der Abgeschiedenheit
Bei Fasten und Kastein gewöhnlich wohl gedeiht.
Schon schmeichelt Bruder Lutz sich selbst, den Sanct Antonen
Und Paulen an Verdienst beinahe gleich zu seyn;
Schon sieht er einen goldnen Schein
Um seine Scheitel ihm für eine Tugend lohnen,
Vor welcher, was die Welt mit diesem Namen ehrt,
In seinem Wahn, wie Rauch im Sonnenglanz zerfährt.
In diesem süßen Trug stört, wider sein Verhoffen,
Ihn einst ein göttlich Traumgesicht.
Ihm däucht, er seh den Himmel plötzlich offen,
Ihn überschütt' ein Strom von empyre'schem Licht'
Und, gleich gebrochnen Donnerschlägen,
Schall' eine Stimm' ihm diese Wort' entgegen:
Wer hoch zu stehen wähnt, ist seinem Falle nah!
Willst du an Tugend dich weit übertroffen sehen,
So brauchst du nicht sehr weit zu gehen,
Geh nur zum Seneschall von Aquilegia.
Der arme Bruder Lutz erwacht in kaltem Schweiße
Bei diesen Worten. Welch ein Fall!
Mich, spricht er, der mit solchem Ernst' und Fleiße
Sein Heil geschafft, mich soll ein Seneschall,
Ein schnödes Kind der Welt, an Tugend übertreffen?
Und gleichwohl hör' ich noch im Ohr den Wiederhall
Des Schreckenswortes Seneschall!
Wie könnte mich die Himmelsstimme äffen?
Entschlossen greift er stracks nach seinem Knotenstab',
Und, einem wandernden Gespenste ziemlich ähnlich,
Steigt er aus seinem Felsengrab
(Nachdem er mit Gebet und Kreuzern, wie gewöhnlich,
Sich wohl verwahrt) hervor und wallet ohne Ruh,
Von Wasser bloß und hartem Brod gelabet,
Dem stolzen Aquileja zu.
Und nah' am Stadtthor kommt ein prächt'ger Zug getrabet,
Ein großer schöner Mann, mit Scharlach angethan,
Auf einem reichgeschmückten Gaule
In seiner Mitte. Lutz spricht einen Bürger an
Und hört mit aufgesperrtem Maule,
Bestürzt, als donnert' ihm aufs Neu
Die Himmelsstimm' ins Ohr: der Mann im Scharlachpelze
Und mit der schweren Kettenlast von Schmelze
Wohl sechsfach um den Hals, der stolze Weltling – sey
Der Seneschall von Aquilej.
Nun wohl! wenn Pracht und Hoffahrt nicht verdammen,
So geht man, denkt er, leicht ins Reich der Himmel ein,
Und Satans Schwefelpfuhl mag schlecht bevölkert seyn!
Indessen rafft er sich zusammen,
Drängt durch die Menge sich an diesen stolzen Mann,
Nennt sich als Bruder Lutz und spricht, um Gottes willen,
Um Dach und Fach in seinem Haus' ihn an.
»Mein Bruder, müßt' ich nicht gleich eine Pflicht erfüllen,
Erwiedert ihm mit Ehrerbietigkeit
Der Seneschall, gern nähm' ich mir die Zeit,
Dich selber in mein Haus zu führen;
Allein mich rufen Amtsgebühren.
Nimm diesen Fingerreif, trag' ihn zu meiner Frau
Und sag': ich bitte sie, dich ganz so aufzunehmen,
Als wär' ich's selbst. Nimm hin und trau
Mir auf mein Wort, sie wird dich nicht beschämen.«
Der Ritter reicht aus seinem Scharlachpelz
Den Ring ihm dar und gibt dann seinem Gaul die Sporen,
Und Lutz sagt kaum sein Gott vergelt's!
So hat er schon den Herrn aus dem Gesicht verloren.
Betroffen, aber nicht von seinem Wahn bekehrt,
Trabt Bruder Lutz nun schnurstracks nach dem Hause
Des Seneschalls. – Was er da sieht, empört
Sein düstres Auge, was er hört,
Sein ungewohntes Ohr; er denkt: »In diesem Hause
Lebt Alles ja in Saus' und Brause!
Von Gold und Silber, Elfenbein
Und Marmor schimmern alle Wände;
Das Hausgeräth glänzt wie polirter Stein;
Für einen Erzbischof wär' hier nichts zu gemein,
Auch nimmt der Diener Zahl kein Ende.
Du lieber Gott! soll das das Haus des Mannes seyn,
Vor dessen Tugend sich die meine
So tief zur Erde bücken muß?
Ich traue kaum dem Augenscheine!
Und gleichwohl hab' ich erst den Fuß
Hereingesetzt – Lutz, Lutz, wie wird das enden?
Das Beste wäre wohl, gleich wieder umzuwenden.«
Indem der Eremit so mit sich selber spricht,
Kommt eine Frau, gar fein von Angesicht,
So weiß wie frischer Schnee, wie Rosen roth von Wangen,
Von hohem Wuchs, von Armen zart und rund,
Die Augen himmelblau, Rubin der kleine Mund,
In silbernem Gewand, mit Ringen und mit Spangen
Geschmückt an Ohr und Hals und Hand,
Aus einer Thür' hervorgegangen,
Den Fremden, der im Vorsaal wartend stand,
Als Frau des Hauses zu empfangen.
Bei ihrem Anblick bleibt ihm kaum so viel Verstand,
Den Fingerring ihr zitternd in die Hand
Zu geben und mit Stottern herzusagen,
Was ihr Gemahl ihm aufgetragen.
Die Seneschallin spricht: Mein Bruder! dein Empfang
In diesem Hause soll dich lehren,
Wie wir den Mann, der dich empfohlen, ehren;
Komm nur, der Speisesaal erwartet dich schon lang'.
Und mit dem Wort' ergreift sie seine rauhe Tatze
Und führet ihn in einen schönen Saal,
Wo er die Tafel schon mit einem reichen Mahl
Belastet sieht, gerade zu dem Platze
Des Seneschalls. Hier, spricht sie, setze dich
Als Herr vom Hause neben mich
Und wähle dir aus diesen Speisen
Und von den Weinen dort, wie sie mein Keller gibt,
(Weinkenner pflegen sie zu preisen)
Ohn' allen Zwang, was dir beliebt.
Bei Sanct Hilarion, denkt Lutz, ich bin betrogen!
Mit einem falschen Traumgesicht'
Hat mich der böse Geist belogen.
Wie? dieser Mann, der so dem Glück' im Schoße sitzt,
So üppig Tafel hält, ein solches Haus besitzt
Und solch ein Weib, – er soll nach fünfzig Jahren,
In lauter Wollust Tag und Nacht
So epikurisch zugebracht,
Gerades Wegs gen Himmel fahren?
Da wäre ja kein ärgrer Thor, als ich!
Ich, der, um meine arme Seele
Zu retten, dreißig Jahre mich
In einer wahren Bärenhöhle
Mit Fasten und mit Geißeln quäle!
Weil Lutz so mit sich selber spricht,
Sieht ihm die Dame lächelnd ins Gesicht;
Laß, sagt sie, dir's belieben! wähle!
Was ist dir, Freund? Du siehst ja aus,
Als wärst du noch nicht recht zu Haus?
Frau, spricht der Klausner, laßt Euch weisen,
Daß einen solchen Tisch kein Diener Gottes führt,
Der, seine Seele baß zu speisen,
Sein Fleisch mit Lust mortificirt.
Ich leb' in meinem Wald von Mispeln und von Nüssen,
Wie meinem Klausnerstand gebührt,
Und mache wirklich mir schon daraus ein Gewissen,
Daß ich, indem ich Athem zog,
Den Dunst so vieler Leckerbissen
Nicht ohne Wollust in mich sog.
Verzeihe, heil'ger Mann, daß ich zu streng dich finde,
Versetzt die Frau: die Creatur
Ist doch zu unserm Dienste nur
Geschaffen, und gewiß, nicht alle Lust ist Sünde;
Wohin du blickst, im Umfang der Natur,
Da siehst du ihre Quellen fließen,
Und nichts entheiligt uns, was wir mit Zucht genießen.
Indeß, wenn dir geringre Kost behagt,
So iß – von diesem Kohl mit deiner Magd!
Du wirst dich so nur desto besser schicken,
Den Lehnstuhl meines Herrn hier neben mir zu drücken.
Wir leben beide, ich und er,
Bloß von Gemüs' und Brod seit manchem Jahre her.
Ist's möglich? ruft der Waldmann; ich erstaune!
Wie kämet ihr zu einer solchen Laune?
»Ein feirliches Gelübd, vielleicht zu rasch gethan,
Als von zwei Kindern wir das eine in der Bahre,
Das andre schon dem Tod' im Rachen sahn,
Verbindet uns auf sieben Jahre
Zu dieser Lebensart.«
Wozu denn also (fällt
Der Klausner ein) wozu in aller Welt
Der Unrath da von üppigen Gerichten,
Pasteten, Fischen, Wildbret und so fort?
Ihr Anblick, glaubt mir auf mein Wort,
Ist nicht geschickt, die Eßlust zu vernichten.
Und wär' es, spricht die Frau, so übel denn gethan,
Wenn's bloß zu einer kleinen Uebung wäre?
Du weißt, es liegt gar viel daran,
Daß man, was uns die Pflicht verbietet, leicht entbehre.
Wie mancher Hungrige, erwiedert Bruder Lutz,
Hätt' aus dem Ueberfluß gesättigt werden mögen!
Auch kommt er jedesmal den Dürftigen zu Nutz,
Versetzt die schöne Frau. Wir haben viel Vermögen,
Und dieß und unser Stand scheint uns die kleine Last
Von einer Tafel aufzulegen,
An welcher jeder fremde Gast,
Den uns der Zufall schickt, sich wohl bewirthet finde.
Der Klausner fühlt die Stärke ihrer Gründe
Und schweigt; indeß von Zeit zu Zeit sein Blick
Mit Lüsternheit in jede Schüssel tauchet,
Die würzhaft ihm entgegen rauchet.
Kaum hält er mit Gewalt der Düfte Reiz zurück,
Die so verführerisch um seine Nüstern weben,
Daß an der rechten Hand mit einer Art von Krampf
Die Finger vor Begier sich zu verlängern streben.
Die Dame sieht den schweren Kampf
Des Stolzes mit der Lust und kommt dem schier Besiegten
Mit einem Blick zu Hülf'. Er spiegelt sich beschämt
In ihrem heitern, still vergnügten,
Begierdenfreien Aug' und zähmt
Zuletzt doch mit Gewalt das Gieren
Der Sinnlichkeit, durch die er nahe war
Auf einmal dreißig lange Jahr'
Enthaltung und Verdienst so schändlich zu verlieren.
Sie speisen beide nun stillschweigend ihren Kohl
Und trinken klares Brunnenwasser
Dazu – ein Trank, der keine Weiberhasser
Zu machen pflegt. Auch thut der Klausner wohl,
Der schönen Wirthin in die blauen,
Lammfrommen Augen nicht zu oft hinein zu schauen:
Denn schuldlos möchten sie zuletzt Gelegenheit
Zu Aergerniß der armen Seele geben!
Ein Sinn beginnt bereits allmählich aufzuleben,
Der in der Abgeschiedenheit
Durch stetes Ringen – sich vom Leibe los zu streben,
Durch magre Kost und strenge Disciplin
Schon gänzlich abgetödtet schien.
Zum Glück war's eben Zeit, die Tafel aufzuheben.
Lutz spricht ein langes Gratias,
Und freundlich gibt ihm beim Entlaß
Die Seneschallin zu verstehen,
Er habe nun bis Abend freien Paß,
Die – heil'gen Leiber zu besehen,
Woran die Patriarchenstadt
(Wie billig) keinen Mangel hat.
Mein Lutz, nachdem er sich in Aquilejens Gassen
Nach allen Kirchen und Capellen umgeschaut
Und aus dem Grab der heil'gen Hermonassen
Und Chrysogonen sich nach Möglichkeit erbaut,
Kommt ziemlich matt von seinen frommen Reisen,
Kurz eh die Dämmerung begann,
Zurück und sucht in Demuth an,
Ihm einen Winkel anzuweisen,
Ein Obdach nur, wo ihm, damit er ruhen kann,
Der Wind nicht um die Ohren sause.
Das schlechtste Kämmerchen in diesem Fürstenhause
Ist, spricht er, schon zu gut für mich.
Ich kenne meine Pflicht, erwiedert
Die edle Frau, indem sie sich
Zu einem Diener kehrt; es heißt, wer sich erniedert,
Der wird erhöhet – Zeigt dem Herrn sein Schlafgemach.
Der Diener Gottes dankt, von seines Herren wegen,
Der edeln Frau, ertheilt ihr seinen Segen
Und folgt getrost dem Menschendiener nach.
Doch wie bestürzt, bei einer Lampe Schimmer,
Auf einmal in ein prächtig Zimmer
Sich vor ein Bette von Damast
Geführt zu sehn, worin für viere seines Gleichen
Raums übrig war, einander auszuweichen!
Bis an des Zimmers Decke fast
Mit leichten aufgeduns'nen Pfühlen
Und Kissen aufgeschmückt, steht es, gleich einem Thron
Des Hymens da, für einen Königssohn
Ein schöner Tummelplatz zu süßen Liebesspielen.
Verblüfft, als würde ihm die Kehle zugeschnürt,
Spricht Bruder Lutz zu dem, der ihn geführt:
Hier ist gewiß ein Irrthum vorgefallen;
So bettet man nur Seneschallen!
Ich weiß recht gut, was mir gebührt.
Der Diener bleibt dabei, er hab' ihn recht geführt,
Und schleicht sich weg. Mein Waldmann lehnet
Sich an das Bett' und denkt: Was ist zu thun?
Ziemt's einem Mann, wie ich, in Eiderdun zu ruhn?
Daß Satanas mich hier aufs Eis zu führen wähnet,
Ist klar genug. Sey denn auf deiner Hut, Freund Lutz!
Und doch – wie, wenn ich nun, dem Höllenwurm zum Trutz
Den Kopf zu oberst mich in diese Grube stürzte?
Bei meinem spitzigen Capuz!
Ich will es thun – Und mit dem Wort' entschürzte
Der Bruder sein Gewand, zieht Schuh' und Strümpfe aus,
Und thut, mit einem Wort', als wär' er hier zu Haus.
»Warum auch machtest du dir ein Gewissen draus?
Dem Teufel seinen Spaß zu rauben,
Darfst du ja nur auf Stein zu liegen glauben!
Der Glaube machte dir schon manche bittre Pein
Zur Lust: sollt' es nicht möglich seyn,
Dich, umgekehrt, durch Wollust zu kasteien?«
Lutz scheint des Einfalls sich zu freuen
Und ist schon im Begriff, sich vollends auszuziehn,
Als etwas, wie ein knisternd Rauschen, ihn
Auf einmal stutzen macht. Er sieht, was es bedeute,
Und plötzlich öffnet an der Seite
Sich eine Teppichthür', und – täuscht ihn nicht der Schein
Der Lampe? sollt' es gar ein teuflisch Blendwerk seyn?
Die Seneschallin tritt in leichtem Nachtgewande
So zuversichtlich in ihr Schlafgemach herein,
Als wüßte sie gewiß, sie sey allein.
Lutz – der beinahe schon im Stande
Der Urnatur sich zeigt – in seinem Werk gestört,
Sobald er Jemand kommen hört,
Bekreuzigt sich mit beiden Tatzen,
Reißt schnell die Decke auf und plumpet wie ein Stein
In lauter Flaum bis übers Ohr hinein.
Doch durch die Federkraft der schwellenden Matratzen
Taucht er bald wieder auf und steckt den Kopf heraus.
Die Lampe leuchtet hell, es ist – er kann nicht zweifeln –
Es ist die schöne Frau vom Haus',
Allein für ihn (er sagt ihr's grad' heraus)
Der furchtbarste von allen Teufeln.
Was willst du? schreit er ihr, sich kreuzend in die Quer'
Und in die Läng', im Exorcisten-Ton' entgegen,
Was, Satanskind, ist dein Begehr?
Kommst du, in mir den Reiz der Sünde aufzuregen,
So hebe dich von hier! –
Ereifre dich
Nicht ohne Noth, versetzt mit unbefangnem Blicke
Die schöne Frau, indem sie sich
Am Bett' in einen Armstuhl senkt
Und, unbekümmert, was der Klausner von ihr denkt,
Sich nach und nach von jedem Kleidungsstücke,
Das noch entbehrlich ist, befreit,
Was hast du? fährt sie fort, was setzt dich so in Flammen?
Hier, denk' ich, ist nichts zu verdammen.
Es ist um Schlafengehens Zeit,
Dieß ist mein Schlafgemach, dieß, wo du liegst, mein Bette.
Du, dem dein Stand die Lieb' als Pflicht gebeut,
Wie dachtest du nicht gleich, ich hätte
Nicht, was ich that, gethan, hätt' ich dazu kein Recht?
Verzeihung! spricht mein Lutz in einem sanftern Tone;
Sey billig, edle Frau, und schone
Auch meiner! Alle Schuld trägt ganz allein der Knecht,
Der mich in dieses Zimmer führte!
Ich sagt' ihm gleich, daß es sich nicht gebührte!
Sich nicht gebührt? – Und was gebührt sich dann,
Versetzt die Frau, wenn dieß sich nicht gebührt? – Mein Mann
Hat (wie du sagtest) mir ausdrücklich anbefohlen,
Dir so zu thun, als wär' er selbst an deiner Statt:
Was thu' ich nun, als was er mir befohlen hat?
Ich bin in meiner Pflicht; und, könnten wir ihn holen,
Um Richter zwischen uns zu seyn,
Gewiß, ich würde Recht bekommen!
Allein wo bleibt die Zucht? fällt Bruder Lutz ihr ein.
»Die Zucht? Wie könnte die bei uns gefährdet seyn?
Ich räume dir, als einem biedern, frommen
Und heil'gen Mann, nach deinem Ruf' und Schein,
Des Mannes Platz, den Alle, die ihn kennen,
Den bravsten aller Männer nennen,
An meinem Tisch', auf meinem Lager ein
Und sollte mich in dir betrogen haben können?
Doch, deine Sach' ist das, nicht meine, Bruder Lutz!
Ich lege mich, wie jede Nacht, an meinen
Gewohnten Platz; – leg du dich ruhig in dem deinen
Zurecht, empfiehl dich in den Schutz
Der heil'gen Engel, Freund, und schlafe sanft bis morgen!
Von mir hast du nichts zu besorgen!«
Gereizt durch dieses Wortes stolzen Sinn,
Gewohnt, in seinen kleinen Kriegen
Mit Satanas fast immer obzusiegen,
Und durch zwei Ellen Raum von der Versucherin
Hinlänglich, wie er hofft, geschieden,
Gibt Bruder Lutz sich endlich auch zufrieden,
Legt sich aufs rechte Ohr und kehrt in stolzer Ruh
Der schönen Frau die blinde Seite zu.
Sie, ihres Orts – ihr Recht ihr widerfahren
Zu lassen – liegt (wiewohl ein Weib in besten Jahren)
So still auf ihrem Platz' und athmet euch so leicht,
Ihr Bettgenoss' hätt' ihrentwegen
Von einem Fliegenfuß die Tritte hören mögen.
»Wacht oder schlummert sie vielleicht?
Es ist doch sonderbar, auch nicht ein Glied zu regen!«
Lutz, dem der holde Schlaf sich immer noch versagt,
Fühlt sich vom Vorwitz stark geplagt,
Nach ihrer Seite hin sein linkes Ohr zu spitzen.
Ihr denkt, was kann es ihm verschlagen oder nützen,
Zu wissen, ob sie wacht? – Er selber denkt vielleicht
Sich nichts dabei; allein in seiner Lage
Ist Vorwitz keine kleine Plage.
Genug, er horcht so lange, bis ihn däucht,
Sie rege sich. Zu sehn, was es bedeute,
Dreht Lutz, so leis' er kann, sich auf die linke Seite
Und hält den Athem – Doch die Dame regt sich nicht,
Er irrte sich. – Indeß ist Wachen seine Pflicht;
Zumal, da er, wie still er auch zu liegen
Sich vorsetzt, doch, aus Furcht, der schlaue Höllenwicht
Könnt' unvermerkt ihn in die Kluppe kriegen,
Noch nicht zum Schlafen kommen kann.
Die Wahrheit ist, dem armen Mann
War wohl noch nie so eng' in seinem Felle.
Man denke sich an seine Stelle!
Fünf Spannen nur entfernt von einem solchen Weib
So stille wie im Sarg zu liegen,
Ist wahrlich nur ein schlechter Zeitvertreib
Und mehr Kasteiung als Vergnügen.
Ihm däucht, er lieg' auf lauter Kannenkraut,
Ihm kröchen zwischen Fleisch und Haut
Zehn tausend Aemsen, die wie Nadelspitzen stechen;
Er kann zuletzt sich länger nicht entbrechen,
Sich hin und her zu wälzen, überlaut
Gleich einem Büßenden zu seufzen und zu stöhnen
Und Arm und Fuß so lange auszudehnen,
Bis endlich sich der Zwischenraum verliert,
Und sein gebognes Knie die Dame sanft berührt.
Sie thut beim ersten Mal', als ob sie nichts bemerke:
Doch, wie sie fühlt, daß ihre Nachsicht ihn
Verwegner mach' und seinen Wahn bestärke,
Beginnt sie schnell sich weiter wegzuziehn.
Er fühlt den Wink. Sein Stolz eilt der bedrängten Tugend
Zu Hülf'; er ruft in seiner Noth sogar
Die ganze Eremitenschaar
Der Thebaide an. – Von seiner frühen Jugend
Schon dreißig Jahre ward er öfters zwar versucht,
Doch nie besiegt und sollte nun die Frucht
So vieler Büßungen, Nachtwachen, Fasten, Schmerzen
So kindisch, wie ein unbekielter Gauch,
In einem Augenblick verscherzen?
Doch freilich hatte Satan auch
Ihm nie den Streich gespielt und sich zu ihren Kämpfen
So einen Kampfplatz und – den Muth, der ihn beseelt,
Durch Zartgefühl und Menschlichkeit zu dämpfen –
So eine Maske sich gewählt!
Vergebens raffet er die letzte Kraft zusammen;
Auch die ist nun erschöpft und ganz dahin.
Mag (denkt er) mich, wer nie erlag, verdammen!
Und wälzt sich, wie auf Fegfeursflammen,
Der schlummernden Versucherin
So nahe, daß sie ihm, zu sehr von seinen bösen
Gedanken überzeugt, den Text dafür zu lesen
Sich länger nicht erwehren kann.
Zwei Ellen Abstand, dächt' ich, heil'ger Mann,
Sey (spricht sie) unter uns schon ausgemacht gewesen?
Beweisest du dich so der Ehre werth,
Die, wie es scheint, dir über dein Verdienen
In diesem Hause wiederfährt?
Du kommst mit gleißnerischen Mienen,
An frommen Worten reich, an echter Tugend leer,
Gleich einem Sohn von Sanct Anton hierher,
Des besten Mannes Achtung zu erschleichen,
Und findest nun, zur Schmach von Allen deines Gleichen,
Die erste Probe schon zu schwer!
Sie sagte noch viel Andres mehr;
Doch diese Züchtigung geht ganz an ihm verloren.
Der Teufel, der ihn plagt, hat keine Ohren,
Hört nicht ihr Bitten, fürchtet nicht ihr Dräun.
Vergebens sucht sie ihn mit Macht zurück zu drücken;
Nichts hemmt sein strafbares Entzücken:
Er will, er muß, betheurt er, glücklich seyn.
Ein altes Sprichwort sagt: Oft glaubt ein Mann zu fischen
Und krebst. Des Wortes Wahrheit fand
Mein Eremit bewährt. – Aus weiser Vorsicht stand
Ein tiefes Marmorbecken zwischen
Dem Bette und der Seitenwand,
Mit Wasser angefüllt bis an den hohlen Rand.
Wie nun mein Lutz die frevelhafte Hand
An ihren Busen legt, faßt sie mit starken Armen
Ihn um den Leib und schleudert ohn' Erbarmen
Ihn in den Wassertrog hinab.
Es war nach Niklastag, als dieses sich begab.
Vor Schrecken halb entseelt, aus einem warmen
Und prallen Schwanenbett' in dieses nasse Grab
So plötzlich sich gestürzt zu finden,
Versucht er, eh' ihm noch die Sinne vollends schwinden,
Aus der verwünschten Kufe sich
Durch eigne Kraft empor zu winden.
Vergebens müht und quält der Tropf sich jämmerlich;
Sie ist zu tief, und er an Armen und an Füßen
Zu sehr erstarrt. – Hier magst du eine Weile büßen,
Ruft ihm die schöne Dame zu
Und legt sich ruhig hin. – O! (wimmert er) wenn du,
Wie an Gestalt, ein Engel bist an Sitten,
So laß dich, edle Frau, erbitten
Und reiche mir die Hand! Dir schwör' ich's heilig zu,
Von nun an hast du gute Ruh
Vor mir; ich bin vom Frost' am ganzen Leib betäubet.
Hilf mir heraus! Es ist die höchste Zeit.
Wir kennen nun bereits die Frau des Seneschallen;
An Unschuld, Unbefangenheit
Und Güte glich ihr weit und breit
Nicht eine schöne Frau von Allen.
Thut sie ihm gleich nicht Alles zu Gefallen,
So reicht sie ihm doch willig ihre Hand,
Hilft freundlich ihm heraus und treibet
Die Menschlichkeit so weit, daß sie mit Leinewand
Ihn trocknet, ihm die starren Glieder reibet,
Mit ihrer warmen Hand ihn streichelt, drückt und preßt
Und ihn so nah an sich, als schicklich, liegen läßt.
Der alte Klosterherr, dem wir dieß nacherzählen,
Läßt sie (wir wollen es dem Leser nicht verhehlen)
Noch weiter gehn. Sie selber, sagt er, schlang
Sich um den halb Erfrornen so gedrang
Mit Arm und Beinen her, so wie in brünst'gen Ringen
Verliebte Drachen sich umschlingen,
Wie Venus beim Lucrez sich um den Kriegsgott schmiegt:
Allein ich wette gleich, der Klosterbruder lügt.
Die Seneschallin ist gewiß zu klug und bieder,
Zu viel in dem zu thun, was sie aus Pflicht nur thut.
Sobald sie also merkt, sein aufgethautes Blut
Erweiche die gewärmten Muskeln wieder,
So schiebt sie ihn zurück und wünscht ihm gute Nacht.
Allein die Flamme war nun wieder angefacht,
Und eh sie dreimal zehn Minuten älter waren,
Zeigt sich's, sie habe viel zu gut von ihm gedacht
Und durch die Art, wie sie mit ihm verfahren,
Aus Uebel Aerger noch gemacht.
Kurz, Teufel-Amor ist mit seiner ganzen Macht
Dem Klausner in den Leib gefahren;
Kein Schelten treibt ihn mehr zu Paaren.
Er stürmt, mit Bitten erst und endlich gar mit Dräun,
Noch heft'ger als zuvor auf ihre Langmuth ein;
Und, will sie nicht des Satyrs Opfer seyn,
So muß sie abermal ihn um den Gürtel fassen
Und in die Kuf' ihn springen lassen.
Da liegt der arme Wicht nun wieder winselnd da,
Und Alles, was bereits geschah,
Geschieht von Wort zu Wort nun wieder:
Er steigt an ihrer Hand aus seinem nassen Grab,
Sie trocknet mit Flanell ihn ab,
Wärmt ihn in ihrem Arm, reibt die erstarrten Glieder,
Schiebt ihn sodann an seinen Platz zurück
Und spricht mit mildem Ton und Blick:
Nun, Bruder, gute Nacht, und komme mir nicht wieder!
Ein solches Uebermaß von Güte und Geduld
Brächt' einen wilden Caraiben,
Denkt ihr, zurück zum Pflichtgefühl:
Bei unserm Klausner, meine Lieben,
Bewirkte sie das Widerspiel.
Der Böse, der, (zur Warnung aller Frommen)
Seitdem die Seneschallin sich
Zu ihm gelegt, ihn in Besitz genommen,
Treibt nun sein Werk gar meisterlich
In Lutzens Kopf, – wiewohl so einem schwachen
Verblüfften Kopf' aus X ein U zu machen
Kein großes Kunststück ist. – »Lutz, noch verzage nicht,
Spricht er, (und Lutz glaubt mit sich selbst zu sprechen,
Indem Asmodi zu ihm spricht)
Was Liebe wagt, ist stets ein läßliches Verbrechen.
Wie? sollte sie den Frevel nicht verzeihn,
Der ihrer Reize Macht bezeuget,
Und nicht dem Frevler selbst zuletzt gewogen seyn,
Den Sprödigkeit nicht kühlt, und Widerstand nicht beuget?
Gewiß, sie sträubt sich nur aus Wohlstand und zum Schein.
Denkst du, sie finde sich nicht innerlich geschmeichelt,
Daß sich ein Mann wie du so weit bei ihr vergißt?
Verlaß dich drauf, ihr Kaltsinn ist geheuchelt!
Denn, wenn sie dir nicht heimlich günstig ist,
Wofür denn hätte sie so liebreich dich gestreichelt,
An ihrem Busen dich gewärmet und gepflegt?
Wie kalt sie auch zu scheinen trachtet,
(Und jede, die sich selbst ein wenig achtet,
Nimmt diese Larve vor) in diesem Busen schlägt
Ein Herz, das nur nach Anlaß schmachtet,
Für Alles, was sie dir zu leiden aufgelegt,
Dich zu entschädigen.« – Mit solcherlei Gedanken
Setzt' ihm der Feind so lange zu,
Bis sein Entschluß, nicht mehr der Seneschallin Ruh
Zu stören, allgemach zu wanken
Beginnt. Daneben stellt er ihm (ihr wißt,
Was für ein Bildner Teufel-Amor ist!)
Die Reize, die noch frisch ihm im Gedächtniß liegen,
So warm und wollustathmend dar,
Daß, wer so nah dem Urbild war,
Um die Versuchung zu besiegen
Gewiß ein zweiter Sanct Anton
Und etwas mehr gewesen wäre.
Lutz, weit entfernt von einer solchen Ehre,
War ein alltäglicher gemeiner Menschensohn
Und ließ zum dritten Mal sich von Asmodi fangen.
Nur denkt er jetzt, als ein erfahrner Mann,
Die Sache feiner anzufangen.
Er schraubt allmählich sich hinzu, so leis' er kann,
Und schmiegt, kaum fühlbar, sich an ihren weichen Rücken.
Sie merkt ihn nicht – unfehlbar schlummert sie.
Gewiß zu seyn, legt er so leise, wie
Der West ein Veilchen küßt, den Athem bis zum Sticken
Verhaltend, anfangs nur drei Finger auf ihr Knie
Und wagt's, es erst unendlich sanft zu drücken,
Dann stärker nach und nach, und da sie sich nicht regt,
Zuletzt die ganze Hand allmählich fortzurücken.
»Nur herzhaft, Bruder Lutz! sie wacht mit Fleiß nicht auf,«
Raunt Amor mit dem Pferdehufe
Ihm zu. Und dreister wagt, von einer kleinen Stufe
Zur andern, sich die kühne Hand hinauf.
Auf ein Mal wacht die Seneschallin auf,
Und Bruder Lutz – liegt in der Kufe.
»Unsinniger und undankbarer Gast,
So ist denn Alles ganz an dir verloren,
Was du in dieser Nacht bereits erfahren hast?
Schon zwei Mal bist du fast
Für deine Lüsternheit in dieser Kuf' erfroren,
Schon zweimal hab' ich deiner Reu getraut,
Dich aus mitleidigem Gemüthe
An meinem Busen aufgethaut,
Und so vergiltst du meine Güte?
Ich warnte dich zum letzten Mal;
Du konntest, wie ich's dir empfahl,
Den Rest der Nacht in Unschuld dich am Schlafe
Erholen; doch, du wolltest's noch ein Mal
Versuchen; leide nun die Strafe
Der schwer verletzten Pflicht des Gastrechts und der Zucht,
Der bösen Lüste bittre Frucht!
Ich seh', an dir wird Güte schlecht verwendet.
Du hast mein Haus, hast deinen Stand geschändet,
Hast einen edeln Mann, dem du nicht würdig bist
Der Schuhe Riemen aufzulösen,
Gehöhnt, soviel in deinen Kräften ist;
Denn, wär' ich stärker nicht gewesen
Als du, wie dürft' ich ihm, der morgen wieder kommt,
Je wieder in die Augen schauen?
O, schrie der starre Lutz zähnklappernd, all dieß frommt
Mir jetzt nicht! Rette mich, du beste aller Frauen,
Erst aus des kalten Todes Klauen,
Dann sprich, so viel du willst!
Die Seneschallin stand
Ein wenig an, bis sie in ihrem Herzen fand,
Gerade, weil sie ihn zu hassen
Versucht war, dürfe sie ihn nicht verderben lassen.
Sie reicht zum dritten Mal' ihm ihre starke Hand,
Und eingedenk des Worts, das ihr Gemahl gesprochen,
Fängt sie, sobald der Tropf, wie ein begoss'ner Hahn,
Aus seinem Bad' hervor gekrochen,
Ihn, wie sie zwei Mal schon gethan,
Zu trocknen und zu reiben an,
Doch ohne daß aus ihrem schönen Munde
Ein einzig Wort des Trosts noch Vorwurfs geht.
Es brauchte dieses Mal wohl eine halbe Stunde,
Bis Lutz, von ihr gerieben und gebäht,
Sogar in ihren weichen Rosenarmen
Vermögend ist zum Leben zu erwarmen.
Doch endlich, als es ihr mit vieler Müh gelang,
Spricht der erstaunte Lutz aus vollem Herzensdrang:
Frau, wenn du nicht vielmehr, wie Alles mir zu glauben
Befiehlt, ein heil'ger Engel bist,
Ich bin, nun seh' ich's, nur ein armer sünd'ger Christ,
Kaum so zu heißen werth, und ließ durch Satans List
Und meinen stolzen Wahn mir meine Krone rauben.
Doch wolltest du, bevor ich dich von mir
Befreie, mir nur eine Frag' erlauben? –
So frage, spricht die Frau.
»Du bist so gut und mild,
So keusch und fromm, wie ein lebendig Gnadenbild,
Was konnte dich (verzeihe mir!) bewegen,
So grausam über mein Vermögen
Mich zu versuchen? Einen fremden Mann,
Von dessen Tugend du nicht mehr erwarten solltest,
Als man von Fleisch und Blut mit Recht erwarten kann,
Wenn du ihm so begegnen wolltest,
So traulich in dein Bett und selbst in deinen Arm
Zu nehmen? – Sehr verzeihlich ist mein Frevel!
Ein Heil'ger würd' an meinem Platze warm
Geworden seyn! Was Wunder, wenn sich Schwefel
Entzündet, der zu nah' am Feuer steht?
Auf eine Probe, die kein Mann besteht,
Die Tugend eines Mannes stellen,
Und wenn sie, wie natürlich, sich vergeht,
In schwere Strafe sie verfällen,
Das nenn' ich – edle Frau, verzeiht –
Beleidigung der Menschlichkeit.«
Und du, (erwiedert ihm die Frau) von früher Jugend
Zu Uebungen der reinsten Engelstugend
Gewöhnt, du nennst die Probe, der ich mich
Heut' unterwarf, zu schwer nicht nur für dich,
Für Jeden, der auf keiner höhern Stufe
Als der des Menschen steht? – Wohlan, so wisse dann,
Die dir mit Recht verhaßte Wasserkufe
Ist sieben Jahre schon bestimmt für einen Mann,
Den, fünfzig Meilen weit im Umkreis, wer ihn kennet
(Ich sagte dir's bereits) der Männer bravsten nennet,
Mit einem Wort, für meinen eignen Mann.
Das nämliche Gelübd', auf unsers Kindes Bahre
Mit Thränen angelobt, das uns auf sieben Jahre
Enthaltung auferlegt, schließt auch die Clausel ein,
Die dich, mein Bruder, so empöret.
Der Einfall mit der Wasserkuf' ist sein;
Und wenn ihm ja was Menschlichs widerfähret,
So hat er mir's zur Pflicht gemacht,
Daß ich durch eben diese Kufe,
Die drei Mal dich zurecht' gebracht,
Ihn wieder zur Besinnung rufe.
Dir that ich pünktlich, was er mir befohlen hat:
Ich nahm dich auf, als käm' er selbst an deiner Statt,
Wie du, dem Anschein nach, es werth zu seyn verhießest;
Und da dich zu großer Ungebühr
Von Satans Engel reizen ließest,
Da widerfuhr nicht mehr noch minder dir
Als ihm in solchem Fall'. Auch zeigt' ich mich, wie billig,
Zu diesen kleinen Diensten willig,
Die ich dem Seneschall zu leisten schuldig bin.
In diesem Allem, Freund, find' ich in meinem Sinn
Nichts, das mit Recht zu tadeln wäre:
Aus Weibespflicht und Menschenpflicht
That ich, was ich gethan, und meine Schuld ist's nicht,
Daß du dem Klausnerstand so wenig Ehre
Gemacht. Wer hätte das von dir sich vorgestellt?
Dem heil'gen Mann, der sich der argen Welt
Schon dreißig Jahr' entzog, um bloß im Geist zu leben,
Kann, dacht' ich, solch ein Kampf (wenn Kampf auch nöthig ist)
Erwünschten Anlaß nur zu leichtem Siege geben.
Daß du so weit zurück geblieben bist,
Beweiset just nicht viel fürs abgeschiedne Leben.
Hier schweigt die schöne Frau. Bei ihrer Rede hängt
Mein Klausner, von Gedanken, die einander
Verklagen und entschuldigen, gedrängt,
Den Kopf, und ziemlich lange fand er
Die Sprache nicht, so voll und so verengt
War seine Brust. Ihm rollen dicke Zähren
In seinen Bart, er seufzt und blickt empor
Und kann sich länger nicht erwehren,
Die Seneschallin zu belehren,
Was für ein Wort, vom Himmel in sein Ohr
Gedonnert, ihn aus seiner lieben
Einsiedelei heraus getrieben:
Was ich erfuhr, beweiset nur zu klar,
Setzt er hinzu, daß es ein Wort vom Himmel war.
Mein Bruder, spricht die Frau, wenn dich in deinem Winkel
Beim Drang zur Heiligung ein wenig Eigendünkel
Beschlich, so hat vielleicht ein Stand, worin ein Mann,
Um seine Tugend recht zu schätzen,
Sich selbst nicht auf die Probe setzen,
Sich nicht an Bessern messen kann,
Die Abgeschiedenheit, nicht wenig Schuld daran.
Der Seneschall und ich, wir leben
Auf unserm Posten in der Welt;
Fest überzeugt, wir sind dahin gestellt,
Mit stillem redlichem Bestreben
Nicht mehr noch weniger als unsre Pflicht zu thun:
Und wenn wir uns verbunden schätzten,
Zu halten, was ein rasches Wort zur Pflicht
Uns machte, so geschah es nicht,
Als ob wir großen Werth in diese Opfer setzten;
Genug, ein Biedermann erfüllt, was er verspricht,
Wenn's möglich ist. Mit gleich einfält'gem Willen
Sind wir, wie uns Gelegenheit
Gegeben wird, nicht weniger bereit,
Gemeinre Pflichten zu erfüllen.
Wir, die uns um den Ruf und Schein der Heiligkeit
In unsrer Einfalt nie bewarben,
Wir theilen unsern Ueberfluß
Mit Allen gern, die unverschuldet darben;
Und was wir uns für sie entziehn, ist uns Genuß.
Nie sieht man uns den Anlaß meiden,
Uns mit den Fröhlichen zu freun
Und mit den Leidenden zu leiden.
Wer unsre Hülfe braucht, kann ihrer sicher seyn;
Und, während wir uns dieß und das versagen,
Ergetzen wir uns oft an fremden Hochzeittagen.
Denn, unter uns, ich bin die Juno Pronuba
Von manchem wackern Paar' in Aquilegia,
Das ohne mich den Weg zum Ehebette
Aus Armuth nie gefunden hätte.
In Allem diesem thun wir nichts als unsre Pflicht
Und spiegeln uns in unsrer Tugend nicht.
An eitelm Ruhm' ist wenig uns gelegen.
Auch sind wir nicht für unsre Mängel blind:
Denn Alles, Bruder, was wir auch zu thun vermögen,
Ist immer weniger, als was wir schuldig sind.
Hier schweigt sie abermal. Lutz läßt die Ohren hängen,
Sein hageres Gesicht scheint sich noch zu verlängen,
Allein sein Dünkel schrumpft in sich hinein.
Lutz, denkt er, Lutz! du bist doch nur ein armer Sünder,
Und wahr das Wort: So ihr nicht werdet wie die Kinder,
So geht ihr nicht ins Reich der Himmel ein.
Die Seneschallin kann nunmehr den Rest der Nacht
In tiefer Ruh' an seiner Seite liegen,
Und wie's der erste Strahl im Zimmer dämmern macht,
Sieht Lutz sie durch die Teppichwand sich schmiegen.
Er selber kriecht in seinen Pilgerrock,
Wirft einen Blick, mit dem ein kleines Fieber
Ihn schüttelt, auf die Kufe gegenüber,
Nimmt eilend seinen Knotenstock,
Läßt bei der gnäd'gen Frau sich melden,
Empfiehlt, demüthiger, als einem Tugendhelden
Geziemt, sich selbst in ihr Gebet
Und wandert nun, viel weniger gebläht,
Als da er kam, mit manchem Wurm' in seiner Seele
Und manchem Pfahl' im Fleisch, nach seiner Bärenhöhle. |