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Unter dem Namen Olympia besang Wieland, wie er sich in der Zuschrift dieser Gelegenheits-Gedichte vom Jahr 1795 ausdrückt, die Schutzgöttin seines Musenspiels, die Herzogin Mutter von Sachsen-Weimar, Anna Amalia, Prinzessin von Braunschweig, geb. den 24. October 1739. Durch sie, welche die Künste der Musen liebte und selbst übte – sie zeichnete und malte und hat auch in der Musik Verschiedenes componirt – wurde der Grund gelegt zu dem nachmaligen literarischen Ruhme von Weimar. Die Lustschlösser Ettersburg, Belvedere und Tiefurt, sämmtlich in der Nähe von Weimar, wurden der Vereinigungspunkt der vorzüglichsten Geister Deutschlands, die sich gern um die allgeliebte Fürstin versammelten. Die Schilderung des dortigen Lebens liefern diese kleinen Gedichte selbst, welche gewiß zu den Gelegenheits-Gedichten gehören, wie sie seyn sollen.
Nimm aus der Hand der Dankbarkeit und Treue, Schutzgöttin meines Musenspiels, Die Blumen huldreich an, die Kinder des Gefühls, Die ich in diesem Strauß zum zweiten Mal dir weihe. |
Am 24. October 1777.
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Der Götterstand – sprach einst von seinem Wolkenthron Der Sultan im Olymp zu Majens schönem Sohn – Der Götterstand, Herr Sohn, um ihm sein Recht zu geben, Ist (unter uns) beim Styx! ein schales Leben. Ja, wer nur nicht dazu geboren wär', Und allenfalls auf acht bis vierzehn Tage, Da ließ' ich's gelten! Aber mehr Wird Unsrer Deität am Ende sehr zur Plage. Man kriegt zuletzt des Weihrauchs so genug! Und für und für zum Dudeldum der Sphären Die Grazien tanzen sehn, die Musen singen hören, Und immer Ganymed mit seinem Nektarkrug, Ich sage dir, man kriegt's genug! Dann noch dazu den ew'gen Litaneien Des Erdenvolks die Ohren herzuleihen! 130 »Zeus, gib mir dieß! Zeus, gib mir das!« Ein tolles Galimathias Von Bitten ohne Sinn und Maß Um nichts und wider nichts, oft um Unmöglichkeiten! »Es sind ja (sagen sie) dir lauter Kleinigkeiten! Ein wenig Sonnenschein zu meiner Wäsche nur!« »Zwei Regentage bloß für meine trockne Flur!« Ruft Mann und Frau aus hellem Munde In einem Haus', in einer Stunde. Der Dedschial hör' alle das Gebrüll! Thät' ich ein einzig Mal, was Jeder haben will, Es richtete die Welt und mich zu Grunde. Kurz, trauter Sohn, die Stiefeln angeschnürt! Steig', eh' ich hier des Gähnens müde werde, Ein wenig nieder auf die Erde, Zu sehen, ob man dort sich besser amusirt!« Mercur gehorcht, und, ohne anzufragen, |
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2. |
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Von feinerem Gefühl getrieben Vertauschte mit dem Hirtenstand' Apollo den Olymp. Er stieg herab und fand Die Menschen, die man ihm bald gar zu gut beschrieben, Bald gar zu schlimm, wie's immer pflegt zu gehn, Erträglich erst und endlich gar zum Lieben. 131 Die Leutchen, mußt' er sich gestehn, Gewännen näher angesehn; Und setzte man sich nur auf gleichen Fuß mit ihnen, So wären sie doch ganz was Andres, als sie schienen, Da er aus seinen Wolkenhöhn Wer weiß wie schief auf sie herunter schielte, Mit einem Wort': Apoll, sobald er Mensch sich fühlte, Entdeckte – was er nie als Göttersohn gewußt – Es schlage was in seiner linken Brust; Und unvermerkt, mit lauter Scherz und Spielen, Lernt seine Gottheit auch für arme Menschlein fühlen, Nimmt fröhlich Theil an ihrer Lust, Entdeckt sogar, auch das sey wahre Lust, Und von der besten Art, mit Andern sich betrüben, Kurz, schmeckt die Wollust, da zu seyn, Zum ersten Male ganz und rein Und merkt zuletzt – (was ihm bisher geheim geblieben) Die Kunst von Allem dem sey – Lieben. Was von Thessaliens Volk Apoll Stracks geht er hin und macht aus seinem Bogen Apoll behielt in seinem Hirtenstande 134 |
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3. |
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Der Ruhm, dieß Wunder zu erneun, Olympia, der seltne Ruhm, sey Dein! Der schönste aller Deiner Preise! Wohl Dir, die in dem Weihrauchkreise Der Erdengötter nicht den hohen Sinn verlor Für Freiheit und Natur, nach alter deutscher Sitte 135 Sich einen Wald zum Ruhesitz' erkor Und in der moosbedeckten Hütte, Wenn tief im nächtlich stummen Hain' Auf offnem Herd die heil'ge Flamme lodert, Sich glücklich fühlt und nichts vom Schicksal fodert. Des Waldes Geister sehn den ungewohnten Schein Ringsum die hohen Buchen weißen Und nähern freundlich sich und heißen Willkommen Dich in ihrem stillen Reich. Wir spüren sie bald leichten Nebeln gleich Um halbbestrahlte Erlen lauschen, Bald über uns durch hohe Wipfel rauschen. Ein leises Grauen schleicht um unsre Brust, Doch stört es nicht, erhöht nur unsre Lust. Wir singen – um Dich her im Kreise Gelagert – nach der schönen Weise, Die dir, Olympia, die Musen eingehaucht, »Zaydens Schmerz bei ihres Mohren Klagen,« Und fühlen unser Herz im Busen höher schlagen: Bis jetzt der Herd mit trüberm Feuer raucht, Und späte Sterne, die durch schwarze Wipfel blinken, Uns in die Burg zurück zu unsern Zellen winken. Was ist's, das uns Olympiens hehren Wald O Fürstin, fahre fort, aus Deinem schönen Hain Und so, Natur, und ihr, geliebte Pieriden, |
Im Jahre 1781.
Zwei Musen, deren Zwist zu steuern Drei weise Männer unsrer Zeit Viel Aufwand von Beredsamkeit Und Witz gemacht, begannen ihren Streit 138 Am vierundzwanzigsten des Weinmonds zu erneuern. Den andern Musen ward die Weile lang dabei; Es schien, als ob der Zwist zu mehr nicht nütze sey, Als beider Galle zu versäuern. Ihr Kinder, sprach zuletzt der schöne Gott des Lichts, Ich bin bereit, rief Polyhymnia. Die Aganippe vor Vergnügen Die Musen sahn einander an und schwiegen, Jetzt warf er einen Blick dahin, Die Musen hatten kaum das Bild erblickt, |
Am ersten Tage des Jahres 1782.
Wenn es wahr ist, was die frommen Alten Sangen, und was Alle, die in Dir, Beste Fürstin, glücklich sind, was wir Alle aus Gefühl so gern für Wahrheit halten, Wenn die guten Fürsten Geniusse sind, Die in menschlichen Gestalten Unter uns das Götteramt verwalten; Die der Tafel, wo der Nektar rinnt, 141 Sich begaben, bloß uns irdischem Gesind' Auch, damit wir unsers Leids vergessen, Dann und wann ein Tröpfchen zuzumessen: Wenn dieß Wahrheit ist, Olympia, O! so bleib' uns lange hold und nah! So ermüde nicht, bei uns zu weilen! Denn, verließest Du uns, alle edleren Schönern Freuden, die mit Dir wir theilen, Musen, Künste, Scherze, Grazien, Spannten flugs, Dir nachzueilen, Ihre Flügel aus und ließen uns allein. Also laß die Lust in Deine Sphären, |
Am 24. October 1784.
Der Wonnetag, der Dich geboren, Erhabne Fürstin, kam heran, 142 Und, Dir mit leerer Hand zu nahn Mich billig schämend, rief ich Floren, Die freundlichste der milden Horen, Um eine Handvoll Blumen an. Du weißt, daß unter andern Gaben Kaum also, daß der Ruf geschah, Zwar prangt ihr reiches Unterkleid Ich sehe, sprach die Göttin, Freund, Soviel ich mich erinnern kann, In einem Nu erfüllt mein Zimmer Du Sohn des alten Schwans am BoberSchwan am Bober – Martin Opitz von Boberfeld, der Vater der neuern deutschen Dichterei. W., Indeß, wiewohl, an diesem Fest' Mit diesem Wort verschwand der Baldachin |
Angelika Kaufmann hatte die Herzogin gemalt. Dieses Gemälde mit geistreich gewählten Emblemen befindet sich in dem sogenannten römischen Hause im Park zu Weimar, dem gewöhnlichsten Sommeraufenthalte des Großherzogs.
Am 24. October 1790.
Die Dankbarkeit, der Menschen erste Pflicht, Ist, wie man, ohne sehr zu lästern, Behaupten mag, der Götter Tugend nicht. Die Grazien nehm' ich aus und ihre holden Schwestern, 148 Das heil'ge dreimal Drei, das auf dem Pindus thront, Die freundlichsten der Götter und Göttinnen. Die bloße Lust, womit man ihnen dient, belohnt Schon durch sich selbst: uns wird an Herz und Sinnen So wohl dabei, so leicht, so warm, so frei! Die liebe Zeit, die insgemein wie Blei Auf Adams Kindern liegt, scheint mit den Charitinnen Und Musen immer nur zu schnell uns zu entrinnen, Und kurz, das Wenigste, was wir durch sie gewinnen, Ist hier – ein Himmelreich und dort – Unsterblichkeit. Drum dächt' ich auch, (mit Gunst der werthen Christenheit!) Wir blieben noch, solang' es uns gedeiht, In diesem Stück' ein wenig – Heiden Und schafften unsre Seligkeit, Anstatt mit Angst und Herzbeklommenheit, Im Dienst der Grazien – mit Freuden. |
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Beschworen sey er denn an diesem goldnen Tag, Der dich, Olympia, der Welt und uns gegeben, Beim heil'gen Drei und Neun, der festliche Vertrag, Solang die Parzen noch an unserm Daseyn weben, Den Musen und den Grazien zu leben! Sie haben von des Lebens Morgen an So viel für dich, du hast so viel für sie gethan: Wie sollte durch dieß wechselseit'ge Geben Und Nehmen jenes Blumenband, Das euch umschlingt, nicht unverwelklich dauern? 149 Was sag' ich? Führten sie nicht selbst an ihrer Hand Dich in ihr zweites Vaterland Im Jubel ein? – in jene stolzen Mauern, Wo Göttin Rom, die Herrscherin der Welt, Noch unter Trümmern sitzt, die Herz und Mark durchschauern, Und den Kolossen gleich, von ihnen aufgestellt, Die Heldengeister Roms noch ihren Fall betrauern; Wo jeder Athemzug, geschwellt Von dieser Zauberluft, den Funken Des Hochgefühls, das uns zu Göttern macht, Selbst in der engsten Brust zur hellen Flamme facht. Doch, darf wohl ein Profaner sich entblöden, |
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Ihr holde Drei, nehmt meinen Dank dafür, Daß ihr Olympien und unser Glück in ihr Uns wieder gabt! – Und wenn, was ich von euch gesungen, Und wenn um eueren Altar Ein Blumenkranz von mir geschlungen Euch je nicht ungefällig war, So hört mich jetzt! – Laßt die Erinnerungen Aus jenem schönen Doppeljahr Gleich Platons göttlichen Ideen In einem ew'gen Traum vor ihrer Seele stehen! Sein Zauber wirke stets auf ihre Phantasie, Belebe stets ihr Herz, erneue Mit jedem Morgen sich und streue Nicht eignen Reiz auf Alles um sie her. So, holde Grazien, geleitet sie durchs Leben, Und (meinem kleinen Ich sein Recht nicht zu vergeben) So laßt, in Belvedere's Hain, Auch mich von Allem dem noch lange Zeuge seyn! |