Christoph Martin Wieland
Pervonte oder die Wünsche
Christoph Martin Wieland

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Der Vogelsang
oder
die drei Lehren.

(Nach den Lays de l'Oiselet in den Fabliaux et Contes etc. Vol. I. p. 179.)

 


 

                  Vor ungefähr fünfhundert Jahren
Und drüber lebt' in meinem Schwabenland'
Ein reicher Erdensohn, von Namen unbekannt
(Weil seine Ahnen stets geheim geblieben waren)
Und drum kurzweg der reiche Hans genannt.

Von Gottes Gnaden hatte der
Ein schönes Schloß, – das Bessern einst als er
Zum Aufenthalt gedient – man weiß nicht wie, gewonnen;
Wie nun einmal in dieser Unterwelt
Nichts lange seinen Herrn behält,
Und, was ein braver Mann begonnen,
Durch einen schlechten wieder fällt;
Genug, Hans hatt' es nun gewonnen,
Das schönste Schloß, das von der lieben Sonnen
Je angeschienen ward, seitdem
Es Schlösser gibt. Es lag gar wunderangenehm,
Gebaut von schönen Quadersteinen,
Geräumig, stattlich und bequem;
Von ferne konnt's das schönste Kloster scheinen.
Ich sage nichts von all dem feinen
Geräthe drin, den langen Reihn
Von Sälen, Zimmern, groß und klein,
Und wie da ringsum Alles schimmert
Und widerscheint und blitzt und flimmert 68
Von Silber, Gold und edelm Stein;
Nichts von den Kellern voller Wein,
Von weißen, purpurnen und gelben,
Ans Wälschland, Frankreich und vom Rhein,
Noch von den Kammern und Gewölben,
Bis oben an mit Allem voll,
Was, nach dem alten Spruch', ein Weiser
Gern' haben, leicht entbehren soll.
Ein Wort für tausend, selbst der Kaiser
Zu Wien in seinem alten Schloß
(Geleit' ihn Gott auf seinen Reisen!)
Hat kaum mehr Reichthum aufzuweisen,
Als Hans in seiner Burg verschloß.
Wie er's handhabte und genoß,
Das wird sich in der Folge weisen.

Und eine schöne Treppe ging
Vom Schloss' herab in einen Garten,
Der hundert Morgen wohl umfing.
Den wie ein Gärtner zu beschreiben,
Damit geschäh' euch, wie ich weiß,
Kein großer Dienst; drum lass' ich's bleiben:
Genug, es war ein Paradeis.
Alles, was Aug' und Gaum und Nase
Gelüsten kann, das fand man hier,
Nicht blos im Treibhaus' hinter Glase
Frei stand es da im frischen Grase,
Und blüht' und reifte für und für.
Auch war in diesem Blumenreich 69
Die Luft so heilsam, rein und weich,
Daß Leute, die zum Sterben lagen,
Auf ihrem Bette hierher getragen
Und unter Bäume auf den Rasen
Gelegt, in einer Nacht genasen.

Es geht doch, sagt mir, was ihr wollt,
Nichts über Wald- und Gartenleben
Und schlürfen ein dein trinkbar Gold,
O Morgensonn', und sorglos schweben
Daher im frischen Blumenduft'
Und, mit dem sanften Weben
Der freien Luft,
Als wie aus tausend offnen Sinnen
Dich in sich ziehn, Natur, und ganz in dir zerrinnen!
—   —   —   —
Wo war ich? – Gutes Volk, verzeiht!
Ich ließ euch doch nicht lange warten?
Der Abweg ist zum Glück nicht weit;
Wir sind ja noch in Hansens Garten.

Der war nun, wie gesagt, ein zweites Paradeis;
Und mitten drinnen stand ein siebenfacher Kreis
Von alten himmelhohen Linden,
Die ihre Aeste wechselsweis
So vielfach in einander winden,
So dicht, daß ihre grüne Nacht
Den hellen Tag zur Dämmrung macht.

Im engsten Kreise zog ein Kranz von Rosenhecken
Sich her um einen vollen Quell, 70
Der, kalt wie Eis und spiegelhell,
Sein perlend Wasser in ein Becken
Von grünem Marmor goß. Des Sommers strengste Glut,
Der schärfste Strahl der schwülen Mittagsstunde,
Erlosch in diesem kühlen Grunde;
Ein lieblich scharfer Geist erfrischet hier das Blut,
Frischt Laub und Gras und nährt mit ew'ger Fülle
Den immer grünen Hain; und wie in seine Stille
Ein Denker tritt, so freut er sich, allein,
Und ist's ein Liebender, so wünscht er, zwei zu seyn.

Nun merket auf! – Ein Vögelein
Kam jeden Abend, jeden Morgen
Und füllte diesen Ort mit lieblichem Gesang'.
Es sang in dichtem Laub verborgen,
Und aller Vögel Sang und Klang
Verstummte flugs, sobald es sang.

Der Vogel schien, so anzusehen,
An Federn ein gemeiner Spatz
Und kleiner noch: doch, zum Ersatz
Für beides, hatten ihn die Feen
Begabt, zu singen frank und froh
Ballade, Virelay, RondeauBallade, Virelay, Rondeau – Lyrische Dichtungsarten in der provençalischen Poesie.
Und tausend schöne Melodeien,
Die einem Leib und Seel' erfreuen.
Da war kein Schmerz noch Gram so groß,
Der nicht in seinem Sang zerfloß;
Ihn singen hören oder trinken
Aus Lethe's Flut, war einerlei. 71
Sang er von Liebe, (zumal im Mai)
So war's unmöglich, nicht zu sinken
In wonnigliche Träumerei;
Und sang er Freud' im bunten Kranz,
Gleich hob sich jeder Fuß zum Tanz';
Und wenn er Ritterthaten sang,
Ward einem stracks nach Kämpfen bang.

Der Vogel hatte noch was Sonderlichs an sich;
Denn, wie er von dem Garten wich,
Fiel alles Laub, die schönen Bäume
Verdorrten um die Quelle her,
Die schöne Quelle sprang nicht mehr,
Und jede Blum' erstarb im Keime;
Das ganze Paradeis verschwand,
Nichts blieb als Fels und dürrer Sand.

Hans, dem dieß Alles zugehörte,
Kam täglich einmal, zweimal auch,
Gewackelt in den Hain, und hörte
Dem Vogel zu. Das war sein Brauch,
Sobald er Morgens aus dem Bette
Gestiegen war und kurz vor Licht;
Doch, daß er was empfunden hätte,
Das war nun seine Sache nicht.
Denn essen und trinken zum Zerplatzen
Und schlafen und im – Kopfe kratzen
Und täglichstags sein Porcellan
Und seine goldnen Becher wischen
Und mit dem Amtmann' und Caplan 72
Die Dame ziehn und Karten mischen,
Auch dann und wann in Wintertagen
Ein Häschen durch die Saaten jagen
Und flacken auf dem Ruhebett'
Und, wenn ihm Alles sonst will fehlen,
Sich schließen in sein Cabinet
Und seine RosenobelRosenobel, Noble à la Rose, altengländische Goldmünze, etwa 2 Ducaten an Werth, mit einer Rose auf einer Seite. zählen –
Dieß Hansens Thun und Lassen war
Zwölf Monat lang in jedem Jahr'.
Einst stand der lappichte Geselle
Und wusch die Augen aus der Quelle;
Da wirbelt aus dem Laub hervor
Dieß Liedchen in sein dickes Ohr:

        »Ihr Ritter und ihr Frauen zart,
        So roth von Mund und Wang',
        Und junge Knappen edler Art,
        Horcht alle meinem Sang!
        Seyd eurem Liebchen treu und hold;
        Und dient ihr um der Minne Sold,
        So sey's auf lebenslang!

        »Dem Mann, der ohne Liebe bleibt,
        Und doch vor innerm Drang
        Sich rastlos hin und wieder treibt,
        Ist's in der Haut so bang'!
        Ist Alles ihm so kalt, so todt!
        Er ist wie Wangen ohne Roth
        Und Geigen ohne Klang. 73

        »Doch Liebe sonder Ehre wär'
        Ein Feuer ohne Glanz,
        Ein Sommerwölkchen, bunt und leer,
        Ein welker Blumenkranz.
        Ein Biederherz ist wahr und frei,
        Und wenn es liebt, so liebt es treu
        Und gibt sich rein und ganz.

        »Was hebt uns bis zum Götterrang?
        Das thut die Liebe, traun!
        Drum horchet alle meinem Sang',
        Ihr Ritter und ihr Fraun!
        Wollt ihr den echten Minnesold,
        Seyd eurem Liebchen treu und hold
        Und liebt auf lebenslang!«

Hans, der nicht fern' am Brunnen stand,
Horcht nach dem Sänger unverwandt;
Denkt bei sich selbst: Potz Stern, das wäre
Ein Tausch! Der König, wie ich höre,
Liebt die Musik; er gäbe mir,
Wenn ich den Vogel ihm verehre,
Wohl einen Meierhof dafür!
Zwar singt er hübsch; allein, was schere
Ich mich um seine Dudelei?
Kommt doch zuletzt nichts 'raus dabei!

Der Vogel hörte Wort für Wort,
Was jener mit sich selbst gesprochen,
Und sang aus voller Kehle: 74

                                            »O du holder Ort,
        Was so Arges hast du wohl verbrochen,
        Daß du einem dienst, der deinen Werth nicht fühlt,
        Der, solang' er lebt, nie in den Ring gestochen,
        Nie des Ruhmes, nie der Liebe Preis erhielt?
        Fallt, ihr schönen Erker, Thürme, Hallen,
        Und ihr grüne dichte Bäume, laßt es fallen,
        Euer Laub! und du, die zwischen Blumen spielt,
        Kühle Quelle, höre auf zu wallen
        Und vertrockne, daß dieß Immergrün
        Sterb', und alle Blumen stracks verblühn!
        Unter euren Schatten, hohe Linden,
        Gingen wackre Ritter einst und edle Herrn,
        Und aus euch, ihr Rosen, Kränze binden
        Sah ich Frauen, schöner als der Morgenstern!
        Und sie hörten meine Lieder gern;
        Denn sie hatten Lieb' im Herzen! desto lieber
        War ich ihnen und mein Liederspiel,
        Und vor wonniglichem pressendem Gefühl
        Gingen manche klare Aeuglein über;
        Und der liederwerthen Thaten wurden viel,
        Viel gethan, und mancher Dank erstritten,
        Und sie lohnten deß der Lieb' und mir;
        Denn noch wohnten adelige Sitten,
        Ritterschaft, Gesang und Minne hier.
        Und es sollte nun mich nicht verdrießen,
        Daß mich so ein Schuft besitzen soll?
        Der dieß Alles hat und vom Genießen
        Nichts versteht – ein roher, grober Knoll,
        Der sich selbst nur lebt und seinen Lüsten,
        Nicht begehrt, als ewig Bauch und Kisten 75
        Anzufüllen, fühllos bei Gesange bleibt
        Und die Zeit dabei mit Gähnen sich vertreibt!«

So sang das Vögelein und flog davon.
Gut, schimpfe nur, du kleiner Hurensohn,
(Denkt Hans) du sollst mir jedes Wort bezahlen,
Und mit Provision!

Als nun der Abend kam, kam mit den letzten Strahlen
Auch, wie gewohnt, mein Vögelein
Zurück in seinen lieben Hain,
Sein frohes Abendlied zu singen.
Indessen hatte Hans die Linde und den Ast,
Wo es zu sitzen pflag, sehr wohl ins Aug gefaßt
Und überall so viel geheime Schlingen
Im Laub versteckt, daß sich das arme Ding,
Sowie's geflogen kam, in einer Schleife fing.

Der Schalk, von einer grünen Mauer
Verborgen, eilt herzu, sobald er's zappeln hört,
Macht den Gefangnen los, der tausend Kronen werth
Ihm unter Brüdern däucht, und steckt ihn in ein'n Bauer.

Der Sänger spricht: Ich seh' es schon,
So wie der Herr, so auch der Lohn.
Das hab' ich nun für all mein Singen!
Doch, dürft' ich's sagen, wohlgethan
War's eben nicht, mich so zu fahn;
Es wird Euch wenig Rosen bringen.

»Du sollst nur desto baß mir singen!
Sonst sangst du oder schwiegst auch still:
Jetzt sollst du singen, wann ich will.« 76

Da (sprach der Vogel) irrt Er sich!
Der Käfich ist mir stark zuwider.
Ich liebe freien Himmel, ich,
Und Wald und Wiesen; setze mich,
Wo mir's beliebt im Grünen nieder
Und wiege mich nach Herzenslust
Auf meinem Ast'; und, sing' ich Lieder,
So sing' ich sie aus freier Brust.
Drum, lieber Herr, seyd nun so bieder
Und schenkt mir meine Freiheit wieder;
Denn, glaubt mir, da geht nichts davon,
Im Bauer sing' ich keinen Ton.

»Dem (spricht der LaurDer Laur – Nach Scherz der Laurer, besonders auf Gewinn, daher statt Wucherer. Von den Juden wird gesagt: »Die Lauren sollen arbaiten wie die Christen tun müssen.« Wieland (2. Merk. 1778. S. 202) erklärt es für einen fühllosen ungesitteten Grobian, vielleicht bloß an das alte Sprichwort denkend: Bauern sind Lauern. Aber auch dieses läßt sich besser von Lauern ableiten und bedeutet Schleicher, tückischer Dieb, Schelm. In diesem Sinne setzt Logau den Lauer dem Biedermann entgegen. Vergl. Lessings Schriften VIII. 188.) ist bald gerathen;
So dreh' ich dir den Hals, mein Sohn,
Und esse dich für einen Braten.«

O Herr, das lohnte wahrlich nicht
Die Mühe, nur den Tisch zu decken;
Bin gar ein kleiner magrer Wicht,
Ich blieb' Euch zwischen den Zähnen stecken,
Bis in den Magen käm' ich nicht.
Mein guter Junker, laßt mich leben!
Was hättet Ihr von meinem Tod'?
Euch kann er wenig Vortheil geben,
Und mir ist länger leben noth.
Am End' ist doch nichts über leben!

»Hör' auf zu bitten, sag' ich dir;
Mit Bitten kriegt man nichts von mir.«

Nun (spricht der Vogel) seh' ich wohl, 77
Das alte Sprichwort ist nicht hohl:
Mit groben Leuten höflich seyn,
Heißt Wasser gießen auf einen Stein;
Der Stein wird nicht durch Wasser weich,
Der Laur nicht mild durch Höflichkeit.
Doch sagt ein andrer Spruch zugleich:
Der Weise schickt sich in die Zeit.
Drum, Lieber, macht den Bauer auf
Und laßt mir wieder meinen Lauf:
Will euch zum Dank drei Dinge lehren,
Die nie ein Mann von eurem Stamm
Gewußt, von Sinn gar wundersam;
Die sollen Euch groß Gut gewähren!

»Was gibst du mir zum Unterpfand?«

Mein Ehrenwort, versetzt der Sänger;
Es gilt für bar im ganzen Land.

Wohl, denkt der schlaue Vogelfänger,
Es kann doch was dahinter seyn;
Ich nehm' es mit, kann Alles brauchen:
Und du, hochweises Vögelein,
Sollst dir die Füßchen bald verstauchen;
Bis morgen bist du wieder mein!

Somit schiebt er den Bauer auf
Und läßt dem Vogel seinen Lauf.

Der schnurrt heraus aus seiner Höhle,
So froh wie eine arme Seele,
Die aus des Fegfeurs Flammennacht
Ein frommer Klausner frei gemacht. 78
Er hüpft und tanzt im Kreis' umher,
Als ob er neu geboren wär,
Setzt dann, indeß der Junker paßt,
Sich wohlgemuth auf einen Ast.

Nun spitz' die Ohren, edler Knecht!
Merk jedes Wort und fass' es recht,
So wird dir's bringen viel Gewinn,
Es liegt darin ein großer Sinn!
Glaub nicht gleich Alles, was du hörst!

»Daß du dem Geier im Schnabel wärst!
Versetzt der Junker grimmiglich;
Das wußt' ich lange ohne dich!«

Gut, bis du's brauchst, halt's warm indessen!
So etwas ist gar leicht vergessen.

»Nun seh' ich wohl, mein saubrer Gast,
Daß du mich nur zum Besten hast.
Das Erste, was du mich gelehrt,
Ist keinen rothen Heller werth!
Du hast den Lohn umsonst genommen.
Doch sey's! laß nur das Andre kommen!«

Merk wohl aufs Wort, (der Vogel spricht)
Du wirst es brauchen! – Weine nicht
Um etwas, das du nicht gehabt!

Hans schreit: »Da haben wir's ertappt!
Ein fein Arcanum, Gott verdamm' es!
Daß ich der erste meines Stammes
Seyn sollte, der von dir das noch 79
Erst lernen müßte! Hätt' ich doch
Den Schelmenhals dir umgedreht!«

Der Wunsch (spricht jener) kommt zu spät.
Indessen, daß du sehen magst,
Wie ungerecht du mich verklagst,
Sey nochmals beides dir empfohlen!
Soll ich dir's etwa wiederholen?
Von Herzen gern. –
                              »Du mußt mich wohl,
(Schreit Hans) um so mit mir zu walten,
Für einen großen Esel halten!
Denn, hätt' ich auch ein Haupt von Kohl,
Mit Spreu gefüllt, so kahler Lehren,
Zum Henker! könnt' ich doch entbehren.
Doch, weil du nun im Vortheil bist,
Lass' immer noch das Letzte hören!
Wer weiß, ob's nicht das Beste ist?«

Das, spricht der Vogel, könnte seyn.
Nur fass' es wohl! – Es gleicht dem Stein
Der Weisen. Wer den machen kann,
Der wird gewiß kein armer Mann!
Merk' auf mit Fleiß! wiewohl es heut
Zu spät kommt, kann's zu andrer Zeit
Dir viel vergebliche Reu' ersparen.
Narr, was du in den Händen hast,
Halt fest und lass' es nimmer fahren!

Wie Hans dieß hört, ergrimmt er fast.
So, schreit er, hältst du dein Versprechen? 80
O! könnt' ich dir die Beine brechen!
Ist dieß dein Wort, ist dieß mein Dank?«

Nun, guter Freund, was soll der Zank?
Gab ich dir nicht drei goldne Lehren?
Was kannst du wohl noch mehr begehren?

»Ein fein Geschenk, bei meiner Treu!
Man dächte, was dahinter sey!
Ich wußt' in meinen Kindertagen
Dergleichen schockweis' aufzusagen.«

So gut als irgend eine Gans,
Versetzt der Vogel. Mein guter Hans,
Die Augen aus dem Kopf gegeben
Mit Freuden hättest lieber du
Und beide Ohren noch dazu,
(Wärst du gescheidt) als mir das Leben.

»Wie so? wie so? Was hätte mir's
Geholfen, dich zum Koch zu tragen?«

Gar viel geholfen hätte dir's,
Unglücklicher! In meinem Magen
Hättst du gefunden einen Stein,
Drei Unzen schwer und hell an Schein
Wie Diamant, der auf der Stätte
Zum reichsten Mann gemacht dich hätte.
Denn, wer den Stein besitzt, der weiß,
Was künftig ist, und was vergangen;
Die Geister kommen auf sein Geheiß;
Er darf nur wünschen, nur verlangen,
So steht es da, ist Alles sein! 81
Dein guter Engel gab dir ein
Mich heute noch am Spieß zu braten;
Hättst du gefolgt, der Stein war dein!
Doch einem Narrn ist nicht zu rathen.

Hans, wie er diese Nachricht hört,
Sich wüthend in die Haare fährt,
Schlägt mit der Faust sich vor den Magen,
Zerreißt sein Wamms und seinen Kragen
Von Spitzen, hundert Thaler werth,
Und füllt den Wald mit lauten Klagen.

Der Vogel sieht in großer Ruh
Dem Spuk von seinem Baume zu;
Sagt nicht ein Wort, bis Mantel, Kragen
Und Wamms und Wange, Bart und Haar
Sich Hans zerfetzt hat ganz und gar.
Drauf ruft er: Narr, hör' auf zu zagen;
Der Schade darf dich so nicht plagen;
Es ist kein Wort von Allem wahr,
Was ich vom Stein dir vorgetragen.

»Wie? was? So wär's nur Lug und Trug?«

Du sagtest ja, du seyst so klug,
Man könne dir nichts Neues sagen?
Du wissest Alles schon vorher?
Als du mich fingst, du dummer Bär,
Da war ich keine Unze schwer;
Wo käme denn in meinem Magen
Ein Kiesel von drei Unzen her?

»Nun seh' ich's freilich nur zu sehr, 82
Erwiedert Hans mit nassem Blicke;
Wer aber hätt' auch solche Tücke
Dir zugetraut?«
                          Begreifst du nun,
Wie Narren sich selber Schaden thun?
Thor! Worte sind nur leere Schalen;
Der Sinn ist Alles, der Sinn, der Sinn!
Allein für dich ist keiner drin!
Die Lehre magst du nun bezahlen!
Du wußtest Alles längst zuvor –
Was half dein Wissen? Pinsel, Thor!
Hättst du verstanden es auszuüben,
Dein Kragen und Wamms wär ganz geblieben!
So merk nun meine Lehren dir
Und sieh dich künftig besser für.
Sie kommen dir hoch genug zu stehen!
Hiermit leb wohl, auf Wiedersehen!

Der Vogel flog davon und soll
Noch wieder kommen. Dumm und toll
Steht Hans; ihm ist, als ob ihm träume;
Und, wie er steht, o, wundervoll!
Fällt alles Laub, die schönen Bäume
Verdorren plötzlich rings umher.
Die schöne Quelle springt nicht mehr,
Die Blumen sterben all' im Keime,
Weg ist das ganze Feenland,
Und ihm bleibt nichts als dürrer Sand.

 


 


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