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Zwölfter Abschnitt.


Winter in den Bergen, Frühling im Herzen.

 

Als der gute Klas am Vorabende seines Namenstages die Märkte unserer Ländleins besuchte und daselbst seine Einkäufe besorgte, da hatte er bereits einen dichten, flaumigen Pelzmantel um.

Das tat auch not; denn der Winter versteht in den Bergen keinen Spaß und damals hatte er bereits seinen siegreichen Einzug gehalten und alles schonungslos niedergetreten, gefesselt und geknebelt und mit seinem Tuche überdeckt, was irgendwie Miene gemacht hatte, sich seiner Herrschaft zu widersetzen.

Unser Bächlein neben dem Schneckenhause war so fest gefroren, daß man täglich mit der Axt ein Loch schlagen mußte, um das unentbehrliche Wasser heimtragen zu können.

Und stand es in der Küche, so langte der boshafte Winter auch da herein, also daß es selbst im Holzschaff erstarrte und vor dem Gebrauche auf dem warmen Ofen aufgetaut werden mußte.

Uns Kindern wehrte der Neiding den Ausblick, indem er alle Fenster zolldick mit Reif behängte, den wegzuhauchen und wegzuwischen nicht wenig Mühe kostete; und brachten wir endlich ein halbwegs anständiges Gucklöchlein zustande, ei, so war nichts draußen als eitel Schnee und wieder Schnee, soweit das Auge reichte.

Die himmelanragenden Berge hingen voll weißer Tücher, der ganze Marktplatz samt dem sich hinter ihm ins Unermeßliche dehnenden Felde war eine einzige, gewaltige Schneefläche, die ferneren Waldtannen waren erbarmungswürdige Lastträger geworden, die Kastanien vor dem Hause und die Obstbäume hinter dem Hause hatte der Frost selbst in den zartesten Zweiglein mit glänzendem und in der roten Sonne glitzerndem Mehle bestäubt, die Häuser der Nachbarn hatten alle schuhdicke Schneedächer und Eiszapfenbärte, und die rauchenden Schornsteine trugen berußte Pelzmützen und schnitten uns Gesichter durchs Gucklöchlein in die Stube.

Den viellieben Vögelein war das alles schon lange zu dumm geworden, und so waren sie alle fortgeflogen vor dem unwirschen, nötigen Gesellen. Nur ein verlassenes Meislein pickte hie und da ans Fenster oder ging willig in den Schlag, den wir aus markigen Hollunderzweigen gefertigt, mit Hanfsamen belegt und mit Trugstängelein gespreizt hatten, und etliche Krähen schwangen sich schweren Flügelschlages und mit dem Schrei des Hungerwehes über den Marktplatz der »Kogenau« zu, wo der Schinder verendete Tiere zu verscharren pflegte.

Menschen und Tiere, die vorübergingen, rauchten aus dem Munde und von den Tritten der Eilenden und vom Drucke der Schlitten knarrte der Schnee, und wenn wir es uns in unserer Ungeschicklichkeit und in unserm Fürwitze einfallen ließen, die eiserne Schnalle oder den Klopfer der Haustüre zu belecken, so froren unsere Zünglein augenblicklich fest und konnten nur mit schmerzendem Rucke und unter Blutvergießen freigemacht werden.

Und es wurde immer ärger von Tag zu Tag!

Fürchterliche Stürme warfen den Schnee in so dichten Massen gegen unser Häuslein, daß wir uns oft mit der Schaufel einen Weg zur breiteren Straße oder zum Bächlein bahnen mußten, und die Kälte wurde endlich so grimmig, daß die Rede ging, es sei der ganze Bodensee zugefroren und man könne aus dem berühmten Bregenzer Hafen anstatt zu Schiffe mit Schlitten und Pferden über die grausige Tiefe hin in vier Reiche fahren, nach Bayern, Württemberg und Baden und ins Freiland der Schweiz.

Die Eva aber, die mit ihren vollen, roten Wangen jetzt der erfrornen Sonne so ähnlich sah, als sei sie ihre Schwester, die sagte uns, wenn wir nie vom Ofen herab wollten, das sei noch gar nichts, wenigstens habe es uns noch nicht eingeschneit.

»Ja,« sagte sie, »im Birg droben, da ist's jetzt böse, und wenn sich die Leute nicht früher schon ein Essen eingetan hätten für den langen Winter, so müßten sie nun elendiglich verhungern; denn da oben hat es euch so viel Schnee, daß er bei den Häuslein weit übers Dach geht, und der Pfarrer muß sich im Schnee einen Gang zur Kirche graben, sonst könnt' er nicht einmal Messe lesen, ja, und im letzten Winter hat er sogar die Kirchstühle verbrennen müssen, weil ihm das Holz ausgegangen ist und er nicht hat erfrieren wollen.

Und denkt nur einmal, wie das arme Jesukindlein im Stalle zu Bethlehem hat frieren müssen, wie es so mitten im Winter im offenen Stalle ist gelegen und hat nichts angehabt, als ein paar armselige Windeln!«

So sagte die Eva, und da wir hörten, wie es andern Leuten noch viel schlechter gehe als uns und wie das arme Jesulein in seiner Unschuld für uns Sünder so vieles habe leiden wollen, da schämten wir uns unserer Weichlichkeit, sprangen vom Ofen herab und eilten, dem Sausewind tapfer entgegenkämpfend, unserer Beschäftigung nach, in Kirche, Schule oder Fabrik.

Es gab aber auch mildere Tage mit all den Vergnügungen, deren auch diese Jahreszeit nicht völlig ermangelt, mit Schleifen und Schlittenfahren, mit Schneeballschlacht und Schneemannbau, und wenn in der allzulangen Winternacht jegliche Freude erloschen schien, so flammten in den kirchlichen Festen Lichter auf, die jedes gläubige Herz mit den Wonnen der Sehnsucht und des erlangten Heiles erfüllen mußten.

Die Kirche läßt uns des Heiles Verlust und Wiedergewinn im Scheiden und Kommen des großen Himmelsgestirnes ahnen und spricht, indem sie ihre Feste den Jahreszeiten anpaßt, wie der göttliche Lehrmeister in leicht faßbaren Gleichnissen zu uns.

In den Spätherbst, da alles Leben der Natur erstorben ist und dichter Nebel jeden Ausblick in eine glücklichere Ferne verwehrt, verlegt sie ihr großes Totenfest, also daß wir anschauend erkennen, es sei vor dem Herrn alles Lebende gleich dem Grase, das der Wind dörrt und verweht, und wie das Blatt sterbe, das sich von seinem Stamme getrennt habe, so sei die Abkehr der Menschheit von ihrem Urquell der schreckbarste Tod, des Geistes Umnachtung und Verderbnis.

Eine lange, bange Nacht hält uns hierauf in Stadt und Haus gefangen. Sie dehnt sich und reckt sich und scheint den Tag völlig verschlingen zu wollen, also daß oft nur wenige Stunden einer zweifelhaften Dämmerung vermuten lassen, es sei uns die belebende Sonne nicht völlig und für immer entschwunden.

So herrschte durch Jahrtausende die Nacht des Heidentums und der geistigen Wirrnis auf Erden, die Mächte der Finsternis und der sittlichen Fäulnis hatten Gewalt über alles Leben, Verzweiflung und Selbstvernichtung wäre der Menschheit Los gewesen, hätte sich nicht der erbarmende Gott in seinen Sehern geoffenbart und in den wenigen Edlen den Hoffnungsfunken, es werde die überirdische Gnadensonne wiederkehren, fortglimmen lassen.

Es mußte aber bei der zunehmenden Verderbnis die Sehnsucht nach einem Umschwunge, die Sehnsucht nach dem rettenden Erlöser ebenso zunehmen, wie das Sehnen nach der Sonnenwende wächst, je trauriger und trostloser die Nacht des Spätherbstes alles zu umfangen droht.

Und wie der geringste Lichtblick die Sehnsucht steigert und in Hoffnung wandelt, so schauen wir dem ersten anhaltenden Schnee, der doch Licht vom Lichte ist und die lange Nacht erträglicher gestaltet, mit einiger Zuversicht entgegen, und darum ruft auch die Kirche, wenn Andreas, der erste der erwählten Heilsverkünder, die Landschaft in eine blendende Schneedecke hüllt, den Gerechten aus den Himmeln:

»Tauet, Himmel, den Gerechten,
Wolken regnet ihn herab!«

Es fehlt nun im religiösen Leben so wenig wie in der Natur an Lichtblicken, und während wir die Tage erwartend zählen, bis der Herrschaft der Nacht Stillstand geboten würde und das Wachsen ihres Reiches ein Ende nähme, verkündet bereits Nikolaus, der Kinderfreund, daß alle Menschen Kinder Gottes seien, und bald darauf vernehmen wir die frohe Kunde, wie der Gerechte unseren Ruf gehört und sich auf Erden eine königliche Wohnung bereitet habe.

Das Stillstehen der Nacht versichert uns, daß der Kampf mit der Finsternis ernstlich begonnen hat, und – horch! allbereits ertönt auch schon der Feierklang der Weihnachtsglocken. Sie begrüßen das geliebteste der Kinder und melden mit frohem Schalle, es habe der Herr der Heerscharen Knechtesgestalt angenommen, um Frieden zu bringen den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind.

Zwölf Tage dauert der Kampf, bis das Sonnenlicht durchzudringen vermag und wir des Tages Wachsen mit Wonne gewahren; zwölf Tage nach der Geburt des Herrn liegen die Könige anbetend vor der Krippe des Allheilenden und in ihnen alle Länder und alle Völker der Erde und alle Lebensalter der Menschen.

Allgewaltig ist die irdische Sonne. Sie tötet den Tod, sie löst alle Fesseln, sie lockt der Blümlein zahllos Heer aus nachtdunkler Erde ins heitere Reich der Farben. Ihrer gedenken wir, wenn wir mitten im Winter, den Frühling ahnend, den Fackelbrand schwingen und den Funkenbaum auf dem Berge und im Tale in Flammen setzen.

Aber allgewaltiger noch ist die himmlische Gnadensonne. Sie raubt der Hölle ihre Wehr und dem Tode seinen Stachel, sie sprengt die Grüfte und begründet eine neue Weltordnung, das Reich des Lebens in werktätiger Liebe, gottinnigem Gebete und in der Abkehr vom tötenden Dienste der Sinne. Ihrer gedenken wir, wenn wir zur Lichtmesse der Lichtlein unzählbare Schar in Händen tragen.

Der liebe Leser braucht nun nicht zu glauben, daß ich damals schon obige Betrachtung anstellte, als ich in dem vom Klas gespendeten Meßgewande täglich meinen eigenen Gottesdienst hielt, oder daß uns die Eva auf obige Weise in den Geist der kirchlichen Feste einzuführen versuchte.

Die gute Eva mag dergleichen wohl geahnt haben; wir aber hielten uns, wenn ich die Wahrheit gestehen soll, als Kinder mehr ans Äußerliche, an den Glanz der Feste, an des Volkes Gebräuche und Gewohnheiten, und so war es denn, als die heilige Nacht nicht mehr lange auf sich warten ließ, unser erstes, daß wir mit Evas und des Stiefbruders Beihilfe eine Krippe bauten, so schön, wie im Schneckenhause noch keine gesehen worden war.

In ein Brett, das des Kunstwerkes Boden abgeben sollte, steckten wir Stäbchen von unterschiedlicher Höhe und hängten ein Stück rohen Baumwollstoffes darüber, also daß, nachdem wir das Tuch mit Leim bestrichen und mit Sand beworfen hatten, die hinter dem Stalle von Bethlehem aufragenden Berge gar anschaulich in die Erscheinung traten.

Zierliche Holzgeländer deuteten die Wege an, die zur Höhe führten, wo sich die papierene Stadt mit ihren Zinnen und Türmchen in die Breite dehnte, und auf den Wegen eilten papierene Krämer, Botenweiber, Holzschläger und andere Reisende gar geschäftig talab oder bergauf. Wo ein Plätzchen sich ebnete, da pickten wir grünes Moos und Bäumchen aus Hobelspänen hin und ließen Holzschäfchen werden und sorgsame Hirten ihre Schützlinge bewachen; wo eine Felsspitze schwindelerregend in die Lüfte starrte, da stand eine wachsame Gemse oder es saß ein Adler in seinem Horste; über der Stadt aber mit ihren vielfarbigen Lichtlein in den säuberlich ausgeschnittenen Fenstern schwebte in wallendem, weißem Gewande der Engel, der mit seinem fliegenden Bande Gott pries und den Menschen das Heil verkündete.

In der Mitte des Vordergrundes bauten wir aus Rindenstücklein einen offenen Stall und deckten ihn mit Stroh, und in der Krippe lag das Kindlein, das uns die Weberburga geschenkt hatte.

Maria saß, in Anbetung versunken, neben ihrem Sohne und der heilige Josef stand, nachdenklich staunend, ihr gegenüber; Ochs und Esel aber hauchten mitleidig auf das arme, frierende Jesulein, das aus Liebe zu uns auch alle unsere Leiden mittragen wollte. Die Hände der knieenden Hirten aber waren durch unsichtbare Fäden mit einem hinter der Stadt Bethlehem verborgenen und durch die Schwere des aus einem Schachte rieselnden Sandes sich drehenden Rade verbunden und hoben und senkten sich zu frommem Gebete.

Wie nun die Krippe so bereitet war, da kam auch schon der heilige Abend mit all seinen Freuden und Wundern.

Ein Kirschzweig, den wir vor Wochen in ein Wasserglas gesteckt hatten, war am Abende in all seiner frühen Frühlingspracht aufgeblüht, und da nun auch die Senza aus ihrer Schweigsamkeit heraustrat und mit ungewohnter Hartnäckigkeit die Ansicht äußerte, es konnten in der heiligen Nacht selbst die Tiere reden, so waren wir wahrhaftig wie im Paradiese.

Dazu fehlte auch nicht das süße Birnbrot, das die Eva, für jedes einen Laib, gebacken hatte, und als vor dem Kirchengange zur inneren Erwärmung ein dampfender und ausnahmsweise gezuckerter Kaffee auf den Tisch kam, da hätten wir mit keinem Könige getauscht.

Wunderherrlich war auch der Kirchgang selber!

Als wir, durch gestrickte Wolltücher gegen die Kälte geschützt, ins Freie traten und in der sternhellen Nacht Umschau hielten, da zeigte sich das Wunder, daß auch die Sternlein zur Kirche wollten.

Auf den Höhen ringsum erglänzten sie und verschwanden sie und flimmerten wieder auf und wandelten talab und wurden immer größer und größer und waren endlich Pechfackeln, welche die Bergleute trugen, um des Weges im tiefen Schnee nicht zu verfehlen.

Dazu läuteten alle Glocken, die Priester lobten in Psalmen den Herrn, die mächtigen Töne der Orgel brausten und stürmten durch die gotische Wölbung, Lichterglast erfüllte die Kirche und spielte geheimnisvoll auf den Borten der Prachtgewänder sowie auf der goldenen Monstranze, und wie wir vor dem gebornen Gotte in Demut und Dank die Knie beugten, da war unser Glaube um nichts geringer, als jener der Hirten im Stalle zu Bethlehem.

Als das Fest der heiligen Nacht sein Ende erreicht und die letzte duftende Weihrauchwolke sich über den Häuptern der Gläubigen verflüchtigt hatte, da zündeten die Bergleute auf dem Kirchenplatze ihre Fackeln wieder an und wallten bergauf und die Fackeln wurden zu schwebenden Lichtern und glitzernden Sternlein und erloschen endlich in den Höhen, indes wir dem Schneckenhause zueilten, des lange entbehrten, süßen Schlafes begierig; doch als wir schliefen, leuchtete die Flammenschrift der göttlichen Liebe, leuchteten die ungezählten Millionen Fackeln des Himmels immer noch in wundersamer Klarheit auf die friedliche, ruhende Erde und umtanzten nach geheimnisvollen Weisen die beglückte Menschheit.

Und dann reihte sich Fest an Fest.

Am Tage des heiligen Johannes tranken wir Gottesminne; der heilige Sylvester jagte uns, altem Brauche gemäß, früh aus dem Bette und brachte uns, die des neuen Jahres plötzliches Kommen erlauschen und dem jungen ins rosige Antlitz schauen wollten, nur schwer unter die flaumige Decke; des Jahres erster Tag brachte uns vom Taufpaten große Ringe aus Eierbrot, die wir uns an den Hals hängten und im Selbstgefühle unserer Wichtigkeit stolz nach Hause trugen; das Fest der heiligen drei Könige veranlaßte uns, mit Bewilligung unserer neuen Mutter als Sternsinger in die Nachbarhäuser zu gehen und als fromme Reisende den Heiland zu suchen.

Im Erdgeschoße unseres Schneckenhäuschens hatte sich ein altes, buckeltes und kropfiges Tirolerweiblein eingenistet. Das sammelte den Sommer über in den Bergen die Wurzeln des Enzians und die Beeren der Wacholderstaude, im Winter zog es aus ihnen gesundheitsförderliche, heilbringende Schnäpse ab und davon gewann es seinen Lebensunterhalt.

Dieses Weiblein nun besaß nicht nur eine große Bücherei, wenigstens dreißig jener herrlichen Büchlein, die zu Reutlingen »in diesem Jahre« zu erscheinen pflegen und von wandernden Krainern ins fernste Alpendorf zu Markte getragen werden, sondern es wußte auch ein »feines« Dreikönigsspiel auswendig.

Das nun sagte uns die Flirscher Ploni, so hieß sie, mit ihrer gequetschten Gurgelstimme so lange vor, bis wir's inne hatten und also nicht nur großen Ruhm sondern auch etliche Kreuzer zu erwerben verhoffen konnten.

Da mein Brüderlein noch zu klein war, um der Rolle eines Königs gerecht zu werden, so durfte es, mit einem Kohlenbarte im Gesichte, den Stern an der Stange drehen und die Sammelbüchse tragen; ich aber als Kaspar nahm drei Gespielen aus dem Hause des Hafnermeisters, deren einer sein Gesicht mit Mehl bestrich und eine Hanfperücke aufsetzte und so als greiser Melchior in die Erscheinung trat, während der Balthasar sich mit Kienruß und Fett in einen wackern Mohren verwandelte und Herodes mit Königsmantel und goldener Krone einherschritt und durch hämisches Gesichterschneiden die verstockte Bosheit seines Herzens genugsam offenbarte.

Also trat ich, wo immer es nur gestattet wurde, unser Spiel zu zeigen, mit Meßgewand, Bischofsmütze und goldenem Stabe mutvoll mitten in die Stube, blickte suchend um mich und hub an:

»König Kaspar bin ich's genannt,
Komm' daher aus fremdem Land,
Komm' daher in großer Eil –
Vierzehn Tag' – fünfhundert Meil'!
Melchores,
Melchores, tritt du herein!«

Darauf hatte der greise König Melchior vor der Stubentür eben gewartet, und während ich bescheiden in eine Ecke zurückwich, kam er langsam und würdevoll herein und sprach also:

»Ich tret' herein durch diese Tür
Und mach' das heilig' Kreuz dafür,
Das heilig' Kreuz mit Gottes Segen,
Das uns Gott Vater hat gegeben.
Balthores,
Balthores, tritt du herein!«

Also trat Melchior zu mir in die Ecke und flüsterte mir zu, er habe es im Sacke des Hausvaters bereits annehmlich klingen gehört; der Mohrenkönig aber kam mit starken Schritten herein, warf seinen roten Mantel kühn über die linke Schulter, rollte seine Augen, also daß die Kleinsten der Zuschauer zu weinen begannen und ließ sich also vernehmen:

»Ich tret' herein mit meiner Geiß,
Möcht' wissen wie die Hausfrau heißt.
Die Hausfrau heißt Frau Pfefferkern,
Weihnachtszelten essen wir gern.«

So sang und sprach König Balthasar; da sich jedoch die Geiß bei der Probe als sehr stößig erwiesen hatte, so hatten wir sie wohlweislich im Stalle gelassen, und der Mohr erlaubte sich des zweifelhaften Reimes halber das widerspenstige Ding trotz seines Fernbleibens zu nennen – eine poetische Freiheit, die um so lieber verziehen wurde, als wir es verstanden, die Aufmerksamkeit durch den ferneren Verlauf des Spieles völlig zu fesseln.

Wie sich nämlich etliche Zuhörer nach der Unglücksgeiß umsahen, traten wir aus der Ecke vor, vereinten uns mit unserem königlichen Bruder, knieten nieder, falteten unsere Hände und sangen:

»Wir heil'gen drei König' mit unserem Stern,
Wir wollen jetzt singen und Jesum verehr'n.
Wir finden ein Kindelein nackend und bloß
Und legen's Maria, der Mutter, in Schoß.«

Als wir so im besten Singen waren, da tat es vor der Türe ein Gepolter, sie öffnete sich zu einer Spalte, als wäre sie ein Fensterflügel, der grimmige Herodes guckte mit dem Gesichte eines argen Bösewichtes herein und sagte mit dumpfer Stimme:

»Was ist das für ein schwarz Gesicht?
Das schwarz Gesicht ist uns wohl bekannt,
Es ist ein König aus Mohrenland«.

Hatten wir uns so gegenseitig erkannt, so schlossen wir, unseres heiligen Zweckes ganz vergessend, Freundschaft, wandten uns weltlichen Dingen zu und baten, während das Brüderlein mit der Büchse herumging, in fröhlich drängendem Tonfalle um den Lohn unserer Bemühungen:

»Jetzt ist's halt gesungen und jetzt ist's halt gar,
Jetzt wünschen wir nichts als glückselig's Neujahr!
Glückselig's Neujahr ist wohl fröhliche Zeit,
Die gibt uns Gott Vater, Gott Sohn und Gott Geist.
Ich hab' schon g'hört den Schlüssel klingen,
Man wird uns zwei, drei Kreuzer bringen,
Zwei, drei Kreuzer sind nicht g'nu',
Es g'hört noch Zelten und Schnaps dazu!
Es fliegt ein Vögelein über Feld,
Wir nehmen nichts als Fleisch und Geld,
Wir nehmen nicht Mehl, wir haben kein' Sack,
Die heil'gen Dreikönige tragen nie einen Pack.«

Das war des Spieles fröhlicher Schluß, und da unserem bescheidenen Begehren vollauf willfahrt wurde, pilgerten wir samt dem bösen Herodes und dem winzigen Sternträger von Haus zu Haus, bis Füße und Magen den Dienst versagten und es uns geraten schien, unsere Herberge aufzusuchen.


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