Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elfter Abschnitt.


Woraus sich ergibt, daß wir mit dem unzufriedenen Heiligen sehr zufrieden waren.

 

»Kinderjahre, Kindertage,
Seid gegrüßt viel tausendmal!
Nie mehr lächelte so helle
Je mir Glückes Sonnenstrahl!«

Diese und noch viele andere Verse, mit denen ich meine Leser verschonen will, habe ich bereits vor mehr als zwanzig Jahren verbrochen, woraus sich ergibt, daß sich im Menschen die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradiese schon frühzeitig regt, besonders wenn einer wie ich die Leiter des Lebens unter tausend Entbehrungen hinaufklettern und auf jeder Sprosse nach Hilfe ausspähen und das Käpplein hinhalten muß. Vergl. »Aus der Mappe eines Volksfreundes,« 3. Aufl., S. 182 ff.Also schilderte auch ich in einem Gedichte, das mit obigem Gesätzlein anhebt, die Tat des heiligen Nikolaus, von der ich hier in ungeschminkter Prosa berichten oder vielmehr die Base Eva berichten lassen will.

Wie nämlich im selbigen Jahre, in dem wir uns so schön zusammengefunden hatten, die Schwalben und die Studenten längst fortgezogen waren, wie die Tage immer mehr einschrumpften gleich einem sich selbst überlassenen Blasebalge und die Nächte anschwollen gleich einem wohlgesäuerten Strudelteige auf dem warmen Herde, wie der Reif schon fast jeden Morgen auf dem Marktplatze glitzerte, da warfen wir Lohe und Wurzelholz in den Freund Ofen, setzten oder legten uns nach dem Nachtessen hinauf und schauten von dem brennheißen Kachelberge aus der Eva zu, wie sie den Haspel drehte, die Püppchen aufsteckte und die fertigen Schneller abnahm, und quälten sie mit unermüdlichem Bitten und Händezusammenschlagen und mit dem Versprechen, alle Kindestugenden üben zu wollen, so lange um eine Geschichte, bis sie anhub:

»Nun so gebt recht Obacht, ihr unverschämten Bettler; ich will euch etwas vom Klas erzählen!

Daß der Klas die Kinder bringt und daß er sie gerne bringt, obschon es ihm Mühe genug macht, wenn ihn manche Eltern gar so nötigen und er überall zugleich sein soll, das wißt ihr ja schon.«

Natürlich, das wußten wir schon längst und wollten's nicht noch einmal hören!

Also fuhr die Base fort:

»Gut also! Und nun hätte man meinen sollen, der heilige Klas, der vom lieben Gott selber dieses schöne Ämtlein erhalten hatte und wohltun konnte nach Herzenslust, der wäre jetzt vollauf zufrieden gewesen und hätte weiter keinen Wunsch gehabt.

Aber da hätte sich einer schön betrogen!

Der Klas hatte nämlich wie jeder ordentliche Christ auch seine Feiertage, an denen er nur im Himmel weilte, Gott lobte und pries und am Nachmittag in dem herrlichen Himmelsgarten lustwandelte, wie es die Heiligen alle machen in der ewigen Seligkeit.

Nun dauerte es aber nicht gar lange, nachdem ihm verstattet worden war, auch ferner des Wohltuns zu pflegen, da schlich er an solchen Ruhetagen gar trübselig auf den schönen Gartenwegen, die mit Goldsand bestreut sind, einher, hatte die Hände über den Rücken gekreuzt und senkte sein ehrwürdiges Haupt, daß ihm der schneeweiße Bart fast übers Meßgewand hinabhing, was er anhatte, und würdigte die Millionen Blumen in den Beeten, die goldenen und silbernen Äpfel und Birnen und Nüsse auf den Bäumen und die unzähligen künstlichen Springbrunnen keines Blickes und hörte nichts vom Gesang der Nachtigallen im Gezweig und nichts von den Liedern der seligen Jungfrauen und der wunderherrlichen Musik der Engelein und war so in seinen Gram verloren, daß es dem Gottvater auffallen mußte und er ihn anredete:

»Na, guter Nikolaus, hab ich's nicht gesagt, daß ich mit dir meine liebe Not haben werde! Hebe dein Haupt und sage mir, was für ein Kummer drückt dich denn schon wieder?!«

Da entgegnete der heilige Klas, indem er sich mit seinem weißen Ärmel über die Augen fuhr:

»Verzeihe, o Herr, Deinem Knechte, daß er in schnöder Undankbarkeit die Seligkeit, die Du ihm bereitet hast, noch nicht völlig zu genießen vermag!

Siehe, wenn ich an Festtagen, der Ruhe pflegend, die Himmel durchwandle, so weilen meine Gedanken doch immer bei den lieben Kindlein, die ich ihren Eltern gebracht habe, und ich sehe im Geiste jedes in seinen Freuden und Leiden, in seinem Wachsen und Gedeihen oder auch in seinem Kränkeln und Verkommen, und das tut mir so unendlich wehe, wenn ich gewahre, wie armer Leute Kinder so vieles entbehren müssen, während in den Palästen der Reichen und hier in den Himmeln Überfluß ist an allem, was ein Kindesherz begehren mag.

Und so möchte ich nicht nur den Eltern wohltun und das Mutterauge zum reinsten Glücke öffnen, wenn plötzlich ein Engelein auf ihrem Schoße liegt, sondern ich möchte auch gar so gerne den Kindern der Armen wenigstens einmal im Jahre eine recht große Freude machen und sie beschenken mit allem, wonach ihre unschuldigen Wünsche zielen!«

Da mußte der allgütige Herr wieder lächeln und er sagte:

»Wahrhaftig, viellieber Nikolaus, wenn ich dich gewähren ließe, du wärest imstande, mir noch den ganzen Himmel mitsamt allen Heiligen und Engeln zu verschenken!

Aber es soll dir auch dieser Wunsch erfüllt sein!

Nimm also eine Schar der geschicktesten Engel und richte dir eine Werkstätte ein, damit sie einen Vorrat bereiten von allem, was ein Kind erfreuen mag, und bedarfst du etwa der goldenen und silbernen Früchte aus meinen Gärten, so brauchst du nicht zu kargen!

Auf daß aber auch die gewerbefleißigen Menschen auf Erden den Lohn ihrer Mühen und ihrer Kunstfertigkeiten einheimsen und es keinem Neiding einfallen möge, dich wegen Geschäftsstörung zu belangen, so mögen sie jährlich am Vorabende deines Namenstages einen großen Markt abhalten, und da magst du einkaufen, was immer du für deine Schützlinge bedarfst.

Am selbigem Abend auch sollst du sie reichlich beschenken, wie sie's verdienen, und das sei mein Namenstagsangebinde für dich, du im Wohltun unersättlicher heiliger Nikolaus!«

Hei, jetzt war die betrübte Miene des Klas auf einmal verschwunden und er hätte am liebsten laut aufgejauchzt in der überquellenden Freude seines Herzens, wenn sich das bei der Heiligkeit des Ortes und vor dem Antlitze des Himmelvaters geziemt hätte.

Augenblicklich lief er von einer Engelschar zur andern und teilte ihnen sein Vorhaben mit, und auch die selig verstorbenen Kinder holte er herbei und eilte mit allen auf die große Wiese, die sich unmittelbar vor dem großen Himmelstor ausbreitet, und nun hub ein so geschäftiges Treiben an, daß selbst die ernsthafteren Heiligen verwundert ihre Häupter schüttelten und neugierig über die diamantene Mauer hinausschauten, was denn da los sei.

Auf Befehl des heiligen Klas war bald eine gewaltig große Werkstätte errichtet worden mit vielen Abteilungen und Kammern. In jeder führte ein Oberengel über die ihm zugewiesene Schar die Aufsicht, und nun huben die Schuster an zu schustern und die Schneider an zu schneidern, die Schnitzer an zu schnitzen und die Drechsler an zu drechseln, die Maler an zu malen und die Buchdrucker an zu drucken, und Engelein flogen mit den fertigen Herrlichkeiten, mit Schühlein und Stiefelchen, Hemdlein und Röcklein, Mützen und Handschuhen, Bildern und Gebetbüchern, Säbeln und Soldaten, Trommeln und Kanonen, Muhkühen und Pfeifenrößlein, mit Puppen und Wägelchen in die großen Vorratskammern, während andere gar emsig den Arbeitsstoff zutrugen. Wieder andere flogen mit zierlichen Körblein in den himmlischen Gärten von Baum zu Baum und hätten in ihrem Eifer alles geplündert, wäre nicht durch Gottes Fügung jede Frucht augenblicklich wieder nachgewachsen, so oft eine ins Körblein fiel.

Und das alles machte den Engelein und den seligen Kindern, die wußten, es sei für ihre Brüderlein und Schwesterlein bestimmt, solche Freude, daß sie zur Arbeit die schönsten Lieder sangen und die Heiligen sich zunickten und gestanden, jetzt sei es erst recht eine Wonne, ewig im Himmel verweilen zu dürfen.«

»Mir auch, Klas!« rief da der Lorenz vom Ofen herab und die Eva erwiderte:

»Ja freilich kommt der Klas auch zu euch in der Nacht vor seinem Namenstage mit allerlei schönen Sachen, die der Esel trägt, und mit seinem Knechte, dem die dürren Schnitze und die Nüsse und die Lebzelten in einem Sacke über den Buckel hängen.

Aber ihr müßt halt ganz besonders brav sein und zum Klas wacker beten, sonst bringt er nichts als eine Rute und die beißt!«

Da hatten wir's nun gar eilig, ganz besonders brav zu sein, und ich brachte in den nächsten Wochen wiederholt Fleißzettel aus der Schule, die ich dem heiligen Klas in aller Demut und – Uneigennützigkeit vorzulegen gedachte.

Der Friedrich schnitzte jedem von uns ein langes, vierkantiges »Klasenholz« und knüpfte bunte Schlingen daran zum Aufhängen neben dem Weihbrunnkessel, und nun wurde jeden Abend gar ernsthaft zum heiligen Klas gebetet, daß er uns ja nicht vergessen möge, wenn er mit seinen Gaben zur Erde niedersteige, Vaterunser, die fünf Wunden, Rosenkränze und Psalter, und jedes Gebet wurde durch einen Einschnitt nach seiner Art an einer der Kanten des Holzes vermerkt.

Und siehe, der heilige Nikolaus mußte jedenfalls von unserer würdigen Vorbereitung erfahren haben; denn als wir eines Abends wieder auf dem Ofen saßen und mit einem Psalter beinahe zu Ende gekommen waren, da öffnete sich die Türe zu einer Spalte und herein kollerten etliche Nüsse und rotwangige Äpfel und gedörrte Zwetschken, auf die wir, vom Ofen herabpurzelnd, mit hellem Jubel losstürzten.

Aber da machte das Läuten einer Glocke und unheimliches Kettengerassel unser Blut erstarren!

Die Tür öffnete sich weit und herein trat der heilige Bischof in priesterlicher Tracht, eine hohe Silbermütze auf dem Haupte und einen langen Krummstab in der Hand, und hinter ihm der schwarze Ruprecht, der die rasselnde Kette trug und auf seinem Rücken eine Bütte, aus der er die unartigen und ungehorsamen Kinder in die Ill zu schütten pflegte.

Der heilige Nikolaus wandte sich mit freundlichen Worten, die uns jegliche Furcht benahmen, an mich und erkundigte sich, wie viele Sakramente es gebe und wie es mit meinem Glauben bestellt sei; der Ruprecht aber murrte etwas Unverständliches in seinen Bart und schielte drohend nach dem kleinen Lorenz, der sich kurz vorher durch kindlichen Trotz sowie durch das Zerschlagen einer Kaffeeschüssel etwas anrüchig gemacht hatte.

Aber der Lorenz war dem Ruprecht nicht minder gram; denn er wußte nur zu gut, wie mich dieser den Getränken ergebene Knecht in seinem Schwipse behandelt hatte, als er mich unsern Eltern hatte bringen müssen.

Darum griff er flugs nach einem Stecken und gab dem Ruprecht kecken Mutes eines über die Schienbeine, indem er ihn anschrie:

»Du-o-ö-u-o-a!«

Das sollte heißen: »Du hast Josefs Fuß 'brochen!«

Da fühlte sich denn der Ruprecht wirklich schuldig und zog sich verdutzt zurück, und auch der Klas entfernte sich, nachdem er uns den Segen erteilt hatte, mit dem Versprechen, unser am Vorabende seines Ehrentages gedenken zu wollen.

Wie also der lang ersehnte Tag gekommen war und etliche Nachbarn den Klas bereits auf dem Markte herumgehen und einkaufen gesehen hatten, da rüsteten wir uns zu seinem Empfange folgendermaßen:

Nach dem Abendessen räumten wir den großen Eichentisch sorgfältig ab und der Friedrich schrieb auf die Steinplatte mit Kreide in gar zierlicher Schrift einen schönen Gruß in Versen nach seiner eigenen Erfindung, wobei es sich gar lieblich reimte, es möge bringen der Klas Geschenke viel und groß!

Auch sparte er an seinem Spruche die Schnörkel nicht, sondern ließ sie aus jedem Buchstaben wie Wolken oder Schlangen herausfahren, und hierin war er tatsächlich groß.

Hierauf stürmten wir in die Küche nach möglichst weiten und tiefen Tellern und stellten sie auf den Tisch und legten Zettelchen mit unsern Namen hinein, auf daß ja keine unliebsame Irrung unterlaufen möge.

Auch unsere Klasenhölzer kamen dazu und die wiesen jetzt namentlich auf der Vaterunserkante der Kerbe genug auf, ja in meinem Teller lagen außerdem noch die jüngst erworbenen Fleißzettel und meine Schulprämie vom vergangenen Jahre.

Sodann schnitten wir in ein flaches Holzgefäß, eine Brente, Burgunderrüben und Erdäpfel und bestreuten die Mahlzeit reichlich mit Salz und stellten sie neben ein Bündel Heu vor die Stubentür, auf daß sich der Tragesel, das Saumtier des Heiligen, daran erlabe, und mitten auf den Tisch kam eine ganze Maß räßen, prickelnden Apfelmostes zu stehen für den heiligen Spender und seinen Knecht; denn wir gaben uns insgeheim der allerdings etwas unchristlichen Hoffnung hin, der Ruprecht möge leichtlich etwas zu viel hinter die Binde gießen und in seinem Räuschchen beim Fortgehen noch einige Herrlichkeiten gegen seinen Willen aus seinem Sacke gleiten lassen.

Dann legten wir uns, vor Erwartung bebend, allesamt zu Bette und flehten nochmals mit aufgehobenen Händen, der heilige Nikolaus möge doch um Gotteswillen so gut sein und unsere bescheidenen Wünsche erfüllen, welche die kluge Base all die Zeit her in den richtigen Grenzen zu halten und den Absichten des Heiligen gemäß einzudämmen gewußt hatte.

Es dauerte wohl lange, bis uns ein Auge nach dem andern zufiel; denn wir wollten halt doch trotz des Verbotes das Kommen des heiligen Mannes und sein geheimnisvolles Wirken belauschen, und so oft sich ein Mäuslein regte, schraken wir zusammen und hielten den Atem in der Brust zurück.

Endlich aber verfielen wir in einen um so tieferen Schlaf, und wie ich nach etlichen Stunden, die von Hoffnungsträumen erfüllt waren, erwachte, war es so stockdunkel, daß ich bald meine eigene Nase nicht gefunden hätte.

Das ängstigte mein Gemüt einigermaßen; aber der Gedanke, der Klas könnte vielleicht schon dagewesen sein, sowie ein eigentümlich süßlicher Geruch, der nur von himmlischen Leckerlein herrühren konnte, war stärker, und so kroch ich im Hemdlein aus dem Bette und tappte mich leise, leise aus der Kammer in die Stube und griff, während ich meines Herzens Pochen hörte, als sei ein Hammerwerk in meiner Brust, vorsichtig um mich und gegen den Tisch hin und tappte und griff .... und tat einen Jauchzer, in dem sich die größte Freude offenbarte, die mein junges Herz je empfunden hatte.

Denn .... denkt euch nur, der Klas war wirklich dagewesen und hatte wirklich eingelegt, und wo immer ich hingriff, da war alles voll von Herrlichkeiten, die mein Auge noch nicht gesehen und die doch selbst einen Blinden hätten überglücklich machen müssen.

Durch meinen Freudenschrei erwachten alle Hausbewohner und die beiden Basen kamen mit einem Wachslichte herbeigestürzt und schlugen die Hände zusammen vor lauter Verwunderung und der Friedrich kam schnell aus seinem Kämmerlein und suchte seinen Teller und der strampfelnde und sich an die Tischkante anklammernde Lorenz wurde in ein Wollröcklein gesteckt, auf daß ob der Freude die Gesundheit nicht außeracht gelassen werde.

Mein Gott, was gab es da für Wunderdinge zu schauen!

Alle hatten wir die Teller mit Früchten und etlichen Zuckerlein gehäuft voll und auf den getürmten Berglein prangte je ein Lebzeltenklas und ein zierlich geflochtener, braungelber, glänzender Eierzopf.

Und wie wir genauer zusahen, da hatten die beiden Wohltäter richtig die ganze Maß Most ausgetrunken und der Ruprecht hatte noch ein paar Birnschnitze und einige vergoldete Nüsse auf den Boden gestreut und der Esel hatte die Brente rein ausgeleckt und das Heu aufgefressen!

Und an unsern Klasenhölzern waren die Kerbe jener Gebete, die wir mit geringer Andacht verrichtet hatten, breiter geschnitten und auf meinen Fleißzetteln stand, mit himmlischem Bleistifte geschrieben:

»Gesehen, Nikolaus!«

Und als wir unsern Mund vollgepfropft und die wundersame Güte der aus den himmlischen Gärten und aus den himmlischen Zuckerbäckereien stammenden Dinge genugsam angestaunt hatten, da probte die Base Senza ihren seidenen Kopfputz mit den zarten Fransen vor dem Spiegel und sagte:

»Ei, ei!«

Das war nun freilich keine lange Rede, aber es lag in ihr mehr Wonne und Glück, als in dem stundenlangen Geplausche irgend eines Salbaders.

Die breiten Hände des Friedrich schlüpften mit Wohlbehagen in ein Paar dicker Handschuhe und streichelten die Wangen des Hauptes, zu dem sie nun einmal gehörten.

Der Lorenz rannte wie wahnsinnig quer durch die Stube und schlug auf seine Klasentrommel, als wolle er den im Untersberge schlafenden Kaiser Karl zur Befreiung der gesamten Christenheit aufwecken und gegen den Widerchrist in den Kampf schicken.

Ich stellte mir mit meinen Bleileuchtern und meinem Messingkelche einen Altar zurecht, kleidete mich feierlich in ein von Gold schimmerndes Meßgewand, legte das wahrhaftig echte, ganz lateinische Meßbuch auf das neue Kissen und las noch mitten in der Nacht und lange bevor mein Herr Pfarrer unter Glockengeläute zum Altare schritt, zu Ehren des heiligen Nikolaus von Myra, der uns durch seine Unzufriedenheit so sehr befriedigt hatte, ein feierliches Hochamt.

Hierbei ärgerte ich mich nur über meine Brüder ein wenig; denn der Lorenz war noch zu dumm, als daß er mir hätte dienen können und mußte zudem auf seiner Trommel Orgel spielen und der Friedrich – nun der war auch noch zu dumm, und so mußte ich, da ich die Weiber strenge vom Altare fortwies und zum Schweigen verurteilte, nicht nur mein eigener Priester, sondern auch mein eigener Ministrant sein.

Wir söhnten uns jedoch noch während der Messe aus und zuletzt empfingen alle Bewohner des Schneckenhauses aus meiner Hand in geziemender Andacht das Liebesmahl.

Auch die Eva kniete vor meinem Altare, in ein Dankgebet versunken, und schnupfte zuweilen von dem himmlischen Tabake, den ihr der Klas gebracht hatte, und befeuchtete ihn mit ihren Freudentränen; denn der Klas und die Eva, die waren in dem Stücke völlig gleich, sie kannten keine größere Wonne als die des Wohltuns. Nur war der Klas unendlich reich und konnte mit vollen Händen ausstreuen, die Eva aber blutarm und mußte sich den Bissen vom Munde absparen, den sie einem Bettler darbieten wollte, und das war eben der Unterschied zwischen dem Klas und der Eva.

Gut, daß ihr der Klas hilfreiche Hand geboten damals – wie noch oft in ihrem Leben!

Ich erteilte noch den Segen, als unsere alte Uhr zu ächzen anhub und widerwillig schnarrte, es sei erst Eins und was wir denn da zu solcher Stunde, wo selbst die Geister schlafen gingen, zu tun hätten!

Da legten wir uns wieder zu Bette und schliefen, der Lorenz mit einem Trommelschlägel im Arme, so überselig, daß wir des Todes in jener Nacht nicht geachtet hätten und nur aus einem Himmel in den andern gewandelt wären!

»Kinderjahre, Kindertage,
Seid gegrüßt viel tausendmal!
Nie mehr lächelte so helle
Je mir Glückes Sonnenstrahl!«


 << zurück weiter >>