Vineta
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Die beiden Zimmer, welche Doktor Fabian im Schlosse beiwohnte, lagen nach dem Park hinaus, etwas abgeschlossen von den übrigen, und es hatte damit seine eigene Bewandtnis. Als die Fürstin die bisher unbewohnten Zimmer ihres ersten Gemahls für dessen Sohn in Bereitschaft setzen ließ, war natürlich auch Rücksicht auf den ehemaligen Erzieher genommen, der ihn begleitete, und ein anstoßendes Gemach für diesen bestimmt worden. Es war freilich etwas klein und sehr unruhig, da es unmittelbar neben der großen Haupttreppe lag, aber nach Ansicht der Dame vollkommen geeignet für den Doktor, von dem sie ja wußte, daß in Altenhof nicht viel Umstände mit ihm gemacht wurden, am wenigsten von seiten seines früheren Zöglings. Das mußte sich aber wohl bedeutend geändert haben, denn Waldemar hatte sofort nach seiner Ankunft jenes Gemach als völlig unzureichend verworfen, sich die auf der andern Seite gelegenen Fremdenzimmer aufschließen lassen und ohne weiteres zwei derselben für seinen Lehrer mit Beschlag belegt. Nun war aber gerade diese Wohnung eigens für den Grafen Morynski und seine Tochter eingerichtet worden, die oft Tage und Wochen in Wilicza verweilten, was der junge Gutsherr freilich nicht wissen konnte. Als jedoch Pawlick, der jetzt die Rolle eines Haushofmeisters im Schlosse spielte, den Mund zu einer Erwiderung öffnete, trat Waldemar ihm mit der kurzen Frage entgegen, ob die betreffenden Zimmer etwa zu den Wohnräumen der Fürstin oder des Fürsten Leo gehörten, und erklärte auf die verneinende Antwort bestimmt: »Dann wird Herr Doktor Fabian sie von heute an bewohnen.« Noch an demselben Tage war der in unmittelbarer Nähe befindliche Korridor, den die Dienerschaft häufig zu benutzen pflegte, abgeschlossen und der Befehl erteilt worden, künftig den Umweg über die Treppe zu nehmen, damit das fortwährende Hin- und Herlaufen den Doktor nicht störe, und dabei war es geblieben.

Die Fürstin sagte kein Wort, als man ihr diese Vorgänge meldete; sie hatte es sich nun einmal zum Gesetz gemacht, ihrem Sohne in Kleinigkeiten niemals zu widersprechen. Sie ließ sofort andre Zimmer für ihren Bruder und ihre Nichte in Bereitschaft setzen, so unangenehm ihr der »Mißgriff« Waldemars auch sein mochte, aber es war am Ende natürlich, daß sie die unschuldige Ursache desselben, den armen Fabian, nicht gerade mit freundlichen Augen ansah. Freilich zeigte sie ihm das nicht, denn sie und das ganze Schloß machten bald genug die Erfahrung, daß Waldemar in Bezug auf seinen Lehrer jetzt äußerst empfindlich war und, so wenig Rücksicht er auch für sich selbst beanspruchte, jeden Mangel derselben dem Doktor gegenüber auf das schärfste rügte. Es war dies fast die einzige Gelegenheit, wo er sein Gebieterrecht geltend machte. Hier geschah es aber auch mit einem solchen Nachdruck, daß alles, von der Fürstin an bis herab zu der Dienerschaft, Doktor Fabian mit der größten Aufmerksamkeit behandelte.

Das war nun freilich keine schwere Aufgabe dem stillen, immer bescheidenen und höflichen Manne gegenüber, der niemand im Wege stand, fast gar keine Bedienung beanspruchte und sich für jede kleine Aufmerksamkeit dankbar bezeigte. Man sah ihn nicht viel, denn er erschien nur bei Tische, brachte den ganzen Tag bei den Büchern zu und war abends meist bei seinem ehemaligen Zögling, mit dem er sehr vertraut zu sein schien. »Es ist der einzige Mensch, auf den Waldemar überhaupt Rücksicht nimmt,« sagte die Fürstin zu ihrem Bruder, als sie ihn von dem Umtausch der Zimmer benachrichtigte. »Wir werden diese Laune wohl respektieren müssen, wenn ich auch nicht begreife, was er an diesem langweiligen Erzieher hat, den er früher so vollständig beiseite setzte und den er jetzt förmlich auf Händen trägt.«

Wie dem nun auch sein mochte, die vollständige Aenderung des früheren Verhältnisses hatte einen unverkennbaren Einfluß auf Doktor Fabian ausgeübt. Seine Schüchternheit und Bescheidenheit waren ihm zwar geblieben; sie lagen zu tief in seiner Natur begründet, aber das Gedrückte, Aengstliche, das ihm sonst anhaftete, hatte sich zugleich mit der gedrückten Stellung verloren. Sein Aussehen war um vieles kräftiger und frischer als ehemals; der mehrjährige Aufenthalt in der Universitätsstadt, die Reisen mochten das ihrige dazu beigetragen haben, aus dem kränklichen, scheuen und zurückgesetzten Hauslehrer einen Mann zu machen, der mit seinem immer noch blassen, aber angenehmen Gesicht, seiner leisen, aber wohllautenden Stimme einen durchaus günstigen Eindruck machte und dessen eigene Schuld es war, wenn seine Schüchternheit ihm nicht erlaubte, sich irgendwie zur Geltung zu bringen. Der Doktor hatte Besuch, ein bei ihm seltenes Ereignis. Neben ihm auf dem Sofa saß niemand andres als der Herr Regierungsassessor Hubert aus L., diesmal aber augenscheinlich in der friedfertigsten Absicht und ohne jede Verhaftungsideen. Jener fatale Irrtum war es ja gerade, der die Bekanntschaft einleitete. Doktor Fabian hatte sich als einziger Freund und Tröster gezeigt in dem Mißgeschick, das über den Assessor hereinbrach, als die Sache bekannt wurde, und das geschah nur zu bald. Gretchen war »herzlos genug gewesen«, wie Hubert sich ausdrückte, sie mit allen Einzelheiten ihren Bekannten in L. preiszugeben. Die Geschichte von der beabsichtigten Verhaftung des jungen Gutsherrn von Wilicza machte die Runde durch die ganze Stadt, und wenn dem Herrn Präsidenten auch nicht amtlich darüber Vortrag gehalten wurde, so erfuhren Seine Excellenz sie doch, und der allzueifrige Beamte mußte eine scharfe Mahnung hinnehmen, künftig vorsichtiger zu sein und, wenn er wieder verdächtige polnische Emissäre suche, nicht an die deutschen Großgrundbesitzer der Provinz zu geraten, deren Haltung gerade jetzt von entscheidender Wichtigkeit sei. Auch in Wilicza war die Sache bekannt geworden. Waldemar selbst hatte sie der Fürstin erzählt; die ganze Umgegend wußte davon, und wo sich der arme Assessor nur blicken ließ, mußte er versteckte Anspielungen oder offenen Spott hinnehmen.

Er hatte gleich am nächsten Tage Herrn Nordeck einen Entschuldigungsbesuch machen wollen, ihn aber nicht angetroffen, und da war es denn der Doktor gewesen, der, obwohl der Mitbeleidigte, sich doch großmütig zeigte. Er empfing den ganz zerknirschten Hubert, tröstete ihn nach Kräften und übernahm es, die Entschuldigung zu vermitteln. Nun war aber die Zerknirschung des Assessors weder von allzugroßer Tiefe noch von allzulanger Dauer; er besaß eine viel zu große Dosis Selbstbewußtsein, um zur Selbsterkenntnis zu gelangen, und schnellte wie eine Stahlfeder, die man gebogen, sofort wieder in seine frühere Haltung zurück, wenn der Druck nachließ. Der allgemeine Spott ärgerte und kränkte ihn, aber sein Vertrauen zu sich selber war nicht im mindesten erschüttert. Jeder andre hätte sich nach einem solchen Vorfalle möglichst ruhig verhalten, um die Sache erst in Vergessenheit zu bringen, und sich vorläufig nicht zu ähnlichen Aufträgen gedrängt, aber gerade das that Hubert mit einem wahrhaft fieberhaften Eifer. Es hatte sich bei ihm die fixe Idee festgesetzt, er müsse die Sache um jeden Preis wieder gut machen und den Kollegen, dem Präsidenten und ganz L. zeigen, daß seine Klugheit trotz alledem über jeden Zweifel erhaben sei. Jetzt mußte er notgedrungen ein paar Verschwörer aufgreifen oder eine Verschwörung entdecken, gleichviel wo oder wie – das wurde zu einer Art Lebensfrage für ihn, und er war fortwährend auf der Jagd nach diesen beiden.

Wilicza blieb dabei nach wie vor sein Hauptaugenmerk, dieses Wilicza, dessen Gefährlichkeit man in L. sehr gut kannte und dem man doch niemals beikommen konnte, jetzt weniger als je, seit es sich zeigte, daß man so gar keine Hoffnungen auf die Anwesenheit des jungen Gutsherrn setzen durfte. Er war, obwohl ein Deutscher, doch gänzlich in den Händen seiner polnischen Verwandten und entweder mit ihrem Thun und Treiben einverstanden oder er kümmerte sich nicht darum, wie er sich denn überhaupt um nichts kümmerte, was auf seinen Gütern geschah. Dieses Benehmen, das in L. sehr hart beurteilt wurde, fand gerade an dem Assessor seinen strengsten Richter. Hubert hätte in einer solchen Stellung natürlich weit energischer gehandelt und all die geheimen Umtriebe sofort niedergeschlagen und vernichtet; er wäre der ganzen Provinz einleuchtendes Beispiel gewesen, hätte sich den Staat zum Danke verpflichtet und überhaupt alle Welt in Erstaunen gesetzt. Da er aber leider nicht Herr von Wilicza, ja nicht einmal Regierungsrat war, so blieb ihm nichts übrig, als die zweifellos vorhandene Verschwörung vorläufig erst zu entdecken, und darauf richtete sich denn auch sein ganzes Sinnen und Trachten.

Von all diesen Dingen war freilich nicht die Rede in dem Gespräche der beiden Herren. Man durfte es dem gutmütigen Doktor Fabian doch nicht merken lassen, daß der Besuch bei ihm eigentlich nur dem brennenden Wunsche entsprang, endlich einmal Eingang in das Schloß zu finden, und so mußte denn ein Vorwand herhalten, der allerdings für den Assessor von Interesse war, den er aber füglich bei dem Administrator hätte zur Sprache bringen können, wo er und Fabian bisweilen zusammentrafen.

»Ich habe eine Bitte an Sie, Herr Doktor,« begann er nach den ersten Einleitungs- und Begrüßungsreden, »einen kleinen Anspruch an Ihre Gefälligkeit, Es handelt sich dabei allerdings nicht um mich, sondern um die Franksche Familie, deren Haus Sie ja öfter besuchen. Sie sind als ehemaliger Lehrer des Herrn Nordeck jedenfalls des Französischen mächtig?«

»Ich spreche es allerdings,« antwortete der Doktor, »bin aber in den letzten Jahren etwas aus der Uebung gekommen. Herr, Nordeck liebt die Sprache nicht, und hier in Wilicza erweist man ihm und mir die Rücksicht, ausschließlich deutsch mit uns zu reden,«

»Ja, ja, die Uebung!« siel der Assessor ein, »die ist es eben, die dem Fräulein Margarete fehlt. Sie sprach ganz allerliebst französisch, als sie vor einigen Jahren aus der Pension zurückkam, aber hier auf dem Lande mangelt ihr jede Gelegenheit dazu. Da wollte ich Sie denn ersuchen, bisweilen mit der jungen Dame französisch zu lesen oder zu sprechen; es fehlt Ihnen ja nicht an Zeit, und mich würden Sie dadurch ganz außerordentlich verbinden.«

»Sie, Herr Assessor?« fragte Fabian betreten, »Ich muß gestehen, es befremdet mich einigermaßen, daß ein solcher Vorschlag von Ihnen ausgeht, und nicht von Herrn Frank oder dem Fräulein selbst.«

»Das hat seine Gründe,« sagte Hubert in würdevollem Tone. »Sie werden vielleicht schon bemerkt haben – und ich mache ja auch durchaus kein Geheimnis daraus –, daß ich gewisse Wünsche und Absichten hege, die sich in nicht allzuferner Zeit verwirklichen dürften. Mit einem Worte – ich betrachte das Fräulein als meine künftige Braut.«

Der Doktor bückte sich schnell nieder, um ein Blatt Papier aufzuheben, das am Boden lag, und das er angelegentlich betrachtete, obwohl es unbeschrieben war. »Ich gratuliere Ihnen,« entgegnete er einsilbig.

»O, das muß ich vorläufig noch ablehnen,« lächelte der Assessor mit unbeschreiblicher Selbstzufriedenheit. »Wir haben uns gegenseitig noch nicht ausgesprochen, wenn ich auch sicher auf ein Ja rechnen darf. Offen gestanden, ich möchte erst als Regierungsrat, der ich baldigst zu werden hoffe, mit meiner Werbung hervortreten; eine solche Stellung macht doch immer größeren Eindruck, und Sie müssen wissen, Fräulein Frank ist eine sehr gute Partie.«

»Wirklich?«

»Eine ausgezeichnete Partie! Der Administrator ist ohne Zweifel ein reicher Mann, Was hat er in den zwanzig Jahren hier allein an Gehalt und Tantieme bezogen! Es ist ja auch ausgemacht, daß er seine Stellung nur verläßt, um selbst Gutsherr zu werden, und ich weiß, daß er zu diesem Zweck ganz bedeutende Kapitalien flüssig macht. Fräulein Margarete und ihr Bruder, der gegenwärtig auf der landwirtschaftlichen Akademie studiert, sind die einzigen Kinder; ich kann auf eine hübsche Mitgift und dereinst auf ein gar nicht unbedeutendes Erbteil rechnen. Nebenbei ist die junge Dame ja auch ein reizendes, liebenswürdiges Mädchen, das ich anbete.«

»Nebenbei!« sagte der Doktor ganz leise, aber mit einer bei ihm ungewöhnlichen Bitterkeit. Dem Assessor entging der Ausruf; er fuhr mit großer Wichtigkeit fort:

»Frank hat bei der Erziehung seiner Kinder nichts gespart; seine Tochter ist lange Zeit in einem der ersten Institute P.s gewesen und hat dort alles mögliche gelernt, zu meiner großen Befriedigung, denn Sie werden wohl begreifen, Herr Doktor, daß mir in meiner künftigen Stellung die höhere Bildung meiner Frau unerläßlich ist. Man muß doch repräsentieren, und da halte ich mich verpflichtet, schon jetzt dafür zu sorgen, daß die gesellschaftlichen Erfordernisse, wie Klavierspiel und Französisch, nicht in Vergessenheit geraten. Wenn Sie also in Bezug auf das letztere die Güte haben wollten –«

»Mit Vergnügen, wenn Herr Frank und seine Tochter es wünschen,« sagte Fabian in gepreßtem Tone.

»Gewiß wünschen sie es, aber eigentlich war ich es, der darin auf Ihre Gefälligkeit rechnete,« erklärte Hubert, der offenbar sehr stolz auf seine kluge Idee war. »Als Fräulein Margarete neulich klagte, daß sie nahe daran sei, ihr Französisch ganz zu verlernen, geriet der Administrator auf den Gedanken, ihr bisweilen den Sprachlehrer aus der Stadt kommen zu lassen. Ich bitte Sie! einen jungen Franzosen, der gleich in der ersten Lehrstunde seiner Schülerin die Cour machen würde. Frank hat immer nur seine Landwirtschaft im Kopfe und kümmert sich nicht um dergleichen, aber ich war vorsichtiger. Ich wollte um keinen Preis den galanten Franzosen so oft bei dem jungen Mädchen wissen, ein älterer Herr wie Sie dagegen –«

»Ich bin siebenunddreißig Jahre alt,« unterbrach ihn der Doktor.

»O bitte, das hat gar nichts zu sagen,« lächelte Hubert, »bei Ihnen hege ich durchaus keine Besorgnisse, aber ich hätte Sie wirklich für älter gehalten. Ja, das kommt von der Stubenluft und den Büchern. Sagen Sie, Herr Doktor, wozu haben Sie denn eigentlich diese Menge von Büchern mitgebracht, die hier überall herumstehen, und was studieren Sie denn? Pädagogik vermutlich, darf man einmal zusehen?«

Er stand auf und wollte sich dem Schreibtisch nähern, aber Doktor Fabian war schneller als er. Mit einer beinahe angstvollen Bewegung warf er ein Zeitungsblatt über einige broschierte Bände, die auf dem Tische lagen, und stellte sich davor.

»Es ist nur Liebhaberei,« versicherte er, während ihm eine helle Röte in das Gesicht stieg, »historische Studien.«

»Ah, historische Studien!« wiederholte der Assessor. »Da mochte ich Sie doch fragen, ob Sie nicht die große Autorität auf diesem Gebiete, den Professor Schwarz, kennen – er ist mein Onkel. Doch Sie kennen ihn jedenfalls; er ist ja an der Universität zu I. thätig, wo Herr Nordeck studiert hat.«

» Ich habe das Vergnügen,« sagte Fabian kleinlaut, mit einem scheuen Blick auf das Zeitungsblatt.

»Wie sollten Sie auch nicht!« rief der Assessor. »Mein Onkel ist ja eine Berühmtheit allerersten Ranges; wir haben allen Grund stolz zu sein auf die Verwandtschaft, wenn auch unsre Familie sonst manchen Namen von gutem Klange aufweist. Nun, ich denke ihr auch keine Schande zu machen.«

Der Doktor stand noch immer ängstlich behütend vor seinem Schreibtische, als müsse er ihn gegen ein Attentat von seiten des Assessors sichern, doch dieser hatte sich viel zu sehr vertieft in die Bedeutung seiner Familie im allgemeinen und die seines berühmten Onkels im besonderen, um den Schreibereien eines simplen Hauslehrers jetzt noch Beachtung zu schenken; gleichwohl fühlte er sich veranlaßt, diesem eine Artigkeit zu sagen.

»Es ist aber doch sehr anerkennenswert, wenn auch Laien sich für solche Studien interessieren,« meinte er herablassend. »Ich fürchte nur, Sie haben hier nicht die nötige Muße dazu. Es ist wohl sehr unruhig im Schlosse? Ein fortwährendes Kommen und Gehen von den verschiedensten Persönlichkeiten, nicht wahr?«

»Das mag wohl sein,« versetzte Fabian arglos und ohne jede Ahnung des Manövers, das sein Besuch sich erlaubte, »aber ich merke nichts davon, Waldemar hat die Güte gehabt, die einsamsten und ruhigsten Zimmer für mich auszusuchen, weil er meine Neigung kennt.«

»Natürlich, natürlich!« Hubert stand jetzt am Fenster und versuchte von hier aus einen Überblick zu gewinnen. »Aber ich sollte doch meinen, solch ein jahrhundertealtes Gebäude wie dieses Wilicza mit seinen historischen Erinnerungen müßte auch für Sie von Interesse sein. All diese Säle, Treppen und Gänge! Und was für mächtige Kellergewölbe muß das Schloß haben! Waren Sie schon in den Kellern?«

»In den Kellern?« fragte der Doktor aufs äußerste betroffen. »Nein, Herr Assessor, was sollte ich denn dort thun?«

»Ich würde hineingehen,« sagte der Assessor. »Ich habe eine Vorliebe für solche alte Gewölbe, wie überhaupt für alle Merkwürdigkeiten. – Dabei fällt mir ein, ist denn die große Waffensammlung des seligen Herrn Nordeck noch vollständig? Er soll eine höchst kostspielige Liebhaberei in dieser Hinsicht besessen und Hunderte der schönsten Büchsen und Gewehre aufgehäuft haben; ob sie wohl noch vorhanden sind?«

»Danach müssen Sie seinen Sohn fragen!« Doktor Fabian zuckte die Achseln. »Ich gestehe, daß ich noch nicht im Waffensaale gewesen bin.« »Er wird auf der andern Seite liegen,« meinte Hubert, sich mit seinem berühmten Polizeiblicke orientierend. »Nach der Beschreibung Franks ist es ein düsteres, unheimliches Ding, wie überhaupt das ganze Wilicza. – Haben Sie denn noch nicht davon gehört, daß es hier umgehen soll? Haben Sie auch des Nachts nie etwas Ungewöhnliches, Außerordentliches bemerkt?«

»Des Nachts schlafe ich,« erklärte der Doktor ruhig, aber mit leisem Lächeln über den Gespensterglauben seines Besuches.

Der Assessor sandte einen anklagenden Blick zum Himmel. Dieser Mensch, den ein Zufall mitten in das Schloß hineingesetzt hatte, sah und hörte nicht, was um ihn her vorging. Er kannte die Keller nicht; er war noch nicht einmal im Waffensaale gewesen, und des Nachts schlief er sogar. Aus diesem harmlosen Bücherwurme war nichts herauszubringen – das sah Hubert ein, und so verabschiedete er sich denn nach einigen Höflichkeiten und verließ das Gemach.

Langsam schritt er den Korridor entlang. Bei der Ankunft hatte ihn ein Diener in Empfang genommen und nach dem Zimmer des Doktors geführt; jetzt auf dem Rückwege war er allein, allein in dem »Verschwörungsneste«, das freilich am hellen Vormittage mit seinen teppichbelegten Gängen und Treppen so ruhig, so vornehm und ungefährlich aussah, wie das loyalste Schloß des loyalsten Gutsherrn. Aber der Assessor ließ sich durch diesen Anschein nicht täuschen; er witterte rechts und links die Verschwörung, die er leider nicht greifen konnte, und streckte die Nase hoch in die Luft. Da war eine Thür – sie kam ihm verdächtig vor. Sie lag im Schatten eines mächtigen Pfeilers und war auffallend tief und fest in die Mauer gefügt. Die kleine Pforte führte jedenfalls zu einer Seitentreppe, vielleicht in geheime Gänge, möglicherweise sogar in die Keller hinab, welche die Phantasie Huberts sofort mit verborgenen Waffenlagern und ganzen Scharen von Hochverrätern bevölkerte. Ob man es versuchte, wenigstens auf die Klinke zu drücken? Im schlimmsten Falle konnte man sich mit einem Irrtume, mit einem Verirren in den Gängen des Schlosses entschuldigen; vielleicht lag hier der Schlüssel zu all seinen Geheimnissen. Da öffnete sich urplötzlich die Thür und – Waldemar Nordeck trat heraus. Der Assessor prallte zurück. Gerechter Gott! beinahe wäre er zum zweitenmal an den Herrn von Wilicza geraten. Ein einziger Blick durch die offene Spalte zeigte ihm, daß es dessen Schlafzimmer war, das er für so gefährlich gehalten. Waldemar ging mit sehr kühlem Gruße an ihm vorüber nach den Zimmern des Doktor Fabian. Hubert sah, daß ihm trotz seiner Entschuldigung das »verdächtige Subjekt« noch nicht vergeben war. Dieses Bewußtsein und die unerwartete Begegnung nahmen ihm für jetzt die Lust zu ferneren Entdeckungen, und als vollends ein Diener auf der Treppe erschien, blieb ihm nichts weiter übrig, als den Rückzug anzutreten.

Waldemar war inzwischen bei seinem Lehrer eingetreten, den er am Schreibtische fand, beschäftigt, die Bücher und Zeitungen, welche er vorhin vor den neugierigen Augen des Assessors in Sicherheit gebracht, wieder zu ordnen; der junge Gutsherr näherte sich gleichfalls dem Tische.

»Nun, was gibt es für Nachrichten?« fragte er. »Sie haben Briefe und Zeitungen aus J. erhalten. Ich sah es, als ich Ihnen vorhin das Briefpaket herübersandte.«

Der Doktor blickte auf. »Ach, Waldemar,« sagte er in schmerzlichem Tone, »warum haben Sie mich fast gezwungen, mit meinen stillen Studien und Arbeiten vor die Oeffentlichkeit zu treten! Ich sträubte mich von Anfang an dagegen, aber Sie ließen nicht nach mit Treiben und Drängen, bis ich das Buch erscheinen ließ.«

»Natürlich! Was nützt es Ihnen und der Welt, wenn es in Ihrem Schreibtische verschlossen bleibt? Aber was ist denn geschehen? Ihre ›Geschichte des Germanentums‹ wurde ja über alles Erwarten günstig in den betreffenden Kreisen aufgenommen. Gerade aus J. kam die erste Anerkennung vom Professor Weber, und ich dächte, dessen Name und Urteil wäre doch von entscheidendem Gewichte.«

»Das glaubte ich auch,« entgegnete Fabian niedergeschlagen. »Ich war so glücklich und stolz auf das Lob aus einem solchen Munde, aber gerade dies hat dem Professor Schwarz – Sie kennen ihn ja – Anlaß gegeben, in einer ganz unerhörten Weise über mich und mein Buch herzufallen. Lesen Sie nur!«

Er reichte ihm das Zeitungsblatt hin. Nordeck nahm es und las es ruhig durch, »Das sind ja allerliebste Bosheiten! Besonders der Schluß läßt darin nichts zu wünschen übrig: ›Wie wir hören, war diese von Herrn Professor Weber ganz neu entdeckte Berühmtheit längere Zeit Hauslehrer bei dem Sohne eines der ersten Grundbesitzer unsres Landes, mit dessen Erziehung sie aber durchaus kein glänzendes Resultat erzielte. Trotzdem mag der Einfluß dieses vornehmen Zöglings das Seinige gethan haben zu der maßlosen Ueberschätzung eines Werkes, mit dem ein ehrgeiziger Dilettant es versucht, sich in die Reihe von Männern der Wissenschaft zu drängen.‹«

Waldemar warf das Blatt auf den Tisch. »Armer Doktor, wie oft werden Sie es noch büßen müssen, mich Ungetüm erzogen zu haben! Freilich ist Ihre Erziehung so unschuldig an meiner Unliebenswürdigkeit wie mein Einfluß an der Weberschen Kritik Ihres Buches, aber den Hauslehrer vergibt man Ihnen nun einmal nicht in jenen Kreisen, und sollten Sie auch später selbst den Professorenstuhl besteigen.«

»Mein Gott, wer denkt daran!« rief der Doktor, förmlich erschreckt von dieser Idee. »Ich doch gewiß nicht, und ebendeshalb kränkt es mich so tief, daß mir Ehrgeiz und unberechtigtes Eindrängen vorgeworfen wird, weil ich ein einfaches wissenschaftliches Werk geschrieben habe, das sich streng an die Sache hält, niemand beleidigt, niemand zu nahe tritt –«

»Und nebenbei ausgezeichnet ist,« fiel Waldemar ein. »Ich dächte, das müßten Sie endlich glauben, nachdem Weber so entschieden Partei dafür ergriffen hat. Sie wissen, er läßt sich nicht beeinflussen, und er war Ihnen doch sonst eine unbestrittene Autorität, zu der Sie bewundernd emporblickten.«

»Professor Schwarz ist auch eine Autorität.« »Ja, aber eine schwarzgallige, die keine Bedeutung außer der eigenen gelten läßt. Mein Gott, warum mußten Sie auch gerade mit dem Germanismus hervortreten! Das ist sein Fach, darüber hat er geschrieben, und wehe dem, der sich sonst noch darin zu regen wagt – sein Urteil ist von vornherein gesprochen. Sehen Sie doch nicht so mutlos aus! Das schickt sich nicht für die neu entdeckte Berühmtheit. Was würde Onkel Witold mit seiner souveränen Verachtung des ›alten Heidengerümpels‹ wohl zu dieser Entdeckung gesagt haben! Ich glaube, Sie wären daraufhin in Altenhof etwas respektvoller behandelt worden, als es leider der Fall war. Es war ein Opfer von Ihnen, bei mir auszuhalten.«

»Sprechen Sie doch nicht so, Waldemar!« sagte der Doktor mit einem Anfluge von Unwillen, »ich weiß am besten, auf wessen Seite jetzt das Opfer ist. Wer bestand denn hartnäckig darauf, mich bei sich zu behalten, obgleich ich ihm gar nichts nützen konnte, und weigerte sich doch stets, die kleinste Rücksicht anzunehmen, die mich von meinen Büchern entfernte? Wer gab mir die Mittel, mich jahrelang einzig dem Studium hinzugeben und mein zerstreutes Wissen zu sammeln und zu ordnen? Wer zwang mich fast, ihn auf der Reise zu begleiten, weil das angestrengte Arbeiten meine Gesundheit erschüttert hatte? Mir ist jene Stunde, in der Ihr Normann mich verwundete, zu großem Segen geworden; sie hat mir alles gegeben, was ich vom Leben hoffte und wünschte.«

»Da wünschen Sie wahrhaft sehr wenig,« unterbrach ihn Waldemar ungeduldig – er war offenbar bemüht, das Gespräch von diesem Punkte abzulenken. »Aber noch eins: ich begegnete ja vorhin im Schlosse dem genialen Vertreter des Polizeidepartements von L. Er kam von Ihnen, und auch drüben auf dem Gutshofe sehe ich ihn jede Minute auftauchen. Uns können doch seine Besuche nicht mehr gelten, seitdem wir uns als unverdächtige ›Subjekte‹ ausgewiesen haben. Was macht er denn noch fortwährend in Wilicza?«

Fabian sah mit großer Befangenheit zu Boden. »Ich weiß es nicht, aber ich vermute, daß seine häufige Anwesenheit in der Familie des Administrators einen durchaus persönlichen Grund hat. Mir machte er vorhin einen Besuch.«

»Und Sie empfangen ihn auch ganz freundschaftlich? Herr Doktor, Sie sind ein Mann nach der Lehre des Christentums. Wenn man Ihnen die rechte Wange schlägt, reichen Sie geduldig die linke hin. Ich glaube, Sie würden sich nicht einen Augenblick bedenken, dem Professor Schwarz den größten Freundschaftsdienst zu erweisen. Aber nehmen Sie sich in acht vor diesem verhaftungswütigem Assessor! Er ist sicher wieder auf der Jagd nach Verschwörern, und so beschränkt er auch ist, der Zufall könnte ihm doch einmal die rechten in die Hände spielen – hier in Wilicza ist das nicht schwer.«

Die letzten Worte wurden in so grollendem Tone gesprochen, daß der Doktor den ersten Band seiner »Geschichte des Germanentums«, den er in der Hand hielt, schnell niederlegte.

»Sie haben unangenehme Entdeckungen gemacht?« fragte er, »Schlimmere noch, als Sie erwarteten? Ich dachte es mir, wenn Sie mir auch bisher wenig genug darüber sagten.«

Waldemar hatte sich niedergesetzt und stützte den Kopf in die Hand. »Sie wissen ja, ich spreche nicht gern von Widerwärtigkeiten, deren ich noch nicht Herr geworden bin, und überdies brauchte ich Zeit, um mich zu orientieren. Wer stand mir denn dafür, daß der Administrator nicht auch ein Interesse hatte, die Sache so darzustellen, wie er es tat, daß er nicht wenigstens übertrieb und entstellte? In solchen Dingen darf man nur dem eigenen Urteile vertrauen, und ich habe das meinige in diesen letzten Wochen gebraucht. Leider bestätigt sich jedes Wort, das Frank mir geschrieben hat. So weit seine Machtvollkommenheit reicht, herrscht Ordnung, und es mag ihm schwer genug geworden sein, sie zu halten und zu verteidigen. Auf den anderen Gütern aber, auf den Pachthöfen und vollends in den Forsten – Ich war auf Schlimmes gefaßt, aber solch ein Chaos hätte ich denn doch nicht erwartet.«

Fabian schob seine Bücher und Zeitungen jetzt gänzlich beiseite und folgte der Schilderung Waldemars mit ängstlicher Teilnahme. Die düstere Miene seines Zöglings schien ihn zu beunruhigen.

»Onkel Witold hat immer gemeint, meine polnische Herrschaft ließe sich aus der Ferne verwalten,« fuhr Nordeck fort, »und er hatte leider auch mich in diesem Glauben erzogen. Ich liebte Wilicza nicht. Für mich wurzelten hier nur bittere Erinnerungen an das unheilbare Zerwürfnis meiner Eltern, an meine ersten freudlosen Kinderjahre; ich war gewohnt, Altenhof als meine Heimat anzusehen, und später, als ich hätte hierherkommen sollen, herkommen müssen, da – war etwas anderes, was mich zurückhielt. Das rächt sich jetzt. Die zwanzigjährige Beamtenwirtschaft, die mein Vormund duldete, hat schon Unheil genug gestiftet, aber das Aergste haben die letzten vier Jahre unter dem Baratowskischen Regimente gethan. Freilich ist es meine Schuld allein. Warum habe ich mich nie um mein Eigentum gekümmert, warum machte ich die leidige Gewohnheit des Onkels, jedem Berichte zu glauben, der auf dem Papiere stand, zu der meinigen? Jetzt stehe ich wie verraten und verkauft auf meinem Grund und Boden.«

»Sie waren ja noch so jung damals, als Sie mündig gesprochen wurden,« begütigte der Doktor. »Die drei Jahre auf der Universität waren wirklich dringend notwendig für Ihre Ausbildung, und als wir dann noch ein Jahr auf Reisen waren, ahnte ja niemand, wie die Dinge hier standen. Wir sind sofort umgekehrt, als Sie den Brief des Administrators erhielten, und Sie mit Ihrer Energie sind doch sicher auch den schlimmsten Verhältnissen gewachsen.«

»Wer weiß!« sagte Waldemar finster. »Die Fürstin ist meine Mutter, und sie und Leo sind gänzlich von meiner Großmut abhängig – das ist es, was mir die Hände bindet. Wenn ich es zu einem ernstlichen Zerwürfnisse kommen lasse, so müssen sie Wilicza verlassen. Rakowicz ist dann ihre einzige Zuflucht, und einer solchen Demütigung will ich wenigstens meinen Bruder nicht aussetzen. Und doch muß ein Ende gemacht werden, besonders mit dem, was im Schlosse geschieht. Sie ahnen noch nichts davon? Ich glaube es, aber ich weiß desto mehr. Ich wollte nur erst klar in der Sache sehen – und nun werde ich mit meiner Mutter reden.«

Es trat eine längere Pause ein. Fabian wagte keine Erwiderung; er wußte, daß, wenn das Gesicht des jungen Schloßherrn so aussah wie jetzt, es sich nicht um Kleinigkeiten handelte, endlich aber trat er doch auf ihn zu und legte die Hand auf seine Schulter mit der leisen Frage:

»Waldemar, was ist denn gestern auf der Jagd vorgefallen?«

Waldemar blickte auf, »Auf der Jagd? Nichts! Wie kommen Sie darauf?«

»Weil Sie so grenzenlos verstimmt zurückkamen. Ich hörte freilich bei Tische einige Andeutungen über einen Streit zwischen Ihnen und dem Fürsten Baratowski –«

»Nicht doch!« sagte Nordeck gleichgültig, »Leo war allerdings empfindlich, weil ich sein Lieblingspferd beim Reiten etwas unsanft behandelte, die Sache ist aber von gar keiner Bedeutung und bereits ausgeglichen.«

»Dann war es also etwas andres.«

»Ja – etwas andres.« Es folgte ein erneutes sekundenlanges Schweigen, dann begann der Doktor wieder:

»Waldemar, die Fürstin nannte mich neulich Ihren einzigen Vertrauten; ich hätte ihr entgegnen können, daß Sie überhaupt keinen Vertrauten haben. Etwas stehe ich Ihnen vielleicht näher, als alle andern, aber Ihr Inneres schließen Sie auch mir niemals auf. Müssen Sie denn durchaus alles allein tragen und durchkämpfen?«

Waldemar lächelte, aber es war ein kaltes, freudloses Lächeln. »Sie müssen mich schon nehmen, wie ich nun einmal bin. Aber wozu denn die Besorgnis? Ich habe doch wohl bei all den Sorgen und Widerwärtigkeiten, die hier auf mich einstürmen, Grund genug, verstimmt zu sein.«

Der Doktor schüttelte den Kopf, »Das ist es nicht. Dergleichen reizt und erbittert Sie höchstens, aber die Stimmung, die Sie jetzt beherrscht, ist eine andre. So habe ich Sie nur einmal gesehen, Waldemar, damals in Altenhof, als –«

»Herr Doktor, ich bitte, verschonen Sie mich mit diesen Erinnerungen!« unterbrach ihn Waldemar so rauh und ungestüm, daß Fabian zurückwich, aber er besann sich sofort wieder. »Es thut mir leid, daß auch Sie unter dem Aerger leiden müssen, den dieses Wilicza mir verursacht,« fuhr er mit bedeutend gemilderter Stimme fort. »Es war überhaupt egoistisch von mir, daß ich Sie mit hierher nahm. Sie hätten nach J. zurückkehren sollen, wenigstens so lange, bis ich hier Ordnung geschafft habe und Ihnen ein ruhiges Asyl bieten kann.«

»Ich hätte Sie unter keiner Bedingung allein gelassen,« erklärte Fabian mit seiner sanften Stimme, die aber diesmal etwas ungewöhnlich Bestimmtes hatte.

Waldemar reichte ihm wie zur Abbitte die Hand. »Das weiß ich ja, aber nun quälen Sie sich auch nicht länger mit meinen Sorgen, oder ich bereue es wirklich, offen gegen Sie gewesen zu sein. Sie haben genug mit Ihren eigenen Angelegenheiten zu thun. Wenn Sie nach J. schreiben, so sagen Sie dem Professor Weber einen Gruß von mir, und ich wäre eben dabei, Ihr Werk ins Praktische zu übersetzen und meinen urslavischen Gütern etwas von der ›Geschichte des Germanentums‹ aufzuprägen; es thäte not hier in Wilicza. – Leben Sie wohl!«

Er ging. Doktor Fabian blickte ihm nach und seufzte. »Undurchdringlich und starr wie ein Fels, sobald man es versucht, diesem einen Punkte nahe zu kommen, und ich weiß doch, daß er bis auf den heutigen Tag noch nicht damit fertig geworden ist und es niemals werden wird. Ich fürchte, der unglückselige Einfluß, um dessen willen wir Wilicza so lange mieden, fängt wieder an, seine Kreise zu ziehen. Mag Waldemar es leugnen, wie er will, als er gestern von der Jagd zurückkam, habe ich es gesehen – er ist wieder in dem alten Bann.«


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