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Beim alten Militär hat man bekanntlich nur reden dürfen, wenn man gefragt worden ist. Da man aber fast nie gefragt worden ist, hat man die meiste Zeit das Maul halten müssen. Diese für die Disziplin gewiß sehr vorteilhafte Einrichtung hat zu folgendem Mißverständnis geführt.
Ein Spielmann hat sich beim Turnen den Arm gebrochen und kommt ins Lazarett. Bei dem jungen, gesunden Mann heilte das schnell, und er sollte aus dem Lazarett als geheilt entlassen, muß aber noch dem Herrn Oberstabsarzt vorgestellt werden. Dieser untersucht den Arm, probiert, ob die Gelenke funktionieren, nickt befriedigt und frägt den Spielmann:
»Können Sie jetzt wieder trommeln?«
»Entschuldigen S', Herr Oberstabsarzt, i – –«
Er wird vom Oberstabsarzt ungeduldig unterbrochen: »Ich habe Sie gefragt, ob Sie trommeln können? Ja oder nein?« Die oberstabsärztlichen Brillengläser funkeln drohend.
Der Spielmann schweigt einen Augenblick, dann preßt er heraus: »Nein, Herr Oberstabsarzt!«
»Gut, der Mann bleibt noch acht Tage im Lazarett!«
Nach acht Tagen wird er wieder vorgestellt. Die Untersuchung wie das erstemal, wieder die kurze militärische Frage: »Können Sie jetzt trommeln?« 142
Noch einmal versucht es der Spielmann: »Entschuldigen S', Herr –«
Da brüllt ihn der Gewaltige an: »Ob Sie trommeln können, ja oder nein?«
»Nein, Herr Oberstabsarzt!«
»Bleibt nochmal acht Tage hier!«
Wieder sind acht Tage mit schmaler Lazarettkost vergangen und der Spielmann wird zum drittenmal vorgestellt.
»Können Sie jetzt trommeln?«
Ohne Zögern antwortet der Spielmann: »Nein, Herr Oberstabsarzt!«
»So, so, Sie können immer noch nicht trommeln, Sie wollen sich jedenfalls vom Dienst drücken, Sie faules Aas, ha? Warum können Sie nicht trommeln?«
»Herr Oberstabsarzt, ich bin Hornist!«
Die Rekruten dürfen zum erstenmal in Urlaub fahren. Die Belehrung über das Verhalten im Urlaub beschließt der Herr Feldwebel mit folgenden Worten:
»Daß sich ja keiner untersteht und bringt mir ein Geschenk mit!« Etwas ruhiger setzt er hinzu: »Wenn aber gerade eure Leute ein schönes Geräuchertes oder ein Hähnchen, eine Gans übrig haben, könnt ihr das mitbringen. Das kauf ich euch ab – geschenkt will ich nichts! Verstanden!« 143
Die Zeit ist vorbei und ein Urlauber meldet sich vom Urlaub zurück. Der Feldwebel nickt, nachdem der Mann noch stehn bleibt, fragt er: »Was is denn?«
»Entschuldigen S', Herr Feldwebel, mei Mutter hätt ma a schöne Gans mitgebn fürn Herrn Feldwebel!«
»Du Malefiz-Heiduck, du elender, hab ich nicht gesagt, ich darf keine Geschenke annehmen??«
»Herr Feldwebel soll mir die Gans abkaufen!«
»Ach so! Zeig einmal her! Die Gans ist schön, was soll sie denn kosten?«
»Zwanzig Pfennig, Herr Feldwebel!«
»So. Mhm. Da hast eine Mark – bring mir noch vier solche!«
Am Neujahrsmorgen kommt der Bursche und bringt dem Herrn Leutnant das Frühstück und sagt:
»Prost Neujahr, Herr Leutnant!«
Leutnant: »Danke, Johann, ich wünsche dir alles Gute!«
Johann: »Danke, Herr Leutnant. Gleichfalls, Herr Leutnant!«
Leutnant: »Bleib weiter so ein ehrlicher, anständiger Kerl!«
Johann: »Danke, Herr Leutnant, gleichfalls, Herr Leutnant!« 144
Während der Putz und Flickstunde gab es auch immer noch Unterricht durch den Korporalschaftsführer. Der Herr Unteroffizier hat gerade von der Kameradschaft gesprochen, wie einer dem anderen beistehen muß. Er wollte sich überzeugen, ob die Lehre auf guten Boden gefallen ist und frägt:
»Meier, Sie gehen am Sonntag heim in die Kaserne, da sehen Sie, wie zwei Zivilisten über mich herfallen und mich zu Boden schlagen. Was tun Sie da?«
Rekrut Meier: »Ich gehe mit Handaufnahme vorbei!«
*
Ein andermal wurde der Beschwerdeweg erläutert. An dem Tag, an dem einem, nach eigener Meinung, Unrecht zugefügt wurde, durfte man sich nicht beschweren. Zuerst mußte man sich darüber beruhigen, einmal schlafen. Erst am nächsten Tag durfte man sich auf dem Dienstweg beschweren. Länger als drei Tage durfte man aber auch nicht warten, sonst machte man sich selber strafbar. Der Beschwerdeweg war mit allerhand Angeln gespickt, deshalb wurde er wenig begangen.
Der Unteroffizier frug den Rekruten Huber: »Wenn ich zu Ihnen sage: Sie Ochse, werden Sie sich da beschweren?«
Rekrut Huber: »Nein, Herr Unteroffizier!«
Unteroffizier: »So? Warum nicht?«
Rekrut Huber: »Aus Kameradschaft!« 145
Es war noch einige Jahre vor dem Krieg, da fand bei einem preußischen Regiment Unterrichtsbesichtigung der KapitulantenVor 1914 in der deutschen Armee derjenige Soldat, der sich freiwillig zu einer längeren als der vorgeschriebenen Dienstzeit durch einen Vertrag (Kapitulation) verpflichtete. statt. Es beginnt beim ersten Bataillon. Der Unterrichtsoffizier erstattet dem Herrn Oberst Meldung.
»Herr Oberleutnant von Schekwitz, ich möchte einmal etwas hören über allgemeine Bildung. Anfangen!«
Der Oberleutnant salutiert, wendet sich an seine Kapitulanten und ruft: »Unteroffizier Schultze, was wissen Sie von der Sonne und der Erde?«
Unteroffizier Schultze springt auf, haut die Hacken zusammen und brüllt. »Die Erde dreht sich um die Sonne, Herr Oberleutnant!«
Dem Herrn Oberst gefällt die schneidige Antwort, er nickt beifällig. Es werden noch einige Fragen gestellt und ebenso schneidig beantwortet. Dann begibt sich der Herr Oberst zum II. und zum III. Bataillon. Beim III. Bataillon will der Oberst wieder etwas über allgemeine Bildung wissen. Leutnant von Kardorff stellt dieselbe Frage:
»Sergeant Wilke, was wissen Sie von der Sonne und der Erde?«
Sergeant Wilke brüllt: »Die Sonne dreht sich um die Erde, Herr Leutnant!«
Bei der Besprechung nahm der Herr Oberst das Wort: »Meine Herren, ich habe mich überzeugt, die 146 Leute haben was gelernt. Es ist notwendig, daß die Unteroffiziere, die doch die Stützen der Armee sind, auch etwas allgemeine Bildung eingeimpft bekommen. Eine Kleinigkeit ist mir aber aufgefallen. Bei Ihnen, Herr Oberleutnant von Schekwitz, dreht sich die Erde um die Sonne, und bei Ihnen, Herr Leutnant von Kardorff, dreht sich die Sonne um die Erde. – Meine Herren, im Grunde genommen ist es für die preußische Armee vollkommen piepe, ob sich die Erde um die Sonne oder die Sonne um die Erde dreht – aber im Regiment – mehr Einheitlichkeit!«
Der Infanterist Tretter war schon wieder wegen Urlaubsüberschreitung gemeldet worden. Der Feldwebel ließ ihn holen und schnauzte ihn an: »Schweinekerl verdammter, mit Ihnen hat man nur immer Scherereien. Was soll ich denn mit Ihnen anfangen? Schaun Sie einmal Ihren Strafbogen an, da die ganze Seite ist schon voll? Was soll ich machen???«
»Umblatteln, Herr Feldwebel!«
Nach einem sehr angestrengten Marsch meldet sich ein Soldat beim Hauptmann krank wegen wundgelaufener Füße. »Was«, schreit ihn dieser an, »wegen ein paar Blasen wollen Sie sich krank melden, das wär mir das Wahre, und Sie wollen ein Soldat sein? Ein richtiger Soldat ist entweder gesund, dann tut er seinen Dienst, oder er ist tot, dann wird er mit militärischen Ehren begraben!«
Infanterist Huber muß strafexerzieren. Sergeant Grimmig erteilt ihm bei Beginn folgende wohlgemeinte Warnung: »Kerl, das eine sag ich dir, wenn ich »Stillgestannden« kommandiert hab und du rührst dich noch, schlag ich dir eine in dein Bahnhof nein, daß dir sämtliche Gesichtszüge entgleisen!« 148
Während des Weltkriegs ging ein Hauptmann durch die Kaserne und hörte im ersten Stock, in dem die Mannschaftszimmer lagen, einen furchtbaren Spektakel. Ab und zu schrie einer: »Löwen« und darauf jedesmal ein furchtbares Gepolter. Der Hauptmann will den Unfug abstellen, geht hinauf, schleicht sich vorsichtig an die Tür, reißt die Tür auf – da steht nur ein einziger Unteroffizier. »Ja«, sagt der Hauptmann verwundert, »Sie allein können doch unmöglich einen solchen Spektakel vollführen. Was war denn da los?« – »Herr Hauptmann, wir haben was geübt!« – »Geübt??? Machen Sie mir die Übung einmal vor!« – »Zu Befehl, Herr Hauptmann!« – Der Unteroffizier stellt sich in die Mitte des Zimmers und ruft im Kommandoton: »Löwen!« – Da stürzen sechs feldmarschmäßig ausgerüstete Soldaten, die in den Schränken verborgen waren, heraus, kriechen unter den Betten, die in der Mitte des Zimmers stehen, durch und verschwinden in den Schränken an der entgegengesetzten Wand. – Der Hauptmann schaut kopfschüttelnd zu und fragt: »Was soll denn dieser Blödsinn bedeuten?« – »Entschuldigen S', Herr Hauptmann, die sechs Mann kommen morgen ins Feld. Sie müssen allein fahren, ohne Transportführer. In der Station »Löwen« vor Brüssel, da müssen sie umsteigen, durch die Bahnunterführung durch und in den anderen Zug einsteigen. Das Umsteigen haben wir geübt, damit es klappt!« 151