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Der Nixnit wird reich

Es war einmal eine alte Bäuerin, eine rechte mürrische Murmelmuhme, und die hatte einen jungen Knecht, der plagte sich rechtschaffen, ihre Wirtschaft verständig zu führen. Aber wie fleißig er auch war, ihr war es nie genug, und was immer er tat, sie ließ nichts gelten und hieß ihn nur den Nixnit. Und einmal sagte sie ihm: »Ich kann dich nimmer ernähren und im Haus halten. Die Gicht hat mir die Hände gebrochen. Sieben Jahre hast du mir gedient, da hast du sieben Groschen!« Da meinte er, sieben Gröschlein seien viel zu wenig für die lange Zeit und den bitteren Schweiß. Sie aber schlug mit ihrem pomeranzengelben Pantoffel nach ihm und kreischte: »Soll ich dir vielleicht sieben alte Taler geben? Alte Taler und junge Leute, das reimt sich schlecht. Nimm die Groschen! Sonst kriegst du kein Schnipflein mehr von mir!« Da sagte der Bursch: »Ich gehe. Ich mag nicht mein Leben lang im Rüttstroh schlafen; die Halme haben mich grimmig genug gebissen.«

Ehe er das Dorf verließ, fragte er bei den Nachbarn um Rat, wohin er sich kehren und wie er sich benehmen solle, dass er seinem Glück begegne. Der eine kicherte: »Duck dich und buck dich; die Welt will es so haben!« Der andere sagte: »Reck dich und streck dich, schau um dich und hau um dich; die Welt will es so haben!« Nun war er so klug wie zuvor, und er kehrte bei dem dritten Nachbarn ein und klagte ihm, der eine habe ihm hott, der andere wist geraten, und was er jetzt anheben solle. »O weh, oh weh!« rief der dritte. »Du hast schon verloren! Du bist zu gescheit und denkst zu viel. Was nutzt dir dein Weltwitz? Das Glück taumelt mit verbundenen Augen herum und tappt nach dem Dümmsten.«

Betrübt ging der Nixnit über Land, im Quersack nur die sieben Groschen und ein Rindlein Brot und sonst eitel nichts. Es war inzwischen finster geworden, und er lugte zum Himmel hinauf und dachte, wie ein jeder Mensch droben seinen Stern habe, und welches Lichtlein wohl ihm gehören möge. Und er gewahrte ein liebliches, winziges Flämmlein droben, das blinkte gleich dem Tau in allerlei Farben und gab einen wundersamen Glanz von sich. Und da wünschte er sich laut: »Wenn nur dieser Stern mein wäre!« Kaum hatte er solches gewünscht, so rührte sich das himmlische Licht, zitterte ganz fein und flog dann in einem schimmernden Bogen über den Ururwald und das Zickzackgebirge nieder.

Da fürchtete der Nixnit, das Sternlein sei auf die Erde gefallen und habe sich eine goldene Zacke abgebrochen und liege jetzt krank und allein. Und er machte sich auf, es zu suchen.

Rischrasch fuhr der Wind durch den Hag. Ein Hase trabte daher, und der Nixnit beschwor ihn: »Has', Has', Langohr! Bringst mir Unglück, schütz mich Gott davor!«

Des Morgens kam er in den Ururwald, und darin sauste und brauste und säuselte und bräuselte es gar unheimlich; die Bäume wackelten mit den Moosbärten, die Raben greinten, und eine blaue Schlange wispelte zu dem Burschen empor. Da ängstigte er sich, in diesem wurmigen Land könne ihn eine Otter stechen, und er reiste schneller dahin.

Des Mittags erreichte er das raue Zickzackgebirge, und der hohe Felssteig brach ihm schier die Knie. Auf nacktem Stein standen die Geier und gähnten. Auf einmal tat sich vor dem Nixnit eine kalte, feuchte Kluft auf, und darin hörte er es gar flehentlich winseln. Er nahm sich ein Herz und kroch hinein. Die Höhle war von einer Sternschnuppe erleuchtet, die an einer Kette aufgehangen war, und sie schillerte in holden Farben, so dass er meinte, das müsse das Sternlein sein, das vom Himmel gestürzt war und das hier ein Räuber gefangen hielt.

In der wüsten Kluft war auch eine Bettstatt aufgestellt, aus Menschengebein gezimmert, und darüber war eine Bärenhaut gebreitet. Da wusste der Nixnit, dass hier der grausame Waldkerl Golias wohne, und der hatte wohl auch die liebe Sternenflamme gefangen. »Gelt«, sagte der Nixnit zu ihr, »gelt, du arme Lampe, du stündest lieber am Himmel droben zu Gottes Füßen und leuchtetest unter deinesgleichen?« Und er band sie los, und sie zwitscherte und flog wie eine Schwalbe hurtig davon.

Und auch der Bursch machte sich flugs auf die Sohlen. Aber der Waldkerl Golias sprang aus einer Hollerstaude heraus und brüllte: »Krach und Donnerschlag! Wie kommst du daher, Bübleinbub?« Der Nixnit sagte: »Mein guter Stern hat mich hergeführt.« – »Krach und Donnerschlag!« brüllte der Waldkerl. »Du hast mir mein Nachtlicht gestohlen! Drum will ich dich zerreißen und auffressen!« Da bat der Bursch: »Lass mich! Gott schaut droben durch das blaue Glas und sieht, ob du mir ein Leides tust.«

Da lugte der Waldkerl ängstlich zum Himmel hinauf. Er war ein rüdischer Gesell und hauste tief drin in seinem wilden, dicken Bart, und der Bart war auf der linken Hälfte feuerrot und auf der rechten kohlschwarz. »Krach und Donnerschlag! Für diesmal will ich dich laufen lassen!« schnob er und rollte seine grüngelben Augen. »Aber erst musst du mir den Bart lausen! Es juckt mich drin.«

Der Nixnit freute sich, dass er so billigen Kaufes davonkommen sollte, und er kämmte mit einem Dornstrauch sorglich durch den brennroten, pechschwarzen Bart, fand aber nicht eine einzige Laus, sondern nur eine alte, fette Fledermaus, die darin hing und schlief. »Krach und Donnerschlag!« lachte der Golias und schob sie in den Sack.

»Ich will sie ins Vogelhaus stecken, dass ich daheim was habe, das singt. Und zum Dank will ich dir etwas verraten, Bübleinbub.” Er neigte sich zu dem Ohr des Burschen nieder und zischelte hinein: »Wenn du aus dem Gebirg heraus gegen das Dorf Rabenkraht kommst, steht an der Straße eine Säule. Die Säule hat jedes Mal zur Mitternacht, wenn der Vollmond scheint, einen silbernen Kopf.« – »Ei, das trifft sich gut«, sagte der Nixnit fröhlich; »heute Nacht füllt sich just der Mond, und da hole ich mir den silbernen Kopf.« – »Krach und Donnerschlag! Du freust dich zu bald. Gar manches kluge Mutterkind hat dort sein Glück versucht. Aber Stein ist Stein geblieben. Nur wer witzig ist, der weiß es. Doch jetzt, Krach und Donnerschlag!« fletschte der Golias, »jetzt lauf, Bübleinbub, sonst brock ich dich in die Pfanne und fress dich auf!«

Schnell nahm der Nixnit die Füße über die Achseln und rannte aus dem Zickzackgebirge hinaus. Als die Mondkugel aufging, kam er zu der steinernen Säule. Sie war auf einer Hutweide errichtet. Er kletterte gleich hinauf und saß droben und wartete, dass die Kraft des Mondes das Silber aus dem Stein heraustriebe in die Spitze des alten Wegzeigers, wie es der Waldkerl geraunt hatte. Von Rabenkraht schlug die Kirchuhr Stunde für Stunde herüber, die Frösche quaxten im Moos, die Sterne flinzelten listig, der Mond schaute immer säuerlicher darein, und drunten auf der Hutweide drehte sich langsam der lange Schatten der Säule.

Jetzt schlug es Mitternacht. Der Nixnit lauerte auf, und ihm graute. Aber das Wunder vollzog sich nicht, das Silber blühte nicht, und Stein blieb Stein. Da seufzte er: »Ach ich bin und bleib' der arme Nixnit mit den sieben Gröschlein!«

Wie er von der Säule herunterstieg, schaute er wieder den tauigen Stern droben, den er für den seinen hielt, und der blitzte auf einmal mit einem wunderbaren Strahl hernieder. Und der Nixnit rief plötzlich: »Bei Gottes Herzen, jetzt hab ich es!«

Er lief ins Dorf. Dort kauerten der Nachtwächter und sein Hündlein auf der Staffel vor dem Kirchtor, den Spieß neben sich, und schliefen und ließen sich nicht stören. Und der Nixnit nahm den Spieß und rannte zurück zur Wegsäule, und wo jetzt die Spitze ihres Schattens lag, dort wühlte er mit der Stange die Erde auf. Und bald klirrte es, und vor ihm lag eine breite Truhe, gefüllt mit lauter Talern, und er stieg hinab und stand bis zu den Knien in Silber. Und der Mond am Himmel lachte laut auf.

Der arme Nixnit war jetzt ein reicher Mann geworden. Er kaufte sich ein elfenbeinernes Schloss an der Donau, heiratete die Gräfin Bellamira und hatte alles, was sein Mut sich wünschte, und lebte und war fröhlich, solange es Gott wollte.


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