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Ich fürchte aber bisweilen, daß die Blüte dieser Entwicklung vorüber ist. Meine Zeichen sind: ich sehe Trunkenheit und Schwelgerei, wo früher Flamme war; Schwung und Impuls ist der modischen Übung gewichen, Gewöhnung dem Bedürfnis. Bevor ihnen geschenkt wird, erheben sie bereits die Prätension; sie diktieren Werturteile aus Geschmäcklerstimmung, baden sich in einer schwülen Fülle, und das Ungewöhnlichste ist gerade noch gut genug zu Schmuck und Kitzel.
Die Leidenschaft des Empfangens ist durch zwei oder drei Generationen hindurch befriedigt worden, nun sind die Sinne ermüdet und gehorchen nur dem schärfsten Reiz. Die Folge davon ist, daß allenthalben ein mißleiteter und unkeuscher Hang zur Selbstproduktion hervortritt. Jede arrivierte jüdische Familie stellt heute in die Reihen der Jugend einen ihrer Angehörigen als Schriftsteller, Maler, Komponisten oder Dirigenten, was ein wahres Ärgernis ist.
Sie wollen nicht mehr Schale sein, sie wollen Quelle sein. Bedenkt aber, wenn die Schale Quelle sein will, werden die Lippen verschmachten, die durstig daran hängen.
Ärgernis ist es darum, weil es Flucht vor menschlicher Verpflichtung und Beschönigung instinktmäßig gespürter Lebensuntüchtigkeit bezeichnet. Doch es ist Schlimmeres: Raubbau am Kräftevorrat. Die mütterlichen, das ist nährenden Elemente weichen den infantilen, das ist zehrenden, ein Symptom, das den Beobachter nicht bloß im Leben der Juden erschreckt, sondern das wieder im Zusammenhang steht mit der Krankheit der Epoche überhaupt, der Schrumpfung des Herzens und Hypertrophie des Intellekts. In welchem Maß das Judentum daran Teil hat, in welchem Grad es daran mitschuldig ist, bildet seit langem den Gegenstand meines peinvollsten Nachdenkens.